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»Säögn Sie mäöl, ist das nicht billig,
Les'n Se mäöl den Preiskurant!«
Sagt die Meyern, und sie gibt ihn
Der Frau Müller in die Hand.
Und die Müllern liest und staunet,
Und sie gibt ihn wieder hin:
»Hier am Platz ist's nicht so billig,
Sowas gibt's nur in Berlin.«
Und die Meyern sagt: »Da späört man
Einen ganzen Haufen Geld,«
Un die Meyern mit der Müllern
Geht zur Post hin und bestellt.
Von Berlin kommt dann die Ware,
Fröhlich wird sie ausgepackt,
Und die Meyern sagt zur Müllern:
»Na, da sind wir schön gelackt!«
Seit vierzehn Tagen geht es mir nicht so ganz extra. Ich kann Unordnung und Bummelei nicht leiden, weil mein zartbesaitetes Gemüt darunter leidet, und seit besagten vierzehn Tage lebe ich in ziemlicher Unordnung.
Die Sache ist nämlich der und der Fall die: was sie ist, die Döllmern, sie steckt bis über die Ohren in der modernsten Berliner, Wiener, Hamburger und Krakauer Literatur und hat deswegen wenig Zeit, sich um mich zu bekümmern. Das geht ihr und infolgedessen und deswegen auch mir jedes Jahr um dieselbe Zeit so, nämlich um diese, wenn die Post unter dem Hochdrucke der Geschäftskataloge seufzt und die Briefkästen nicht wissen, wo sie hin sollen mit dem Segen. Dann fühlt sich die gute Tante verpflichtet, sämtliche Kataloge zu lesen, so ihr an den Hals geschickt werden und auch die, die mir zugehen. Und über jeden hält sie mir Vortrag, als wäre ich ein Minister und sie meine vortragende Rätin.
»Säög'n Se mäöl,« so fängt sie gewöhnlich ihre Rede an, »hier steht was inne von billigen Kakao, achzig Fennje das Pfund. Ob 'ch mir davon wohl kommen lasse?«
Ich habe es seit tausend Jahren aufgegeben, ihr abzuraten, denn dann tut sie es erst recht, und so stoße ich dann nur einen Ton aus, den sie sich nach Belieben als »n' Jäö« oder »Naan« deuten kann. Ich könnte ihr ja klipp und klar beweisen, daß das, mit Respekt zu vermelden, Dreck ist, den sie für achzig Pfennige bekommt, daß guter Kakao zwei Mark sechzig kostet, aber wie gesagt, es hat ja doch keinen Zweck.
Nach einigen Tagen sitze ich am Frühstückstisch, nichts ahnend und mit unbekümmerter Seele. Vor mir steht der Kakao und die diversen Brötchen. Ich schenkte mir in Gedanken eine Tasse ein und füttere meinen Kanarienvogel, frage ihn, wie er geschlafen hat, und kehre dann zu meinem Tisch zurück. Da fällt mir die sonderbare Farbe des Getränkes auf, die mich an die Pumpe von Oelheim, Wietze und Steinförde erinnert und da sehe ich auch, wie Amalie, die treue Winterstubenfliege, die mir meine stillen Abende belebte, sich auf dem Rand der Tasse setzt. Ich jagte sie weg, aber es war zu spät, sie kam bis auf die Butter, dort legte sie sich auf den Rücken, streckte erst den Rüssel von sich, dann das linke Vorderbein, dann das rechte, hierauf das rechte Mittelbein, sodann das linke, dann das linke Hinterbein, schließlich das rechte, verlängerte sodann ihren Hinterleib um ein Beträchtliches, sah mich noch einmal mit ihren herrlich facettierten Augen an, und dann lag sie auf der Butter und war weege.
Ich nahm sie mit der Messerspitze von ihrem fetten Todesbette, scharrte ihr eine Gruft im Schatten meines Gummibaumes, weihete ihr zwei Tränen aus meinen schönen blauen Augen und suchte dann nach Feder und Papier, um dieses Ereignis in Verse zu bringen, nach des haarigen Ferdinands Art. Schon hatte ich den ersten Vers folgendermaßen zusammen: »O du, die du, da du«, da stockte mir die Tinte in der Feder ...
Von nebenan erklangen Laute, nicht unähnlich denen, die eine trommelsüchtige Kuh verzapft. Ich stürzte aus dem Zimmer und klopfte bei Frau Döllmer an. Sie antwortete nicht. Da klinkte ich die Tür auf. Ein schrecklicher Anblick wartete meiner. Die würdige Dame saß in der Sofaecke, nur in Unterrock und Nachtjacke, und in bezug auf die Haare ungemacht. Sie hielt sich die Seiten und stöhnte über die Maßen und hatte eine ganz sezessionistische Couleur im Gesicht.
Ich ging nach dem Schranke, wo in der Ecke die Flasche stand, in der der edle Saft ist, den jener Zweig der Familie Niemeyer herstellt, der das bekannte Chateau hat, schenkte ein Glas voll, hielt es ihr unter die Nase und, indem ich ihr dreifaches Kinn herabzog, schüttete es ihr ein. Dieses wiederholte ich dreimal, worauf sie wieder zu sich kam, sich ihres Aufzuges schämte und in ihre Kammer ging. Ich aber holte den Dokter.
Der kam auch bald. Er ließ sich von ihr die Zunge zeigen, untersuchte auch ihren Hals und sagte mir dann, er wisse nicht, was es sei. Ihm scheine es Bräune zu sein, denn ihr Hals sehe aus wie ein Torfwagen von innen. Ich erzähle ihm die Sache mit der toten Amalie. Da sah er sich den Kakao an und stellte die Diagnose auf eine totale Verkleisterung und Gerbung aller Interna von Anastasia Döllmer durch ein Gemisch von Zigarrenholz, gemahlener Birkenrinde und Stampfasphalt.
Nach acht Tagen war meine Wirtin wieder hoch. Die zehn Pfund Kakao haben wir dem Stadtbauamt zur Verfügung gestellt zur Asphaltierung des Schiffgrabens. Anastasia aber gelobte mir, von jetzt ab den Kakao nur noch in Hannover zu kaufen.
Es mochten acht Tage vergangen sein, da kam sie eines Abends auf meine Bude und sprach folgendermaßen wie folgt: »Säög'n Se mäöl, hier steht 'n Inseräöt im Bläöde, daß man in Kräökau bei Löffler für vier Mark vier Päör Schuhe kriegt. Ob 'ch d'r wohl mäöl hinschraabe?«
Da man Schuhe weder backen noch kochen kann, so war mir die Sache ebenso tout wie même chose, und ich sagte ihr, sie sollte es machen wie der Pfarrer Aßmann. Sie aber schickte dem Manne in Krakau die vier Mark. Wir hatten gerade Regenwetter, als die Schuhe ankamen. Frau Döllmer zog ein Paar an und schob in der Direktionsrichtung zur Markthalle ab.
Ich kam erst abends heim, da ich einen Heidebummel machte. Schon auf der Treppe hörte ich ein Geräusch, als wenn eine Schnellzuglokomotive nieste. Ich trat in mein Zimmer, steckte die Latüchte an und suchte nach meinem Abendbrot. Dasselbe war nicht daselbst. Ich begab mich in die Küche und suchte Frau Döllmer. Dieselbe war auch nicht dortselbst.
Ich trat in das Wohnzimmer, woselbst ich dieselbe fand. Aber wie? An der Erde lagen sechs Taschentücher, die Tischdecke, die Kaffeekanne, der Strickstrumpf, die Zeitung, vier Butterbröte, der Teepot und Aly, ihr Mopsteckelspitz. Dieser aber zitterte und kroch winselnd zu mir heran, als sei der böse Feind hinter ihm.
In demselben Augenblick erschütterte eine furchtbare Detonation das Zimmer. Der Hund heulte, als sei ihm kochendes Wasser auf den Steert getropft, die Hängelampe schwankte, als hätte sie einen ausgedehnten Frühschoppen gemacht, mir flog die Türklinke aus der Hand, und ich selbst wurde auf den Vorplatz geschleudert. Noch eine Detonation erfolgte, und noch eine, und abermals eine, daß das Haus in seinen Grundfesten bibberte. Und dann folgte ein Laut, als gäbe ein Automobilschlauch seinen Geist auf, und diesem Laut ein Wort: »O Gotte!« und Frau Döllmer erhob sich aus ihrer Ecke.
Sie hatte einen Riesen- oder Abgottschnupfen, die alte Dame, direkt bezogen von Herrn Löffler aus Krakau für vier M. Stöhnend und nach kaputer Automobilschläuche Art seufzend, erzählte sie mir ihr Unglück. Als sie auf der Schillerstraße war, fing es an zu regnen, in demselben Augenblicke merkte sie, daß ihr einer Fuß naß wurde. Der linke Stiebel hatte einen Notausgang gekriegt. Das ließ seinem ehrgeizigen Bruder keine Ruhe und er legte sich ebensolchen zu. In der Markthalle merkte Frau Döllmer, daß sie so 'ne Art von teilweiser Kneippkur durchmachte. Beide Sohlen waren weege. Auf dem Heimweg verlor sie auch das Oberleder und kam nach Hause mit einem sogenannten Öl- oder Pappkopp, dem sicheren Vorboten einer dauernhaften Verkühlung.
Ein Glück, daß sie eine gute Natur hat. Ein anderer Mensch hätte sich eine Lungenentzündung geholt, einen akuten Gelenkrheumatismus oder eine Influenza mit Eichenlaub und Schwertlilien davon. Natürlich hat sie ihren Zentnern entsprechend einen Überschnupfen. Ihr Niesen könnte Veranlassung zu einem Anarchistengesetz geben, denn Throne und Altäre wackeln, wenn's losgeht, die Fensterscheiben springen, der Stuck fällt von der Decke, die Türen springen auf und die Stühle fallen um.
Na, nun ist sie wieder oben auf. Ihren Schnupfen ist sie los. Ob sie aber ihre Sucht los ist, billig zu kaufen und von auswärts, das weiß ich nicht. Sie hat mir schon wieder einen Vortrag gehalten über einen billigen Wein-Katalog. Ich werde also Sonntag einen Mosel vorgesetzt bekommen, der Löcher in die Tischdecken frißt; die man aber schnell stopfen kann, wenn man den von der selbigen Firma bezogenen Rotspohn darauf gießt, denn der zieht sie wieder zusammen. Ich glaube, ich esse lieber auswärts. Jawohl das werde ich tun, denn mir fällt da eine ganz geheimnisvolle Geschichte ein, die mir gestern abend passierte. Sitze ich da bei meinem Abendbrot und nehme von dem Teller ein Paar Würstchen. Was meinen Sie, das, was nun noch darauf lag, rückt auf den Platz seiner Vorgänger. Ich war hungrig, und so hielt ich das für Zufall. Aber ich glaube, ich glaube ... Entschuldigen Sie mich mal einen Augenblick, ich bin gleich wieder da. – – –
So – dacht ich mir's doch. Sie hat mit sechs anderen Frauen sich die Würste von auswärts kommen lassen. Nun ist mir das Nachrücken klar. Hab'n Se nicht – keine Angst, ich singe das Lied nicht! – ist es Ihnen nicht aufgefallen, daß wenn eine Droschke vom Stand fährt, die anderen dann nachrücken? Na also! Was das Roß gewohnt ist, kann die Wurst nicht lassen.
Von morgen ab esse ich aus dem Hause. Ich sehe gar nicht ein, warum ich den auswärtigen Handel unterstützen soll, überhaupt und so ......