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In dem einer meiner Aquarien hatte sich eine scheußliche braune Alge angesiedelt, gegen die die als vereidigte Fensterputzer angestellten Schnecken nicht anarbeiten konnten.
So mußte ich schon der Not gehorchend dem Fisch- und Schneckenvolk kündigen, Sand und Pflanzen herausnehmen und mit Geduld, Lufah und Essig die braune Schicht abschrubben. Als ich damit zu Ende war und das Glas so durchsichtig war, wie es ein Glas nur sein kann, fiel es mir aus der Hand und zerbarst in drei Teile.
Da dieser Fall sich in dem Monat schon zweimal ereignet hatte, sah ich darin einen Wink des Schicksals und einen Hinweis auf die sprichwörtliche Dreiheit aller guten Dinge, ersparte mir eine weitere Ausgabe von sechs Mark, tat Sand, Pflanzen, Fische und Schnecken in einen anderthalb Fuß breiten flachen Zinkbottich und grub diesen in den Garten zwischen Tuffsteinen und Farnen ein und wurde auf diese Weise Teichwirt.
Ich fand bald heraus, daß meine Privatlandschaft durch die Wasserfläche bedeutend gewonnen hatte. Vom Verandafenster aus sah ich den Spielen der beiden Zwergwelse zu, beobachtete die Wasserwanzen, die sich angesiedelt hatten, ohne daß ich ihnen von dem Dasein des Teiches Nachricht gegeben hätte, freute mich, wenn die Rotschwänzchen und Buchfinken zum Trinken kamen, und ärgerte mich, wenn eine ungehobelte Schwarzdrossel dort ein Bad nahm, denn sie ging mit dem Wasser so verschwenderisch um, als bezahle sie das Wassergeld, und ich war jedesmal hinterher gezwungen, den geringen Pegelstand durch ein halbes Maß Wasser höher zu bringen.
Bedeutend größer aber war mein Ärger, als ich eines Tages die Häupter meiner Lieben, der Zwergwelse, zählte, was ziemlich leicht war, da ich nur zwei hatte, und fand daß ihre Anzahl auf die Hälfte zurückgegangen war. Zuerst glaubte ich, ein Fischreiher oder eine Fischotter hätte nächtlicher- und unrechtmäßigerweise dort geräubert; doch eines Abends sah ich eine Katze am Strande meines Teiches sitzen und mit einem furchtbaren Prankenhieb den verwitweten Wels auf das Ufer schleudern. Ich warf ihr zwar meine Pfeife an den Kopf und hatte dadurch den Anblick eines selbstgemachten Feuerwerks, aber mein armer Wels war hin und das bißchen Leben, das noch in dem äußersten Ende seines Schwanze saß, entfloh, ach, nur zu schnell.
Lange Tage, denn es war Juli, überlegte ich, ob und welche Fische ich wieder in den Teich setzen solle, und wie ich die Katze von dem Teich fernhalten solle, ob durch Fußangeln oder Selbstschüsse, da ich mir von Warnungstafeln wenig Wirkung versprach. Aber als ich eines Tages an dem Teich vorüberging, hörte ich etwas plumpsen und sah, daß mein stichelhaariger Teckel Muck mit dem Ausdruck des maßlosesten Erstaunens in seinen schönen braunen Augen auf die Ringe der Flut starrte, denn daß da etwas Lebendiges hineingegangen war, das hatte er gesehen und gehört, aber da ihm sein untrüglichster Sinn, die Nase, über das Nähere keinen Aufschluß gab, so hielt er sich für das Opfer einer optisch-akustischen Täuschung und den Vorgang für ein Ereignis aus der vierten Dimension und setzte sich als real denkendes Wesen schnell darüber hinweg.
Nicht so ich, ein Vertreter der Spezies Homo sapiens. Ich legte mich dadurch auf die Lauer, daß ich mich auf die Bank setzte und rauchte. Als meine Zigarre sich ihrem kurzen Ende näherte und ich durch das Betrachten des Entenflottes auf dem Teich schon in einem traumtänzerinnenähnlichen Zustand geraten war, da zeigte es sich, daß mein Hoffen und Harren nicht in der sprichwörtlichen Art belohnt wurde. Das Wasser rauschte, das Wasser schwoll, und aus der feuchten Flut stieg zwar kein feuchtes Weib, aber ein allerdings auch feuchter Frosch.
So maßlos mein Erstaunen war, so hinderte es mich doch nicht, festzustellen, daß besagter Frosch Rana Esculenta L. subspec. typica war, also der grüne Wasserfrosch, und zwar ein männliches, erwachsenes, normales Stück. Eine ganze Weile blieb er auf dem gelbblühenden Mauerpfeffer sitzen, machte dann einen ebenso unbegründet hastigen wie kühnen Satz, der ihn auf einen grell von der Sonne beschienen Gipsfelsen brachte, drehte sich zweieinhalbmal um sich selbst, wurde auf eine mir unerklärliche Weise platt wie ein gut geratener Pfannkuchen und blieb so geraume Zeit liegen.
Plötzlich kam Leben in ihn. Es wurde auf eine mir ebenfalls noch schleierhafte Weise wieder dick, richtete sich auf, öffnete die goldenen Glotzaugen, machte eine Wendung nach halblinks, und dann erst sah ich, daß er nach einer dicken, schwarz und gelb gestreiften Schwebfliege hinschielte, die eben über dem Teiche erschien und dort wie angenagelt in der Luft stand. Jetzt kam sie der Nase des Frosches nahe. Ein ungeheuer roter Rachen öffnete sich, eine rosenrote Schlabberzunge sauste daraus hervor, und ehe ich den Vorgang recht begriffen hatte, war die schöne Fliege aus der leuchtenden Sonnenpracht in des Froschbauches ewig düstere Nacht hinabgetaucht.
Obgleich ich in der Sprache der Frösche gut bewandert, und imstande bin, an jedem Froschteich ein Konzert zu veranlassen, versagte bei diesem Frosch meine Kunst völlig. Als ich ihn leise und vorsichtig fragte, woher er kam' der Fahrt und wes sein Nam' und Art, sagte er ziemlich unfreundlich: »Quaaks!« und entzog sich weiteren Fragen durch einen Kopfsprung, wie man ihn schöner nicht sehen kann.
Ich habe niemals erfahren, woher er gekommen ist und was ihn veranlaßte, die Gesellschaft seinesgleichen zu fliehen und sich mitten in der Stadt, fern von allen Teichen, anzusiedeln. Ob er schlechte Erfahrungen in der Liebe oder sonstwo gemacht und fröschescheu geworden ist, ob ein widriges Geschick ihn hierher verschlug, verriet er nicht und entzog sich allen Erkundigungen danach durch einen Sprung in die Tiefe des Teiches. Als ich einsah, daß aus ihm doch nichts herauszubekommen war, ließ ich ihn zufrieden; er lohnte meine Rücksichtnahme bald durch Zutraulickeit und wurde so zahm, daß er mir die Brummfliegen von der Fingerspitze schnappte. Als aber der Herbst in das Land kam, verzog er unbekannten Aufenthalts.
Im nächsten Frühling ließ ich mir einen Kübel aus Eichenholz bauen, der vier Fuß tief und fünf Fuß breit war, und ließ ihn bis an den Rand vor der Rhododendrongruppe in der Mitte einer Alpenlandschaft eingraben. Ich versah den Kübel mit einer dicken Schlammschicht, bepflanzte diese mit allerlei Wasserpflanzen, deckte eine Sandschicht darüber und füllte den Kübel bis an den Rand mit Wasser.
Bald sproßten die Wasserpflanzen, die Uferkräuter überwölbten den Rand, allerlei Wassertierchen, Käfer, Ruderwanzen, Wasserläufer siedelten sich an, Schnecken und Müschelchen brachte ich mit, setzte Zwergwelse, Schlammpeitzger, Karauschen, Stichlinge und Schleie hinein und hatte meine Freude an den lustigen Leben, das sich in und um den Teich abspielte. Allerlei blitzende Schwebfliegen summten über ihm, Wasserjungfern ließen sich sehen, große Schwimmkäfer kamen zu Besuch, alle durstigen Schnäbel aus den Nachbargärten, Star und Amsel, Fliegenschnäpper und Rotschwanz, Spatz und Buchfink, Mönch und Spötter tränkten und badeten sich dort. Immer war lustiges Leben an dem kleinen See.
Eines schönen Tages war auch Quaaks wieder da, ganz schwarz war er von dem Winterschlaf geworden und schauerlich mager. Der Rückenknochen stand ihm heraus wie bei einem Droschkenroß vierter Güte oder wie bei einem Radfahrer, dessen Lenkstange zu tief sitzt. Verschlafen blinzelte er mit seinen goldenen Augen in die Sonne, machte einen Kopfsprung in den Teich, berechnete den Kubikinhalt und zeigte sich sehr zufrieden mit der Erweiterung seiner Wohnung.
Von Tag zu Tag wurde er grüner und dicker, fing auch an lauen Abenden zu quarren an. Er hatte drei ganz bestimmte Sitze am Ufer, mit Alpenehrenpreis, Gletschermilzkraut und Steinbrech bewachsene Steine, unter den Wedeln hoher Königsfarne und den Zweigen der blauen Wiesenraute. Dort saß er, wartete, bis sich eine Brummfliege nahte, klappte die rosenrote Zunge heraus und ehe der Brummer sich über den Vorgang so recht klar wurde, fühlte er sich schon den zersetzenden Einflüssen des Magensaftes von Quaaks rettungslos verfallen.
Um zehn Uhr abends war Quaaks verschwunden.
Ich habe niemals erfahren, wo er dann war. Wenn Regenwetter nahte, war er unsichtbar; dann steckte er unten im Wasser aus Angst vor dem Naßwerden. Je heißer es war, desto lieber war es ihm. Er wurde dann immer breiter und sah fast rund aus. Dann war er so faul, daß ich ihn sogar streicheln konnte, was er sonst nicht gern hatte, da er äußerst kitzlig war.
Um ihm Gesellschaft zu geben, setzte ich ein halbes Dutzend halbwüchsiger Laubfrösche in den Teich. Mit wutverzerrtem Gesicht sprang er in das Wasser. Die armen Laubfrösche suchten sich hampelnd und strampelnd zu retten, aber einen erwischte er doch, und ehe ich es verhindern konnte, war das arme Kerlchen hinuntergeschluckt. Um ihn zu strafen, setzte ich eine dicke Knoblauchskröte hinein, was ihm ganz entschieden nicht paßte. Wenn er sie aus Versehen berührte, dann kriegte er ordentlich eine Gänsehaut.
Wenn der Schlauch an die Wasserleitung gedreht wurde und ein dünner, feiner Kunstregen über Fels und See fiel, verschwand Quaaks. Aber die fünf Laubfrösche, die mit Vorliebe in den Rhododendronblüten saßen, weil sie das so gut kleidete, erhuben ein vergnügtes Gemecker über die kleine Erfrischung und fingen sofort an, fröhlich herumzuklettern. Dem Teich aber blieben sie fern.
Im zweiten Herbst verschwand Quaaks abermals unbekannten Aufenthalts. Im Frühling war er wieder da, schwarz, mager und steifbeinig von Rheumatismus. Aber bald erholte er sich und quakte uns allerlei vor, und rundherum sahen die Leute aus den Fenstern und sagten: »Das ist ja beinahe so, als wäre es ein Frosch!«
Im vergangenen Frühling passierte Quaaks etwas sehr Unangenehmes. Zwei junge Leute aus England warfen Froschlaich in den Teich. Einige Tage später waren mehr Kaulquappen als Wasser drin. Quaaks schüttelte sich vor Ekel, denn sowie er ein Bad nehmen wollte, hingen hundert von diesen Wimmeltieren an ihm.
In seiner Not wandte er sich an die beiden Welse, die ihm halfen, so gut sie konnten. Sie schluckten und schluckten, bis sie bald platzten, und setzen Speck an wie vierstöckige Hausbesitzer. Ein Glück war es, daß die Kaulquappen sich bald zu Fröschen verpuppten, sonst hätten die Welse nach Karlsbad gemußt.
Nun nahte der Tag der Rache für Quaaks. Es waren keine seinesgleichen, die jungen Frösche, Proleten waren es, Feld-, Wald- und Wiesenfrösche, und er fraß jeden Tag ein Dutzend von ihnen, und Sonntags, wenn er mehr Zeit hatte, anderhalb. In den ersten Tagen hatte der Garten dem Lande Ägypten zur Zeit des frommen und geschäftsklugen Sepps geähnelt, das der Herr mit Fröschen schlug; in zwei Wochen waren noch zwanzig Fröschchen da, in drei Wochen noch einer, und den verspeiste Quaaks am ersten Juli mittags um zwölf Uhr dreißig Minuten.
Und als er ihn herunter hatte, war er froh, denn er mochte kein Fröschchen mehr. Er hatte sie sich übergefressen. Aber gut angeschlagen waren sie ihm. Er hatte ein Doppelkinn wie eine Schlachtmeisterwitwe, einen Hängebauch wie ein Kantinenwirt, und mußte sich neues Zeug zulegen, denn das alte platzte ihm am Leibe. Wo er seine abgelegte Garderobe ließ, bekam ich nie heraus. Ob er sie an Isodor Brand, der wie bekannt kauft allerhand, losschlug, oder an Bedürftige abgab, blieb mir, wie so vieles bei ihm, ein Geheimnis.
Im Juli vorigen Jahres warf ich einen kleinfingerdicken Regenwurm als Futter für die Schwimmkäfer in den Teich. Nach einer Weile hörte ich ein erhebliches Plätschern. Der Wurm hatte ein Seerosenblatt als Rettungsboot benutzt, aber dadurch war er aus dem Regen in die Traufe gekommen. Quaaks stürzte sich auf ihn und schlang ihn hinab. Es war eine Mahlzeit in Fortsetzungen, eine von zehn zusammenhängenden Gängen. Quaaks schluckte und stopfte mit den Händen nach, der Wurm wand sich, Quaaks schluckte und stopfte, und nach einer halbe Stunde war der Riesen- oder Abgottswurm verschwunden und Quaaks hatte doppelte Taillenweite.
Drei Tage und drei Nächte lag er mit weit weggestreckten Gliedmaßen auf dem Gewirr von Wasserpest und Krebsscherblatt. Am Morgen des vierten Tages war er verschwunden und ward nicht mehr gesehen.
Das war des Wurmes Rache, das war das Ende von Quaaks.