Magnus Gottfried Lichtwer
Fabeln
Magnus Gottfried Lichtwer

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Der Priester und der Kranke.

                Es ras'ten Pest und Tod in einer großen Stadt,
Die Priester wurden heisch, die Todtengräber matt,
So wuchs der Kranken Zahl, so häuften sich die Bahren,
Geschlechter starben aus, viel Junge vor den Jahren,
    Viel Alte, doch nicht gern; das sah erbärmlich aus.
    Einst kam ein Ordensmann in ein gewisses Haus,
Hier lag ein kranker Greis, und stritt mit seinem Ende,
Sein Pfühl war mürbes Stroh, sein Hüter kahle Wände,
Zwei Sägen und ein Beil sein ganzes Hab' und Gut.
Mein Freund! hob Jener an, o, fasset frohen Muth,
Der Kerker dieser Welt wird euch nun aufgeschlossen,
Wo ihr des Wermuths viel, und wenig Lust genossen.
    Verzeiht, antwortete der arme kranke Mann,
    Ich habe gut gelebt, so lang' ich denken kann.
Mich quälten weder Neid, noch Haß, noch Nahrungssorgen,
Mein Werkzeug, das hier liegt, erwarb mir alle Morgen
    Des Tages Unterhalt, von Schulden war ich frei,
    Gesund, mein eigner Herr; was fehlte mir dabei?
Der Pfarrer wußte nicht, was er gedenken sollte,
Doch fragt' er, ob er denn auch gerne sterben wollte?
    Warum nicht? sprach der Greis, da, wie ihr sehen könnt,
    Mir Gott so lange Zeit des Lebens Lust gegönnt?

* * *

O, möchten Groß und Klein des Alten Lehre fassen!
Wer sich begnügen läßt, lebt fröhlich, stirbt gelassen.

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