Alain René Lesage
Gil Blas von Santillana
Alain René Lesage

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Sechstes Kapitel.

Durch was für einen wichtigen Vorfall all' die großen Zubereitungen zu Gil Blas Hochzeit fruchtlos gemacht wurden.

Nun wieder zurück zur schönen Gabriele! Ich sollte sie also binnen acht Tagen heirathen. Wir trafen von beyden Seiten Anstalten. Salero ließ reiche Brautkleider verfertigen, und ich miethete für meine künftige Frau ein Kammermädchen, einen Bedienten und einen alten Escudero. Das alles war Scipio's Beschäftigung, der den Tag, an welchem mir die Mitgift sollte ausgezahlt werden, mit mehr Ungeduld erwartete, als ich selbst.

Am Abend dieses so heißherbeygewünschten Tages speist' ich bey meinem Schwiegervater, mit einem Rudel von Oheimen und Basen, Vettern und Muhmen. Ich spielte die Rolle eines häuchelnden und schmeichelnden Schwiegersohns, äusserte unendliche Gefälligkeiten gegen den Goldschmidt und dessen Frau, machte gegen Gabriele'n den feurigen Liebhaber, und ging gar säuberlich der ganzen Vetter- und Muhmenschaft um den Bart, deren platte Diskurse und Spießbürgerurtheile ich mit wahrer Hiobsgeduld anhörte. Zur Belohnung dafür hatt' ich denn auch das Glück, all' den hochwerthen 40 Verwandten zu gefallen. Kein einziger von ihnen schien über die Wahl des Alten mißvergnügt.

Nach geendigtem Mahle begab sich die Gesellschaft in einen großen Saal, wo man ihnen eine Instrumental- und Vocal-Musik auftischte. Sie fiel noch ganz leidlich aus, ob man gleich nicht die besten Kehlen und die besten Tonkünstler dazu genommen hatte. Durch verschiedne lustige Stückchen wurden wir in eine so fröhliche Stimmung gesetzt, daß wir zu tanzen begannen. Der Himmel weiß, wie das ausfallen mochte, da ich für einen Zögling der Terpsichore gehalten wurde, ich, der ich nur das Abc dieser Kunst aus zwey, drey Lectionen erlernt hatte, die mir ein Bönhase von Tanzmeister gegeben, welcher die Pagen der Marquese de Chaves unterrichtete. Nachdem wir uns recht weidlich lustig gemacht hatten, war es Zeit, an's Zuhausegehen zu denken. Ich verschwendete Verbeugungen und Umhalsungen.

Gute Nacht, lieber Schwiegersohn! sagte Salero zu mir, indem er mich umarmte. Morgen früh komm' ich zu Ihnen, und bring' Ihnen meinen klingenden und funkelnden schwiegerväterlichen Segen. Sie sollen mir sehr willkommen seyn, lieber Schwiegervater, gab ich ihm zur Antwort. Hierauf wünscht' ich der 41 ganzen Familie wohl zu ruhen, und stieg in meinen vor der Thür haltenden Wagen.

Kaum war ich zweyhundert Schritte von Sennor Gabriel's Hause entfernt, als funfzehn bis zwanzig Personen, theils zu Pferde, theils zu Fuß, insgesammt aber mit Degen und Carabinern bewaffnet, meinen Wagen umzüngelten, und dem Kutscher im Nahmen des Königs! zu halten befahlen. Sie rissen mich aus dem Wagen, und warfen mich in eine Kalesche, worin der Vornehmste von diesen Herren hereinstieg, und hierauf zum Kutscher sagte: Nach Segovia!

Daß dieser Mann, der mir zur Seite saß, ein ehrsamer Alguazil sey, konnt' ich gar leicht ermessen. Ich suchte durch allerhand Fragen die Ursache meiner Verhaftung herauszubringen. Er antwortete mir aber im Tone dieser Herren, das will sagen, sehr rauh, davon brauch' er mir nicht Red' und Antwort zu geben. Ich sagte zu ihm, er irre sich vielleicht in meiner Person. Nichts weniger denn das, versetzte er, ich bin meiner Sache gewiß. Sie sind der Sennor de Santillana, und den hab' ich Befehl, dahin zu führen, wohin ich Sie bringe.

Hiergegen konnt' ich nichts einwenden, ich faßte daher den Entschluß, zu schweigen. Wir rollten den Ueberrest der Nacht durch in tiefem Stillschweigen den Manzanares 42 entlang; zu Colmenar bekamen wir frischen Vorspann, und gegen Abend trafen wir in Segovia an, woselbst ich in das Castell gesperrt wurde.

 


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