|
Zwei Freunde traten schweigend ein
In einem blütenvollen Hain.
Die Sonne ließ den Strahl im Neigen
Erzittern auf den Erlenzweigen,
Und Leben, Lieben überall
Schien schwellend sich hervorzudrängen.
Aus Büschen ruft die Nachtigall
Hervor in schmerzlich süßen Klängen,
Als ob die Sängerin aus Eden
Den Tod sanft möchte überreden
Mit ihrem Liede zaubervoll,
Daß er den Lenz nicht rauben soll.
Die Freunde schwiegen, nur der Bach
In das Geflöte murmelnd sprach;
Viel Blumen standen bunt herum
Und wiegten ihre Häupter stumm,
In das geschwätzig muntre Rauschen
Des Baches froh hinabzulauschen,
Wie Kinder lauschen, frohgespannt,
Dem Wandrer, der von fernem Land,
Von schönen Wundern viel erzählt
Auf seiner Irrfahrt durch die Welt. –
O Nachtigall! du rufst vergebens
Um Dauer dieses Wonnelebens!
Bald glüht dein letztes Abendrot,
In seinem Durste wird der Tod
Hinweg dein süßes Lied auch trinken,
Du wirst vom stillen Aste sinken!
Ihr lieben Blümlein! trauet nicht
Dem Märchen, das der Wandrer spricht;
Seht, seht, schon schwillt er brausend an,
Im Walde schon die Stürme nahn;
Der Donner kommt, und voller schwillt
Der Bach, der immer lauter brüllt;
Er faßt euch an, er reißt euch los
Aus eurer Mutter grünem Schoß!
Wie dort die Rosenstaude bebt,
Nun sich zu ihr der Wilde hebt!
Sie schwankt in ihrem Blütenkleid,
Da sie der Strom frohlockend wiegt:
So wiegt der Bursche seine Maid,
Bevor mit ihr zum Tanz er fliegt. –
Der eine von den Freunden sann
Hinunter in den Wogendrang,
Und seine Stimme nun begann
Zu tönen, ernst, wie Grabgesang:
Vergänglichkeit! wie rauschen deine Wellen
Dahin durchs Lebenslabyrinth so laut!
In deine Wirbel flüchten alle Quellen,
Kein Damm, kein Schutz sich dir entgegenbaut!
Es wächst dein Strom mit jeglicher Minute,
Stets lauter klagt der dumpfe Wellenschlag;
Doch wie die Flut auch unaufhaltsam flute,
Ist mancher doch, der sie nicht hören mag.
Wenn auch die Wellen ihre Ufer fressen
Und du zum Meer hinwucherst, unermessen;
Doch stehn an deinem Ufer frohe Toren,
In ihrem Traum ›Unsterblichkeit‹ verloren.
Am Ufer? – nein! es ist von deinem Bronnen
Tiefinnerst jede Kreatur durchronnen;
Es braust in meines Herzens wildem Takt,
Vergänglichkeit, dein lauter Katarakt!
Wenn ich dem Strome zu entfliehen meine,
Aufblickend zu der Sterne hellem Scheine,
Aufsehnend mich mit zitterndem Verlangen,
Daß rettend meinen Geist sie einst empfangen:
Ich habe mich getäuscht! ich seh erbleichen
Die Sterne selbst und zitternd rückwärts weichen;
Sie hören, wie die Woge braust, sie ahnen,
Daß sie nicht sicher sind auf ihren Bahnen;
Sie schauen, wie es wächst, das grause Meer,
Und fürchten wohl: – mir sagts ihr zitternd Blinken –
Einst wird vom raschen Flug ihr strahlend Heer,
Ein müdes Schwalbenvolk, heruntersinken.
Dann brütet auf dem Ozean die Nacht,
Dann ist des Todes großes Werk vollbracht;
Dann stockt und starrt zu Eis die grause Flut,
Worin der Wunsch des finstern Gottes ruht;
Er wandelt auf der Fläche und ermißt,
Wie alles nun so still, so dunkel ist;
Er lächelt dann voll selbstzufriedner Freude
In seine Welt, in seine Nacht hinein,
Und es erglänzt des Eises stille Heide
Nur noch von seines Lächelns Widerschein! –
Der andre sprach: mir gilt es gleich,
Ob Leben – Tod – im Schattenreich!
Strahlt jenseits auch ein mildes Licht,
So fehlt gewiß der Donner nicht,
Der, was das Licht in Liebe hegt,
Mit seinem Zorne niederschlägt.
Denn glauben kann ich nimmermehr,
Es habe sich das ganze Heer
Von Qualen, die gebar Natur,
Gelagert auf die Erde nur;
Daß sie von dieser Welt nicht wandern
Mit uns hinüber in die andern,
Die doch in unsrer Brust voll Wunden
So traute Herberg stets gefunden. –
Solang dies Herz auf Erden schlug,
Hab ich erlebt genug, genug,
Um ein Vergehen, ein Verschwinden –
Ein Los der Sehnsucht wert zu finden.
Und schlaf ich einst im Grab so tief,
Und tiefer, denn als Kind ich schlief,
So mag der Tod sich immerhin
Davor als Wächter stellen hin:
Er steht am stillen Grabverlies,
Ein Engel vor dem Paradies. –
Doch ist es anders mir beschlossen,
Soll drüben neu mein Leben sprossen:
Werd ich gelassen, ohne Zagen,
Auch meine Ewigkeit ertragen. |