Daniel Casper von Lohenstein
Cleopatra
Daniel Casper von Lohenstein

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Canidius.
Uns ist des Pöfels Trieb / des Fürsten Gunst bekant /
Der Keiser hat in dem und allem freye Hand.

Augustus.
Stadt / Tempel und Altar soll'n ihr alt Recht behalten;
Di Hohen ihr alt Ampt so wi bißher verwalten;
Und ihre Königin noch Majestätisch ehrn.
Di Römer solln kein Haar den Bürgern nicht versehrn.
Wir wolln für aller Heil mehr als für unsers wachen /
Den grossen Rath der Stadt zu Röm'schen Bürgern machenDen grossen Rath der Stadt zu Röm'schen Bürgern machen. Daß dieses eine grosse Ehre sei gewest / erhellet ex Tacit. lib. 13. Ann. c. 54. ubi Nero Legatos Germanorum Civitate donavit. Noch mehr ex Sveton. Octav. c. 40. Civitatem Romanam parcissime dedit. Tiberio pro cliente graeco petenti rescripsit. Non aliter se daturum, quam si praesens sibi persvasisset, quam justas petendi causas haberet. Et Liviae pro quodam tributario Gallo roganti, civitatem negavit, immunitatem obtulit: affirmans, se facilius passurum fisco detrahi aliquid, quam Civitatis Romanae vulgari honorem. /
Den armen vorschub thun / der Unschult pflichten bei'.
Und di gefangen sind / umbsonste lassen frei.
Den Römern / di gleich noch für euch im Harnisch schweben /
Ihr' eingezogne Würd' und Gütter widergeben /
Kein Auge sol nicht naß / ja keine Hand nicht leer
Vom Fürsten gehen weg. Canidius / auch er
Sol seinen Ehrenstand zu Rom im Rathe finden.

Canidius.
Dis wird den Fürsten uns / der Fürst uns ihm verbinden.

Augustus. Proculejus. Corn. Gallus.

Augustus.
Das Wild ist in dem Garn'. Itzt ist es hüttens zeit:
Daß sich das schlaue Thier des Kerckers nicht befreyt'.
Itzt ist es hohe Noth di Natter so zu fassen:
Daß sie ohn unser Weh ihr Gifft muß fahren lassen;
Daß man Cleopatren so künstlich komme bei:
Daß ihrer Hochmuth Strahl der Römer Schau-Spiel sei.

Proculejus.
Was könt' August in Rom für grösre Lust bereiten /
Als / da di Stadt dis Weib di Seuche diser Zeiten /
Di Schlang' in Afrika / di Rom auf Rom verhetz't /
Und unsrer Freiheit hat den Stahl an Hals gesetz't /
Ins Keisers Sigs-Gepräng' als Sklavin könte schauen?
Rom würde dir Altär und hundert Tempel bauen /
Dich in Corintisch Ertzt in Gold und Marmel haun /
Könt' es mit ihr gesperrt des Janus Tempel schaun.Könt' es mit ihr gesperr't des Janus Tempel schaun. Dieses Tempels Aufschlüssung war ein Kriegs-; seine Zuschlüssung ein Fridens-Zeichen. Livius lib. 1. dieser ist aber nur dreimal gesperret worden / einmal vom Numa, das andermal vom T. Manlio Torquato Cos. nach dem ersten Carthagischen Krige / das dritte mal von Augusto nach dieser Besiegung des Antonii. Sveton. in Octavio c. 22. Rosin. Antiqu. Rom. lib. 2. c. 3. p. 208. Dahero Horat. lib. 4. Od. 14. vom Augusto:

– – – – – – Vacuum duellis
Janum Quirini clausit.

Jedoch / wird ihr August sehr süsse müssen singen /
Im Fall er dises Weib vermein't nach Rom zu bringen.

Gallus.
Di reiffe Beere lockt den Vogel / Gold den Geitz /
Ein stummes Ehren-Bild den giftgen Hochmuths-reitz:
Man muß der stoltzen Frau des Keisers Libes-Strahlen /
Di Wunder der Stadt Rom des Haupts der Welt fürmahlen /
Man siht manch nutzbar Quell aus schlechten Steinen quälln:
Man laß ihr Bild zum Schein' in Venus Tempel stellnMan laß' ihr Bild zum Schein' in Venus Tempel stell'n. Als nach diesem Siege Augustus nach Rom kommen / hat er der Cleopatra goldenes Bildnüs in den Tempel der Venus gestellet. Xiphilin. Epit. Dion. lib. 51. p. m. 65. /
Man zünd' ihr Weyrauch an / man laß' ihr Ampeln brennen
Und si / so wi si schwermt / sich eine Göttin nennen /
Ja / weil si ohne dis prangt mit der Isis Kleid /
So werd' ihr gar Altar und Pristerschafft geweiht:
Wird si so / wie ich fast muthmasse / sich bemühen
Durch ihren Gunst-Magnet des Keisers Hertz zu zihen;
So fange man den Wurm durch eigne Zauberei /
Und tichte: daß August verlibt / gefangen sei.

Augustus.
Wi wenn das geile Weib bald würcklich wolte liben?
Wi könten wir dis Werck mit fug nach Rom verschiben?

Gallus.
Wer hir nicht scheutern wil / dem fehlt's an Ausflucht nicht.
Ein Weib wi sehr es brennt verdecket Brunst und Licht /
Gibt sich so bald nicht bloß / lockt durch ihr widerstreben.
Der Eckel muß ihr Reitz / di Tugend Schminck' abgeben /
Versagt / was si selbst wünscht / wil halb genöthigt sein.
Nichts minder brauche man auch disseits reinen Schein;
Man mahl' ihr süsse vor: daß si den Widerwillen /
Der Römer tieffen Haß nicht besser könne stillen /
Bei welchem beider Lib' nicht glücklich könte blüh'n;
Als da si würde selbst nach Rom persöhnlich zihn /
Und durch ihr Tugend-Licht / durch ihrer Anmuth Sternen
Di Wolcken des Verdachts aus Rom und Welt entfernen:
Denn könte si und er mit mehr gewünschter Frucht /
Im heilgen Capitol / was Julius gesuch't /
Anton umbsonst verlangt / den süssen Zweck erreichen /
Für ihren Füssen schaun das Meer di Segel streichen
Den Weltkreis kniende ihr Dienst- und Zinßbar sehn /
Wiweit sich umb den Punckt di Sternen-Circkel drehn.

Augustus.
Wol! laßt di Segel uns recht nach dem Winde richten.
Man muß durch klugen Witz di schlaue List zernichten.
Das schwebend-hohe Nest des PapegoyensDas schwebend-hohe Nest des Papegoyens. Hiervon besihe das sinn-reiche 79ste Symbolum des Saavedra; welches er selbst also auslegt: Psittacus Avis est admodum sincera & candida, quod magnorum Ingeniorum est proprium. Attamen candor illius decipi se non sinit, quin potius tempori dolos novit antevertere, adeo ut serpentis, animalis etiam astutissimi & maxime prudentis illudat artes: nam ut ab insidiis illius nidum suum tueatur, mirabili sagacitate eum ex altissimis & tenuissimis arborum ramis suspendit, ut si forte per illos serpens tentarit adrepere ad enecandos pullos, suomet pondere deorsum decidat. Ita decet artem arte, Consilium Consilio illudere. lacht /
Der Schlange zischen aus. Ihr beide / seit bedacht /
So bald di Stadt besetzt / der Hafen ist verwahret /
Daß ihr behuttsam sanfft und klug mit ihr verfahret /
Bedient Cleopatren / spring't ihr mit Troste bei /
Und meldet: daß August ihr Freund / ihr Schutzherr sei.

Der Schauplatz verändert sich in Cleopatrens Zimmer.

Cleopatra. Proculejus. Gallus.

Proculejus.
Di Götter geben ihr / Princessin / Heil und Leben.

Cleopatra.
Der Himmel euch viel Sieg / uns last den Dolch hergeben!

Gallus.
Verwirft Cleopatra des milden Himmels Gunst?

Cleopatra.
Der leichten Götter Grimm und ihrer Gaben Dunst.

Proculejus.
Man muß durch Flüche nicht di Götter mehr erherben

Cleopatra.
Was fürchtet di / di nichts mehr wünschet / als zu sterben.

Gallus.
Der so aus Kleinmuth stirb't / ist keines Ruhmes wehrt.

Cleopatra.
Kein Ruhm der trüben Noth / di unser Hertz verzehrt.

Proculejus.
August schick't uns mit Trost und Hülf' ihr zuzueilen.

Cleopatra.
Ach! unsre Wunden kan August und ihr nicht heilen.

Gallus.
Was / grosse Königin / verwundet si so scharf.

Cleopatra.
Nenn't iemand / den das Glück in solchen Abgrund warf.

Proculejus.
Sie stand / und steh't noch itzt / und kan noch ferner stehen.

Cleopatra.
Nun Ehe / Thron und Reich zu Grund' und drümer gehen?

Gallus.
Der Keiser wird noch dis noch jenes ihr entzihn.

Cleopatra.
Di Eh' ist im Anton / das Reich durchs Krigs-Recht hin.

Proculejus.
Dort macht's ein Wechsel gutt und hier des Sigers Gütte.

Cleopatra.
Ja! da di Statsucht nicht uns beiden Trost verschnitte.

Gallus.
Si sichre sich / August sei ihr geneigter Freund.

Cleopatra.
Der Freund bringt nur Verdacht / der Kron und Zepter meint.

Proculejus.
Des Keisers Freundschaft heist di Kron-sucht ihn vergessen.

Cleopatra.
Der Fürsten Freundschaft ist nach Vortheil nur zumessen.

Gallus.
August setz't ihre Hold sonst allen Vortheiln für.

Cleopatra.
Nein! mein Verhängnüs gönnt kein solch Gelücke mir.

Proculejus.
Wenns Meer hat ausgetobt muß man gutt Wetter hoffen.

Cleopatra.
Es hat nach falscher still' uns stets mehr Sturmwind troffen.

Proculejus.
Ein Schiff besteht / wenn es den zehnden Schlag steh't aus.

Cleopatra.
Der zehn mal-zehnde stürmt auf unser Haupt und Haus.

Gallus.
Der durch des Keisers Gunst si in den Port versetzet.

Cleopatra.
Auch Caesars Gunst hat euch und Rom auf mich verhetzet.

Proculejus.
Vielmehr Anton / der uns und Rom war allzustoltz.

Cleopatra.
Von Eichen / di gefällt / wil ieder lesen Holtz.

Gallus.
Ligt Julius doch auch / doch / wer wil ihn nicht rühmen?

Cleopatra.
Di Sternen müssen selbst sein Siges-Haupt beblühmen.

Proculejus.
Mißt si denn dem August was mindre Tugend bei.

Cleopatra.
Ach! daß Augustus doch mein andrer Caesar sei!

Gallus.
Si mag so viel auf den als jenen Caesar trauen.

Cleopatra.
Wi? daß August uns denn nicht würdigt selbst zuschauen?

Proculejus.
Der Keiser ist nicht fern / er wachet für ihr Heil /

Cleopatra.
O Wär uns seine Gunst umb unsre Seele feil!

Gallus.
Der Fürstin Ruhm hat ihr den Keiser schonverbunden.

Cleopatra.
Des Ruhm's entfernter Strahl macht schlechte Seelen-Wunden.

Proculejus.
Er weiß: daß Caesarn nichts gemeines so sehr trib.

Cleopatra.
Was Caesarn hat vergnügt hat nicht August bald lib.

Gallus.
Das so gar gleiche Paar kan keine Tugend hassen.

Cleopatra.
Man siht / di Tugend oft auf Tugend Schel-sucht fassen.

Proculejus.
Hier nicht. August erweist' ein anders in der That.

Cleopatra.
Erzählt / was er für Gunst für uns im Vorschlag hat.

Gallus.
Im Vorschlag'? Er läßt ihr itzt schon Altäre bauen.

Cleopatra.
Kan er / di er besigt itzt eine Göttin schauen?

Proculejus.
Ja! weil er sich nicht si für überwunden hält.

Cleopatra.
Wißt: daß der höchste Pfeil auch desto tieffer fällt.

Gallus.
Di höchsten Gipffel blühn / di mittlern trifft das Blitzen.

Cleopatra.
Man hat der Isis Bild noch gestern Blutt sehn schwitzen.

Proculejus.
Weil si ihr Licht gesehn durch ihres untergehn.

Cleopatra.
Muß Glück' und Unglück uns stets auf der Spitze stehn!

Gallus.
Rom sol ihr Himmlisch Bild in Venus Tempel ehren.

Cleopatra.
Rom? das Cleopatren nicht hat woll'n nennen hören?

Proculejus.
Was Rom abwesend haßt / hält's oft anwesend werth.

Cleopatra.
Wi wird durch Gegenwart des Hasses Dunst verzehrt?

Gallus.
Durch ihrer Tugend-strahl wird Haß und Rauch verlohren.

Cleopatra.
Mit Sonn und Tugend wird Neid / Schatten ja gebohren.

Proculejus.
Der Erde Schatten schwärtzt den tieffen Mohnd' allein.

Cleopatra.
Solln unsre Gaben denn was höhre Sternen sein?

Gallus.
Di Augen werden Rom ob ihrem Glantz' entgehen.

Cleopatra.
Wi / daß sich Caesar nichts für uns wolt' unterstehen?

Proculejus.
Der Stand des neuen Reichs ließ es so bald nicht zu.

Cleopatra.
Der Keiser gönn' uns nur Egiptens sichre Ruh.

Gallus.
Wil si dem grossen Rom denn nicht ihr Antlitz gönnen?

Cleopatra.
Di Sonnen-volle Stadt wird uns wol missen können.

Proculejus.
Wi? wenn Augustus denn ihr Licht nicht missen kan?

Cleopatra.
Knipft ihr ins Capitol das Haupt der Erden an?

Proculejus.
Weil Rom nicht läßt von sich den Sitz der Keyser trennen.

Cleopatra.
Laßt Alexandrien das neue Rom denn nennen.

Gallus.
Verschmäht si / daß si Rom anbethe / denn so gar?

Cleopatra.
Schützt Römsche Götter doch nicht Rathhaus nicht Altar.

Proculejus.
August der Rom beschürmt / wird si nicht Schutzlooß lassen.

Cleopatra.
Sein Schutz-Herr Julius hat müssen selbst erblassen.

Gallus.
Si steht des Keisers Wunsch' und ihrem Glück im Licht'.

Cleopatra.
Ich weiß / August begehrt selbst unsern Weg-Zug nicht.

Proculejus.
Sehr wol! August wird mehr als wir hir Rathes wissen.

Cleopatra.
Wir wünschen Knie und Hand fußfällig ihm zu küssen.


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