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Der Zar und die Nachteulen 1880.

Die bevorstehende Krönung des neuen Zaren erinnert mich an eine Reihe von Umständen, deren geheimnisvoller Zusammenhang bei manchen vielleicht das Gefühl jener seltsamen »Sympathien« erwecken dürfte, von denen Swedenborg spricht. Jedenfalls geht daraus hervor, daß die Wirklichkeit manchmal in einem phantastischen Spiel merkwürdig zusammentreffender Umstände die äußerste Grenze des Wunderbaren überschreitet.

Im Frühsommer 1870 gab der Großherzog von Sachsen-Weimar dem Zar Alexander dem Zweiten ein kunstvoll geleitetes Fest. Mehrere Fürsten Deutschlands waren dazu eingeladen. Es sollte, wenn ich nicht irre, die Verlobung einer sächsischen Prinzessin mit dem Großfürsten Wladimir, dem Bruder des Zarewitsch, in die Wege geleitet werden.

Das Programm umfaßte ein Fest in Eisenach und die Aufführung der Hauptwerke Wagners in dem kleinen, aber sehr guten Theater in Weimar.

Ich kam am Vorabende des Festes im Hotel »Zum Erbprinzen« an und saß abends an der Table d'hôte Liszt gegenüber, der inmitten seines weiblichen Hofes Champagner trank und sein geistliches Kleid bequem genug zu tragen schien. Zu meiner Linken plauderte eine junge Stiftsdame vom österreichischen Hofe, die ein kleines Stumpfnäschen hatte, was damals sehr beliebt war – die aber im Gegensätze dazu so streng tugendhaft war, daß man sie » Sainte Roxelane« nannte. Um den Tisch herum lief Olga de Janina, die phantasievolle Kunstschützin. Wir waren ganz unter Künstlern, man gab sich ohne allen Zwang.

Zu meiner Rechten saß dick und breit ein Kammerherr des Zaren, Graf Phedro, ein Fünfziger, der mehr als 6 Fuß hoch war, übrigens ein berühmtes Original.

Nachdem wir zwei oder drei höfliche Worte gewechselt hatten, waren wir schon näher bekannt mit einander geworden.

Er war ein alter Pole, der sich jedoch zu praktischen Ideen bekehrt hatte, ein vollendeter Höfling, vor dessen liebenswürdigem Lächeln sich die schwierigsten Fragen leicht lösten. Ich erfuhr später, daß seine Stellung eine Sinekure sei, die die Gnade des Kaisers für ihn besonders geschaffen hatte. Sein Anzug zeigte eine etwas vernachlässigte Eleganz, auf dem Kopfe trug er einen unmöglichen Hut, ein Ding von unbestimmter Form, wie der Hut eines Trunkenboldes, der schon zwanzigmal hin- und hergeworfen war. Und gerade darauf war er stolz. Das schien der bedeutendste Punkt seiner Persönlichkeit zu sein, die übrigens schon ein wenig aus den Angeln gegangen war. Im übrigen war er ein liebenswürdiger PIauderer, ein feiner, sehr gebildeter Kenner. – Warum erzähle ich eigentlich von ihm? – Wie oberflächlich auch unsere Bekanntschaft war, er hat sich nun mal meinem Gedächtnis eingeprägt.

»Sie sind hier in Begleitung Seiner Majestät?« frug ich ihn.

»Nein,« antwortete er, »ich bin nur privatim in Weimar, als Liebhaber der Kunst.«

Auf eine allgemeine Frage über die moderne Bewegung in seinem Adoptivvaterlande antwortete er:

»In unsern Tagen wird der Zar nur von den tausend Augen der kleinen russischen Aristokraten, von dem stets unzufriedenen Hochadel schief angesehen. Eure Freiheitsideen sind dort ohne Spitze. Die freigelassenen Leibeigenen kommen von selbst, um sich wieder zu verkaufen. Alle sind für den Kaiser! Nicht zu Füßen des Zaren, nein, nur in seiner nächsten Umgebung leuchten ihm Unglückssterne

Wir tranken Kaffee und rauchten eine Cigarre. Währenddessen gab mir Phedro gute Ratschläge, wie man im Leben voran kommen könne, und ich lauschte den Worten des gewandten Hofmannes mit jener traurigen Verachtung, die sich nur hinter tiefem Schweigen verbergen kann.

Man erhob sich; mein Reisegefährte, der Dichter Catulle Mendés, kam auf mich zu.

»Der Großherzog wird heute abend bei Liszt erscheinen, er wünscht, daß ihm dort die französischen Gäste vorgestellt werden. Liszt schickt mich zu dir, um dich zu bitten, ganz freundschaftlich eine Tasse Tee bei ihm zu trinken. Bring' eines deiner Manuskripte mit!«

»Gut!« antwortete ich.

Gegen 9 Uhr, nach einer halb offiziellen Vorstellung bei Liszt, bat mich der Großherzog, ein schlanker Mann von 38–40 Jahren, irgend etwas vorzulesen; ich setzte mich unter einen Kandelaber an ein Pfeilertischchen. Er saß mir gegenüber und stützte die Ellenbogen auf. Ungefähr zwanzig Freunde des Weimarer Hofes, sowie einige Fremde saßen um mich herum, und ich las etwa zehn Seiten aus einem tollen und unheimlichen, aber zeitgemäßen Possenstück »Tribulat Bonhommet«.

Es gibt Abende, an denen alles zur Fröhlichkeit aufgelegt ist. Durch einen glücklichen Zufall hatte ich einen solchen getroffen, ich hatte einen ungeheuren Erfolg, überall wütendes Gelächter.

Diese fast krampfhafte Lustigkeit bemächtigte sich auch der ernstesten Zuhörer, so daß sie die Etikette darüber ganz vergaßen. Unter anderm bemerkte ich, daß der Großherzog buchstäblich Tränen in den Augen hatte. Ein ernster Offizier vom Gefolge des Zaren lachte zum Ersticken und mußte sich zurückziehn; wir hörten im Vorzimmer die kolossalen Ausbrüche seines Lachens, dem er sich dort ganz ungeniert hingab. – Es war ganz toll, und ich bin überzeugt, daß, wenn S. K. Hoheit der Großherzog von Sachsen-Weimar morgen diese Zeilen lesen wird, er sich eines Lächelns nicht erwehren wird, wenn er jenes Abends gedenkt. Am andern Morgen strahlte die Sonne hell über dem köstlichen, von waldbesetzten Höhen umkränzten Tal von Eisenach und beleuchtete die Zinnen der stolzen Wartburg Die fünfzehn- oder zwanzigtausend Untertanen unseres ehrwürdigen Schloßherrn überließen sich überall harmlosester Fröhlichkeit. Bierzelte mit bunten Wimpeln, Hanswurstbühnen, Musikbanden – ein großes Fest im Freien! – Dieses Volk war stolz auf seine Vergangenheit und hielt sich einer großen Zukunft für würdig.

Der Großherzog, der wie ein Freund von allen geliebt und verehrt wurde, spazierte in modernem Paletot ganz allein unter den Leuten umher, überall wurde er mit freundlichstem Lächeln begrüßt.

Ich hatte morgens die Wartburg besucht. Man zeigte mir dort den schwarzen Fleck auf der Mauer, der vom Tintenfaß Martin Luthers stammte, das dieser würdige Gottesmann dem Teufel, den er seinem Schreibtisch gegenüber zu sehen glaubte, an den Schädel warf. Man zeigte mir den Gang, in dem die heilige Elisabeth das Rosenwunder vollbrachte, und den Saal des Landgrafen, wo die Minnesänger Walter von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach durch den Sang des Venusritters besiegt wurden.

Das Fest gab uns ein Neuaufleben vergangener Jahrhunderte, die die alte Wartburg wieder in Erinnerung brachte.

Als der Großherzog mich in dem Tale bemerkte, kam er mir mit großer Liebenswürdigkeit entgegen. Während wir plauderten, grüßte er mit der Hand eine alte Dame, die fröhlich zwischen zwei hübschen Studenten daher kam. Letztere führten sie am Arme, den Hut in der Hand.

»Die da,« sagte er zu mir, »ist die Künstlerin, die das Gretchen im Faust in Deutschland crëiert hat. Sie wird morgen hundert Jahre alt.«

Einige Augenblicke später fuhr er lächelnd fort:

»Sagen sie mal, haben sie auf der Wartburg auch den Bären, den Luchs, das Renntier, den Tigerwolf, den Adler, kurz die ganze Menagerie gesehen?«

Als ich bejahte, fügte er ein Wortspiel hinzu, das nur im Französischen möglich und verständlich ist, einen Kalauer, den der Großherzog gern seinen Gästen vortischte.

Er sagte: »Nun, jetzt sehn sie auch einen Grand-Duc Grand-Duc = Großherzog; Granduc = Nachteule. vor sich. Es gibt deren Tausende in dem Park von Weimar. Da ist das Stelldichein aller Nachtvögel Deutschlands. Ich lasse sie dort solange leben, wie sie wollen.«

Ein Kammerherr näherte sich uns; er begleitete einen Courier des Zaren, der eine Botschaft überbrachte. Ich entfernte mich. Einen Augenblick später meldete Graf Phedro mir, daß der russische Kaiser am Abend nach Weimar kommen und der Vorstellung des Fliegenden Holländers beiwohnen werde.

Die Sonne senkte sich hinter den Hügeln und den Laubvorhängen der Eschen und Eichen, deren Blätter rotgold erschienen. Die ersten Sterne leuchteten über dem Tale hoch oben am tiefblauen Himmel. Alles rings umher war still. Dann plötzlich hörte man in der Ferne einen unsichtbaren Chor von mehr als achthundert Stimmen, der den Gesang der Pilger aus dem Tannhäuser anstimmte. Bald erschienen die Sänger selbst; in lange, braune Kutten gehüllt und auf Pilgerstäbe gestützt, schritten sie langsam den Venusberg hinauf; ihre Gestalten lösten sich deutlich von der Dämmerung ab. Wo anders, als in diesem durchaus künstlerischen Gegenden, Deutschlands sind solche phantastischen Spiele möglich? Als nach dem mächtigen Schlußsätze der Chor schwieg, erhob sich eine Stimme, zweifellos die von Betz oder Scaria, und sang das herrliche Lied Wolframs von Eschenbach an den Abendstern.

Der Minnesänger stand auf dem Gipfel des Venusberges ganz allein, wie eine Vision aus der Vergangenheit hoch über der schweigenden Menge. Die Wirklichkeit verwandelte sich in einen wunderbaren Traum. Die Wirkung war eine so gewaltige, daß der Gesang verhallte, ohne daß jemand auch nur die Idee gehabt hätte, Beifall zu klatschen. Es war wie nach einem Abendgebet.

– – Kanonenschüsse, die von der Veste herabdonnerten, zeigten an, daß das Fest vorüber sei. – Gegen acht Uhr saß ich wieder in dem großherzoglichen Zug und fuhr nach Weimar zurück. – Dort war der Zar angekommen.


Am andern Abend bekam ich einen Theaterplatz neben der witzsprühenden Frau de Monkhanoff, der Chopin die meisten seiner Mondscheinwalzer gewidmet hat, diese Geistermusik, die man abends hinter den Gittern eines verlassenen Herrenhauses zu hören glaubt. – »Sainte Roxelane« war auch da. – Aus dem Hintergrunde der Loge warf Phedro seinen großmeisterlichen Schatten über uns.

Die doppelte Galerie, ja der ganze Saal strahlte in dem Feuer von Myriaden Diamanten, von einer Überfülle von Orden mit kostbaren Steinen auf blauen Uniformen oder schwarzen Hoffracks. Dazwischen die feinen weißen Profile fremder Damen, die sich matt von dem roten Sammet der Logen abhoben – auch scharfe, hochmütige Blicke, die wie Degenklingen sich kreuzten.

Im Mittelpunkt – in der Loge des Großherzogs und an seiner Seite – saß der Großfürst Wladimir. Neben diesem jungen Fürsten eine Prinzessin von Sachsen-Weimar. Links in der Loge der König von Sachsen.

Rechts war die Loge des abwesenden Königs von Bayern. In der rechten Proszeniumsloge stand kalt und hoch aufgerichtet in sächsischer Uniform, das Malteserkreuz um den Hals, die Stirn von der dem Hause Romanoff eigentümlichen Melancholie umdüstert, Alexander der Zweite.

Der Klang einer Glocke ertönte, eine sofortige Dunkelheit erfüllte den Saal mit tiefem Schweigen. Die Ouverture zum »Fliegenden Holländer« rauschte durch den Saal. Der Trauerruf des Holländers ertönte auf den schwarzen Wogen der hohlen See, wie das alte Lied des ewigen Juden der Meere. Alle horchten. Ich blickte auf den Zaren, er lauschte ebenfalls.

Mein Geist war noch ganz eingenommen von dieser triumphierenden Musik, als ich am Ende des Abends in das Hotel »zum Erbprinzen« ging, um etwas zu essen. Dort war alles voll heller Begeisterung.

Da ich jedoch die Einsamkeit der begeistertsten Besprechung vorziehe, entschloß ich mich, allein in den Park zu gehen, um mich durch eine Zigarre zu zerstreuen.

Ich ging hinaus und überließ die Reden den Musikkennern.

War die Nacht schön! Und erst der Park von Weimar in dieser herrlichen Nacht! – Ich ging hinein. In der Ferne links vom Gitter schimmerte ein Licht unter einem Dome von Laub. Dort war das Goethehaus, das ganz allein, einsam und verloren in dieser Einsamkeit liegt. Der Mond warf einen breiten Lichtstreifen über den Rasen, der Goethes Sterbezimmer gegenüber liegt. »Mehr Licht!« dachte ich. – Ich verlor mich in den hundertjährigen Bäumen einer Allee, deren Äste und Zweige so ineinander verwachsen waren, daß sie das Dunkel der Nacht noch mehr verfinsterten. Ich war ganz allein. –

Ich ging ungefähr eine Stunde aufs Geradewohl voran, ohne auf den Weg zu achten.

Dann bemerkte ich, daß etwa in Manneshöhe über mir, da, wo die ersten Äste der Bäume ansetzten, jeden Augenblick leise in dem Dickicht etwas rauschte, als ob sich eine Menge lebender Wesen darin bewegte.

Als ich das Dunkel der Zweige zu durchdringen suchte, erkannte ich unzählige, runde, blinzelnde und phosphorn glühende Augen. Es waren die » grand-ducs«, von denen mir der » Grand-Duc« von Weimar (mit Reverenz gesagt) erzählt hatte.

Sicher, die fühlten sich hier zu Hause! Niemand beunruhigte sie; sie wurden durch einen alten Aberglauben geschützt. Die Förster des Fürsten respektierten sie und so saßen sie in langen Reihen auf ihren dicken Ästen und überließen sich ganz ihren düstern Gedanken. Manchmal durchkreuzte eine der Nachteulen in langsamem, schwerfälligem Fluge mit dumpfem Schrei die Allee. Außer diesen seltenen Flügen störte sie nichts in ihren tiefen Träumen.

Mein nächtlicher Spaziergang hatte mich zu einer Lichtung geführt, in deren Grunde ich das erleuchtete herzogliche Schloß sah. Sollte das Abendessen der Fürsten noch immer dauern? – Nun stieß ich gegen ein Hindernis, ich sah, daß es eine Bank war. Ich ließ mich ganz gefangennehmen von der Ruhe und Schönheit dieser Nacht; ich streckte mich lang aus, stützte den Ellbogen auf und ließ meine Augen über die Lichtung gleiten. Es mochte so ungefähr halb zwei Uhr sein.

Plötzlich erschien jemand vom Ausgang einer der kleineren Alleen, die zum Schlosse führen, und schritt, die Zigarre in der Hand, gerade auf mein Versteck zu.

Gewiß irgend ein sentimentaler Offizier, dachte ich, während der Spaziergänger langsam auf mich zukam. Als er jedoch in meine Allee eintrat, wurde er plötzlich ganz vom Mondlicht übergossen – ich zitterte – – –

»Halt, das muß der Zar sein!« sagte ich zu mir selbst.

Einen Augenblick später erkannte ich ihn ganz genau. Ja, er war es. Dieser Mann, der aufs Geradewohl durch die dunkeln Laubgänge schritt, in denen ich allein wachte, er, den ich jetzt schon nicht mehr sah, von dem ich nur wußte, daß er noch da war und dessen Schritte ich durch die Nacht mitten in der Allee hörte, war der mächtige Zar, Alexander der Zweite! Das seltene Ungefähr, durch das ich mich plötzlich ganz allein mit ihm befand, machte tiefen Eindruck auf mich.

Niemand folgte ihm! Kein einziger Offizier. Wahrscheinlich hatte es auch ihn gedrängt, allein zu sein und in der Stille der Nacht aufzuatmen. Ich hörte, wie seine Schritte sich mir näherten; er konnte mich nicht sehn. Ungefähr drei Schritte von mir entfernt leuchtete seine Zigarre plötzlich auf, und ihr Wiederschein auf seinem vergoldeten Kragen erhellte für einen Augenblick seinen leicht ergrauten Bart, sowie das weiße Malteserkreuz. Es war wie ein Blitz, der flüchtig, aber in unvergeßlicher Weise die tiefe Dunkelheit durchschnitt. Ohne mich zu bemerken, ging er an mir vorbei, und ich sah ihn sich nach einer seitwärts gelegenen Lichtung entfernen, die ungefähr dreißig Schritte von meiner Bank entfernt lag. Da sah ich, wie der Zar plötzlich anhielt und einen langen Blick nach Osten warf, wo bald die Morgendämmerung herannahen mußte. Heftig riß er mit beiden Händen das Gezweige des hohen Unterholzes auseinander, und die Augen in die Ferne gerichtet, blieb er, ab und zu an seiner Zigarre ziehend, unbeweglich stehn.

Aber das Geräusch der auseinander gedehnten und geknickten Zweige hatte Lärm hinter ihm verursacht! Aus dem tiefen dunkeln Laub blickten zahllose leuchtende Augen ernst auf ihn nieder. Die Worte Phedros fielen mir bei diesem Anblick plötzlich wieder ein: »Ganz nahe um ihn herum leuchten die Unglücksaugen.«

Also selbst hier, mitten in einer kleinen deutschen Stadt, wurde wie in seinem eignen Lande dieser ernste Spaziergänger, der Herrscher über mehr als hundert Millionen Seelen, er, dessen Schatten eine Seite des Erdballs bedeckte, von tausend und abertausend drohenden Augen, die ihm übel wollten, beobachtet!! – Dieser Mann konnte sich nicht in der Nacht ergehen, ohne daß die Erinnerung an Peter den Großen und seine maßlosen Wünsche durch eines andern Gemüt zog, und wäre es auch nur das eines unbekannten Träumers. – Nach wenigen Augenblicken kehrte der Kaiser in die Allee zurück, verfolgt von den glühenden Augen dieser verborgenen Nachtvögel, durch deren Reihen er, ohne es zu wissen, daherschritt. Bald fühlte ich, daß er an der Bank vorbei streifte, auf der ich mich ausgestreckt hatte.

Er entfernte sich nach der Lichtung zu, erschien noch einmal im vollen Mondschein, dann wieder bei einer Biegung der Allee und verschwand schließlich. – – Morgen, wenn in Moskau unzählige Stimmen ihr » Bogë Tzara Krani« rufen, wenn der Donner der mächtigen Kanonen der frommen Hauptstadt des Kaiserreichs, vereint mit den gewaltigen Glocken des Kreml, der Welt die Thronbesteigung des jungen Nachfolgers Alexanders II. verkünden – dann wird sich der Träumer des Parks von Weimar jenes einsamen Wanderers erinnern, dessen Schritten er eines Nachts gelauscht hat. Er wird sich des Spaziergängers erinnern, der mit ermüdeter Bewegung die Zweige auseinander riß, die ihm Blick und Gedanken beengten. Er wird der Gestalt des Vorgängers des jungen Zaren gedenken, die im Schatten verschwand, verfolgt von den in geheimnisvoller Stille unheimlich leuchtenden Augen, unter denen er mit ernster, verächtlicher Miene daherschritt.


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