de Laclos, Choderlos
Gefährliche Liebschaften
de Laclos, Choderlos

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Hundertundzweiundsiebzigster Brief

Frau von Rosemonde an den Chevalier Danceny.

Nach dem, was Sie mir mitgeteilt haben, mein Herr, bleibt mir nichts anderes übrig als zu weinen und zu schweigen. Man bedauert es noch zu leben, wenn man solche Greuel erfährt; man errötet über sein Geschlecht, wenn man eine Frau sieht, die solcher Ausschreitungen fähig ist.

Ich will gern das Meine dazu tun, mein Herr, daß alles, was irgendwie zu diesen traurigen Ereignissen in Beziehung steht, in Schweigen und Vergessen sinkt. Ich wünsche sogar, daß sie uns nie andern Kummer bereiten mögen, als diesen von dem unglücklichen Sieg nicht zu trennenden, den Sie über meinen Neffen davongetragen haben. Trotz seiner Vergehen, die ich zu erkennen gezwungen bin, fühle ich, daß ich mich niemals über seinen Verlust trösten werde; aber meine ewige Trauer wird die einzige Rache an Ihnen sein, die ich mir erlaube. Es steht bei Ihnen, ihre Größe zu würdigen.

Wenn Sie meinem Alter eine Bemerkung erlauben, die man dem Ihren sonst kaum macht: wenn man über sein wirkliches Glück im klaren wäre, würde man es nie außerhalb der Grenzen suchen, die die Gesetze und die Religion uns setzen.

Sie können versichert sein, daß ich treu und gern das mir anvertraute Gut bewahren werde; aber ich verlange von Ihnen die Ermächtigung, es niemandem zurückzuerstatten, auch Ihnen nicht, mein Herr Chevalier, es wäre denn, Sie brauchten es zu Ihrer Rechtfertigung.

Ich darf wohl hoffen, daß Sie mir diese Bitte nicht abschlagen werden, und daß Sie nicht mehr zu lernen brauchen, wie man es oft beklagt, wenn man sich selbst der gerechtesten Rache hingegeben hat.

Es ist nicht meine einzige Bitte, überzeugt von Ihrer Großmut und Ihrem Zartgefühl. Beider Tugenden wäre es würdig, mir auch die Briefe des Fräulein von Volanges zu geben, die Sie offenbar behalten haben, und die Sie ja wohl nicht mehr interessieren. Ich weiß, daß das junge Mädchen großes Unrecht an Ihnen begangen hat; doch meine ich, daß Sie nicht daran denken, sie deshalb zu strafen. Und wäre es nur aus Selbstachtung, würden Sie die doch nicht preisgeben, die Sie so sehr geliebt hat. Ich brauche also nicht beizufügen, daß Sie die Rücksicht, die vielleicht die Tochter nicht verdient, wenigstens der Mutter schulden, dieser sehr achtbaren Frau, der gegenüber Sie doch vieles wieder gut zu machen haben; denn was man sich auch mit vorgeblichen Zartgefühlen vortäuscht, der als Erster ein noch einfaches und ehrliches Herz zu verführen sucht, macht sich eben dadurch zum ersten Begünstiger seiner Verderbnis und muß für immer verantwortlich gemacht werden für die Ausschreitungen und Verirrungen, die folgen.

Wundern Sie sich nicht, mein Herr Chevalier, über so viel Strenge meinerseits; sie ist der größte Beweis, den ich Ihnen von meiner Achtung geben kann. Und Sie werden sich noch weitere Rechte darauf erwerben, wenn Sie, wie ich es wünsche, zur Sicherung eines Geheimnisses beitragen, dessen Veröffentlichung Ihnen selbst schaden und einem Mutterherzen, das Sie schon verwundet haben, den Tod bereiten würde. Kurz, mein Herr, ich wünsche meiner Freundin zu dienen; und wenn ich fürchten müßte, daß Sie mir diesen Trost versagten, würde ich Ihnen vorher zu bedenken geben, daß es der einzige ist, den Sie mir gelassen haben.

Ich habe die Ehre usw.

Schloß . . ., den 15. Dezember 17..


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