Else Lasker-Schüler
Freunde. Kurze Prosaskizzen
Else Lasker-Schüler

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William Wauer

Als das Café Kutschera noch seinen adligen Namen »Sezession« trug, hielt in dem oberen Raum des Cafés William Wauer einen Vortrag über Theaterkunst. Ein junger Schauspieleleve nahm mich mit herauf; viele Eleven und Elevinnen schritten vor mir in den Saal der grauen Sammetsofas und Sessel; ich war die einzige unter den Zuhörern, die Wauer noch nie gesehen und doch ihn sich genau so vorgestellt hatte mit der eigenartig schmerzlichen Sicherheit in den Augen und in den Gebärden. Ein großer Geiger, der nicht die göttliche Geige findet. Ein großer Dirigent – ist nicht sein Vortrag ein Zusammenspiel vielerhand Instrumente gewesen. Lebendige Violinen, seine Schauspieler; er mag nicht die erste Violine zwischen ihnen, die den Ton angibt, kein Genie, das sich abtönt, hervortönt von den anderen Tönen. Das Zusammenspiel seiner Leute, eine Genieleistung soll sie sich heben aus der Fertigkeit seiner Hand. Als das künstlerische Theater aus Moskau in Berlin gastierte, gedachte ich der Worte William Wauers. Der Zar bis zum Onkel Wanja und die Frauen all, glichen seinen Idealgeschöpfen. Wandelnde Töne, schreitende Melodien, unbezahlbare Instrumente mit tausendtiefem Ton. Aus Spielläden und Kotillongeschäften liefert man William Wauer, Spaßgeigen, Trompeten, Kriköhs: Dillettanten und Tantinnen. Sie essen ihre Rolle, um sie ganz im Leib zu haben. Sie muß ihnen auf den Leib passen. Aber der Schauspieler soll den Duft seiner Rolle einatmen. Über solch trunkene Seele zu streichen mit seinem Bogen. – Seine Regie steht auf Füßen, das Milieu gleicht dem Bewohner des Schauspiels. Erster Aufzug: Veranda, von Säulen umstanden. Zweiter Aufzug: Wohnzimmer der gräflichen Familie. Man kann sich gar kein anderes Innere vorstellen nach dem Wuchs der Villa. William Wauers Regie ist anatomisch. Sein Blut möchte fließen durch die Adern seiner Schauspieler wie ein Strom durch das Spiel. Das soll keimen und aufgehen aus seiner Gestalt in vielen Gestalten. Kein Asiate ist er, dem die Tragödie nur eine einzige Kriegsgebärde wird. Er meint, zu den Wilden gehöre ich, und mit der eigenartig schmerzlichen Sicherheit im Auge betrachtet er mich wie ein fremdes Instrument aus Bambus.

 


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