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Vorwort.

Die deutsche Ausgabe dieses Buches soll ein Versuch sein, eine Probe. Seine Aufnahme mag zeigen, ob das deutsche Publikum, oder ein kleiner Teil desselben wenigstens, reif genug ist, die Schönheiten eines der herrlichsten Dichter, die je gelebt, genießen zu können. Denn in der Tat, es gehört ein gut Stück Kultur dazu, Villiers de L'Isle-Adam schätzen zu können, der seiner Zeit um so viele Längen vorausschritt; jemand, der z. B. »Jörn Uhl« zu Ende lesen kann, wird niemals fähig sein, sich in Villiers' wunderbaren Zaubergärten zurechtzufinden.

Villiers gehört zu den » Poètes maudits«, zu den unglückseligen Dichtern, die das Kainszeichen ihrer gewaltigen Kunst stets mit sich tragen, dies Ruhmeszeichen, das die wenigstens in bezug auf die Kunst demokratische Masse stets scheut, wie der Napolitaner den bösen Blick! Paul Verlaine, der denselben Fluch trug, sagt von ihm:

»Bien que Villiers soit déjà très
glorieuxet que son nom parte, destiné
au plus profond retentissement pour une

posterité sans fin, néanmoins nous le classons
parmi les Poètes maudits, par se qu'il
n'est pas assez glorieux en ces temps,
qui devaient être à ses pieds!«

Wirklich, unsere Zeit sollte ihm zu Füßen liegen, denn bis heute – Villiers starb 1889 – ist es nicht einem gelungen, seine Höhe zu erreichen, und vor ihm war es nur einer, auch ein »Verfluchter«, der gewaltige E. A. Poe, dessen Kunst, über allem bis dahin Geschaffenen hinaus, sich so hoch in ungeahnte Welten erhob.

Philipp August Mathias Graf de Villiers de L'Isle-Adam kam im Jahre 1862 nach Paris. Er wollte ein Herrscher werden, und das wurde er – freilich in einem stolzeren Reiche, als es anfänglich seine Absicht war! Er kam nach Paris, um in den Tuilerien für sich uralte Ansprüche seiner Familie auf den Thron Griechenlands geltend zu machen. – Wirklich, ein stolzes Geschlecht, welches das Feuer des Ruhmes im Herde des Stammschlosses nicht erlöschen ließ! Schon 1067 treffen wir den Stammvater, Rudolph den Schönen, Herrn von Villiers und Dormans; 1324 vermählte sich Jean de Villiers mit Marie de L'Isle-Adam, beider Sohn Peter I. ist der erste Villiers de L'Isle-Adam. Sein Sohn Jean, Marschall von Frankreich, fiel 1437 zu Brügge; Philipp de Villiers de L'Isle-Adam war der erste Großmeister des Ordens auf Malta. Und wenn auch die Kandidatur des jüngsten Sprößlings des alten Geschlechts auf den griechischen Königsthron ohne Erfolg war, so fand dieser doch bald in Paris ein Reich, das mehr wert war als das moderne Hellas, und hier zog er als Herrscher ein. Ich meine den Kreis der François Coppée, Dierx, Stéphane Mallarmé, Hérédia, Paul Verlaine, Catulle Mendès u. a. Er kam einfach und herrschte: wie ein Blitz, wie Mallarmé erzählt.

»Wer nicht bei der Geburt schon seinen eigenen Ruhm in der Brust trägt, der wird nie die Bedeutung dieses Wortes kennen lernen!« sagte Villiers einmal. Im Vorwort von » La Révolte« 1870. Und ein andermal: »Ich habe den Ehrgeiz, für den alten Namen meines glorreichen Geschlechts den einzigen wahren Ruhm zu erringen, den unsere Zeit zu geben vermag: den eines großen Schriftstellers«. Villiers hat Wort gehalten: nicht nur ein großer Schriftsteller wurde er, sondern der größte seiner Zeit. Mit Recht wird man ihn so nennen, wie er Hegel nannte, auf dessen Schulten: er stand, » Le Titan de l'Esprit Humain.«

Von seinen Werken seien hier einige aufgezählt. Ein paar Dramen: » Morgane«, » Elén«, » La Révolte« (»Dramen, wie man bei den besten Dramatikern wenige findet.« Verlaine); dann » Claire Lenoir«, später unter dem Titel » Tribulat Bonhomet,« (» Un roman unique en ce siècle!« Verlaine); » Axel«, »Eve future« (» Des chefs-d'oeuvre, de purs chefs-d'oeuvre!« Verlaine); » Contes cruels«, Nouveaux Contes cruels«, » Amour suprème« (» Livres divins! Livres royaux!« Verlaine).

Der vorliegende Band deckt sich inhaltlich nicht völlig mit den » Contes cruels«. Trotzdem haben wir ihn » Grausame Geschichten« genannt, weil auch die übrigen, den » Histoires insolites«, den » Nouveaux Contes cruels« und anderen Bänden entnommenen Stücke die »Grausamkeit« variieren, jene wundervolle geistige Grausamkeit, die Villiers' Domäne ist. Es ist eine Schnur echter prachtvoller Perlen, deren hohen Wert vielleicht erst spätere Geschlechter ganz würdigen können.

Genießet diese Schönheit!

Hanns Heinz Ewers.


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