Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebentes Kapitel.
Er lernt ein Temperament kennen

Mr. Wrenn frühstückte verdrossen in Mrs. Cattermoles Teestube, die von besagter Mrs. Cattermole im Erdgeschoß eines Hauses, das ganz in der Nähe seines Zimmers auf dem Tavistock Place lag, in vornehmer Weise geleitet wurde. Nach seiner Nacht der Schrecken und tragischen Vorbedeutungen mißfiel ihm die ganze Geblümte-Servietten-Atmosphäre von Mrs. Cattermoles Etablissement. Er knurrte verdrossen beim Anblick des Tellerdeckchens mit den Fransen unter der albernen rosa-weißen Teetasse auf dem grünweißlackierten Tablett, welches ihm eine Kellnerin brachte. Diese beleibte Dame trug ein Rüschenschürzchen, das ganz so aussah, als wäre es für eine Fee aus einem Weihnachtsmärchen gemacht, die alles andere als dick war. Als er die Lämmlein, Radieslein, Kirchlein und Entlein auf Mrs. Cattermoles rosaweißen Wänden betrachtete, kannte seine Übellaunigkeit keine Grenzen mehr.

Am liebsten wäre es ihm gewesen, er hätte – wovon selbstverständlich keine Rede sein konnte – wieder in die Boltwood-Kakaostube zurückkehren dürfen, um sich mit der braven, plattfüßigen, einherschlumpenden Kellnerin zu unterhalten und die Füße unter seinem Tisch auszustrecken. Denn hier wurde er hochmütig, jawohl, hochmütig, von den Stammgästen der Teestube gemustert, von den beiden lauten und gesprächigen amerikanischen Touristen, einer hageren englischen Studentin der Assyriologie, die farbloses Haar hatte und eine große runde Brille vor ihren vorstehenden Augen trug, und von einer Anzahl in der Nachbarschaft Wohnender, die ihn mit Blicken musterten, als wollten sie wissen, ob die Ansichten ihrer lieben Mitmenschen über die National Gallery und das Abstinenzlertum auch korrekt und gesund wären.

Seine Mißbilligung für die Lammhaftigkeit von Mrs. Cattermoles Lokal verwandelte sich in ein Gefühl der Kameradschaft mit den anderen Gästen, als er sich wie diese umwandte, um ein Mädchen, das eben herein kam, feindselig anzuglotzen. Die Gespräche im Zimmer stockten, verstummten.

Mr. Wrenn hielt die Luft an. Er drehte langsam den Kopf herum und verfolgte mit seinen Blicken die junge Dame, die an seinem Platz vorüber ging und sich an einen Tisch ihm gegenüber setzte. »Die sieht ja toll aus! Herrjeh, sowas von rotem Haar!« war sein stiller Kommentar.

Es war ein schlankes Mädchen von acht- oder neunundzwanzig Jahren in einem grasgrünen Kleid aus einem Stück, das ihr, von keinem Gürtel und keiner Agraffe interpunktiert, am Leib saß, als wäre es aufgemalt, und die langen, stolzen Linien ihrer zarten Beine und der sanft geschwungenen Brust ahnen ließ. Der Kragen, aus demselben Stoff wie das Kleid, war so hoch, daß er ihr fein geschnittenes Kinn berührte, und hatte als einzigen Schmuck ein dünnes Silberkettchen, an dem eine kleine La Vallière aus Silber und geschnitztem Nephrit hing. Ihr gescheiteltes und streng zurückgekämmtes Haar, das die Farbe roter Kapuzinerkresse hatte, ließ die schöne Stirn über ihrem blassen, gelangweilten, aber empfindsamen Gesicht frei. Blaugraue Augen, unter ihnen feine, violett getönte Fältchen, und neben ihnen ein kaum wahrnehmbares Gespinst noch zarterer Krähenfüße. Schmale, lange Wangen, eine edel geschnittene Nase, ein gerader, kräftiger Mund mit dünnen, aber erschreckend roten Lippen.

So sah der neue Gast Mrs. Cattermoles aus.

Sie blickte in der Teestube um sich wie ein Offizier, der ungedrillte Rekruten mustert, quittierte das Starren der Studentin mit einer verächtlichen Miene, bestellte sich das Frühstück und musterte dann in aller Ruhe den Toast und die Marmelade. Noch einmal sah sie sich in dem Raum um. Ihre dicken Augenbrauen zogen sich für eine Sekunde zusammen, bildeten eine tiefe Falte gelangweilten Ärgers über der Nase und zwei kleine Einschnitte rechts und links davon auf der Stirn.

Mr. Wrenn betrachtete sie genau und staunte ihre Hände an, die mit dem schweren Buttermesser hantierten, als wäre es eine leichte Schreibfeder. Lange, elfenbeinfarbene Hände mit gelben Flecken vom Zigarettenrauchen am zweiten Finger; die Nägel –

Er stierte sie an. Dann dachte er: »Herrjeh. So komische Nägel hab ich noch nie in meinem Leben gesehen.« Die Nägel dieser jungen Dame waren nicht kurz und rund wie die Theresa Zapps, sondern schmal und scharf zugespitzt, mit Enden, die kleinen Dreiecken steifen weißen Papiers glichen.

Während des Frühstücks warf sie einen Blick auf Mr. Wrenn. Er wurde zu offensichtlich dabei ertappt, daß er sie unverwandt anstarrte, um die Augen senken zu können. In ihren Augen war ungefähr ebenso viel Interesse, wie ein Polizist an einen vorüberfahrenden Omnibus wendet; sie gähnte zierlich und dachte nicht mehr an ihn.

Man könnte ins Innerste Grönlands reisen, man könnte sich erkühnen, mit der Tochter eines reich gewordenen Gemüsehändlers über Anarchismus zu sprechen – es wäre unmöglich, so zu Eis zu erstarren wie Mr. Wrenn in dem Augenblick, da die junge Dame von ihm fortblickte, zahlte und anmutig aufstand, um fortzugehen. Sie kam an seinem Tisch vorbei, machte aber nicht einen Bogen darum, wie Theresa es getan hätte, sondern wich mit einer Bewegung aus der Hüfte aus. So wurde es Mr. Wrenn offenbar, daß – –

Er war fast zu entsetzt, um seine Gedanken in Worte zu kleiden … Es war ihm aufgefallen, daß etwas an ihrer Taille sehr merkwürdig war; er hatte einen Eindruck von besonders weichen und glatten Linien gehabt. Und nun sah er, daß – Es war unerhört; ganz anders als bei Lee Theresa Zapp oder den Damen in der Untergrundbahn. Dieses absonderliche Geschöpf trug kein Korsett!

Als sie seinen Tisch passiert hatte, studierte er aufmerksam ihren Rücken. Nein. Es stand ganz fest. Niemand konnte leugnen, daß dieses Mädchen ein ausgesprochenes Monstrum war, denn trotz aller Nächstenliebe, die ihn auszeichnete, mußte Unser Herr Wrenn sich eingestehen, daß nichts zu merken war von den steifen Rippen und Knöpfen miederverhüllter Wohlanständigkeit. Und jetzt konnte er auch das Gewebe ihres grünen Leinenkleides ganz aus der Nähe sehen.

»Herr Gott!« sagte er sich; »ein ganzes Kleid aus sonem Stoff! Das ist ja richtige Sackleinwand. Und mager ist sie auch. Sowas von rotem Haar! Das ist ja toll. Ganz hübsch ist sie, ja aber – bei der piepts!«

Es war ihm nicht angenehm, ein so scharfes Urteil über eine Frau zu fällen. Aber er gedachte des messerscharfen Blicks, den sie ihm zugeworfen hatte, und sein kleines weiches Herz wurde sehr hart.

Wie hinfällig sind unsere festesten Entschlüsse! Als Mr. Wrenn aus Mrs. Cattermoles ausgezeichnetem Lokal heraustrat und die stille Bloomsbury Street entlang blickte, über die gerade langsam ein Katzenfutterhändler stapfte, als die Einsamkeit wieder über ihn kam und er sich den Kopf darüber zerbrach, was er denn anfangen könnte, da dachte er: »Herrjeh! es wär doch sicher recht interessant, die rothaarige Dame kennen zu lernen.«

Einen Teil des Tages verbrachte er damit, daß er immer wieder dazu ansetzte, London zu besichtigen, und es doch nicht tat. Dann ging er in den Zoologischen Garten, schloß Freundschaft mit einem Tiger, und glaubte bald, in ihm das freundlichste Wesen zu sehen, das ihm seit einer Woche vor Augen gekommen war. Der Tiger gähnte fürchterlich, erlaubte ihm aber, sich lange mit ihm zu unterhalten. Mr. Wrenn stand vor dem Gitter, blickte hinein, und wenn niemand in der Nähe war, murmelte er: »Armer Kerl, die wollen dich nicht raus lassen, was? Dein Boss ist noch schlimmer als der alte Gallenvogel, was? Armer alter Kerl.«

Die Unordnung und der scharfe Geruch störten ihn nicht im mindesten, und die geschmeidige, mörderische Kraft des Tigers flößte ihm keine Angst ein. Aber er erschrak ein wenig vor seiner eigenen, unsicheren Stimme. Er hatte in der letzten Zeit so selten laut gesprochen.

Dann kam wieder jemand und stellte sich vor den Käfig. Mr. Wrenn, seines neuen Freundes, des Tigers, beraubt, schlich sich, der einsamste Mensch in ganz London, fort und stieß mit dem Fuß nach den Kieseln auf dem Weg.

In der Halbdämmerung wirkte die stille Straße noch verlassener als sonst; er setzte sich auf eine der Stufen vor seiner Pension auf dem Tavistock Place und kämpfte dagegen an, das Einzige zu tun, was er ganz entschieden wollte – zur Euston Station hinüber zu laufen und nachzusehen, wann und wo er mit der Bahn nach Liverpool fahren und sich dann nach Amerika einschiffen könnte.

Ein Mädchen kam auf das Haus zu. Er sah sie zunächst unaufmerksam, dann höchst interessiert an. Es war die absonderliche Dame aus Mrs. Cattermoles Teestube – das miederlose Mädchen mit dem enganliegenden Leinenkleid und dem feuerfarbenen Haar. Sie näherte sich den Stufen seines Hauses.

In fieberhafter Höflichkeit machte er ihr Platz. Sie wohnte in demselben Haus – – Augenblicklich erfand er sich, ohne daß die Gleichgültigkeit, mit der sie die Tür zuschlug, ihm den geringsten Anlaß dazu gab, einen ganzen Roman über sie. Herrjeh! Sie war eine französische Gräfin, die in einem richtigen Château lebte, und jetzt war sie inkognito in Bloomsbury, um die Stadt zu besichtigen. Sie war von hohem Adel. Sie war – –

Über ihm wurde ein Fenster geöffnet. Er blickte hinauf. Die Gräfin inkognito lehnte sich hinaus und beobachtete die Straße mit gleichgültigen Blicken. Aber ihr Fenster lag ja direkt neben seinem! Tür an Tür mit ihm wohnte ein ganz außerordentlicher Mensch – ein Mensch, der so außerordentlich war wie Dr. Mittyford.

Mit einem kühnen, aber ganz unbestimmten Plan, sie kennen zu lernen, eilte er hinauf. Vielleicht war sie wirklich eine französische Gräfin oder so etwas. Den ganzen Abend, den er am Fenster sitzend verbrachte, tat es ihm wohl, sie nebenan in ihrem Zimmer umhergehen zu hören. Er war nicht mehr freundlos. Er hatte mit dem großen Werk, Bekanntschaften zu machen, angefangen – nun, nicht angefangen, aber mit dem Anfangen angefangen – dann wurde er verwirrt, aber immer träumte er von einer schönen Flamme, welche die Nebelkälte der Londoner Straßen erwärmte.

Bei seinem Frühstück in der Teestube wartete er lange. Sie kam nicht. Noch ein Tag – aber wozu noch einen Tag schildern, der grau und freudlos war? Ein drittes Frühstück, und die rätselhafte Dame erschien. Bevor ihm recht bewußt war, daß er es tat, hatte er ihr eine Verbeugung gemacht, mit einem leichten, verlegenen Neigen des Halses. Sie blickte über ihn hinweg und setzte sich mit dem Rücken zu ihm.

Es bereitete ihm recht viel Befriedigung, sie gewaltsam aus dem französischen Château zu vertreiben, mit dem er sie bedacht hatte, und sich ins Gedächtnis zu rufen, daß sie nicht mehr als eine »alberne, verdrehte Engländerin – wahrscheinlich ne verrückte Studentin« sei. Er teilte ihr auch noch auf telepathischem Wege mit, daß ihr neues Kleid noch unmöglicher sei als das andere – es war etwas Blaßgrünes mit großen weißen Knöpfen.

Als er am Abend dieses Tages nach Hause kam, begegnete er ihr unten im Flur. Sie hatte ein Kleidungsstück an, das er Bademantel und sie einen arabischen Burnus nannte, ein schwarzes, mit mattgoldenen Halbmonden und Sternen besticktes Gewand, dessen spitzer Ausschnitt ihre zarte Haut zeigte. Ihr Haar, das wirr über der Stirn lag, funkelte unter den Strahlen der Gaslampe, als sie an die Wand trat und dort stehen blieb, um ihn vorübergehen zu lassen. Sie lächelte sehr zweifelhaft und reserviert – es war, so dachte er, das Lächeln einer großen Dame vom Mayfair. Er sah mit einem Blick, daß sie ungezählte silberne Toilettegegenstände und ein ungeheures türkisches Badetuch von solcher Dicke, wie es ihm noch nie vor Augen gekommen war, mit dem Arm an sich preßte.

Er lag wach in seinem Bett und dachte an ihren schönen Hals und ihr leuchtendes Haar. Er tadelte sich sehr, weil er sich mit »diesem Geschöpf, das nicht mal fürn Gruß dankt,« beschäftigte. Doch ihr funkelndes Haar war der Stern seiner Träume.

Als Mr. Wrenn am nächsten Nachmittag ein kleines Schläfchen in seinem Zimmer machte, hörte er plötzlich von nebenan leise Geräusche, die auf einen Aufbruch zu deuten schienen. Er eilte rasch zur Eingangstür hinunter.

Sie stand neben ihm auf der Schwelle und blickte, ebenso gelangweilt und sprungbereit wie der Tiger im Zoo, die Straße hinauf und hinunter. Mr. Wrenn hörte sich plötzlich zu dem Mädchen sagen: »Bitte, Fräulein, könnten Sie mir vielleicht sagen – ich bin Amerikaner; ich bin fremd in London – ich möcht in ein Theater gehen oder sowas, und wohin soll ich – wo kann ich was Gutes – –«

»Ich weiß wirklich nicht«, antwortete sie. »In dieser Saison ist eigentlich alles ziemlich miserabel, finde ich.«

»Oh – oh – S – sie – sind also doch Engländerin?«

»Ja!«

»Aber – äh – –«

»Ja!«

»Ach, und ich hatte sone komische Vorstellung, daß Sie vielleicht Französin sind.«

»Vielleicht bin ich das sogar, wissen Sie. Ei–gentlich bin ich nicht Engländerin«, meinte sie freundlich.

»Wieso – äh – –«

»Wie sind Sie auf den Gedanken gekommen, mich für eine Französin zu halten? Sagen Sie es doch; das interessiert mich.«

»Ach, das war wohl bloß – also, ich hab mir nur was vorgespielt – daß Sie n Schloß in Frankreich haben – bloß son dummes Spiel von mir.«

»Ach, schämen Sie sich um Gotteswillen nicht, daß Sie Phantasie haben«, rief sie, mit dem Fuß aufstampfend. »Erzählen Sie mir Ihre ganze Geschichte über mich.«

Sie saß jetzt vor ihm auf dem Treppengeländer. Während des Sprechens stützte sie das Kinn in die Handfläche und betrachtete ihn neugierig.

»Ach, das war weiter nicht viel. Sie waren ne Gräfin – –«

»Bitte! Nicht bloß, ›waren‹ Bitte, kann ich nicht auch jetzt noch Gräfin sein?«

»Aber ja, natürlich sind Sie das!« rief er, und die Freude übermannte seine Schüchternheit. »Und Ihr Vater war krank, er hatte irgend eine rätselhafte Krankheit, und alle Doktoren schüttelten den Kopf und sagten: ›Herrjeh! Wir wissen nicht, was das ist‹, und dann sind Sie heimlich in die Schatzkammer hinuntergegangen – wissen Sie, Ihr Vati – Ihr Vater, sollte ich sagen – war n verdrehter alter Franzose – natürlich nur in der Geschichte. Er meinte, Sie könnten gar nichts tun, weil er krank war. Und deshalb gingen Sie einmal in der Nacht – –«

»Oh, war es dunkel? Sehr, sehr dunkel? Und still? Und meine Schritte dröhnten auf den hohlen Steinplatten? Und ich stibitzte das Gold und ging in die Nacht hinaus?«

»Ja, ja! So wars.«

»Aber warum habe ich es stibitzt?«

»Das will ich ja eben sagen!« antwortete er streng.

»Ach, bitte, es tut mir sehr leid, daß ich unterbrochen habe.«

»Die Sache war die: Sie wollten hierher fahren und Medizin studieren, damit Sie Ihren Vater gesund machen können.«

»Aber bitte«, fragte das Mädchen in unendlicher Ernsthaftigkeit, »darf ich ihn nicht sterben lassen und nicht herausfinden, was ihm fehlt, damit ich den Maire heiraten kann?«

»Nein,« erklärte er fest, »Sie müssen – Aber hören Sie! Ich wollt Ihnen ja gar nicht die ganze Geschichte erzählen … Sie finden das wohl fürchterlich frech von mir.«

»Aber, ich finde es reizend von Ihnen, wirklich – weil Sie die ganze Geschichte über die arme Istra erfunden haben. (Ich heiße Istra Nash.) Leider muß ich Ihnen sagen, daß ich in Wirklichkeit keine Gräfin bin, wissen Sie. Sagen Sie – Sie wohnen doch auch hier? Bitte, sagen Sie mir, daß Sie kein Interessanter Mensch sind. Bitte!«

»Ich – herrjeh! Ich glaub, ich versteh Sie nicht ganz.«

»Aber, Kindchen, ein Interessanter Mensch ist ein Schriftsteller oder ein Künstler oder ein Zeitungsherausgeber oder ein Mädel, das wegen Straßendemonstrationen in Holloway oder Canongate im Gefängnis gesessen hat, oder irgend jemand anderer, der nur erträglich werden kann, wenn ihm ein Unglück passiert.«

»Nein, leider nicht; ich bin bloß ein Büroangestellter.«

»Gut! Sehr gut! Mein lieber Freund – den ich noch nie gesehen habe – nicht wahr? Übrigens, glauben Sie, bitte, nicht, daß ich die Gewohnheit habe, fremde Herren von der Straße aufzulesen und mit ihnen über meine weiße Seele zu sprechen. Aber Sie, wissen Sie, Sie haben sich ja eine Geschichte über mich erfunden … Was ich sagen wollte: Sie können gar nicht ahnen, wie sehr ich gerade jetzt die Interessanten Menschen verabscheue und hasse und verachte! Sie reden und reden und reden, und nichts kommt dabei heraus. Es ist abscheulich!«

Dann ließ sie ihre Finger wie weiße Schmetterlinge durch die Luft fliegen, zuckte kunstvoll die Achseln, stieg vom Geländer herunter und setzte sich mit der größten Selbstverständlichkeit zu ihm auf die Treppe.

Er spürte, wie seine Schläfen vor Aufregung pulsierten.

Langsam drehte sie ihm ihr blasses, lebhaftes Gesicht zu.

»Wann haben Sie mich gesehen – und mit der Geschichte angefangen?«

»Beim Frühstück. In der Teestube.«

»So … Wie kommt es, daß Sie nichts besichtigen? Oder sollten Sie etwa, das wäre ja wunderbar, kein Tourist sein?«

»Ja, ich weiß nicht recht.« Er suchte verlegen nach der richtigen Antwort. »Eigentlich nicht. Ich bin auf einem Viehdampfer rübergekommen.«

»Das ist gut. Das ist viel besser.«

Sie saß still da, und er studierte unter kolossalen Anstrengungen, sich nicht dabei ertappen zu lassen, ihre festen, schmalen, leuchtendroten Lippen. Endlich begann er:

»Bitte, erzählen Sie mir was über London. Etwas über die Engländer – Ach, ich weiß nicht. Ich mach so schwer Bekanntschaften.«

»Mein liebes Kind, ich bin keine Engländerin! Ich bin genau so amerikanisch wie Sie. Ich bin in Kalifornien auf die Welt gekommen. England habe ich vor zwei Jahren, auf der Reise nach Paris, zum erstenmal gesehen. Ich bin Kunstschülerin … Deshalb ist mein Akzent auch so betont englisch – ich kann mirs nicht leisten, ganz gewöhnlich britisch zu sein.« Ihr Lachen klang ein wenig bitter. »Erzählen Sie mir etwas von sich – da wir ja jetzt einmal mit einander bekannt zu sein scheinen … Das heißt, wenn Sie nicht in Ihr Theater gehen wollen?«

»O nein, nein, nein! Ich mußte nur unbedingt jemand haben, mit dem ich reden kann – jemand Nettes – ich war ja beinah schon übergeschnappt, so einsam war ich«, brach er los. Zögernd fügte er hinzu: »Mit den Engländern wird man wohl recht schwer bekannt.«

»Einsam, so?« sagte sie mit der unsentimentalen Freundlichkeit eines Mannes. »Sie kennen niemand hier im Haus?«

»Nein. Hören Sie, ich glaub, wir haben die Zimmer nebeneinander.«

»Wie romantisch!« spottete sie.

»Wrenn heiß ich; William Wrenn. Ich arbeite für – ich hab für die Kunstartikel- und Nouveautés-Gesellschaft gearbeitet, in New York.«

»Aha. Nouveautés? Nette kleine Aschenschalen, auf denen steht: ›Zum Andenken an den Eriesee?‹ Und komische Nadelkissen?«

»Ja! Und dicke Möpse mit schwarzen Augen.«

»O nein! Bitte, nicht schwarz! Freundliche hellblaue Augen – nette, ehrliche blaue Augen!«

»Nein. Schwarz. Fürchterlich schwarz … Aber sagen Sie, red ich nicht zu dumm daher?«

»Ja, natürlich; es ist Ihnen sehr gut gelungen, nett und dumm daher zu reden.«

»Ach hören Sie, ich wollt wirklich nicht – Wo Sie so freundlich zu mir waren –«

»Entschuldigen Sie sich nicht!« rief Istra Nash wütend. »Haben Sie das nicht gelernt?«

»Ja«, murmelte er entschuldigend.

Wieder saß sie schweigend da, anscheinend höchst unzufrieden mit der Architektur auf der anderen Seite des Tavistock Place. Schüchtern begann er zu sprechen:

»Wirklich, ich hab Sie für eine Engländerin gehalten. Sie sind aus Kalifornien? Sagen Sie, haben Sie vielleicht mal was von Dr. Mittyford gehört? Er ist sone Art Lehrer. Ich glaub, er unterrichtet am Leland Stanford College.«

»Leland Stanford? Kennen Sie ihn?« Sie wurde ganz interessiert.

»Ich hab ihn in Oxford kennen gelernt.«

»Wirklich? … Mein Bruder war in Stanford. Ich glaube, er hat einmal davon erzählt – Ach ja. Er hat gesagt, Mittyford ist gesellschaftlich sehr ehrgeizig, wenn Sie mich recht verstehen; ziemlich – ach, wie soll ich es denn ausdrücken? – ach, sagen wir, etepetete in allen Sachen, von denen man ihm gesagt hat, daß man etepetete darin sein muß.«

»Ja!« staunte Mr. Wrenn.

Der Freude darüber, daß er die außerordentliche Miss Istra Nash kannte, opferte er erbarmungslos Dr. Mittyford mitsamt Professur und Augengläsern und Shelley und allem anderen.

»Ja, er war schrecklich komisch. Ich hab mir nicht viel aus ihm gemacht.«

»Sie wissen natürlich, daß er ein sehr großer Mann ist?« Das sagte Istra in einem Ton, als bewunderte sie den großen Mann wirklich, so daß Mr. Wrenn schließlich keine Ahnung davon hatte, was sie eigentlich meinte. Unvermittelt erhob sie sich, warf ihm ein »Gu' Nacht« zu und war auch schon verschwunden.

Allein geblieben, außer sich vor Glück und Erregung, murmelte Mr. Wrenn: »Sie ist doch wunderbar! Donnerwetter! Sie sieht wirklich fabelhaft aus! Herrjeh!«

Einige Stunden später wälzte er sich im Bett herum und sagte ganz laut: »Ob ich zu frech war? Hoffentlich nicht. Ich muß achtgeben.«

Das bekümmerte ihn dermaßen, daß er aufstand und sich eine Zigarette anzündete, wobei ihm wieder einfiel, daß er noch eine Regel durchbrach und zu viel rauchte; dann wurde er böse und schrie erbittert seinem Köfferchen zu: »Na, und was liegt schon dran, wenn ich wirklich zu viel rauch? Und ich werd so frech sein, wie mirs paßt.« Er warf dem kritischen Köfferchen eine Zeitung an den Kopf und ging sehr erleichtert in sein Bett, wo er davon träumte, er sei ein Kaninchen, das die amüsantesten Possen treibe; darüber mußte er im Halbschlaf vergnügt lachen, bis er merkte, daß ihn ein Schluchzen, das aus dem Zimmer Istra Nashs kam, aufgeweckt hatte.

Nachmittag; Mr. Wrenn saß in seinem Zimmer. Miss Nash war von ihrem Tee zurück, aber kein Ton war von nebenan zu hören, so angestrengt er auch mit offenem Mund lauschte; er beugte sich in seinem Stuhl vor, klammerte sich mit den Händen unter dem Sitz an und ließ seine Finger nervös auf dem Holz auf- und ablaufen. Er wollte ihr helfen – der wunderbaren Dame, die in der Nacht geweint hatte. Höchst ernsthaft nahm er sich vor, ihr zu sagen: »Bitte, lassen Sie sich von mir helfen, Prinzessin, ganz wie wenn ich ein Ritter wäre.«

Endlich hörte er, daß sie sich bewegte. Er lief hinunter und wartete auf der Treppe.

Als sie aus der Tür trat, warf sie einen Blick auf ihn und lächelte zufrieden. Aber sein Vorsatz, ihr Hilfe anzubieten, verflüchtigte sich augenblicklich, als er sah, was für eine ungeduldige Miene sie aufgesetzt hatte und wie wunderbar sie angezogen war – wieder ein enganliegendes Kleid, diesmal rauchgrau mit einem zarten Silberschimmer auf dem Gewebe.

Sie nahm augenblicklich ihren Platz auf dem Geländer ein und beantwortete vergnügt sein schüchternes »Abend«.

Er wollte sich so gern zu ihr setzen, gut Freund mit ihr sein. Aber es gehörte sehr viel Mut dazu, das zu tun. Es war möglich, daß sie ihn dann ganz hochmütig ansehen würde. Trotzdem ging er zum Geländer, schwang sich hinauf und baumelte schüchtern mit den Beinen; sie sah ihn durchaus nicht hochmütig an, sondern rückte ein paar Zentimeter näher, schaute ihm in die Augen, fast so, als hätten sie ein Geheimnis miteinander, und sagte ganz ruhig:

»Ich habe gestern abend noch ein bißchen über Sie nachgedacht. Ich glaube, Sie haben wirklich Phantasie, obwohl Sie Kaufmann sind – ich meine, viele haben das nicht; Sie wissen ja, wie es ist.«

»O ja.«

Mr. Wrenn wußte nämlich nicht, daß er gewöhnlich war.

»Ich bin dann gestern noch zu Olympia Johns gegangen, und sie hat mich in ein Theater geschleppt. Dort mußte ich an Sie denken, weil ein Hausmeister mit Phantasie drin vorkam. Sie sind doch nicht böse, weil ich Sie mit einem Hausmeister vergleiche, nicht wahr? Er war weitaus der netteste Mensch im ganzen Stück, wissen Sie. Im Grunde war es fürchterlich. Das Stück scheint ursprünglich eine französische Posse gewesen zu sein, aber man hat es dann in die Sonntagsschule geschickt und neu eingekleidet. Die Sache war ungefähr so. Eine alte Jungfer von Mann wollte zwischen seinem Neffen und seinem Mündel eine Ehe stiften. Das Mündel machte in Kunst. Ich für meine Person glaube, in Friseurkunst. Na, wie dem auch sei, der Onkel wußte recht gut, daß nichts zwei Menschen mehr zueinanderbringen kann als Abneigung gegen eine und dieselbe Person. Wissen Sie, genau so, wie man als Kind die Cousine nicht leiden kann, weil sie immer saubere Fingernägel hat.«

»Ja! Das ist wirklich so!«

»Deshalb wurde er also ekelhaft, und so hielten der Neffe und das Mündel zusammen und wollten sich nicht trennen lassen, bevor der Tod sie scheidet – und zu meinem Bedauern muß ich sagen, daß der Tod nicht so anständig war, das noch auf der Bühne zu tun. Wenn das Stück wenigstens damit geendet hätte, daß alle begraben werden, dann könnte ich von einem richtigen Happy End sprechen.«

Mr. Wrenn lachte dankbar, wenn auch unsicher. Er wußte, daß sie Spaße für ihn machte, aber er wußte nicht recht, was diese Späße eigentlich waren.

»Der Hausmeister mit Phantasie, der war recht gut. Aber das Übrige – – Uff!«

»Das muß ein komisches Stück gewesen sein«, sagte er höflich.

Sie sah ihn von der Seite an und fragte zutraulich: »Wollen Sie mir einen Gefallen tun?«

»O ja, ich – –«

»Waren Sie einmal verheiratet?«

Diese Frage erschreckte ihn sehr. Sein »Nein« klang so, als könnte er sich nicht mehr recht darauf besinnen.

Sie sah sehr belustigt aus. Niemals hätte man auf den Gedanken kommen können, daß diese überlegene, ironische junge Dame, die gerade mit achtloser Gebärde ihr schönes Knie streichelte, jemals in der Nacht geweint hatte.

»Ach, die Frage war nicht persönlich gemeint«, sagte sie. »Ich wollte nur wissen, wie Sie sind. Sammeln Sie nie Menschen? Ich tue es – ich chloroformiere sie ganz grausam und spieße dann ihre armen kleinen Leichen auf hübsche saubere Korken … Sie leben allein in New York?«

»J–ja.«

»Mit wem spielen Sie da – Sie wissen schon.«

»Gar nicht – eigentlich mit niemand. Nur vielleicht mit Charley Carpenter. Das ist der Hilfsbuchhalter in der Kunstartikel-Gesellschaft.« Er hatte die Absicht gehabt – die Ausführung aber sofort von sich gewiesen – ihr von einer großen Welt vorzulügen, in der er ein- und ausging.

»Was machen – Sie verstehen schon – die Menschen in New York, wenn sie nicht in Gesellschaft gehen oder viel lesen – was machen sie, um sich zu amüsieren? Ich interessiere mich so für Typen.«

»Also –« sagte er.

Mehr konnte er nicht antworten, solange er nicht einige Gedanken verdaut hatte: Was meinte sie denn mit »Typen«? Hatte das etwas mit Buchdruck zu tun? Und was konnte er überhaupt über die Menschen sagen? Er erklärte:

»Ach, ich weiß nicht – man redet eben – ach, man redet über die Arbeit und über die Menschen und alles Mögliche und so – ach, wissen Sie; man geht ins Kino oder in die Operette und nach Coney Island und – ach, man schläft.«

»Aber Sie –?«

»Ich, ich les ziemlich viel. Gar nicht wenig. Shakespeare und Geographie und alles Mögliche. Ich les sehr gern.«

»Und wie ordnen Sie Nietzsche ein?« fragte sie ganzernsthaft.

»?«

»Nietzsche. Sie wissen ja – der deutsche Humorist.«

»Ach ja – äh – warten Sie; er ist – äh –«

»Aber Sie erinnern sich doch, nicht wahr? Haeckel und er haben zusammen die große komische Oper des Jahrhunderts geschrieben. Und die Musik ist von Matisse – von Matisse und Rodin.«

»Das hab ich nicht gesehen«, sagte er unsicher. »… Ich kann nicht viel deutsch. Ein paar Worte kenn ich natürlich, so wie Spricken Sie dötsch und bitty, Sir, das hat mir Rabin in der Kunstartikel-Gesellschaft beigebracht – ich glaub, er ist n deutscher Jud … Aber sagen Sie, ist Kipling nicht großartig! Herrjeh! Wie ich Kim gelesen hab, da hab ich mir immer einbilden müssen, daß ich auf soner großen Straße in Indien wander, ganz, als ob ich dort war – wissen Sie, die ganzen wunderbaren Zauberer und so weiter … Lesen ist wunderbar, nicht!«

»O ja.«

»Sie lesen sicher sehr viel.«

»Eigentlich recht wenig. Ach, D'Annunzio und etwas Turgenieff … Was für Stücke sehen Sie sich denn an, Mr. Wrenn?«

»Ich geh meistens ins Kino«, antwortete er rasch, und dann tat es ihm leid, daß er sich zu einer so minderwertigen Gewohnheit bekannt hatte.

»Ach – sagen Sie mir – – es macht Ihnen doch nichts, daß ich Ihnen so abscheulich persönliche Fragen stelle, nicht wahr? Ich habe ein solches Interesse für Menschen … Und jetzt muß ich hinaufgehen und einen Brief schreiben. Ich wollte eigentlich zu Olympia gehen – sie ist einer von den Interessanten Menschen, von denen ich gesprochen habe – aber mit Ihnen war es viel amüsanter, wissen Sie. Gute Nacht. Sie sind immer allein in London, nicht wahr? Wir werden einmal gemeinsam etwas besichtigen müssen.«

»Ja, ich bin immer allein!« explodierte er. Dann sagte er sehr bescheiden: »Oh ich danke Ihnen! Ich werd mich schrecklich freuen, wenn … Haben Sie schon den Tower gesehen, Miss Nash?«

»Nein. Nie. Und Sie?«

»Nein. Wissen Sie, ich hab mir gedacht, s wird n bißchen langweilig sein, sich so was ganz allein anzusehen. Sind Sie auch deshalb noch nicht dort gewesen?«

»Mein Lieber, ich sehe, ich werde Sie erziehen müssen. Soll ich? An mir haben so viele Leute herumgearbeitet – ich stelle es mir sehr schön vor, das auch einmal weitergeben zu können. Soll ich?«

»Bitte, ja!«

»Man geht sich nicht einfach den Tower ansehen, weil alle Touristen es so machen. Begreifen Sie das nicht? Solche Dinge wie den Tower sehen sich Schulmeister an, die dann wieder nach Hause gehen und darüber einen Vortrag in ihrem Unterrichtsraum halten. Ich werde Sie in die Tate Gallery führen.« Dann sagte sie ganz plötzlich: »Gu' Nacht«, und war auch schon fort.

Er starrte ihr nach und dachte »Herrjeh, ob sie vielleicht über irgendwas bös ist, was ich gesagt hab? Ich glaub, diesmal war ich nicht frech. Aber sie ist so rasch weggegangen … Die Lippen, die sie hat – ich hab gar nicht gewußt, daß es so rote Lippen geben kann. Und Künstlerin ist sie – malt Bilder! … Gelesen hat sie sehr viel – Nitschy – ne deutsche komische Oper. Ob das die ›Lustige Witwe‹ ist? … Das graue Kleid, das sie anhat – ich hab immer an Nebel denken müssen. Komisch.«

In ihrem Zimmer betrachtete Istra rasch ihre Nase in einem Spiegel, dann puderte sie sich, setzte sich nieder und schrieb auf dickem, hellgelbem Papier:

 

»Lieber Skilly, ich bin in einer scheußlichen Bloomsbury-Pension – furchtbar langweilig – außer einem Phänomen, einem kleinem Männchen von fünfunddreißig bis vierzig Jahren mit embryonaler Phantasie und jungfräulicher Seele. Ich halte mich mühsam zurück, um nicht radikale Gedanken in die jungfräuliche Seele zu versenken, aber die Versuchung ist sehr groß.

Ach, liebster Skilly, ich bin maßlos einsam. Wäre es zu abgedroschen, wenn ich sagte, ich möchte Dich hier haben? Ich habe meine Hand im Dunklen ausgestreckt und Deine war nicht da. Lieber, ach Lieber, wie trostlos – – Ach, Du verstehst das nur zu gut mit Deinem hochnäsigen Grinsen und Deinen überlegenen Augengläsern und Deiner wunderbaren Oxforder Ahnungslosigkeit in allem, was mit dem armen strebsamen Amerika zu tun hat.

Ich bin wohl wirklich nichts weiter wie eine kleine kalifornische Barbarin. Es ist schon so, wie Père Duréon im Atelier gesagt hat: ›Sie 'aben ein wenig Verständnis für die 'öere Unmoral, aber ick 'offe, daß Sie kocken können – vom Malen 'aben Sie keine Ahnung!‹

Er behält recht. Ich kann auch nicht ein Stück hier bei den Kunstzeitschriften anbringen, ich kann nicht einen einzigen Auftrag bekommen. Ein scheußlicher, bebrillter, ernsthafter Jüngling, der in einer Redaktion die Besuche zu empfangen hat, erklärte mir, sie ›könnten keine Outsider brauchen‹. Outsider! Und sein Haar war fast ebenso rot wie meine abscheuliche Mähne. Und da ging ich eben nach Hause und heulte und zündete Wachskerzen vor Deinem Bild an. Ja, das habe ich wirklich getan, obwohl Du es durchaus nicht verdienst.

Ach verflucht, werde ich sentimental? Du liest das sicher bei Petit Monsard bei Deinem Kaffee und grinst über Deine armselige unnietzschesche Barbarin.

I. N.«


 << zurück weiter >>