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In den Bergen zwischen Laub und Wiesen stehen fünf bemalte Waldschlößchen: jedes ist einem Dichter gewidmet, und drinnen lachen Knaben und Mädchen mit ihren Lehrern und Lehrerinnen. Und unter ihnen lebt der Rübezahl mit seinen gütigen nußbraunen Augen und dem langen Weihnachtsbart. Paul Geheeb, der Schöpfer der Odenwaldschule, ist ein Rübezahl, er zaubert Freude durch die Hallen und Säle seiner Gnomenhäuser, und überall ist es hell, wohin seine sonnigen Augen scheinen. Immer steigt sein Fuß, ob er auf die Gipfel will oder über die Ebene schreitet. Von Rübezahl sprechen die Bauern im Tal, wenn sie den Direktor oben meinen, den die Kinder alle so lieb haben. Jedem Mädchen schenkt er ein tröstendes Wort, und den verirrten Wanderer beherbergt er und seine Gnomen für die Nacht: die sitzen in bunten Spielreihen beim Vesper und trinken Milch aus großen Kannen.
Heute macht die blonde Adi den Vorschlag, alle Jungen müssen einen Stoffaffen und alle Mädchen einen Stoffbären mit zum Sonntagsmahl bringen: die zwei vorhandenen hat die Schelmin dem lieben Rübezahl in die Brusttaschen seines Rockes gesteckt, daß die beiden wulstigen Tierköpfe zur Belustigung aller Kinder hervorgucken zur Rechten und zur Linken.
Paul Geheeb versteht das junge Herz des Kindes wie einen Kaleidoskop zu drehen, er weiß die bunten Bilder zu würdigen. Aber auch seine Lehrer sind Künstler: sie haben alle noch Knabenherzen wie ihre Zöglinge und führen mit ihnen manchen Indianerstreich aus. Die Knaben tragen alle Sweater, und die Kleider der Mädchen sind durch Bänder über der Achsel gehalten, echte Kindertracht: sie paßt zu roten Backen und leuchtenden Augen. Und alle haben gesunde Lungen, die atmen wie die starken Bäume das Leben ein und aus. In der Frühe müssen die Odenwaldkinder ins Luftbad, sich viel, viel Luft holen, und es gibt keinen Südwind und keinen Nordsturm, dem die Rübezahlbande nicht gewachsen wäre. Die verzärteltsten Kleinen trotzen dort der Welt mit den allerhand Erkältungen. Aber Vernunft liegt in jeder Anordnung Paul Geheebs: seine ihm anvertrauten Lieblinge bewegen sich in wohlgewärmten Räumen in der Winterzeit. Die Korridore, die Lesehallen, die Schlafgemächer sind mollig temperiert.
Jedes Kind besitzt sein Heim, oder es müßte dicke Freundschaft geschlossen haben und den Wunsch aussprechen, sein Eigentum mit irgendeinem Spielgefährten zu teilen. Mein Paul und der Bruno Tillehsen; was der Torquato Tasso dichtet, illustriert mein Junge. Auch das Burgfräulein Irmgard und der kleine Landwirt Bubi, die Kinder von Wilhelm von Scholz, sind Zöglinge der Odenwaldschule. Auch der Peter ist oben beim Rübezahl, vom Bildhauer Gaul der kleine Sohn: der ißt so gerne Nüsse: überall kracht es nur so zwischen den Zähnen. –
Nachmittags ist immer frei: die saftigen Äpfel werden von den Ästen geschüttelt, oder die kleinen Gnomen helfen den Bauern in den Scheunen, in der Zeit, da die emsigen Gnominnen Blumen pflücken oder Himbeeren und Brombeeren sammeln für den Tisch ihrer großen Freundinnen. Liebe, erwachsene Schulmädchen sind die Lehrerinnen: in den Frühstunden lauschen die Kinder mit offenem Munde ihren Lehrwundern. Jede Lehrerin und jeder Lehrer verstehen es, auf spannende Art die jungen Zuhörer zu fesseln. Die freuen sich auf jeden Morgen wie auf den Geburtstagstisch, immer bietet der Unterricht neue, überraschende Gaben.
Plätschernde Bäche, goldene Gärten begleiten den Ankömmling die Bergstraße hinauf von Heppenheim bis oben ins Gnomenstädtchen; holde Landschaft, befreite Erde – kommt man aus der Großstadt dorthin, wo Rübezahl seine Odenwaldschule erbaut hat!
Ende