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XVIII.

Indessen sich eine junge heitere Liebe wie ein schöner Tag, ein stiller Fluß, eine blumige Wiese in unendlichen Farben bricht, bleiben die unfruchtbaren Ermüdungen der ihr entfremdeten Sinne stets die gleichen. Nichts vermag ihre trübe Einförmigkeit zu beschreiben; sie gleicht einem Trümmerfelde, das eine Sonne, ohne zu leuchten, versengt, das keine Quelle erfrischt. Ich lebte in einer melancholischen bleiernen Nacht hin; die Luft, die mich umgab, war schwefelig und zum Atmen ungenießbar, wie die Glut in den Tagen des Hundssternes; ich fühlte kaum, wie sie mich vergiftete, ich hatte nicht die Kraft, mich ihr zu entziehen.

Dort draußen jubelte das Leben, ein leichter Wind kräuselte es. Das Lied des Seins hallte durch den blauen Morgen. Ich hätte nur die Türe aufzustoßen gebraucht. Auch ich war eine der Kräfte des Alls, einer der Ergüsse der im Unendlichen wiederholten Fröhlichkeit. Ich hätte auf die Straße hinabsteigen, mich von der Freude, die an mir vorbeizog, als Freund erkennen lassen sollen. Reife würzige Frauen lächelten in leise geöffnetem Gewande. O diese hätte ich geflohen. Ich kannte die bittere Wollust, die ihr Mund bot. Doch ich sah auch bleiche Kinder gleich jener ›Madonna vom Fenster‹, von unerfülltem Hoffen vergrämte Mädchen. Mein Unglück hatte mich all dem entfremdet. Ich liebte das Weib nicht mehr; ich trat wie Simson in der Mühle ein Rad, das meine Kraft unterjochte.

Das haben auch andere empfunden. Es gibt für einen Mann kein schlimmeres Zeichen der Erniedrigung. Alle Lebenskraft, das Erzittern vor dem Geschlecht, das wonnige Weh vor der Schönheit ist verloren. Selbst die standhaftesten Liebenden empfinden die heiße Anziehung einer vorübergehenden Frau, wie Sterne untereinander in ihren Bahnen. Die Sinne singen ein tiefes Lied, wenn Eva sich wiegend erscheint. Es schwillt und weckt den schlafenden Adam, dessen Rippe vor ihm steht. Doch meine blitzverheerte Männlichkeit vermochte sich nicht mehr aus dem Brande zu erheben. Nur sie, die unselige Zauberin, besaß das Vermögen, sie durch Flammenbesprechen erstehen zu lassen. Alles in mir tobte, und dennoch vermochte der Ruf anderer Frauen nicht mehr, mich gefangen zu nehmen. Sie aber fand immer wieder ein Mittel, mich noch keuchend, marklos aufs neue mit Wollust zu tränken, wie man einen von giftigem Eiter vollgesogenen Blutegel wieder in Salz steckt. Für sie war ein Erbleichen nur das Zeichen erschöpfter Lust. Ihr Wahnsinn dachte. Sie war mehr klug und berechnend als hingerissen. Das Feuer der Unzucht, das in diesem Marmorleibe flammte, ließ den Stein kalt und brach seinen prangenden Widerstand nicht. In unserem Kampfe wahrte sie den lückenlosen Harnisch einer unbesiegbaren Amazone.

Die einfache Liebe erschließt mit den bräutlich vereinigten Lippen der armen nackten Schönheit die unermeßliche Tiefe des Himmels. Sie hat nur einen Ausdruck, den sie kaum kennt; sie weiß nur, was die Seele zu wissen verlangt, und sie taucht in die Ewigkeit, steigt bis zu den Füßen Gottes. Aller zügelloser, von seinem eigenen Erkennen berauschter Lasterdienst, der über das Gebot der Sinne hinausgeht, hält vor ihr inne und rührt nicht an die schwindelnde Wonne der Unbewußtheit, die die Seligkeit reiner Liebenden ist. Er aber bleibt von der Strafe gepeinigt, daß er auf die Enthüllung des letzten Geheimnisses gehofft und nur Schatten umarmt hat.

Ich verbrachte den Rest der Tage in bleierner Stumpfheit, in der mir jeder Sinn des Daseins verloren ging. Mein Leib lag gleich einem Geist in dichter Finsternis. Ich hätte in den Tod hinüberschlummern können, ohne vor dem dunklen Übergange das Aufleuchten eines letzten Erwachens zu genießen. Ich empfand das Gefühl der Sättigung, das unaussprechliche erschöpfte Behagen, das ich anfangs erstrebt und darauf ich stolz gewesen war, nicht mehr. Auch diese tröstende Lüge half meinem Sinken nicht mehr auf; ich fühlte mich vollends als das schwere Tier mit verstörten Augen unter dem Todeshammer. Mir blieb nur noch die Kraft, meine Geliebte in niedriger Weise zu beschimpfen.