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Was der Baron nach seiner Rückkehr nicht mehr fand – Der interessante Fremde im »Stern« – Herta wird wieder einmal beschämt – weshalb der Doktor Karola stützt – Eine Werbung.
Dr. Scholz saß an seinem Schreibtisch und las den vor ihm liegenden Brief bereits zum dritten Male. »Lieber Herbert,« stand mit kräftigen Buchstaben auf dem gelblichen Papier. »Dein letzter Brief, aus dem ich ersah, daß Du Deine Zelte in Gürberg aufgeschlagen hast, erreichte mich noch auf meiner Rückreise. Wie ich Dir bereits schrieb, hatte ich in Melbourne eine schwierige Erbschaftsangelegenheit zu regeln. Die Sache zögerte sich recht lange hinaus, und als ich endlich in die Heimat zurückkehrte, fand ich das nicht mehr, was mir als das Köstlichste, Schönste von ganz Dresden erschienen war, sie – Ilse Sternberg! Ich erfuhr, daß der Hauptmann gestorben und die Familie verzogen sei. Wohin – das konnte ich zuerst nicht erfahren, war ich doch durch meine lange Abwesenheit ein wenig fremd in der Gesellschaft geworden. Aber endlich erhielt ich doch die gewünschte Auskunft. Nach Gürberg in Hessen sollen Sternbergs gezogen sein. Ob es Tatsache ist, das möchte ich von Dir, alter Freund, erfahren. Ich weiß. Du wirst mir diesen Dienst nicht versagen. Erkundige Dich bitte sofort danach, falls Du die Familie nicht überhaupt schon kennen gelernt hast – und gib mir unverzüglich Bescheid. – Jetzt wirst Du lachend daran denken, daß ich das Heiraten verschworen hatte. Ich fühlte mich wohl als »freier« Mann, aber in der Fremde, auf dem großen Weltenmeer, wo ich mich trotz aller Gesellschaft oft recht einsam fühlte, da ist es mir klar geworden, daß ich in Gedanken schon längst nicht mehr »frei« sei – kurz und gut, daß Ilse Sternberg das Glück meines Lebens bedeutet. Und darum muß ich sie erringen. Mich peinigt der Gedanke, daß ich sie bereits gebunden finden könnte. Ich brenne auf Deine Antwort, Herbert. Wenn sie gut ausfällt, bin ich in einigen Tagen in Gürberg. Also hoffentlich auf Wiedersehen! In alter Freundschaft Dein Franz Elgen.«
Kopfschüttelnd legte der Doktor den Brief beiseite. Ja, natürlich kannte er Ilse Sternberg! Er war ihr öfter in den befreundeten Familien begegnet. Nun hatte es also seinen alten Studienfreund auch gepackt! Ja, ja, kein Mensch entrinnt seinem Schicksal! Der Doktor lächelte glücklich vor sich hin. – Noch am selben Abend sandte er an Franz von Elgen die gewünschte Auskunft. –
Im »Stern«, dem einzigen nennenswerten Hotel von Gürberg, war ein Fremder abgestiegen. Und da er noch dazu die besten Zimmer für sich belegte, war er im Städtchen mit Blitzesschnelle bekannt. Auch die Freundinnen erfuhren es, und, was noch interessanter für sie war, dieser Fremde hatte bei Sternbergs Besuch gemacht. Natürlich brannten die jungen Mädchen darauf, etwas Näheres über den Unbekannten zu erfahren. Aber keine getraute sich, Ilse deswegen zu besuchen. Es sah doch zu neugierig aus! Schade, daß in den nächsten Tagen kein Kränzchen stattfand! Da hätte man doch von Ilse Auskunft erhalten.
»Na, Kinder, ich sage nichts, wenn Ilse sich verlobt!« Karola sah halb fragend im Kreise herum, aber keine vermochte ihr eine Antwort zu geben. Nur eben vermuten konnte man.
»Wo sollte denn ein Bräutigam so plötzlich herkommen?« fragte Herta, die namentlich in dieser Beziehung keiner anderen den Vorrang gönnte. Es kann ja auch ein Verwandter sein!«
»Wir müssen eben abwarten,« meinte Grete Rodenheim lächelnd. »Ein paar Tage werden wir unsere Neugierde schon noch zügeln können.«
Aber die Antwort sollte den Freundinnen schon am nächsten Tage werden, und zwar in Gestalt schlichter, goldgeränderter Karten, auf denen Frau Sternberg die Verlobung ihrer Tochter Ilse mit dem Rittergutsbesitzer Franz von Elgen zu Elgenhorst anzeigte. Am folgenden Vormittage begab sich das Kränzchen zur Gratulation bei der jungen Braut. Auf allen Gesichtern lag eitel Freude. Die Ilse verlobt und durch den künftigen, ebenso guten wie wohlhabenden Gatten den Alltagssorgen enthoben! Nur Herta »fuchste sich mächtig,« wie sich die Freundinnen kopfschüttelnd zuraunten. Wer von ihnen hätte wohl der schönen, hochherzigen Ilse das Glück nicht gegönnt! Und daß es ihr Glück war, das stand in Ilses strahlenden Augen, dem verklärten Lächeln geschrieben.
»Böse Ilse, davon hast du uns ja gar nichts erzählt!« schmollte Änne.
»Ich konnte ja gar nichts erzählen,« antwortete Ilse mit ihrem lieben, ehrlichen Lächeln. »Wir haben uns in der Dresdener Gesellschaft kennen gelernt. Franz bevorzugte mich ja bei jeder Gelegenheit sichtlich, und ich – nun ich war ihm im innersten Herzen aufrichtig gut. Dann aber trat er die schon seit langem geplante Weltreise an, und wir verloren uns aus den Augen. Bald darauf starb mein Vater, wir zogen fort von Dresden und brachen damit unsere Beziehungen zur dortigen Gesellschaft ab. Wie konnte ich mir da wohl einbilden, daß Franz noch an mich zurückdachte?«
Der eben Genannte hatte sich inzwischen den Mädchen genähert und die letzten Worte seiner Braut gehört. »Ja, aber der Franz Elgen war klug genug, sein wahres Glück zu erkennen,« sagte er mit frohem Lächeln. »Und gar nicht schnell genug konnte es ihm gehen, sich sein Lieb zu sichern!«
»Nun, heiratest du wohl auch bald, Ilse?« fragte Wilma fast vorwurfsvoll.
»Oh, das dauert doch noch ein Weilchen. Erst muß mein Bruder sein Examen gemacht haben. Dann paßt es mit der Hochzeit am besten, weil Ferdi die Universität bezieht und ich Mutter somit gleich zu mir nach Elgenhorst nehmen kann. Auf diese Weise brauche ich sie doch gar nicht erst zu verlassen. Franz ist gern mit meinem Plane einverstanden.«
»Denkst du noch an unser Ringspiel, das uns die Zukunft enträtseln sollte?« erinnerte Karola schelmisch. »Danach müßtest du eigentlich noch mindestens anderthalb Jahre mit dem Heiraten warten.«
»Jetzt hat das Ringspiel nichts mehr zu sagen,« antwortete Baron Elgen. »Jetzt bin ich der Herr und Gebieter!« Zärtlich legte er den Arm um seine Braut – und Ilse? Nun, sie schien sich gern in den Zwang zu fügen. –
Am Sonntag fand bei Sternbergs die Verlobungsfeier statt, nur in ganz kleinem Kreise. Die Kränzchenschwestern waren geladen, Dr. Scholz als Freund und – wie er scherzend behauptete – Schutzengel des Bräutigams durfte natürlich auch nicht fehlen. Und so war man eine vergnügte Runde.
Frau Sternberg präsidierte. Aber sie schwang das Szepter sehr milde, so daß die Jugend in ihrer Fröhlichkeit nicht beeinträchtigt wurde. Die junge Braut hatte Herrn Scholz unauffällig neben Karola plaziert. Sie ahnte es ja ebenso wie die anderen, daß sich zwischen dem Arzt und Karola Burgstetten zarte Fäden angesponnen hatten. Selbst Herta konnte sich dieser Erkenntnis nicht länger verschließen. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis sie sich einigermaßen darein fand. Nicht gerade, daß ihr Herz darunter litt – über ein Übermaß von Innerlichkeit verfügte das Doktorstöchterlein nicht, aber ihr Ehrgeiz und ihre Eitelkeit waren verletzt. Sie hatte sich schon zu lange im Geiste als Frau Dr. Scholz gesehen.
Nur merkwürdig, daß Rola sich so gar nichts anmerken ließ. Ilse, die die Freundin so unendlich gern glücklich gesehen hätte, hatte den gleichen Gedanken wie Herta; unmerklich schüttelte sie den Kopf. Aus des Doktors Augen strahlte reinstes, hoffnungsvolles Glück, während er jetzt mit Rola sprach. Aber den Abglanz davon vermißte Ilse in des jungen Mädchens Augen, so heiter und freundlich Rola auch mit ihrem Nachbar plauderte. O, möchte dem Doktor doch eine solch herbe Enttäuschung erspart bleiben!
Aber Zweifel und Bangen konnte heute nicht von langer Dauer sein. Die ungezwungene Fröhlichkeit übertönte alles andere.
Änne drückte über den Tisch hinweg Ilses Hand. »Siehst du, Ilse, ich habe es schon damals beim Ringspiel prophezeit, daß du einen besonders vornehmen Bräutigam bekommen müßtest! Habe ich nicht recht gehabt?«
»Einen guten hat mir das Schicksal jedenfalls beschert, und das ist die Hauptsache, kleine Änne!« Ilses Augen leuchteten glückselig.
»Nun brauchst du wenigstens nicht mehr für andere Leute zu sticken, nicht wahr, Ilse?« ertönte jetzt Hertas etwas grelle Stimme. Es sollte vielleicht gutmütig klingen – Ilse, die heute noch mehr als sonst verzieh, nahm es wenigstens an; aber das änderte doch nichts an der Tatsache, daß Herta wieder einmal eine taktlose Bemerkung vom Stapel gelassen hatte. Die Freundinnen empfanden es mit innerlichem Zorn.
Um den Mund des Bräutigams spielte ein feines Lächeln. »Nein, Fräulein Eberstein,« sagte er, die schlanken Hände seiner Braut zärtlich zwischen die seinen nehmend, »fürs tägliche Brot braucht die künftige Schloßherrin von Elgenhorst nicht mehr zu schaffen! Aber das eine weiß ich mit Bestimmtheit, und mit mir alle, die meine Braut kennen und lieben, daß nämlich diese lieben Hände, stets gewohnt, für anderer Wohl zu sorgen, in diesem Bestreben nie erlahmen werden. Immer wird Ilse der gute Engel ihrer Umgebung sein.«
»Bravo!« Rola erschrak förmlich über diesen Ruf, der ihr auf die Rede des Herrn von Felgen in begeisterter Zustimmung entschlüpft war. Aber auch die anderen stimmten ein, und Herta, die so oft Ilses Güte und Gefälligkeit an sich selbst erfahren, schloß sich nicht aus.
Der Abend war schon weit vorgerückt, als sich die frohe Gesellschaft trennte. Bis zum Marktplatz hatten fast alle denselben Weg; von hier aus schlug man verschiedene Richtungen ein. Rola und ihr Begleiter, Dr. Scholz, schritten jetzt allein weiter. Schweigend gingen beide, nachdem sie kurz zuvor noch lebhaft mit den andern geplaudert, nebeneinander her.
Rola, noch ganz vom Glück der Freundin erfüllt, war recht nachdenklich gestimmt. Es war Neumond und die Straßenbeleuchtung der Kleinstadt spärlich. Rola stolperte plötzlich und wäre um ein Haar gefallen, wenn der Doktor sie nicht blitzschnell gestützt hätte. Sie lachten beide, und Herr Scholz bot seiner Begleiterin den Arm, um sie vor weiterem Mißgeschick zu bewahren, wie er scherzend meinte. Nach unmerklichem Zögern nahm Rola sein Anerbieten an. Noch einmal so sicher schritt es sich jetzt auf dem dunklen Bürgersteig. Aber der junge Arzt hielt seine Begleiterin auch so fest und schützend, als gelte es ein köstliches Kleinod zu behüten. Und das war ja auch die schöne, stolze Karola für ihn. Oh, daß er sie doch so durchs Leben führen dürfte! Wie oft war er schon nahe daran gewesen, Rola seine Liebe zu offenbaren, aber immer wieder hatte ihn ein eigentümliches Bangen davon zurückgehalten. Er fühlte sich Karolas Liebe nicht ganz sicher. Sie war meistens sehr freundlich, ja herzlich zu ihm, und dann kam doch häufig wieder das Stolze, Herbe in ihrem Wesen zum Durchbruch. Aber jetzt mußte er sprechen, das fühlte er – jetzt oder nie! Aus diesem Gedankengang heraus verlangsamte er plötzlich seine Schritte.
»Sind wir zu schnell gegangen?« erkundigte sich Rola scherzend.
Der Gefragte lächelte gleichfalls, aber es klang sehr ernst, was er dann antwortete. »Mir ging es allerdings zu schnell, Fräulein Burgstetten, denn wir sind bald an Ihrem Hause angelangt. Ich habe Ihnen etwas zu sagen – seit langem schon. Ahnen Sie es wohl, Karola, was mir am Herzen liegt?«
Der Doktor schwieg einen Augenblick, als erwarte er eine ermutigende Antwort. Aber die Gefragte blieb stumm. Sie hätte jetzt kein Wort sagen können, so sonderbar beklommen war ihr zu Mute. Kam jetzt das, worauf sie nach dem bisherigen Verhalten des jungen Arztes gefaßt sein mußte und vor dem sie doch ein so unerklärliches Bangen empfand? Sie war sich ja über ihre Gefühle für Herrn Scholz selbst nicht klar. Schon manchmal hatte sie sich innerlich gefragt, ob ihre Sympathie für den Doktor wohl Liebe sei. Aber sie hatte sich diese Frage nicht beantworten können.
»Fräulein Karola,« der Doktor nahm von neuem das Wort. »Bis jetzt habe ich es noch nicht auszusprechen gewagt aus Furcht, durch voreiliges Handeln meine schönsten Zukunftsträume zu zerstören. Aber ich ertrage die Ungewißheit nicht länger; ich kenne nur ein Ziel, das mir gleich einem Glückstern vorschwebt: Ihre Liebe! – Karola+… so sprechen Sie doch – sagen Sie mir nur ein Wort, Fräulein Karola, nur ein einziges Ja, das mich an Ihre Liebe glauben läßt!«
Rola fand nicht gleich eine Antwort. Sie war förmlich bestürzt über die Leidenschaftlichkeit, die aus des Doktors Worten sprach und die sie dem ruhigen, ernsten Manne nimmermehr zugetraut hätte. Er hatte ihren Arm fester in den seinen gezogen. Rola überkam ein seltsames Gefühl. So sicher und geborgen fühlte sie sich an seiner Seite, und beglückend schien es ihr, von einem so ausgezeichneten Manne geliebt zu werden. Und hatte sie ihn denn nicht auch gern? Wieder fragte es sich Rola im stillen, und diesmal vermeinte sie schon eher eine Antwort zu vernehmen. Gewiß hatte sie ihn gern! Freute sie sich nicht jedesmal, wenn sie seine Gesellschaft genießen durfte? Zog sie ihn nicht allen andern Herren vor?+… Allen? – Ganz leise fragte es eine Stimme in Rolas Herzen. Aber sie hörte es nicht. Und als jetzt der Doktor noch einmal um ihr Jawort bat, da zögerte sie nicht länger mit der von ihm heiß ersehnten Antwort.
In überströmendem Glück wollte der junge Arzt Karola an sich ziehen. Aber erschrocken machte sie sich los. »Noch nicht, jetzt noch nicht!« bat sie fast angstvoll.
Der Doktor drückte ihre Hand. »Rola, meine geliebte, schöne, stolze Karola! Aber recht hast du ja, ich bin zu stürmisch im Übermaße meines Glückes. Ich möchte dich festhalten und dich nie, nie wieder von mir lassen. Doch sage, wann darf ich zu deinen Eltern kommen?«
Und wieder bat das junge Mädchen: »Noch nicht, jetzt noch nicht! Haben Sie noch ein wenig Geduld mit mir!«
Auf des Doktors Antlitz malte sich sichtliche Enttäuschung. Er konnte es kaum erwarten, Karola vor aller Welt sein zu nennen. Und nun sollte er sich wieder gedulden! Aber er glaubte, seine Karola zu verstehen. Es genügte ihm ja auch vorläufig, ihr Jawort zu haben. In schweigender Zustimmung zog er ihre Hand an die Lippen und küßte sie andächtig. Rola aber war ihm unendlich dankbar, daß er nicht länger in sie drang.
Arm in Arm näherte sich das Paar setzt dem Burgstettenschen Hause. Beim Abschiednehmen blieben sie noch einige Minuten stehen. In mühsam unterdrückter Zärtlichkeit beugte sich der junge Arzt wieder über Karolas Hand. In diesem Augenblick ließen sich in der menschenleeren Straße Schritte vernehmen. Ein Herr ging vorüber. Rola zuckte zusammen – Georg Felber war es! Stumm grüßend ging er an dem jungen Paare vorbei.
»Ich muß jetzt hinein, es ist schon spät.« Wie ein Hauch kam es von Karolas Lippen. Fast unmerklich erwiderte sie des Doktors Händedruck. Dann schlüpfte sie ins Haus. Leise entkleidete sie sich um die im Nebenzimmer schlafenden Eltern nicht zu stören. Sie vermochte noch keinen klaren Gedanken zu fassen. Aber als sie dann im Bett lag, machte sich die innere Erregung in heißen Tränen Bahn. Rola, die sonst so leicht keine Tränen vergoß, weinte heiß und schmerzlich. Warum? Sie hätte es nicht sagen können. Es war ihr zu Mute, als weine sie um ein verlorenes Glück – und doch war heute ihr Verlobungstag. – –
Georg Felber schritt aufgeregt seiner Wohnung zu. Nun hatte er ja mit eigenen Augen gesehen, was er seit langem ahnte. Wie zärtlich hatten die beiden beieinander gestanden! Doch warum regte er sich darüber auf? Wie konnte ihn die Tatsache, die doch nur seine Vermutungen bestätigte, so aus der Fassung bringen!
Georg hatte den heutigen Sonntag zu Hause verbracht. Doch da hatte er gemeint, die Decke müsse ihm über dem Kopf zusammen stürzen. Selbst Fräulein Roderichs liebevolles Zureden vermochte nicht, seine Stimmung zu bessern. Gestern hatte er wieder mit Herrn Hagemann Ärger gehabt. Jener suchte dem neuen Kollegen fortwährend versteckte Bosheiten zuzufügen. Georg fühlte wohl, daß er dieses Zusammenarbeiten auf die Dauer nicht würde ertragen können. Und dann wußte er Rola heute bei Sternbergs mit Dr. Scholz zusammen! Das nahm ihm den letzten Rest von Ruhe, wenn er sich auch einzureden suchte, schon längst jede Hoffnung auf Rolas Besitz aufgegeben zu haben. Nach dem Abendessen war er fortgeeilt und weit vor die Stadt gewandert, über das Brunnental hinaus. Aber die auf der einsamen Wanderung mühsam erkämpfte Fassung war mit einem Male wieder zunichte geworden, als er die beiden so vertraulich nebeneinander stehen sah – Herrn Scholz und Karola Burgstetten.
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