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König Gustav III. machte eine Reise durch Dalekarlien. Er hatte es eilig und wollte den ganzen Weg wie im Flug durchfahren. Und als sie mit solcher Eile dahinrasten, daß die Pferde wie gestreckte Riemen den Weg entlang lagen und der Wagen an den Biegungen auf zwei Rädern stand, da steckte der König den Kopf durchs Wagenfenster und rief dem Kutscher zu: »Warum sputet er sich denn nicht? Glaubt er etwa, daß er eine Eierschale fährt?«
Da sie in so toller Hast über schlechte Landstraßen fuhren, wäre es beinahe ein Wunder gewesen, wenn Zaumzeug und Wagen gehalten hätten. Das konnten sie denn auch nicht; am Fuße eines steilen Hügels brach die Deichselstange, und da saß nun der König. Des Königs Kavaliere sprangen aus dem Wagen und schalten den Kutscher, aber das machte den Schaden nicht geringer. Es gab keine Möglichkeit für den König, die Reise fortzusetzen, ehe nicht der Wagen instand gesetzt war.
Als die Hofherren sich umsahen, um etwas ausfindig zu machen, was den König zerstreuen könnte, indes er wartete, sahen sie aus einem Gehölz, das ein Stück weit am Wege lag, einen Kirchturm aufragen. Sie schlugen dem König vor, sich in einen der Wagen zu setzen, in denen der Hofstaat fuhr, und zur Kirche zu fahren. Sonntag war es, und der König könnte ja dem Gottesdienst beiwohnen, damit die Zeit verginge, bis die große königliche Karosse fertig wäre.
Der König ging auf den Vorschlag ein und fuhr zur Kirche. Vorher war der König viele Stunden lang durch dunkle Waldgegenden gefahren, hier sah es fröhlicher aus; große Felder und Dörfer und der Dalstrom, der hell und prächtig zwischen gewaltigen Massen von Erlengebüsch dahinglitt.
Nur hatte der König insofern Unglück, als der Küster gerade in dem Augenblick, in dem der König auf dem Kirchenhügel aus dem Wagen stieg, den Schlußpsalm anstimmte und das Volk schon die Kirche zu verlassen begann. Als die Menschen so an ihm vorübergingen, blieb der König mit dem einen Fuß im Wagen und dem andern auf dem Trittbrett stehen und rührte sich nicht vom Fleck, sondern betrachtete sie. Das waren die schmucksten Leute, die der König je gesehen hatte. Die Burschen waren alle über gewöhnliche Manneshöhe, mit klugen, ernsten Gesichtern, und die Frauen kamen so stattlich und würdig gegangen, daß der König fand, es könnte ihnen wohl anstehen, im feinsten Schloß zu wohnen.
Den ganzen vorhergehenden Tag hatte sich der König vor der öden Gegend geängstigt, durch die er gekommen war, und er hatte einmal übers andre zu seinen Kavalieren gesagt: »Jetzt fahre ich gewiß durch den allerärmsten Teil meines Reichs.« Aber als er nun das Volk in der schmucken Kirchspieltracht sah, da vergaß er, an Armut zu denken. Es wurde ihm im Gegenteil warm ums Herz, und er sagte zu sich selbst: »Mit dem König von Schweden steht es nicht so schlimm, wie seine Feinde glauben. So lange meine Untertanen so aussehen, werde ich wohl noch imstande sein, meinen Glauben und mein Land zu verteidigen.«
Er befahl den Hofherren, dem Volk zu verkündigen, daß der Fremde, der mitten unter ihnen stünde, ihr König sei, und daß sie sich um ihn versammeln sollten, damit er zu ihnen reden könne.
Und nun hielt der König eine Ansprache an das Volk. Er sprach von der hohen Treppe vor der Sakristei, und die schmale Treppenstufe, auf der er stand, ist noch heute erhalten.
Der König begann darzulegen, wie schlimm es im Reiche stünde. Er sagte, daß die Schweden von den Russen und Dänen mit Krieg bedrängt würden. Dies wäre unter andern Umständen nicht so gefährlich, aber im Kriegsheere gäbe es viele Verräter, und der König habe keine Armee, auf die er sich verlassen könne. Darum sei ihm nichts übrig geblieben, als selbst hinaus in die Provinzen zu ziehen und seine Untertanen zu fragen, ob sie sich den Verrätern anschließen, oder dem König treu sein und ihm mit Leuten und Geld helfen wollten, das Vaterland zu befreien.
Die Bauern verhielten sich ganz still, während der König sprach, und als er geschlossen hatte, gaben sie kein Zeichen der Zustimmung oder des Mißfallens.
Dem König schien es selbst, daß er sehr beredt gewesen sei. Die Tränen waren ihm mehrere Male in die Augen getreten, während er gesprochen hatte. Aber als die Bauern noch immer ängstlich und unschlüssig dastanden und sich nicht entschließen konnten, ihm zu antworten, runzelte er die Stirn und sah mißvergnügt drein.
Die Bauern begriffen, daß es dem König schwer fallen müßte, zu warten, und endlich trat einer von ihnen aus der Menge hervor.
»Nun mußt Du wissen, König Gustav, daß wir heute keinen Königsbesuch im Kirchspiel erwarteten,« sagte der Bauer, »und darum sind wir auch nicht sogleich bereit, Dir zu antworten. Ich will Dir raten, daß Du in die Sakristei gehst und mit unserm Pfarrer sprichst, während wir miteinander das beratschlagen, was Du uns vorgelegt hast.«
Der König begriff, daß er fürs erste keinen besseren Bescheid erlangen könne, und fand es am klügsten, den Rat des Bauern zu befolgen. Als er in die Sakristei kam, war niemand da außer einem, der wie ein alter Bauer aussah. Er war groß und grobknochig, mit derben Händen, die von harter Arbeit schwielig waren, und trug weder Kragen noch Mantel, sondern Lederhosen und einen langen, weißen Schafpelz wie alle die andern Männer.
Er stand auf und verneigte sich vor dem König, als dieser eintrat.
»Ich glaubte, ich würde den Pfarrer hier finden,« sagte der König.
Der andre wurde ein wenig rot. Er fand es peinlich, zu sagen, daß er selbst der Seelsorger dieser Gemeinde sei, da er sah, daß der König ihn für einen Bauer hielt.
»Ja, der Pfarrer pflegt um diese Zeit hier zu sein,« sagte er.
Der König ließ sich in einem großen, hocharmigen Lehnstuhl nieder, der dazumal in der Sakristei stand und noch heutigen Tags dasteht und ganz unverändert ist; nur eine vergoldete königliche Krone hat die Gemeinde an der Rückenlehne anbringen lassen.
»Habt Ihr einen guten Pfarrer hier im Kirchspiel?« fragte der König. Er wollte versuchen, Anteilnahme an dem Schicksal der Bauern zu zeigen.
Als der König ihn so fragte, schien es dem Pastor unmöglich, zu sagen, wer er sei. Es ist besser, der König bleibt bei seinem Glauben, daß ich nur ein Bauer bin, dachte er und antwortete, der Pfarrer sei gut genug. Er predige Gottes Wort rein und klar, und er versuche zu leben, wie er lehre.
Der König fand, dies sei eine gute Auskunft, aber er hatte ein scharfes Ohr und merkte ein gewisses Zögern im Ton.
»Das klingt so, als wäre er doch nicht so recht mit dem Pfarrer zufrieden,« sagte er.
»Er ist wohl ein bißchen eigenwillig,« sagte der Pastor. Er dachte, sollte der König doch erfahren, wer er sei, dann würde es diesem sicher nicht gefallen, daß er da gestanden und nur sich selbst gelobt hätte; und darum wollte er sich auch mit ein wenig Tadel hervorwagen. »Es gibt Leute, die vom Pfarrer sagen,« fuhr er fort, »daß er ganz allein dieses Kirchspiel lenken und regieren will.«
»Dann hat er es auf jeden Fall aufs beste geführt und geleitet,« sagte der König. Es wollte ihm nicht gefallen, daß dieser Bauer sich über den beklagte, der über ihn gesetzt war. »Mich dünkt, hier sieht es aus, als herrschten gute Sitten und altväterische Schlichtheit.«
»Das Volk ist brav,« sagte der Pastor, »aber es lebt auch fern von der Welt in Armut und Abgeschiedenheit. Die Menschen hier würden wohl auch nicht besser sein als andre, wenn die Versuchungen dieser Welt ihnen näher kämen.«
»Nun, es ist ja wohl keine Gefahr vorhanden, daß das geschieht,« sagte der König und zuckte die Achseln. Er fand, daß er an einen geraten war, der sich unnötige Sorgen machte. Der König sagte nichts weiter, sondern begann mit den Fingern auf dem Tische zu trommeln. Er meinte, daß er genug gnädige Worte mit diesem Bauer gewechselt hätte, und begann sich zu wundern, wann wohl die andern bereit sein würden, ihm Antwort zu geben.
Diese Bauern sind nicht sehr eifrig, ihrem König zu Hilfe zu kommen, dachte er. Wenn ich nur meinen Wagen hätte, so würde ich von ihnen und allen ihren Beratschlagungen fort meiner Wege fahren.
Der Pastor hinwiederum saß bekümmert da und kämpfte mit sich selbst, wie er eine wichtige Sache, mit der er zu Ende kommen mußte, entscheiden solle. Er fing an, sich zu freuen, daß er dem König nicht gesagt hatte, wer er sei. Nun konnte er mit ihm über das reden, was er sonst nicht hätte zur Sprache bringen können.
Nach einer kleinen Weile brach der Pfarrer das Stillschweigen und fragte den König, ob es sich wirklich so verhielte, wie er ihn eben habe sagen hören, daß die Feinde Schweden bedrohten und das Reich in Gefahr sei.
Der König meinte, daß dieser Mann soviel Verstand haben könnte, ihn nicht weiter zu stören. Er sah ihn groß an und antwortete nicht.
»Ich frage, weil ich hier drinnen stand und vielleicht nicht ganz richtig hören konnte,« sagte der Pastor. »Aber wenn es sich wirklich so verhält, dann will ich sagen, daß der Pfarrer dieser Gemeinde vielleicht imstande wäre, dem König mehr Geld zu verschaffen als er benötigt.«
»Mich dünkt, er sagte doch ganz kürzlich, daß alle hier so arm seien,« erwiderte der König und dachte, der Bursche wisse wohl selbst nicht, was er schwätze.
»Ja, das ist wahr,« versetzte der Pastor, »und der Pfarrer hat auch nicht mehr als irgendein andrer. Aber wenn der König so gnädig sein will, mich ein Weilchen anzuhören, dann will ich erzählen, wie es kommt, daß der Pfarrer die Macht hat, ihm zu helfen.«
»Er mag sprechen,« sagte der König. »Es scheint ihm leichter zu fallen, die Worte über die Lippen zu bringen, als seinen Freunden und Nachbarn draußen, die wohl nie mit dem zu Ende kommen, was sie mir zu sagen haben.«
»Es ist nicht so leicht, dem König zu antworten,« sagte der Pastor. »Ich fürchte, daß es schließlich der Pfarrer auf sich nehmen muß, es für die andern zu tun.«
Der König legte ein Bein über das andre, drückte sich tief in den Lehnstuhl, kreuzte die Arme und ließ den Kopf auf die Brust sinken.
»Nun kann er beginnen,« sagte er in einem Tone, als schliefe er schon.
»Es waren einmal fünf Männer aus diesem Kirchspiel, die auf die Elenjagd in den Wald zogen,« begann der Pastor. »Einer von ihnen war der Pfarrer, von dem wir sprachen. Zwei von den andern waren Soldaten und hießen Olof und Erik Svärd, der vierte der Männer war ein Gastwirt hier im Kirchdorf und der fünfte war ein Bauer, der Israels Person hieß.«
»Er braucht sich nicht die Mühe zu machen, so viele Namen aufzuzählen,« murmelte der König und ließ den Kopf auf die eine Seite sinken.
»Diese Männer waren gute Jäger,« fuhr der Pastor fort, »und sie pflegten sonst Glück zu haben. Aber an diesem Tage waren sie weit und breit umhergezogen, ohne etwas anzutreffen. Endlich hörten sie völlig zu jagen auf und setzten sich nieder, um zu plaudern. Sie sprachen davon, daß es im Walde keine Stelle gäbe, die sich urbar machen ließe, alles sei nur Felsen und Morast. ›Unser Herrgott hat nicht gerecht an uns gehandelt, daß er uns ein so karges Land gegeben hat,‹ sagte einer von ihnen. ›Anderswo können die Menschen sich Reichtum und Überfluß verschaffen, aber hier vermögen wir uns mit knapper Not unser tägliches Brot zu erarbeiten.‹«
Der Pastor hielt einen Augenblick inne, gleichsam im Zweifel, ob der König ihn auch höre, aber der König machte eine Bewegung mit dem kleinen Finger, um ihm zu bedeuten, daß er noch wach sei.
»Gerade als die Bauern so sprachen, merkte der Pfarrer, daß es zwischen den Felsen an einer Stelle glitzerte, wo er zufällig mit dem Fuß das Moos weggestoßen hatte. Das ist doch ein merkwürdiger Stein, dachte er und stieß noch ein Mooshügelchen weg. Er nahm einen Steinsplitter auf, der am Moose hängen geblieben war und ebenso glänzte wie alles andre. ›Es ist doch wohl nicht möglich, daß dies hier Blei sein kann?‹ sagte er. Nun sprangen die andern auf und stießen das Moos mit den Büchsenkolben bei Seite. Und als sie das getan hatten, war es prächtig zu sehen, wie eine breite Erzader sich durch das Gestein zog. ›Was glaubt ihr, daß dies sein kann?‹ sagte der Pfarrer. Die Männer schlugen Steinsplitter los und bissen hinein. ›Das muß wenigstens Blei oder Zink sein,‹ sagten sie. ›Und der ganze Berg ist voll davon,‹ sagte der Pfarrer.«
Als der Pastor in seiner Erzählung so weit gekommen war, sah man, wie der Kopf des Königs sich ein wenig hob und ein Auge sich öffnete. »Weiß er, ob einer dieser Leute sich auf Erze und Gesteine verstand?« fragte er. – »Nein, davon verstanden sie nichts,« antwortete der Pastor. Da sank der Kopf des Königs hinab, und seine beiden Augen schlossen sich wieder.
»Sowohl der Pfarrer wie die, welche mit ihm waren, freuten sich sehr,« fuhr der Pastor fort, ohne sich durch die Gleichgültigkeit des Königs irre machen zu lassen. »Sie dachten, daß sie nun das gefunden hätten, was sie reich machen könnte und ihre Nachkommen ebenfalls! ›Nie mehr werde ich zu arbeiten brauchen!‹ sagte einer von den Soldaten, ›ich werde die ganze Woche nichts tun und am Sonntag in einer goldenen Kutsche zur Kirche fahren!‹
Es waren sonst verständige Leute, aber der große Fund war ihnen zu Kopf gestiegen, so daß sie wie Kinder sprachen. So viel Besinnung hatten sie doch, daß sie das Moos wieder zurechtlegten und den Schatz verbargen. Dann merkten sie sich genau den Platz, wo er sich befand, und gingen heim.
Bevor sie sich trennten, bestimmten sie, daß der Pfarrer nach Falun fahren und den Berghauptmann fragen solle, was dies für ein Erz sei. Er sollte sobald als möglich zurückkommen, und bis dahin gelobten sie einander mit heiligen Eiden, keinem Menschen zu verraten, wo das Erz zu finden sei.«
Der Kopf des Königs hob sich wieder ein wenig, aber er unterbrach den Erzähler mit keinem Wort. Er schien jetzt zu glauben, daß der andre ihm wirklich etwas Wichtiges zu sagen haben müsse, da er sich durch seine Gleichgültigkeit so gar nicht stören ließ.
»Nun machte sich der Pfarrer mit ein paar Erzproben in der Tasche auf den Weg. Er war ebenso froh, reich zu werden, wie irgend einer der andern. Er dachte daran, daß er den Pfarrhof umbauen wollte, der jetzt um nichts besser war als eine Bauernhütte; und dann wollte er sich mit einer Propsttochter verheiraten, der er gut war. Bis dahin hatte er gedacht, daß er lange auf sie warten müßte. Er war arm und unbekannt, er wußte, daß es lange währen würde, bis er eine Stelle bekäme, die es ihm möglich machte, zu heiraten.
»Der Pfarrer fuhr zwei Tage lang nach Falun, und einen Tag mußte er dort umhergehen und warten, weil der Berghauptmann verreist war, und an jemand andern wagte er sich nicht zu wenden. Endlich konnte er ihn sprechen und zeigte ihm die Erzstücke. Der Berghauptmann nahm sie in die Hand. Er sah zuerst sie an, dann den Pfarrer.
Der Pfarrer erzählte, daß er sie in seinem heimatlichen Kirchspiel in einem Felsen gefunden habe, und meinte, ob es nicht Blei sein könne.
›Nein, Blei ist es nicht,‹ sagte der Berghauptmann.
›Also ist es vielleicht Zink?‹ fragte der Pfarrer.
›Zink ist es auch nicht,‹ sagte der Berghauptmann.
Dem Pfarrer war zumute, als ob seine ganze Hoffnung zu Boden sänke, so verzagt hatte er sich so manchen lieben Tag nicht gefühlt.
›Habt ihr viel solche Steine in euerem Kirchspiel?‹ fragte der Berghauptmann.
›Wir haben einen ganzen Berg,‹ sagte der Pfarrer.
Da ging der Berghauptmann auf ihn zu, klopfte ihm auf die Schulter und sagte:
›Dann seht zu, daß ihr einen solchen Gebrauch davon macht, daß es euch selbst und dem Lande zum Nutzen gereicht, denn dies ist Silber!‹
›Ja so,‹ stammelte der Pfarrer ganz verwirrt. ›Ja so, es ist Silber.‹
Der Berghauptmann begann, ihm zu erklären, was er zu tun hätte, um sich ein gesetzliches Recht auf die Grube zu verschaffen, und gab ihm viele gute Ratschläge, aber der Pfarrer stand, ganz wirr im Kopfe, da und hörte nicht zu, was er sagte. Er dachte, wie unglaublich dies sei, daß daheim in seinem armen Kirchspiel ein ganzer Berg mit Silbererzen läge und auf ihn wartete.«
Der König erhob so heftig den Kopf, daß der Pastor sich unterbrach.
»Es kam wohl so,« sagte der König, »daß, als er nach Hause zurückkehrte und anfing, die Grube zu bearbeiten, er merkte, daß der Berghauptmann seinen Spaß mit ihm getrieben hatte.«
»Ach nein, der Berghauptmann hatte ihn durchaus nicht zum besten gehabt,« sagte der Pastor.
»Er kann fortfahren,« sagte der König und setzte sich wieder zurecht, um zuzuhören.
»Als der Pfarrer endlich zu Hause war und durch sein heimatliches Kirchspiel fuhr,« hob der Pastor wieder an, »war er sich klar, daß er vor allem seine Kameraden von der Entdeckung benachrichtigen müßte.«
»Er wollte wohl ihr Glück sehen,« fiel der König ein.
»Ja, das wollte er, und da er an dem Hause des Gastwirts Sten Stensons vorüberfuhr, beabsichtigte er, bei ihm einzukehren und ihm zu erzählen, daß das, was sie gefunden hatten, Silber sei. Aber als er vor dem Tore Halt machte, sah er, daß Laken vor den Fenstern hingen, und daß ein breiter Weg von gehacktem Tannenreisig zur Treppe hinaufführte.
›Wer ist denn hier im Hause gestorben?‹ fragte der Pfarrer einen Jungen, der am Zaune lehnte.
›Der Gastwirt selber,‹ antwortete der Junge. Und dann erzählte er dem Pfarrer, daß der Gastwirt sich seit einer Woche jeden Tag betrunken habe. ›Ach, der viele Branntwein, der viele Branntwein, der hier draufgegangen ist!‹ sagte der Junge. – ›Woher mag das kommen?‹ fragte der Pfarrer. ›Der Gastwirt pflegte sich doch sonst niemals zu betrinken.‹ ›Ja,‹ sagte der Junge, ›er trank, weil er behauptete, daß er eine Grube gefunden habe. Er sei so steinreich,‹ sagte er. ›Er brauche niemals mehr etwas andres zu tun, als zu saufen. Und gestern abend fuhr er fort, betrunken wie er war; der Wagen warf um, und er fiel sich zu Tode.‹
Als der Pfarrer das gehört hatte, fuhr er heimwärts. Er war sehr betrübt über das, was er gehört hatte. Er war ja so vergnügt gekommen und hatte sich so sehr gefreut, die große Neuigkeit zu erzählen.
Als der Pfarrer ein paar Schritte weiter gefahren war, sah er Israels Per Person herankommen. Er sah ganz wie immer aus, und der Pfarrer dachte, es sei gut, daß ihm nicht auch das Glück zu Kopfe gestiegen war. Ihn wollte er sogleich mit der Nachricht erfreuen, daß er nun ein reicher Mann sei. ›Guten Tag,‹ sagte Per Person, ›kommst du von Falun?‹ – ›Ja, daher komme ich,‹ sagte der Pfarrer, ›und nun will ich dir sagen, daß es dort besser gegangen ist, als wir uns dachten; der Berghauptmann sagte, daß das, was wir gefunden haben, Silber sei.‹ In demselben Augenblick sah Per Person aus, als hätte sich die Erde vor ihm aufgetan. ›Was sagst du, was sagst du? Es ist Silber?‹ – ›Ja,‹ antwortete der Pfarrer, ›wir werden nun reiche Leute, wir alle, und können wie Herrschaften leben!‹ – ›Nein, es ist Silber!‹ sagte Per Person noch einmal und sah immer betrübter aus. – ›Ja, gewiß ist es Silber,‹ antwortete der Pfarrer, ›du darfst nicht glauben, daß ich dich betrügen will. Du brauchst dich nicht zu fürchten, froh zu sein.‹ – ›Froh,‹ sagte Per Person, ›wie sollte ich froh sein. Ich glaubte, es sei nur Katzengold, und so meinte ich, ein Sperling in der Hand ist besser als eine Taube auf dem Dach. Ich habe meinen Anteil an der Grube für hundert Taler an Olof Svärd verkauft.‹
Er war ganz verzweifelt, und als der Pfarrer von ihm fortfuhr, blieb er auf der Landstraße stehen und weinte.
Als der Pfarrer heim auf seinen Hof kam, schickte er einen Knecht zu Olof Svärd und seinem Bruder, um ihnen sagen zu lassen, daß das, was sie gefunden hatten, Silber sei. Er fand, daß er nun genug davon hätte, die gute Neuigkeit selbst zu verbreiten.
Aber als der Pfarrer am Abend allein daheim saß, da kam die Freude wieder zu ihrem Recht. Er ging in die Dunkelheit hinaus und stellte sich auf den Hügel, wo er das neue Pfarrhaus anzulegen gedachte. Es sollte stattlich werden, das wollte er meinen, ebenso prächtig wie ein Bischofsitz. Er blieb lange draußen stehen in dieser Nacht, und er begnügte sich nicht damit, ein neues Pfarrhaus zu bauen. Es fiel ihm ein, daß, wenn so viel Reichtum von dieser Gegend ausginge, die Leute herbeiströmen müßten, und schließlich würde vielleicht eine ganze Stadt rings um die Grube im Walde gebaut werden. Und dann würde er gezwungen sein, in dieser Stadt eine neue Kirche zu errichten. Dafür würde wohl ein großer Teil seines Reichtums draufgehen. Aber er war auch damit noch nicht zufrieden, sondern dachte sich, daß, wenn seine Kirche fertig wäre, der König und viele Bischöfe kommen würden, um sie einzuweihen; und dann würde der König sich sehr über die Kirche freuen, aber er würde einwenden, daß für ihn, den König, keine rechte Unterkunft in der Stadt sei. Und dann würde er dem König in der neuen Stadt ein Schloß bauen müssen.«
Einer der Kavaliere des Königs öffnete jetzt die Tür zur Sakristei und meldete, daß die große königliche Karosse instand gesetzt sei.
Der König war im ersten Augenblick bereit, sich zu erheben, aber dann besann er sich anders. »Er soll seine Geschichte zu Ende erzählen,« sagte er zum Pastor. »Aber er kann sich kürzer fassen. Wir wissen schon, wie ein Mensch träumt und denkt. Wir wollen erfahren, wie er handelt.«
»Aber als der Pfarrer noch in diese Träume versunken dasaß,« fuhr der Pastor fort, »bekam er Botschaft, daß Israels Per Person sich selbst das Leben genommen habe. Er hatte es nicht ertragen können, daß er seinen Anteil an der Grube verkauft hatte. Er meinte wohl, daß er es nicht aushalten könne, sein ganzes Leben lang einherzugehen und zu sehen, wie ein andrer sich an dem Reichtum freute, der ihm hätte gehören können.«
Der König rückte sich ein wenig auf seinem Sitz zurecht. Er hatte beide Augen aufgeschlagen. »Meiner Treu,« sagte er, »wenn ich dieser Pfarrer gewesen wäre, ich glaube, ich hätte an der Grube genug gehabt.«
»Der König ist ein reicher Mann,« sagte der Pastor. »Er hat auf jeden Fall genug und übergenug. Anders steht es mit einem armen Pfarrer, der nichts sein eigen nennt. So einer fängt an nachzugrübeln, wenn er sieht, daß Gottes Segen nicht auf seinem Vorhaben ruht: ich will nicht mehr daran denken, selbst Ehre und Nutzen aus diesen Reichtümern zu ziehen. Aber ich kann doch das Silber nicht in der Erde liegen lassen. Ich muß es zum Besten der Armen und Notleidenden heben. Ich will es tun, um dem ganzen Kirchspiel zu helfen.«
Darum ging der Pfarrer eines Tages zu Olof Svärd hinüber, um mit ihm und seinem Bruder zu besprechen, was sie zunächst mit dem Silberbergwerk vornehmen sollten. Als er in die Nähe von Olofs Behausung kam, begegnete er einem Karren, um den Männer mit Flinten in den Händen herumgingen, so, als hielten sie Wacht. Und auf dem Karren saß einer, dem die Hände rücklings gebunden waren und der Fesseln an den Fußknöcheln trug.
Als der Pfarrer vorbeikam, machte der Karren Halt, so daß er Zeit hatte, den Gefangenen zu betrachten. Sein Kopf war verbunden, so daß es nicht leicht war, zu erkennen, wer es sei, aber der Pfarrer glaubte doch, daß dies Olof Svärd sein müsse.
Er hörte den Gefangenen seine Wächter bitten, ihn ein paar Worte mit dem Pfarrer sprechen zu lassen.
Er trat darum näher, und der Gefangene wendete sich an ihn. ›Nun bist du der einzige, der weiß, wo der Silberberg ist,‹ sagte Olof.
›Was sagst du da, Olof?‹ fragte der Pfarrer.
›Ja, siehst du, Pfarrer, seit wir erfahren hatten, daß wir einen Silberberg haben, konnten mein Bruder und ich nicht mehr so gut Freund sein wie früher; wir gerieten stets in Zank. Und gestern abend stritten wir, wer von uns zuerst die Grube gefunden hätte, oder war es etwas andres, worüber wir zankten, kurz, wir kamen in Zwist, und ich habe meinen Bruder erschlagen, und er hat mir auch einen tüchtigen Denkzettel hier über die Stirn gegeben. Und nun komme ich an den Galgen, und du bist dann der einzige, der etwas von der Grube weiß. Deshalb will ich dich um etwas bitten.‹
›Sprich nur frei heraus,‹ sagte der Pfarrer. ›Ich will für dich tun, was ich kann.‹
›Du weißt, daß ich viele kleine Kinder hinterlasse,‹ begann der Soldat, aber der Pfarrer fiel ihm ins Wort.
›Was das betrifft, so kannst du ruhig sein. Was auf deinen Anteil an der Grube kommt, werden sie erhalten, ganz als wenn du selbst am Leben wärest.‹
›Nein,‹ sagte Olof Svärd, ›ich wollte dich um etwas andres bitten. Laß keinen von ihnen teil an dem haben, was aus dieser Grube kommt.‹
Der Pfarrer zuckte zusammen, er blieb stumm stehen und konnte nichts antworten.
›Wenn du mir das nicht versprichst, kann ich nicht ruhig sterben,‹ sagte der Gefangene.
›Ja,‹ sagte der Pfarrer leise und mühsam, ›ich will dir versprechen, was du von mir verlangst.‹
Darauf wurde der Mörder fortgeführt, und der Pfarrer stand auf der Landstraße und dachte nach, wie er das Versprechen halten könne, das er ihm gegeben hatte. Den ganzen Heimweg dachte er an den Reichtum, über den er sich gefreut hatte. Aber wenn es nun so war, daß das Volk dieser Gemeinde den Reichtum nicht vertrug? Jetzt waren schon vier verdorben, die früher stolze und prächtige Männer gewesen waren. Er glaubte, die ganze Gemeinde vor sich zu sehen, und er stellte sich vor, wie diese Silbergrube einen nach dem andern zugrunde richten würde. Sollte er, der eingesetzt war, die Seelen dieser armen Menschen zu hüten, das über sie bringen, was ihr Untergang sein mußte?«
Der König saß auf einmal ganz aufrecht und starrte den Sprecher an. »Ich muß sagen,« sagte er, »er läßt mich begreifen, daß ein Pfarrer in diesem abgeschiedenen Dorfe ein ganzer Kerl sein muß.«
»Es war noch nicht genug an dem, was schon geschehen war,« fuhr der Pastor fort, »sondern sobald die Neuigkeit von der Grube sich unter den Kirchspielbewohnern verbreitete, hörten sie auf zu arbeiten und gingen müßig umher und warteten auf die Zeit, wo der große Reichtum sich über sie ergießen würde. Alle Landstreicher, die es in der Gegend gab, strömten herbei, und der Pfarrer mußte beständig von Trunksucht und Schlägereien hören.
Eine Menge Leute tat nichts andres, als im Walde herumstreichen und nach der Grube suchen, und der Pfarrer merkte, daß, sobald er seine Behausung verließ, ihm Menschen nachschlichen, um auszukundschaften, ob er sich zum Silberberg begäbe, und ihm so sein Geheimnis zu stehlen.
Als die Dinge so standen, rief der Pfarrer die Bauern zusammen.
Zuerst erinnerte er sie an all das Unglück, das die Entdeckung des Silberbergs über sie gebracht hatte, und fragte sie, ob sie sich zugrunde richten lassen oder sich selbst retten wollten. Dann sagte er ihnen, daß sie von ihm, der ihr Pfarrer sei, nicht erwarten dürften, daß er zu ihrem Untergang beitragen werde; er habe beschlossen, keinem Menschen zu verraten, wo der Silberberg sich befinde, und niemals wolle er selbst Reichtümer daraus heben. Und dann fragte er die Bauern, wie sie es in Zukunft halten wollten. Wenn sie fortfahren wollten, nach der Grube zu suchen und auf Reichtümer zu warten, dann wolle er so weit fortziehen, daß ihn niemals das Gerücht von ihrem Elend erreichen könne. Aber wenn sie es aufgeben wollten, an die Silbergrube zu denken, und wieder werden, wie sie zuvor gewesen, dann wolle er bei ihnen bleiben. ›Aber wie ihr euch auch entscheiden mögt,‹ sagte der Pfarrer, ›so wisset das eine, daß von mir niemand je etwas über den Silberberg erfährt.‹«
»Nun,« sagte der König, »wie entschieden sich die Bauern?«
»Sie taten, wie ihr Pfarrer wollte,« sagte der Pastor. »Sie fanden, daß dies eines Mannes Rede sei, und versprachen, nicht mehr an den Silberberg zu denken. Sie sahen ein, daß der Pfarrer es gut mit ihnen meinte, da er um ihretwillen arm bleiben wollte. Und sie faßten großes Vertrauen zu ihm. Und sie gaben ihrem Pfarrer den Auftrag, in den Wald zu gehen und die Grube mit Reisig und Steinen wohl zu verbergen, so daß niemand sie finden könne, nicht sie und nicht ihre Nachkommen.«
»Und seitdem hat der Pfarrer hier ebenso arm gelebt wie die andern?«
»Ja,« antwortete der Pastor, »er hat hier ebenso arm gelebt wie die andern.«
»Er hat aber doch geheiratet und sich einen neuen Pfarrhof gebaut,« sagte der König.
»Nein, er hat nicht die Mittel gehabt zu heiraten, und er wohnt in der alten Hütte.«
»Das ist eine schöne Geschichte, die er mir da erzählt hat,« sagte der König und neigte dankbar das Haupt.
Der Pastor stand schweigend vor dem König. Nach einigen Augenblicken fuhr dieser fort: »Dachte er an das Silberbergwerk, als er sagte, daß der hiesige Pfarrer mir so viel Geld verschaffen könne, als ich brauche?«
»Ja,« sagte der andre.
»Aber ich kann ihm nicht Daumschrauben anlegen,« sagte der König, »und wie will er sonst, daß ich einen solchen Mann dazu bringe, mir den Berg zu zeigen? Er hat ja auf seine Liebste und allen Wohlstand des Lebens verzichtet.«
»Das ist etwas andres,« sagte der Pastor, »wenn das Vaterland den Schatz braucht, so gibt er wohl nach.«
»Steht er mir dafür ein?« fragte der König.
»Ja, dafür stehe ich ein,« sagte der Pastor.
»Kümmert er sich denn nicht darum, wie es seinen Pfarrkindern ergeht?«
»Das muß in Gottes Hand stehen.«
Der König erhob sich von dem Stuhle und trat ans Fenster. Da stand er eine Weile und sah auf die Volksmenge draußen. Je länger er hinblickte, desto heller begannen seine großen Augen zu leuchten, und seine schmächtige Gestalt schien zu wachsen. »Er kann dem Pfarrer dieser Gemeinde sagen,« sprach der König, »daß es für Schwedens König keinen schöneren Anblick gibt, als ein Volk wie dieses zu sehen.«
Darauf wendete sich der König vom Fenster ab und sah den Pastor an. Ein Lächeln flog über seine Züge. »Steht es so, daß der Pfarrer dieser Gemeinde so arm ist, daß er die schwarzen Kleider ablegt, wenn der Gottesdienst zu Ende ist, und sich wie ein Bauer kleidet?« fragte der König.
»Ja, so arm ist er,« sagte der Pastor, und die Röte schoß ihm in das grobe Gesicht.
Der König trat wieder ans Fenster. Man sah es ihm an, daß er in bester Stimmung war. Alles, was Edles in ihm schlummerte, war zum Leben erweckt worden. »Er soll diese Grube in Frieden ruhen lassen,« sagte der König. »Da er ein ganzes Leben lang gedarbt und gearbeitet hat, um das Volk hier so zu machen, wie er es haben will, so soll er es so behalten, wie es nun ist.«
»Aber wenn das Reich in Gefahr ist?« sagte der Pastor.
»Dem Reich ist besser mit Menschen als mit Geld gedient,« meinte der König. Und als er dies gesagt hatte, nahm er von dem Pastor Abschied und verließ die Sakristei.
Draußen stand die Volksmenge ebenso stumm und wortkarg, wie bei seinem Eintritt. Aber als der König die Treppe hinabstieg, kam ihm ein Bauer entgegen.
»Hast du nun mit unserem Pfarrer gesprochen?« fragte der Bauer.
»Ja,« sagte der König, »ich habe mit ihm gesprochen.«
»Dann hast du wohl auch unseren Bescheid bekommen,« erwiderte der Bauer. »Wir baten dich, einzutreten und mit unserem Pfarrer zu sprechen, weil er dir unsere Antwort bringen sollte.«