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Achtzehntes Kapitel.
Und folgt einer wandernden Flamme über gefährliche Meere

Sie verzehrten ihr Picknick auf den Palissaden ziemlich früh: Nelly und Mr. Wrenn, Mrs. Arty und Tom, Miss Proudfoot und Mrs. Samuel Ebbit, die ununterbrochen ausrief: »Na! Seit zehn Jahren bin ich nicht so durchgebrannt!« Sie hockten im Kreis um ein rotes Tischtuch, das über einen Stein gelegt war, unterhielten sich ausführlich über die belegten Brote, das kalte Huhn, die Limonade und die gefüllten Oliven und lachten maßlos über die Behauptung Toms, Miss Proudfoot hätte eine Flasche Korn an ihrem Leib versteckt.

Nelly war sehr liebenswürdig zu Mr. Wrenn, aber sie sagte kein einziges mal Billy zu ihm und unterhielt sich fast ausschließlich mit Miss Proudfoot; sie lächelte, sagte aber kein Wort, als es ihm gelang, einen Witz über Mrs. Artys Kaugummi zu machen. Als Mr. Wrenn mit einem Holzteller, auf dem Brötchen mit Sahnenkäse lagen, an ihre Seite rückte, setze er an, ihr zu erklären, wie er dazu gekommen sei, in Istras Zimmer zu gehen.

»Warum sollten Sie denn nicht?« fragte Nelly kurz und wandte sich wieder Miss Proudfoot zu.

»Sie scheint sich nicht viel draus zu machen«, dachte er erleichtert, gleichzeitig in seiner kleinen Eitelkeit gekränkt und wieder ganz begeistert von Nelly. Er wollte sehr gern ihre Meinung über Istra und ihre Meinung über ihn hören und wurde trotzig, als sie ihn konsequent wie einen höchst achtbaren Menschen behandelte, auf dessen Namen sie sich nicht recht zu besinnen vermochte.

Hatte er vielleicht nicht das Recht, Istra zu lieben, wenn er wollte? so fragte er sich. Außerdem, was hatte er denn getan? Er war mit seiner englischen Bekannten Istra ausgegangen! In ihrem Zimmer war er doch nur ein paar Minuten gewesen. Ein feiner Grund für Nelly, sich wie ein blödsinniger Eisberg zu benehmen. Außerdem, es war doch gar keine Rede davon, daß er etwa mit Nelly verlobt wäre oder so etwas. Außerdem, Istra würde sich natürlich nie etwas aus ihm machen. Es gab noch so manche Außerdem, mit denen er sich herumschlug, während er versuchte, picknicklich angenehm zu erscheinen. Schließlich war er ganz verwirrt und sagte kurz angebunden zu Nelly: »Gehen wir zu dem hohen Felsen dort.«

Als sie schweigend auf die Klippe zu wanderten und dann von oben auf den spiegelglatten, stahlgrauen Hudson hinunterblickten, lag ein matter Abglanz der Sonne auf dem Himmel. Nelly fürchtete sich, als sie bemerkte, wie steil der Abfall war, und klammerte sich an seinen Arm, ließ aber plötzlich los und trat ohne seine Hilfe zurück.

Er stöhnte in seinem Innern: »Ich hab kein Recht, ihr zu helfen.«

Als sie unsicher den Felsen hinunterkletterte, wollte er sie führen.

Sie riß sich los und sagte kurz: »Nein, danke.«

Augenblicklich bedauerte sie es und fing an, freundlich zu erzählen:

»Gestern hat Miss Nash mich in ihr Zimmer geführt und mir ihre Sachen gezeigt. Ach, sie hat ja so schönen Schmuck! La V'lières und Perlen und eine wundervolle Amethystbrosche. Ach ja! Sie hat mir ganz genau erzählt, wie die Mädels dort in Paris studieren und daß sie gar nicht gern nach Kalifornien zurückgeht, wo sie doch den Haushalt besorgen muß.«

»Den Haushalt besorgen?«

Nelly ließ ihn ein Weilchen leiden, bevor sie ihn mit den Worten »für ihren Vater« erlöste.

»Ach … Hat sie gesagt, daß sie bald nach Kalifornien fährt?«

»Vielleicht erst, wenn der Sommer vorüber ist.«

»Ach … Ach, Nelly – –«

Zum erstenmal an diesem Tag war er völlig aufrichtig. Er wollte sich ihr anvertrauen. Aber die Scham, Gefühle zu haben, war über ihm. Er kam nicht weiter.

Zu seiner Verblüffung sagte Nelly: »Sie ist sehr nett.«

Er gab sich Mühe galant zu sein. »Ja, sie ist interessant, aber natürlich ist sie lang nicht so nett wie Sie, Nelly, und – –«

»Ach nicht, Billy!«

Ihre Stimme hatte mit einem Mal einen so schmerzlichen Klang, daß sie beide fast zu weinen anfingen. Das gemeinsame Leid der Trennung brachte sie einander für einen Augenblick nahe. Dann ging sie mit kurzen, raschen Schritten weiter, und er stapfte hinter ihr einher. Er wußte wenig zu sagen. Er versuchte ein paar Bemerkungen über den Fluß und machte sie darauf aufmerksam, daß die Häuser drüben in New York im Sonnenuntergang leuchteten, daß die Fenster in den oberen Stockwerken tatsächlich so aussahen, »als ob ein Feuer drin war«. Sie antwortete nur: »Ja.«

Als sie zu den Anderen zurückkamen, überraschte es ihn, sie vergnügt und munter mit Miss Proudfoot sprechen zu hören. Er freute sich darüber, daß sie wieder besserer Laune war, aber seine Freude dauerte nicht lange. Ein erschrockenes Gefühl, er müßte nach Hause eilen und Istra sofort sprechen, machte ihn schwach und ließ ihn frieren. Er wollte sie gar nicht sprechen; aber er mußte gehen – sofort gehen; und darunter litt er auf dem ganzen Heimweg, während er automatisch die Rolle des strengen Reformators spielte und mit Tom Poppins einer Meinung darüber war, daß die Schrecken des Brandes in der Blusenfabrik bewiesen hätten, es müsse »was getan werden – unbedingt was getan werden«.

Auf dem Fährboot zitterte er, bis Nelly, mütterliche Zärtlichkeit in der Stimme, fragen mußte: »Aber Sie bibbern ja entsetzlich! Haben Sie sich erkältet?«

Selbstverständlich wünschte er Ehre damit einzulegen, daß er krank sei, sehr viel Mitleid und Pflege brauche; aber er lächelte bloß und sagte: »O nein, es ist weiter nichts.«

Dann rief ihn wieder Istra, und er wütete über die Langsamkeit, mit der die Landungsprozeduren vor sich gingen.

Als er nach Hause kam, war Istra fort.

Er ging entschlossen hinunter und fand Nelly ganz allein auf einer runden hellgelben Strohmatte vor der Haustür sitzen.

Er ließ sich neben ihr nieder. Er war sehr still; durchaus nicht der heitere junge Mann vom Picknick, der, wie die Pensionsvorschriften es verlangten, den Damen seine Verehrung beweist, indem er sie »aufzieht«. Und er sprach mit einer ruhigen Freundlichkeit, die fast vornehm war, mit einem Anstrich von Müdigkeit und geistiger Reife, der sich so selten in Pensionen verirrt.

Als er sich niedersetzte, hatte er die Absicht gehabt, sie in ein Kino einzuladen. Aber er war inspiriert. Er saß bloß da und redete.

Als Mr. Wrenn zwei Abende später aus dem Büro nach Hause kam, fand er folgendes Briefchen vor:

 

»Liebes Mäuschen, eine Freundin hat mich aufgefordert, bei ihr im Atelier zu wohnen, und so bin ich auf und davon. Schade, daß ich Sie nicht mehr sehen und Ihnen Adieu sagen konnte. Kommen Sie mich einmal besuchen – rufen Sie aber vorher an, ob ich zu Hause bin – Spring XXX – Adresse XX South Washington Squ. In Eile

Istra.«

 

Den Abend verbrachte er damit, daß er nicht zu ihr ins Atelier ging. Einige Male sprang er mitten in einer Kartenpartie auf und lief in sein Zimmer, um sich davon zu überzeugen, ob der Brief wirklich so frostig klang, wie er ihn in Erinnerung hatte. Er klang nicht anders.

Dann wartete er eine Woche lang auf eine entschiedenere Einladung von ihr, die jedoch nicht kam. In diesen Tagen war er überaus höflich zu Nelly und konnte ihre Freundlichkeit nicht hoch genug einschätzen. Er wollte immer nachdenken, aber seine alte Gewohnheit, lange einsame Spaziergänge zu machen, nahm er doch nicht wieder auf. Jeden Nachmittag beschloß er, am Abend fortzugehen und abends fand er immer wieder, daß er »mit Menschen zusammen sein« wollte.

Er war in einem Zustand jugendlich-trotziger Verzweiflung; deshalb scherzte er am Kartentisch, um sich in seinem neuen Spiel – den Menschen nicht zu verraten, was er dachte – zu üben. Es bereitete ihm ein ganz raffiniertes Vergnügen, daß Mrs. Arty sich ihm gegenüber nicht mehr herablassend benahm. Er brachte es zustande, auf einem Kärtchen, das er mit einem Strauß Narzissen in Nellys Zimmer deponierte, Toms Schrift nachzumachen, und konnte sogar fast Tom selbst einreden, daß er, Tom, der Spender sei. Wahrscheinlich gelang es ihm gerade, weil ihm ziemlich gleichgültig war, was daraus wurde, Mr. Mortimer R. Guilfogle zu einer Erhöhung seines Gehalts auf dreiundzwanzig Dollar wöchentlich zu zwingen. Mr. Guilfogle gab sogar zu, die Briefe an die Kaufleute im Süden seien »eins-A-Schlager, mein Junge.«

John Henson, der Chef der Herstellungsabteilung in der Kunstartikel-Gesellschaft, lud Mr. Wrenn in sein Haus zum Essen ein, und die Erzählung vom Viehdampfer wurde von Mrs. Henson und den drei jungen Hensons sehr bewundert.

Einige Tage später, es war Mitte Juni, gab es in der Pension eine besonders gemütliche Mahlzeit. Nelly beschäftigte sich mit Mr. Wrenn – ja, es war nicht daran zu zweifeln; sie wandte sich ausdrücklich an ihn mit einer ziemlich langen und sehr fröhlichen Geschichte darüber, wie der Chef den unmanierlichsten der Abteilungsvorsteher »heruntergeputzt« hatte.

Er wollte in seine Antwort sein ganzes Ich legen, die vollkommene Gedankengemeinschaft erreichen, die Liebende kennen. Aber hinter seinem Stuhl stand der Geist Istras. Istra – er mußte sie sehen – jetzt, noch diesen Abend. Er eilte zu der Droguerie an der Ecke und rief sie an.

Ja–a, meinte Istra, nicht sehr freudig – sie sei heute abend im Atelier, obwohl sie – also, es werde eine kleine Gesellschaft da sein – einige Freunde – aber – ja, es werde sie freuen, wenn er kommen könne.

Entschlossen brach Mr. Wrenn zum Washington Square auf.

Da diese wissenschaftliche Abhandlung Mr. Wrenns Reaktionen auf das Ästhetische so erschöpfend untersucht hat, genügt es, von den Empfindungen, die der Anblick des Ateliers auf dem Washington Square und der dort Anwesenden in ihm auslösten, drei wiederzugeben – nämlich:

(a) Der große Raum war kahl, schlecht gehalten und vertrug keinen Vergleich mit dem rotplüschenen Glanz bei Mrs. Arty, so sehr er auch auf Überlegenheit Anspruch machte. Ja, sehr viele Bilder waren nicht einmal gerahmt! Man brauchte nur an die üppig vergoldeten und mit Fruchtmotiven geschmückten Rahmen bei Mrs. Arty zu denken!

(b) Die Leute dort glichen in ihrer Schwatzhaftigkeit durchaus den Insassen der Wohnung in der Great James Street in London, nur waren sie bei weitem nicht so freundlich; und

(c) Mr. Wrenn war jetzt ein Mann mit vielen Freunden, und wenn er den »blöden Bohémiens«, wie er sie nannte, nicht recht war, konnten sie sich ruhig zum Teufel scheren.

Istra war seltsamerweise immer am anderen Ende des Raums. Darüber freute er sich sogar. Das gab dem Abschied etwas Endgültiges.

Er beschloß, zu seinen eigenen Menschen zurückzukehren.

Als er sich mit umfangreichen und kunstvollen Pensions-Entschuldigungen erhob, um zu gehen, und Istra munter, aber keineswegs im Ton intimer Freundschaft »Gute Nacht« sagte, begleitete sie ihn zur Tür und noch auf den dunklen, langen Korridor hinaus.

»Gute Nacht, liebes Mäuschen. Es freut mich, daß Sie Gelegenheit gehabt haben, mit der kleinen Silver zu sprechen. Aber sagen Sie, war Mr. Hargis ungezogen zu Ihnen? Ich habe ihn über Einzelsteuern sprechen gehört – oder war es über Matisse? – und wenn er von einem von den beiden spricht, wird er gewöhnlich ungezogen.«

»Nein. Er war tadellos.«

»Ja, was haben Sie denn dann?«

»Ach – nichts. Gute Na – –«

»Sie gehen aber böse weg. Oder nicht

»Nein, aber – ach, es hat doch gar keinen Sinn, daß wir – daß ich – – Nicht wahr?«

»Nein – –«

»Matisse – der, von dem Sie eben geredet haben – und die Künstler, die heut in den kurzen Fräcken hier sind – ich würde nie wissen, wann ich so einen, und wann ich einen langen Frack anziehen soll – selbst wenn ich einen hätt – oder einen Prince Albert – –«

»Ach, nicht Prince Albert, Mäuschen. Sie müssen sagen, ein Gehrock.«

»Ja. Das mein ich ja auch. Das ist genau so wie mit dem Matisse. Ich hab keine Ahnung von den ganzen Sachen, die Sie interessieren. Jetzt, seitdem Sie von Mrs. Arty weg sind – du lieber Gott, Sie haben mir so gefehlt! Aber wenn ich mich mit Ihren Gästen unterhalten will, oder wenn Sie den Matisse« (den unglückseligen französischen Maler schien er ihr ganz besonders übel zu nehmen) »auf mich los lassen, dann fang ich eigentlich son bißchen an, mich selber zu kapieren – und jetzt ist es nicht so, wies in England war; ich hab jetzt selber Freunde, mit denen ich mich unterhalten kann. Aber auf jeden Fall bin ich mir heute richtig ins Klare über mich selber gekommen. Zum Teil wirds wohl deshalb sein, weil ich gemeint hab, Sie machen sich nichts aus meinen Freunden.«

»Aber liebes Mäuschen, mir ist das alles nichts Neues. Sie, der Sie mit mir herumgewandert sind, Sie werden doch nicht so gewöhnlich, so banal sein, mir Vorwürfe zu machen, weil Sie sich an mich attachiert haben, nicht wahr, Kindchen?«

»O nein, nein, nein! Das hab ich nicht gemeint. Ich wollte – ach herrjeh! Ich weiß nicht – also, ich wollte, daß zwischen uns alles klar ist.«

»Ja, ich verstehe. Sie haben ganz recht. Und jetzt sind wir ganz einfach Freunde, nicht wahr?«

»Ja.«

»Also leben Sie wohl. Und wenn ich wieder einmal in New York bin – ich fahre in ein paar Tagen nach Kalifornien – ich glaube, ich werde wieder zurückkommen können – ich hoffe es wenigstens – obwohl ich natürlich eine Zeitlang für Freund Vater den Haushalt besorgen muß, und vielleicht werde ich sogar aus lauter Verzweiflung eine Ortsgröße heiraten – aber, was ich sagen wollte, mein Lieber, wenn ich wieder her komme, dann wollen wir uns einmal ganz gemütlich zum Essen treffen, ja?«

»Ja, und – leben Sie wohl.«

Sie stand oben an der Treppe und blickte ihm nach. Er stapfte schwerfällig über die hölzernen Stufen hinunter, ganz außer sich bei der überraschenden Entdeckung, daß er sich von Istra verabschiedet hatte, daß er es nicht bedauerte, und daß er Nelly Croubel jetzt nichts mehr vorzuenthalten brauchte.

Plötzlich rief Istra:

»Ach Mäuschen, warten Sie doch einen Augenblick.«

Sie kam heruntergeflitzt wie eine Schwalbe, warf die Arme um seinen Hals und küßte ihn auf die Backe. Dann lief sie rasch wieder hinauf und war auch schon im Atelier verschwunden.

 

Mr. William Wrenn ging rasch über den Riverside Drive und dachte über seine Briefe an die Kaufleute im Süden nach.

Als er das Atelierhaus verließ, hatte er in sich einen Menschen gesehen, der große Schmerzen und Aufregungen durchmachen muß, bevor er sich von allen Wünschen und Sehnsüchten nach Istra frei machen und bereit sein kann, Nelly aufrichtig und demütig zu dienen.

Aber er merkte, daß alle Schmerzen vorüber waren. Selbst wenn er seine Würde als Unglücklicher wahren wollte, gelang es ihm nicht, mit seinen Gedanken bei Istra zu bleiben.

So oft er an Nelly dachte, wurde ihm warm ums Herz und mußte er leise lachen. Einige Male tauchten aus dem Nichts Bilder der hochnäsigen Leute vor ihm auf, die im Atelier auf dem Washington Square die Probleme der Welt gelöst hatten, und dann murmelte er: »Ach, hoffentlich ersticken die mal dran. Istra ist aber tadellos; sie hat mich schrecklich viel gelernt. Aber – herrjeh! ich bin doch froh, daß sie nicht mehr bei uns im Haus wohnt; wenn sie noch da wohnen würde, würd ich mit der ganzen Sache wahrscheinlich nochmal von vorn anfangen.«

Plötzlich, an einer Straßenecke, irgendeiner Straßenecke, begann er zur Untergrundbahn nach dem Broadway zu laufen. Er mußte unter einem Dach mit Nelly sein. Wenn es nur möglich wäre, sie noch an diesem Abend zu sehen! Aber es war ja schon Mitternacht. Immerhin entwarf er einen Plan. Am nächsten Vormittag wollte er aus dem Büro fortgehen, sie in ihrem Warenhaus aufsuchen und dazu bewegen, daß sie am Abend mit ihm draußen in Manhattan Beach esse.

Er war zu Hause. Glücklich ging er die Treppe hinauf. Er wollte von Nelly träumen, und – –

Nellys Tür ging auf, und sie kam im Frisiermantel aus dem Zimmer.

»Ach«, sagte sie leise, »Sie sinds?«

»Ja. Aber Sie sind noch spät auf.«

»Sind Sie – – Geht es Ihnen auch ganz gut?«

Er lief über den Korridor und stand, am Stroh seines neuesten Hutes herumkratzend, verlegen da.

»Wieso, ja, Nelly, natürlich. Arme – – Ach, Sie wollen mir doch nicht sagen, daß Sie wieder Kopfschmerzen haben?«

»Nein – – Es war natürlich schrecklich albern von mir, aber ich hab am Abend gesehen, wie Sie weggegangen sind, und da haben Sie so wild ausgesehen, und so, als ob Ihnen nicht recht gut wäre.«

»Aber jetzt ist alles gut.«

»Also, dann Gute Nacht.«

»O nein – hören Sie zu – bitte! Ich bin zu Miss Nash gegangen, weil ich ziemlich sicher war, daß ich jetzt nicht mehr so – ach, na ja – also nicht mehr so in ihrer Gewalt bin. Und jetzt bin ich ganz sicher. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber irgendwie möcht ich – ich möcht, daß Sie wissen, daß ich mir von jetzt an Mühe geben werd, ob ich Sie nicht dazu kriegen kann, daß Ihnen bißchen was an mir liegt.«

Er war sehr ernst und ziemlich ruhig, er hatte die Würde des Mannes, der zu sich zurückgefunden hat. »Ich trau mich nicht recht,« fuhr er fort, »das zu sagen, weil Sie vielleicht denken werden, ich bild mir ein, daß ich so was wien kleiner Blechgötze bin und nicht mehr tun brauch als sagen, welches Mädel ich haben will, und dann wird sie auch schon hergelaufen kommen, aber das stimmt nicht; es stimmt nicht. Es ist bloß so, daß ich möchte, daß Sie wissen, daß ich Ihnen jetzt alles von mir geben will, wenn ich Sie dazu bringen kann, daß Sie mich haben möchten. Und ich bin auch wirklich froh, daß ich Istra gekannt hab – ich hab ne ganze Menge von ihr gelernt, über Bücher und so – so daß ich mehr für mich, und vielleicht auch für Sie hab. Es ist – Nelly – versprechen Sie mir, daß Sie – meine Freundin sein wollen – versprechen Sie mir – – wenn Sie bloß wüßten, wie ich jetzt zurückgelaufen bin, um Sie zu sehen!«

»Billy – –«

Sie streckte die Hand aus, und er faßte sie, als wäre sie das heilige Symbol seiner Träume.

»Morgen«, sagte sie lächelnd, eine kleine Träne im Auge, »werd ich wohl wieder eine ganze Dame sein und von Ihnen verlangen, daß Sie mir alles erklären, aber jetzt bin ich einfach froh und glücklich. Ja«, betonte sie noch einmal, »ich will auch zugeben, daß ich es bin, wenn ich will! Ich bin froh und glücklich!«

Ihre Tür schloß sich.


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