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Geschichte des Don Gaston de Cogollos und der Donna Helena de Galisteo.
Es werden bald vier Jahre seyn, fuhr er fort, daß ich von Madrid nach Coria reiste, um Donna Eleonora de Laxarilla, meine Tante, zu besuchen, die eine von den reichsten Witwen des altcastilischen Adels ist, und keinen weitern Erben hat, als mich. Kaum war ich bey ihr angekommen, so begann die Liebe meine Ruhe zu stören.
Die Fenster der Zimmer, die mir Donna Eleonora eingeräumt hatte, stießen auf die Gitterfenster einer gradüber wohnenden Dame. Die Gitterstäbe standen dicht genug auseinander, und die Gasse war schmal genug, um gar gemächlich in die Zimmer jenes Frauenzimmers zu sehen. Ich vernachlässigte einen so günstigen Umstand nicht, und fand meine Nachbarinn so schön, daß ich augenblicklich von ihr bezaubert wurde. Ich gab es ihr sogleich durch so feurige Blicke zu erkennen, daß sie selbige unmöglich anders auslegen konnte; so gut sie sie aber auch verstand, so war sie doch keine von denen Mädchen, die sich eine solche Entdeckung zur Trophäe anrechnen, noch weniger von denen, die Liebäugeleyen zu beantworten pflegen.
Ich wollte den Nahmen dieses gefährlichen Weibes, die so schnell Herzen erobern konnte, 57 wissen, und erfuhr: sie hieße Donna Helena; sey die Tochter des Don Jorg de Galisteo, der einige Meilen von Coria ein sehr einträgliches Lehngut besaß. Es hätten sich, hört' ich ferner, oft Partien für sie gefunden, ihr Vater aber habe sie insgesammt von der Hand gewiesen, weil er gesonnen sey, sie an seinen Neffen, den Don Augustin von Olighera zu verheirathen, der als Bräutigam die Freyheit habe, seine Cousine täglich zu sehen und zu unterhalten.
Diese Nachricht machte mich nicht muthlos; ich ward vielmehr noch verliebter; und das stolze Vergnügen, einen geliebten Nebenbuhler aus dem Sattel heben zu können, trieb mich vielleicht noch mehr als meine Liebe an, fest bey der Stange zu bleiben. Sonach fuhr ich fort, aus Helene'n schmachtende Blicke zu werfen, und auf Felizie'n, ihr Mädchen, Blicke des Supplicanten zu heften, gleichsam, um sie um Beystand anzuflehen. Ich ließ sogar meine Finger reden; doch alles umsonst. Das Mädchen wollte so wenig die Zeichensprache verstehen, als ihre Gebietherinn; sie machten beyde die Grausamen und Unzugangbaren.
Weil sie mir auf meine Augensprache keine Antwort geben wollten, nahm ich zu andern Dollmetschern meine Zuflucht. Ich sendete Kundschafter aus, die erforschen sollten, was für Bekanntschaften Felizia in der Stadt habe. 58 Durch diese bracht' ich in Erfahrung, daß eine alte Frau, Nahmens Theodora, ihre beste Freundinn sey, und daß sie sich oft besuchten. Entzückt über diese Entdeckung, ging ich selbst zu Theodore'n, gewann sie durch Geschenke; zog sie so in mein Interesse, daß sie versprach, mir eine geheime Unterredung mit ihrer Freundinn zu verschaffen, und den folgenden Tag hielt sie Wort.
Nunmehr hat mein Unglück ein Ende, sagt' ich zu Felizie'n, da meine Leiden Ihr Mitleid erregt haben. Wie viel Verbindlichkeit hab' ich nicht Ihrer Freundinn, daß sie mir endlich eine Unterredung mit Ihnen, liebes Kind, bewirkt hat, nach der ich mich schon lange gesehnet. Sennor Cavallero, gab sie mir zur Antwort, Theodora vermag über mich alles. Sie hat mich völlig auf Ihre Seite gebracht; und wär' ich im Stande, Sie glücklich zu machen, so würden Sie bald das Ziel Ihrer Wünsche erreicht haben; so aber zweifl' ich, ob ich bey all' meinem guten Willen Ihnen viel werde helfen können. Frey heraus gesagt, Sie haben nichts Kleines unternommen; mehrere Schwierigkeiten können Sie nie gefunden haben. Sie lieben eine Dame, die schon für einen andern Cavalier Zuneigung hat, und was noch mehr, eine Dame, die so stolz, und so sehr Meisterinn in der Verstellung ist, daß, wenn es Ihnen auch ja durch Beständigkeit und durch die größte 59 Achtsamkeit glücken sollte, ihr einige Seufzer zu entlocken, Sie Sich doch nie Rechnung machen dürfen, daß Sie das Vergnügen haben werden, sie zu hören.
Ah! meine theure Felizia, rief ich mit Wehmuth, warum machen Sie mich mit all' den Hindernissen bekannt, die ich zu bekämpfen habe! Sie richten mich ganz hin mit dieser Nachricht! Täuschen Sie mich lieber, als daß Sie mich so in Verzweiflung stürzen! Ich ergriff eine von ihren Händen, drückte sie in die meinige, und steckte ihr einen Diamantring von dreyhundert Pistolen an den Finger; was ich ihr dabey sagte, war so rührend, daß Thränen ihr aus dem Auge stürzten.
Meine Reden hatten sie zu sehr gerührt, und mein Betragen ihr zu sehr gefallen, als daß sie mich ohne Trost hätte lassen sollen. Sie räumte die Schwierigkeiten etwas aus dem Wege. Sennor Cavallero, sagte sie zu mir, lassen Sie Sich durch das, was ich Ihnen eben gesagt habe, nicht alle Hoffnung benehmen. Gram ist man ihrem Nebenbuhler freylich nicht. Er kann seine Cousine ganz frey und ungehindert besuchen; sie sprechen, wenn's ihm beliebt. Und grade das ist Ihnen sehr gut. Durch das alltägliche Beysammenseyn sind sie schon ziemlich lau gegen einander, trennen sich, ohn daß es ihnen sauer wird, und sehen einander wieder, ohne daß es ihnen 60 wohler um's Herz zu werden scheint; kurz, man sollte sie bereits für ein Ehepaar halten.
Mit einem Worte, fuhr sie fort, ich sehe gar nicht, daß meine Herrschaft für Don Augustin eine heftige Leidenschaft hegt. Ueberdieß befindet sich zwischen Ihm und Ihnen, was die persönlichen Eigenschaften anlangt, ein solcher Unterschied, daß ein Frauenzimmer von so feinem Gefühl als Donna Helena, solchen nothwendig bemerken muß, zu Ihrem Vortheil bemerken muß. Lassen Sie also den Muth nicht sinken! Spielen Sie Ihr altes Spiel immer fort; ich will Ihnen beystehen, keine Gelegenheit vorbeylassen, meiner Herrschaft alle Ihre Bemühungen ihr zu gefallen, recht gelten zu machen. Sie mag sich immerhin verstellen, ich will, trotz ihrer Verstellung, hinter ihre wahre Gesinnungen kommen.
Wir schieden auseinander, Felizia und ich, sehr wohl miteinander zufrieden. Ich trieb wieder mein altes Spiel; liebäugelte auf Don Jorge's Tochter hinüber, und veranstaltete ihrenthalber eine Serenade, wobey ich die Verse, die Sie eben gehört haben, durch eine schöne Stimme absingen ließ. Nach diesem Conzert fragte das Mädchen, um bey ihrer Herrschaft auf den Strauch zu klopfen, wie man sagt: ob es ihr gefallen habe? Der Sänger ungemein! sagte Donna Helena. »Und das, was er gesungen, ist das nicht recht herzrührend? 61
Darauf hab' ich gar nicht Acht gegeben, erwiederte die Dame. Meine ganze Aufmerksamkeit heftete sich bloß auf den Gesang, nicht im mindesten auf die Poesie. Auch verlang' ich gar nicht zu wissen, wer mir diese Serenade gebracht hat.
Auf die Art, rief das Mädchen, wird dem armen Don Gaston von Cogollos ein gewaltiger Querstrich durch seine Rechnung gemacht, und er ist nicht wohl bey Troste, daß er mit dem ew'gen Herüberkuken so viel Zeit verquengelt.
Wer weiß auch, ob er's ist, sagte ihre Gebietherinn ganz gleichgültig, vielleicht ist es auch ein andrer Cavalier, der mir durch die Musik seine Leidenschaft hat wollen zu erkennen geben.
Um Verzeihung, gnädiges Fräulein, versetzte Felizia, da irren Sie Sich. Es ist wirklich und in der That Don Gaston. Und das weiß ich daher. Er redete mich heute früh auf der Straße an, und bath mich, Ihnen in seinem Nahmen zu sagen, er bethe Sie an, mit so vieler Strenge Sie auch seine Liebe belohnten, und er würde sich für den allerglücklichsten unter allen Männern halten, wenn's ihm erlaubt wäre, durch Achtsamkeit und durch galante Lustbarkeiten Ihnen seine Zärtlichkeit zu äußern. Aus den Reden können Sie leicht sehen, daß ich mich nicht geirrt habe. 62
Plötzlich änderte sich das Gesicht von Don Jorge's Tochter, und sie sagte mit einem finstern Blick auf ihr Mädchen: Ihr hättet mir all' den elenden Schnickschnack nicht wieder sagen dürfen. Inskünftige verbitt' ich mir dergleichen Klatschereyen! Und untersteht sich der junge Tolldreist nochmahl mit Euch zu reden, so befehl' ich Euch, ihm zu sagen: er möge sich an ein Mädchen wenden, die sich mehr aus seinen Galanterien mache, und sich einen schicklichern Zeitvertreib wählen, als den, den ganzen Tag an seinen Fenstern zu stehen, und alles zu belauern, was ich in meinem Zimmer vornehme.
Alles das erfuhr ich bey einer zweyten Unterredung mit Felizie'n getreulich wieder. Sie behauptete, ich müßte die Worte ihrer Herrschaft nicht nach den dürren Buchstaben nehmen, und so wollte sie mich überreden, daß meine Sache im besten Gange wäre. Ich meiner Seits blieb aber beym klaren Text, und glaubte nicht, daß sich selbiger mir zu Gunsten auslegen ließe, deßhalb traut' ich nicht dem Commentar, den Felizie hierüber machte. Sie hielt sich über meinen Unglauben auf, verlangte von ihrer Freundinn Feder, Tinte und Papier, und sagte zu mir:
Nun, gnädiger Herr, schreiben Sie an Donna Helena, als ein verzweifelnder Liebhaber; schildern Sie Ihre Leiden aufs lebhafteste, und beschweren Sie Sich über ihr Verboth, nicht 63 mehr vor ihren Fenstern erscheinen zu dürfen. Versprechen Sie, zu gehorchen. Geben Sie dem Dinge solche Wendung, wie Ihr Herren Cavaliere wohl zu machen versteht, und das Uebrige nehm' ich auf mich. Ich hoffe, der Ausgang soll meiner Verschlagenheit mehr Ehre machen, als Sie zu glauben scheinen.
Ich wäre der erste Liebhaber gewesen, der eine so schöne Gelegenheit seiner Gebietherinn zu schreiben, vorbeygelassen hätte. Mithin setzt' ich einen der rührendsten Briefe auf. Eh' ich ihn versiegelte, zeigt' ich ihn der Felizia, die nach dessen Lesung lächelte, und zu mir sagte: daß, wenn die Frauenzimmer die Kunst verstünden, die Mannspersonen zu bestricken, wären dagegen die Mannspersonen in der Kunst nicht unerfahren, die Frauenzimmer zu beschwatzen.
Die Zofe nahm mein Billet, und versicherte mir, an ihr soll' es nicht liegen, wenn es keine gute Wirkung hervorbrächte; hierauf empfahl sie mir, meine Fenster einige Tage fest zuzuhalten, und begab sich wieder zu Don Jorge.
Sennora, sagte sie, indem sie zur Donna Helena kam, ich bin dem Don Gaston begegnet. Er kam sogleich auf mich zu, wollte seinen gewöhnlichen glatten Schnack anfangen; frug mich mit bebender Stimme, und als ein Missethäter, der sein Urthel erwartet: ob ich in seinem Nahmen mit Ihnen gesprochen hätte? Ich fiel ihm gähling in die Rede; fing an recht 64 auf ihn loszuziehen, stieß die stärksten Anzüglichkeiten gegen ihn aus, und ließ ihn stehen, ganz verdutzt über mein loses Maul.
Ich bin entzückt, antwortete Donna Helena, daß Du mir diesen Ueberlästigen vom Halse geschafft hast. Doch es war nicht nöthig, ihn so rauh anzulassen. Ein Mädchen muß nie seine Sanftheit verläugnen.
Mit Sanftheit, Sennora, erwiederte das Mädchen, wird man einen feurigen Liebhaber nicht los, oft sogar nicht durch Lärmen und Toben. Don Gaston zum Exempel, so dick ich's ihm auch gegeben hatte, ließ sich darum nicht abschrecken. Nachdem ich ihn erzähltermaßen mit Schmähworten überhäuft, ging ich zu Ihrer Fräulein Cousine, wo Sie mich hingeschickt hatten. Zum Unglücke hielt mich die zu lange auf. Zu lange sag' ich, weil ich beym Zurückkommen den Herrn wiederfand, den ich mit einem Korbe hatte heimwandern lassen. Ich war's gar nicht vermuthend, ihn wieder zu sehen. Sein Anblick machte mich betreten, so betreten, daß ich, die ich mir sonst immer mit meiner Zunge durchzuhelfen weiß, kein Sterbenswörtchen aufbringen konnte. Er, unter der Zeit nicht faul, machte sich mein Stillschweigen, oder vielmehr meine Verwirrung zu Nutze, schob mir ein Billet in die Hand, das ich behielt, ohne zu wissen, was ich that, und in dem Augenblicke verschwand er. 65
Indem sie dieß sagte, zog sie den Brief aus dem Busen, und gab ihn in vollem Schäkern ihrer Herrschaft in die Hand. Diese nahm ihn hin, gleichsam, um sich damit eine Kurzweile zu machen, und las ihn in vollem Ernste durch. Hierauf spielte sie die Zurückhaltende, und sagte mit einer ernsthaften Miene zu ihrem Mädchen:
Wahrlich! Felizia, Du bist unbesonnen, thöricht, dieß Billet angenommen zu haben. Was soll Don Gaston davon denken, und was ich selbst? Du gibst mir durch Dein Betragen Anlaß, in Deine Treue Mißtrauen zu setzen, und ihn leitest Du auf den Verdacht, als ob ich gegen seine Leidenschaft nicht unempfindlich sey. Ha! vielleicht bildet er sich diesen Augenblick ein, daß ich mit dem größten Wohlbehagen den Inhalt dieses Briefes lese, und wiederlese.
O! bewahr' und behüte! antwortete das Kammermädchen, auf den Gedanken wird er nicht kommen, und sollt' er's ja, so will ich ihm denselben bald aus dem Kopfe bringen. Sobald ich ihn wiederseh', werd' ich ihm sagen, ich hätte Ihnen seinen Brief gezeigt, Sie hätten ihn ganz frostig angesehen, und ihn endlich ungelesen mit der schnödesten Verachtung zerrissen.
Ihr könnt ihm ganz kühnlich zuschwören, daß ich ihn nicht gelesen habe, erwiederte die Donna Helena. Ich würd' in der größten Verlegenheit seyn, wenn ich nur bloß zwey Worte daraus 66 hersagen sollte. Don Jorge's Tochter begnügte sich nicht dieß zu sagen, sondern sie zerriß mein Billet, und verboth ihrem Mädchen je wieder meiner zu gedenken.
Da ich versprochen hatte, den Liebhaber nicht mehr an den Fenstern zu spielen, weil mein Anblick mißfiel, so hielt ich selbige einige Tage lang zu, um meinem Gehorsam noch mehrern Nachdruck zu geben. Weil mir nun das Mienenspiel untersagt war, nahm ich mir vor, meiner grausamen Helena neue Serenaden zu bringen.
Ich begab mich in einer Nacht mit Musikanten unter ihren Balkon, als ein Cavalier mit dem Degen in der Hand das Conzert störte, indem er rechts und links auf die Conzertisten loshieb, die alsbald die Flucht ergriffen. Die Wuth, die ihn beseelte, ergriff mich auch. Ich näherte mich, um ihn zur Strafe zu ziehen, und wir begannen einen sehr hitzigen Kampf.
Donna Helena und ihr Mädchen wurden durch das Degenklirren an ihre Gitterfenster getrieben, und sahen zwey Mannspersonen in Handgemenge. Sie stießen ein grosses Geschrey aus, das Don Jorge'n und seine Bedienten aufzustehen nöthigte. Sie waren bald bey der Hand, und liefen sowohl als verschiedne Nachbaren hinzu, die Streitenden aus einander zu bringen. Doch sie kamen zu spät. Sie fanden auf der Wahlstadt bloß einen Cavalier in seinem 67 Blute gebadet, beynahe ganz leblos, und erkannten mich in diesem Unglücklichen. Man trug mich zu meiner Tante, welche die geschicktesten Wundärzte aus der Stadt rufen ließ.
Jedermann bedauerte mich, und besonders Donna Helena, die jetzt das Innere ihres Herzens sehen ließ; ihre Verstellung wich ihren Empfindungen. Sie war, – sollte man's wohl glauben? – nicht mehr das Mädchen, das sich eine Ehre daraus machte, fühllos gegen jede Aeusserung meiner Liebe zu scheinen; sie war jetzt eine Zärtlichliebende, die sich ohn' allen Hehl ihrem Schmerz überließ. Den Ueberrest der Nacht that sie sammt ihrem Mädchen nichts als weinen, und ihren Vetter, den Don Augustin de Olighera vermaledeyen, den sie für den Urheber ihres Jammers ansahen; wie er denn auch wirklich derjenige gewesen war, der die Serenade auf eine so unangenehme Art unterbrochen hatte.
So sehr Meister in der Verstellung als seine Cousine hatt' er meine Gesinnungen entdeckt, ohne davon das Mindeste zu äussern, und da er im Wahne stand, ihre Gesinnungen stimmten zu den meinigen, so hatte er jene Heldenthat gethan, um mir zu zeigen, daß er nicht alles so geduldig ertrüge, wie man wohl dächte. Indeß folgte kurz darauf aus diesem traurigen Zufalle ein so freudiger, daß man jenen darüber ganz vergaß. 68
So gefährlich ich auch verwindet war, so zog mich dennoch die Geschicklichkeit der Wundärzte glücklich aus dem Spiele. Ich hüthete noch die Stube, als Donna Eleonore, meine Tante, zum Don Jorge hinging, und um Donna Helene'n für mich anhielt. Er willigte um so lieber in meine Heirath, weil er den Don Augustin in seinem Leben nicht mehr wieder zu sehen glaubte. Nur besorgte der gute Alte, daß seine Tochter sich mir mit sträubendem Herzen ergeben möchte, weil sein Vetter Olighera völlige Freyheit gehabt habe, sie zu besuchen, und Muße genug, sich beliebt zu machen: allein sie schien so willig, ihrem Vater hierin zu gehorchen, daß man hieraus schliessen kann, in Spanien sowohl, als anderwärts, fährt derjenige bey den Damen am besten, der zuletzt kommt.
Sobald ich mit Felizie'n eine geheime Unterredung halten konnte, erfuhr' ich, wie tief der unglückliche Ausgang meines Zweykampfs ihrer Gebietherinn zu Herzen gegangen sey. Da ich nun nicht mehr zweifeln konnte, daß ich der Paris meiner Helena war, pries ich meine Wunde, weil sie für meine Liebe so glückliche Folgen gehabt hatte. Ich erhielt vom Sennor Don Jorge die Erlaubniß, in Gegenwart des Mädchens mit seiner Tochter reden zu dürfen. Wie süß war diese Unterredung für mich! Ich bath, ich drang dermaßen in die Dame, mir zu 69 sagen, ob ihr Vater ihr nicht Gewalt anthäte, indem er sie meiner Zärtlichkeit überlieferte, daß sie mir gestand, sie gäbe mir ihre Hand nicht bloß aus Gehorsam. Nach diesem höchst angenehmen Geständniß war ich auf nichts weiter bedacht, als mich noch immer beliebter bey ihr zu machen, und bis zum Tag' unsrer Verbindung hin, galante Lustbarkeiten zu ersinnen. Dieser Tag sollte durch eine prächtige Cavalkade gefeyert werden, wobey der ganze Coriasche Adel, und der aus der Nachbarschaft zu glänzen sich zubereitete.
Ich gab in einem herrlichen Lusthause, das meine Tante, ausserhalb der Stadt, nach Manroy zu besaß, ein grosses Banket. Don Jorge und seine Tochter, nebst allen ihren Verwandten und Freunden befanden sich auf demselben. Auf meinen Befehl waren zu einem Concert alle Anstalten getroffen, und ein Trupp herumziehender Schauspieler verschrieben worden, um daselbst ein Stück aufzuführen. Mitten unter den Lustbarkeiten meldete man mir, es sey jemand da, der mir etwas von Belang zu sagen habe. Ich stand von der Tafel auf, um zu sehen wer es sey, und fand einen Unbekannten, der die Miene eines Kammerdieners hatte. Er überreichte mir ein Billet, das ich öffnete, und folgenden Inhalts fand:
»Ist Ihnen Ihre Ehre theuer – und das muß sie doch jedem Ritter Ihres Ordens – 70 so stellen Sie Sich Morgen früh unfehlbar auf der Ebene von Manroy ein. Sie werden daselbst einen Cavalier finden, der Ihnen für die Beleidigung Genugthuung geben will, die er Ihnen zugefügt, und Sie, wo möglich ausser Stand setzen wird, Donna Helenen zu heirathen.«
Don Augustin de Olighera.
So viel auch die Liebe über den Spanier vermag, vermag Rachgier doch noch mehr über ihn. Ich konnte dieß Billet nicht ohne Kochen lesen; bey dem bloßen Nahmen Augustin entzündete sich in all' meinen Adern ein Feuer, das mich beynahe die unüberheblichen Pflichten vergessen machte, die ich an dem Tage zu erfüllen hatte. Ich war nicht übel Willens, mich von der Gesellschaft wegzustehlen, und meinen Feind augenblicklich aufzusuchen. Gleichwohl zwang ich mich, um das Fest nicht zu stören, und sagte zum Ueberbringer des Herausforderungsschreibens: Mein Freund, meldet nur dem Cavalier, der Euch gesandt, ich wäre zu begierig, einen Gang mit ihm zu machen, als daß ich mich an dem bestimmten Orte nicht einfinden sollte.
Nachdem ich den Bothen mit dieser Antwort fortgeschickt hatte, begab ich mich wieder zu meinen Gästen, und setzte mich zur Tafel; meinem Gesichte wußt' ich so gut Heiterkeit aufzulügen, daß Niemand von dem etwas argwöhnte, was in 71 mir vorging. Ich schien so wie die übrigen mit nichts beschäftigt, als mit den Freuden des Festes, das erst nach Mitternacht zu Ende ging. Die Gesellschaft brach auf,. und ein jeder begab sich auf die Art wieder nach der Stadt zurück, wie er aus selbiger gekommen war.
Ich meiner Seits blieb auf dem Lusthause, unterm Vorwande, daselbst die Kühle des Morgens zu geniessen, es geschah' aber nur, um zeitiger auf dem Tummelplatze zu seyn. Anstatt mich niederzulegen, erwartet' ich den Anbruch des Tages mit Ungeduld; kaum gewahrt' ich ihn, so stieg ich auf meinen besten Gaul, und ritt ohne Begleitung fort, gleichsam einen Lustritt zu machen. Ich nehme den Weg nach der Ebene von Manroy, und erblicke von fern jemand, der mit verhängtem Zügel gesprengt kommt. Um ihm den halben Weg zu sparen, flieg' ich ihm entgegen, und wir treffen in Kurzem auf einander. Es war mein Nebenbuhler.
Mir thut's leid, Ritter, sagte er in einem kecken Tone, daß ich zum zweytenmahle mich mit Ihnen schlagen muß, allein die Schuld ist Ihre. Nach dem Serenadenabenteuer hätten Sie Don Jorge's Tochter gutwillig aufgeben sollen, oder Sich gesagt seyn lassen, daß Sie damit nicht davon kämen, wenn Sie auf dem Vorsatze beharrten, Sich bey Ihr beliebt zu machen. Sie sind auf einen Vortheil zu stolz, gab ich 72 ihm zur Antwort, den Sie vielleicht weniger Ihrer Geschicklichkeit, als der Dunkelheit der Nacht zu verdanken haben. Sie bedenken nicht, daß nichts unbeständiger ist als Waffenglück. Bey mir trifft das nicht zu! versetzte er mit einem übermüthigen Wesen; und ich will Euch zeigen, daß ich sowohl bey Tag' als bey Nacht verwegne Ritter zu bestrafen weiß, die mir in's Gehäge brechen.
Ich erwiederte diese Rede nicht, sondern stieg schnell vom Pferde; Don Augustin ebenfalls. Wir banden unsre Gäule an einen Baum, und begannen hierauf uns mit gleicher Tapferkeit zu schlagen. Zur Steuer der Wahrheit gesagt, ich hatte mit einem Feinde zu thun, der sich besser auf die Klinge verstand, als ich, ob ich gleich zwey Jahre Fechtlektionen genommen hatte. Er war ein vollkommner Fechter. Dessen ungeachtet, wie denn gar oft der Schwächre den Stärkern überwindet, bekam mein Nebenbuhler, trotz aller seiner Geschicklichkeit, einen Stich durch's Herz, der ihn einen Augenblick nachher entseelt zu Boden streckte.
Ich kehrte sogleich auf mein Lusthaus zurück, wo ich meinem Kammerdiener, dessen Treu' ich kannte, mit ein paar Worten diesen Vorfall erzählte. Hierauf sagt' ich zu ihm: Mein lieber Ramiro, nimm, ehe die Obrigkeit diese Begebenheit erfährt, einen tüchtigen Gaul, und melde meiner Tante dieß Abenteuer. Laß Dir 73 Gold und Juwelen von ihr geben, und bringe mir selbige nach Palenzia. Du findest mich im ersten Wirthshause, unfern dem Thore.
Ramiro richtete seinen Auftrag auf's schnellste aus, und traf drey Stunden nach mir in Palenzia ein. Er sagte mir, Donna Eleonora wär' über diesen Zweykampf mehr erfreut, als betrübt gewesen, weil dadurch die mir angethanene Schmach wäre getilgt worden, und sie sende mir hier all' ihr Gold und all' ihre Edelgesteine, um so lange gemächlich umherreisen zu können, bis sie meine Sache beygelegt habe.
Alle überflüssigen Umstände will ich überspringen, und Ihnen bloß sagen, daß ich durch Neucastilien nach Denia in Valenzia ging. Daselbst schifft' ich mich ein, und begab mich nach Italien, wo ich mich in den Stand setzte, alle dortigen kleinen Höfe zu bereisen, und daselbst mit Behäglichkeit zu erscheinen.
Indeß ich fern von meiner Helena meine Lieb' und meinen Kummer so viel wie möglich zu betäuben suchte, beweinte sie zu Coria insgeheim meine Abwesenheit. Anstatt die peinlichen Untersuchungen gut zu heissen, welche ihre Familie wegen Olighera's Tod gegen mich anstellen ließ, wünschte sie vielmehr dieselben durch einen baldigen Vergleich beygelegt, und meine Rückkehr beschleunigt. Sechs Monathe waren bereits seit unsrer Trennung verflossen, und 74 ich glaube, ihre Standhaftigkeit würde stets über die Zeit gesiegt haben, hätte sie bloß gegen die anzukämpfen gehabt, so aber hatte sie noch mächtigere Feinde.
Don Blas de Combados, ein Edelmann aus Westgallizien kam nach Coria, um eine Erbschaft in Besitz zu nehmen, die ihm Don Miguel de Caprara, sein Vetter, vergebens streitig gemacht hatte. Er ließ sich hier nieder, weil ihm dieß Land anmuthiger däuchte, als sein eignes. Combados war wohlgebildet, dem Anscheine nach sanft und höflich, und besaß die Gabe des Einschmeichelns in sehr hohem Grade. Er hatte mit den Angesehensten der Stadt bald Bekanntschaft gemacht, und erfuhr die Hausangelegenheit eines jeden.
In Kurzem wußt' er auch, daß Don Jorge eine Tochter habe, deren gefährliche Schönheit die Männer bloß zu ihrem Verderben zu entflammen schien. Er ward begierig, ein so furchtbares Frauenzimmer kennen zu lernen; zu dem Ende bewarb er sich um die Freundschaft des Vaters, und wußte selbige dermaßen zu gewinnen, daß der Alte, der ihn bereits als seinen Schwiegersohn ansah, ihm Zutritt in sein Haus verstattete, und die Erlaubniß gab, in seiner Gegenwart mit Helene'n zu sprechen. Nicht lange, so ward der Gallizier – denn das war unvermeidlich – in sie verliebt. Er öffnete Don Jorge'n sein Herz, der zu ihm 75 sagte: Seine Anwerbung sey ihm zwar angenehm, allein zwingen könn' er seine Tochter nicht, ihn zu nehmen, weil er es ihr stets freygestellt habe, ihre Hand zu geben, wem sie wolle.
Hierauf versuchte Don Blas alle Galanterien, die er nur erdenken konnte und wodurch er sich bey dieser Dame beliebt zu machen glaubte; das alles aber bewirkte keinen Eindruck auf sie, so sehr war sie mit mir beschäftigt. Indessen war Felizia in des Cavaliers Interesse durch ansehnliche Geschenke gelockt worden, und wandte alle ihre Geschicklichkeit an, seiner Liebe behülflich zu seyn. Auf der andern Seite unterstützte der Vater durch Ermahnungen das Kammermädchen, nichts destoweniger konnten sie ein Jahr hindurch Helene'n wohl quälen, aber ihre Treue gegen mich nicht wanken machen.
Als Combados sahe, daß Don Jorg' und Felizia sich vergeblich für ihn interessirten, schlug er ihnen vor, durch eine sinnreiche Erfindung die Hartnäckigkeit einer so eingenommenen Liebhaberinn zu überwinden. Und die ist folgende, sagte er. Wir schmieden einen Brief, als hätt' ihn ein Italiänischer Kaufmann an seinen Correspondenten in Coria geschrieben. Nach einer weitläuftigen Vorlegung von Handelssachen müssen die Worte stehen:
Parma, den u. s. w.
»Seit Kurzem ist ein Spanischer Ritter, Nahmens Don Gaston de Cogollos, hier 76 angekommen. Er gibt sich für den Neffen und einzigen Erben einer reichen Witwe aus, die zu Coria wohnen, und Donna Eleonora de Laxerilla heissen soll. Er bewirbt sich um die Tochter eines angesehnen Herrn; man will sie ihm aber nicht eher geben, als bis man sich von der Wahrheit seines Vorgebens unterrichtet hat. Ich habe den Auftrag, mich dieserhalb an Sie zu wenden. Melden Sie mir doch, ich bitte Sie, ob Ihnen dieser Don Gaston bekannt ist, worin das Vermögen seiner Frau Base bestehet, und wie hoch sich's beläuft. Ihre Antwort wird dieser Heirathssache den Ausschlag geben.«
Dieser Betrug schien dem Alten nur ein sinnreicher Einfall, eine dem Liebhaber sehr verzeihliche List, und das Kammermädchen, das noch weniger gewissenhaft war wie der Alte, billigte ihn ungemein. Die Erfindung schien ihnen um so besser, da sie Helene'n als ein stolzes Frauenzimmer kannten, das seinen Entschluß auf der Stelle zu ergreifen vermögend war, wofern sie nur nichts von Betrug argwöhnte. Don Jorge nahm es über sich, meine Sinnesänderung seiner Tochter selbst zu hinterbringen, und um das Ding noch glaublicher zu machen, sie mit dem Kaufmanne reden zu lassen, der den untergeschobnen Brief von Parma bekommen hat. Sie führten das Project ganz nach der Abrede aus. Der Vater kam zur Tochter. Sein Blut schien in der heftigsten 77 Wallung zu seyn, seine Muskeln bebten vor Zorn, Stirn und Blick bezeichneten Entrüstung, und er sprach mit anscheinender Heftigkeit:
Ich will Dir nicht mehr sagen, daß unsre Anverwandten mir täglich mit der Bitte in den Ohren liegen, den Mörder des Don Augustin's ja nicht in unsre Familie aufzunehmen; ich habe jetzt einen weit stärkern Grund, Dir zu sagen, daß Du den Don Gaston mußt fahren lassen. Schäm' Dich in Dein inners Herz, daß Du ihm so treu gewesen bist. Es ist ein Flatterhafter, ein Treuloser, und hier der zuverläßige Beweis davon! Lies den Brief selbst, den eben ein Coriascher Kaufmann aus Italien erhalten hat.
Zitternd nahm Helena dieß Papier, durchlas es, erwog all' dessen Ausdrücke, und ward von dieser Nachricht ganz zu Boden geschmettert. Ein Ueberrest von Zärtlichkeit machte sie einige Thränen vergiessen; bald aber rief sie ihren Stolz zu Hülfe, trocknete ihre Zähren ab, und sagte in einem festen Tone zu ihrem Vater: Sennor, Sie sind Zeuge meiner Schwachheit gewesen, seyn Sie's auch des Sieges, den ich über mich selbst davon getragen habe. Es ist vorbey; ich fühle nichts mehr für den Cogollos als Verachtung, seh' in ihm bloß den Auswurf aller Männer. Kein Wort mehr von ihm! Nun hält mich nichts mehr zurück. Ich bin bereit, dem Don Blas zum Altare zu folgen; will 78 noch eher an dessen Fuße stehen, als jener Meineidige, der meiner Liebe so übel gelohnt hat.
Der von Freude über diese Worte entzückte Don Jorg' umarmte seine Tochter, lobte den standhaften Entschluß, den sie gefaßt hatte, und frohlockend über den glücklichen Ausschlag jener Kriegslist, eilte er die Wünsche meines Nebenbuhlers zu krönen.
So wurde mir Donna Helena geraubt. Rasch stürzte sie sich dem Don Combados in die Arme, ohne der Stimme der Liebe Gehör zu geben, die im Innern ihres Herzens für mich sprach, ohne sogar einen Augenblick an einer Nachricht zu zweifeln, die bey einer Liebenden nicht so leicht hätte Eingang finden sollen. Die Stolze hörte nur blos auf ihren Hochdünkel. Die Begierde, sich wegen des Schimpfs zu rächen, den ich ihrem Wahne nach ihrer Schönheit erwiesen hatte, wog ihre Leidenschaft gegen mich zu Boden.
Wenige Tage aber nach ihrer Verbindung fing sie es doch an zu reuen, daß sie mit selbiger so sehr geeilt habe; es fiel ihr ein, daß der Brief des Kaufmanns untergeschoben seyn könne, und dieser Argwohn verursachte ihr Unruhe. Allein der verliebte Don Blas ließ seiner Frau keine Zeit, Gedanken zu nähren, die seiner Ruhe nachtheilig seyn konnten. Er war darauf bedacht, ihr stets Zerstreuung zu verschaffen, und die immer fortlaufende Kette 79 abwechselnder Lustbarkeiten, die er zu erfinden die Kunst besaß, machte ihm dieß gelingen.
Sie schien mit einem so galanten Gemahl höchst zufrieden, und sie lebten beyde in vollkommener Eintracht, als meine Tante meinen Streithandel mit den Verwandten des Don Augustin's beygelegt hatte. Sie schrieb mir dieß sogleich nach Italien. Ich befand mich damahls zu Regio in Unterkalabrien. Ich eilte nach Sicilien, von da nach Spanien, und zog endlich auf Flügeln der Liebe nach Coria. Donna Eleonora, die mir nichts von der Heirath der Tochter des Don Jorge gemeldet hatte, erzählte mir nun selbige. Da sie wahrnahm, daß mich diese Nachricht kränkte, sagte sie zu mir: Ihr habt Unrecht mon Neveu, Euch den Verlust einer Dame nahe gehen zu lassen, die Euch nicht hat treu bleiben können. Folgt mir; verbannt ein Mädchen aus Eurem Herz und Sinne, die dieses Platzes nicht würdig ist.
Da meine Tante nicht wußte, daß Donna Helena war hintergangen worden, so war sie völlig befugt, so mit mir zu reden, und konnte mir keinen weisern Rath ertheilen. Auch versprach ich selbigen genau zu befolgen, oder wenigstens Gleichgültigkeit zu affectiren, wofern ich meine Leidenschaft zu überwinden nicht vermöchte.
Gleichwohl konnt' ich der Neugier nicht widerstehen, zu erfahren, wie es eigentlich mit 80 dieser Heirath zugegangen sey. Um hiervon unterrichtet zu werden, beschloß ich mich an Felizien's Freundinn, die vorgedachte Theodora, zu wenden. Ich ging zu ihr und traf daselbst von ungefähr Felizien. Durch meinen völlig unerwarteten Anblick wurde sie ganz bestürzt, und wollte fort, um eine Erläuterung zu vermeiden, die ich, wie sie wohl vermuthen konnte, von ihr verlangen würde. Ich hielt sie auf.
Warum fliehen Sie mich? sagt' ich zu ihr. Ist die treulose Helena noch nicht zufrieden, mich aufgeopfert zu haben; hat sie auch Ihnen verbothen, meine Klagen anzuhören? Oder suchen Sie mir bloß zu entrinnen, um Sich bey der Undankbaren ein Verdienst daraus zu machen, daß Sie mir kein Gehör gegeben haben?
Sennor, antwortete das Mädchen, ich gesteh' Ihnen ganz offenherzig, Ihre Gegenwart macht mich äusserst betreten, erregt die heftigsten Gewissensbisse in mir. Man hat meine Herrschaft verführt, und ich bin leider mit ein Werkzeug ihrer Verführung gewesen. Kann ich nun wohl mich ohne Scham vor Ihnen sehen lassen? O Himmel, rief ich voll Erstaunen, was wagst du mir zu sagen! Erklär' Dich deutlicher.
Nunmehr erzählte mir die Zofe die List, durch welche Combados mir Helene'n entrissen hatte, ganz umständlich, und als sie wahrnahm, daß mir diese Erzählung das Herz 81 durchbohrte, bemühte sie sich, mich zu trösten, both mir ihre Dienste an, versprach mir ihre Herrschaft aus dem Irrthume zu ziehen, ihr meine Verzweiflung zu mahlen; mit Einem Worte, nichts unversucht zu lassen, um mein zentnerschweres Schicksal zu mildern; kurz, sie machte mir Hoffnungen, die meine Pein ein wenig linderten.
Sie hatte unglaubliche Mühe, die Widersetzlichkeit der Donna Helena zu bekämpfen, die durchaus nicht darein willigen wollte, mich zu sehen. Endlich gelang es ihr doch. Sie machten mit einander aus, mich heimlich in das Haus zu lassen, sobald nur Don Blas sich – wie er zuweilen that, um sich mit der Jagd zu belustigen – auf sein Landgut begeben würde, woselbst er sich gemeiniglich ein Paar Tage aufzuhalten pflegte. Dieß Vorhaben ward bald ausgeführt; der Mann ging auf's Land; man benachrichtigte mich sogleich hiervon, und führte mich mit vieler Vorsicht in das Zimmer seiner Gemahlinn.
Ich wollte die Unterredung mit Vorwürfen beginnen. Man schloß mir aber sogleich den Mund. Nichts von dem, was vorgefallen ist, sagte die Dame, es kann doch nicht ungeschehen gemacht werden. Wir wollen jetzt nicht einander weich machen, und Sie irren Sich, wenn Sie mich in der Stimmung glauben, Ihre Empfindungen zu erwiedern. Ich erkläre Ihnen82 hiermit, Don Gaston, ich habe meine Einwilligung zu dieser geheimen Unterredung bloß darum von mir gegeben, den inständigen Bitten, womit man mich belagert hat, nur darum ein geneigtes Ohr geliehen, um Ihnen mündlich zu sagen, daß Sie von nun an bedacht seyn müssen, mich zu vergessen. Vielleicht wär' ich mit meinem Schicksal zufriedner, wenn es an das Ihrige geknüpft wäre, doch da der Himmel es anders geordnet hat, so muß ich mich in seine Fügungen finden.
Wie, meine Gnädige! antwortete ich ihr, ist es nicht genug, Sie verloren zu haben? Nicht genug, den glücklichen Don Blas in dem ruhigen Besitze des einzigen Weibes zu sehen, die ich lieben kann, muß ich Sie auch noch aus meinen Gedanken verbannen? Wollen Sie mir meine Liebe entreissen; mir das einzige Gut rauben, das mir noch übrigbleibt? Ah! Grausame! glauben Sie, daß der, der Ihre Fesseln nur einmahl getragen hat, selbiger je ledig werden kann? Lernen Sie Ihre Macht besser kennen, und hören Sie auf, Sich durch fruchtlose Ermahnungen aus meinem Gedächtniß tilgen zu wollen.
Nun wohl, fiel sie mir schnell in's Wort, so lassen Sie auch die Hoffnung fahren, daß ich Ihre Leidenschaft auf irgend eine Art erwiedern werde. Ich habe Ihnen nur Ein Wort zu sagen: die Gattinn des Don Blas wird nie die 83 Liebschaft des Don Gaston seyn. Richten Sie sich hiernach und entfernen Sie sich. Lassen Sie uns auf das schnellste eine Unterredung endigen, die ich mir, so rein meine Absichten auch sind, zum Vorwurf anrechne, und die ich zu verlängern für sträflich halten würde.
Bey diesen mir alle Hoffnung benehmenden Worten sank ich hin zu ihren Füßen, suchte sie durch die allerbeweglichsten Vorstellungen, sogar durch Thränen zu erreichen; alles vergebens, ausser daß ich vielleicht einige Empfindungen des Mitleids in ihr rege machte, die man mir aber auf's sorgfältigste verhehlte und der Pflicht aufopferte. Nachdem ich die rührendsten Ausdrücke, Bitten und Thränen fruchtlos erschöpft hatte, verwandelte sich meine Zärtlichkeit plötzlich in Wuth. Ich zog meinen Degen, um mich vor den Augen der unerbittlichen Helena zu durchbohren, die kaum meine That gewahr ward, als sie auf mich zustürzte, um den Folgen zuvorzukommen.
Halten Sie ein, Cogollos, sagte sie. Liegt Ihnen an meinem guten Nahmen so wenig? Dadurch, daß Sie Sich das Leben nehmen, entehren Sie mich, und bringen meinen Mann in den Ruf eines Meuchelmörders.
Ich war von der Verzweiflung zu sehr übermeistert, als daß ich mich an diese so vernünftige Reden hätte kehren können; war auf nichts bedacht, als mich aus den Armen der beyden mich fest haltenden Weiber zu winden, um in 84 mein Schwert zu fallen. Was mir nur allzubald würde geglückt seyn, wäre Don Blas ihnen nicht auf das schleunigste zu Hülfe gekommen. Man hatte ihm unsre Zusammenkunft gesteckt gehabt, und anstatt auf's Land zu gehen, hatte er sich hinter eine Tapete verborgen und unsere Unterredung angehört.
Rufen Sie Ihre entflohne Vernunft wieder zurück, Don Gaston, sagte er zu mir, indem er mich beym Arm hielt, und überlassen Sie Sich nicht so unmännlich der wüthenden Leidenschaft, die Sie treibt.
Ihr mich abhalten? fiel ich dem Combados ein. Solltet Ihr mir nicht vielmehr den Stahl in die Brust stoßen? Meine Liebe so unbegünstigt sie auch ist, beleidigt Euch. Ihr überrascht mich des Nachts in dem Zimmer Eures Weibes, ist das noch nicht hinlänglich? Braucht Ihr noch mehr, um zur Rache angefeuert zu werden? Durchbohrt mich, um Euch eines Menschen zu entledigen, der, so lang' er nicht aufhört zu seyn, Helene'n anzubethen nicht aufhören kann.
Umsonst suchen Sie mich hierdurch anzuspornen, Sie zu tödten, antwortete Don Blas. Sie sind bestraft genug für Ihre Verwägenheit, und ich bin mit den tugendhaften Gesinnungen meiner Gattinn so sehr zufrieden, daß ich gern die Gelegenheit verzeihe, bey welcher sie selbige an den Tag gelegt hat. Folgen Sie mir, 85 Cogollos, fuhr er fort, endigen Sie nicht Ihr Leben in Verzweiflung, wie ein schwachherziger Liebhaber, sondern fügen Sie Sich muthig in die harte Nothwendigkeit.
Durch dergleichen Reden stillte der kluge Gallizier nach und nach meine Wuth, und brachte mich auf bessere Gedanken. Ich begab mich mit dem Vorhaben weg, mich von Helene'n und von dem Orte zu entfernen, wo sie wohnte; zwey Tage nachher ging ich wieder nach Madrid zurück.
Da ich hier auf weiter nichts bedacht war, als mein Glück zu gründen, so begann ich am Hofe zu erscheinen, und mir an selbigem Freunde zu machen. Ich hatte aber das Unglück, mich vornehmlich an den Marques de Villareal zu ketten, einen edlen Portugiesen vom ersten Range, den man jetzt auf's Schloß Alicante gebracht hat, weil man den Verdacht von ihm hegte: er sey damit umgegangen, Portugall von der Spanischen Oberherrschaft zu befreyen. Wie der Herzog von Lerma vernahm, daß ich mit diesem Herrn in enger Verbindung gestanden habe, so ließ er mich gleichfalls verhaften, und hierher bringen. Dieser Minister glaubt, ich müsse an einem solchen Projecte Antheil haben. Eine empfindlichere Beleidigung hätte er einem Manne von edler Geburt, als der Castilier ist, nicht erweisen können. 86
Don Gaston schloß hier seine Erzählung. Nunmehr bemüht' ich mich, ihn zu trösten, indem ich zu ihm sagte: Sennor Cavallero, Ihre Ehre hat durch diesen widrigen Vorfall nicht gelitten, der ohne Zweifel in der Folge zu Ihrem Vortheile ausschlagen wird. Ist erst der Herzog von Lerma von Ihrer Unschuld unterrichtet, so ermangelt er zuverlässig nicht, Ihnen einen beträchtlichen Posten zu verschaffen, um den Leumund eines Cavaliers wieder herzustellen, der so unbilliger Weise des Hochverraths ist beschuldigt worden.