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Zweites Kapitel

Daß unser Held vierundzwanzig Stunden nach diesem Briefe seinen Grundbesitz erworben haben würde, ahnte ihm in jenem Augenblicke nicht im mindesten noch. Der wichtigste Moment, der eigentliche Ziel- und Mittelpunkt seiner amerikanischen Reise überraschte ihn so – wie die flüchtigste Episode eines Wandertags, ja, fast wie ein Stein des Anstoßes am Wege. Wir könnten das Ereignis wieder aus seinen Briefen erzählen, haben aber Grund, es diesmal nicht zu tun. Denn da es unmittelbar ein Akt der Großmut war, und unser Freund edel genug dachte, dieses Umstands mit keiner Silbe zu erwähnen, so würde der Briefton nicht nur zur Wiedergabe der eigentlichen Gemütsfärbung nicht beitragen, sondern die geschichtliche Tatsache selbst wesentlich entformen.

Moorfeld ritt also von Pittsburg die schönen Ufer des Ohio hinab. Als er die Grenze Pennsylvaniens bei Beaver erreichte, las er in einem Lokalblatt dieser Stadt, daß in einem benachbarten Orte, der aber schon dem Staate Ohio angehörte und sich sehr großartig Neu Lissabon nannte, eine Landauktion oder sogenannte Sheriff sale abgehalten würde. Um sich eine solche Szene »einstweilen«, wie er dachte, mit anzusehen, wandte er nun in Beaver vom Flußtale des Ohio sein Pferd ab und begab sich landeinwärts auf die Straße nach New Lisbon. Bald verschwanden die Höhen des Ohio mit ihren laubreichen Eichwaldungen hinter seinem Rücken, und das Land fing an, in niedrig gestreckten Hügelwellen sich abzuflachen. An die Stelle des Eichwuchses traten Weiden, Pappeln und Zypressen, welche einen Sumpfboden bewaldeten, der vielleicht fruchtbar, vielleicht auch ungesund war. Dazwischen lagen wie Inseln und Halbinseln dürre Sandstriche, die ihre sterile Natur in traurig-eintönigen Fichtenwaldungen ausdrückten. Die Gegend war einsam, und nichts verriet die Nähe einer Stadt. Im halbgelichteten Walddunkel erblickte der Reisende hin und wieder einen aufgeschichteten Haufen von Baumstücken, welcher im Innern hohl war und eine menschliche Hütte vorstellte. Gluckte ein Huhn oder grunzte ein Schwein an solchen Grabeseinöden, so wurde der Lokalton schon sehr warm dadurch. Aber plötzlich fingen diese Blockhäuser an einer Stelle, wo sie etwas dichter standen, an, sich Lissabon zu nennen. Es war eine Überraschung der traurigsten Art, als sich Moorfeld nach einer Passage durch einen hochstämmigen Fichtenstrich auf einmal im Angesichte dieser sogenannten Stadt befand. Die Sonne verbreitete ihr Licht über eine elende Wüste von dürrem Gras, trübseligen Weiden und schmutzigen Hütten, deren Anblick eher einer Kolonie von Selbstmördern glich, welche bloß zwischen dem Strick und dieser Existenz gewählt hatten. Die Vegetation war weit und breit herum mulsterig, übelriechend und von jenem eklen Grün, wie es etwa die faule Pflanzendecke auf stehenden Wassern zeigt. Die Fußtapfen der Pferdehufe oder die Wagenspuren in dem schwammigen Boden standen von Pilzen voll, ja Moorfeld konnte Schwämme und Pilze noch reichlich an den Wohnhäusern sehen, wo sie aus den Ritzen der Wände wie Hexenkorallen in ganzen Schnüren und Ketten hervorquollen. Es war ein schauderhafter Fleck Erde: weder Wald noch Sumpf, noch Heide, das Ganze schien wie ein ungesunder Magen, der Essig und Kalomel getrunken und den Anblick seiner inneren Szenerie an die Sonne gewendet hat. Solche Stellen konnte im praktischen Amerika nur der Humbug besiedeln. Der erste Anbauer hat sein Land durch Agentur, vielleicht schon in Europa, gekauft und war er nicht in der Lage, den Verlust zu tragen, indem er es wieder aufgab, so konnte er nur vom raschesten Menschenzuwachs Verbesserung hoffen. Er verführte also andere, welche in der gleichen Lage wieder andere verführten; so verwandelte sich der krankhafte Landstrich in einen Stadtbauplatz, und auf seiner Oberfläche schwebt jetzt eine Anzahl von Menschen eine Zeitlang zwischen Tod und Leben, bis es sich bleibend entscheidet, ob der Ausfluß des Bodens oder der Einfluß des Menschen die Oberhand davonträgt. Siegt der Mensch, so wird mit Posaunenstößen die wunderbare Kulturkraft des Amerikaners durch die Welt verkündigt; siegt das Naturgift, so begräbt eine Handvoll von Humbugern im tiefsten Stillschweigen seine Leichen, während der Überrest im tiefsten Stillschweigen abzieht, – Gras wächst über die Stätte und ihrer wird nicht mehr gedacht.

Dies waren Moorfelds Betrachtungen, als er den häßlichen Ort langsam durchritt. Er gelangte auf einen freien Platz in der Mitte desselben und fand einiges Leben hier. Eine hölzerne Bude, welche sich City-Hall nannte, aber viel mehr einem Wagenschuppen glich, war von oben bis unten mit ellenlangen Plakaten von Buntpapier beklebt, während Fahnen und Standarten in allen Farben auf langen Stangen in der Luft flatterten; er sah den Schauplatz der Landauktion. Diesem Hause gegenüber stand ein gotisches Unding, die Kathedrale von Neu Lissabon. An jedem andern Orte hätte das barbarische Machwerk die Sinne beleidigt, in der Umgebung der elendesten und schmutzigsten Hütten aber machte es immer noch Staat. Der Raum zwischen diesen beiden öffentlichen Gebäuden, welcher je nach Umständen eine Pfütze oder eine Staubwüste war, in beiden Gestalten aber der Square von Neu Lissabon hieß, diente jetzt einer Menge von Zeltwagen, Marktbuden und sonstiger fahrender Zigeunerhabe zum Standorte; es war das Feldlager von Zuzüglern, welche die Landauktion aus näherer oder fernerer Umgebung herbeigelockt hatte. Ein spekulierender Irländer hatte diese Gelegenheit benutzt, Geschäfte in ein paar Fässern Fusel zu machen, welchen er von seinem Karren herab für mint julep ausrief; ein fliegender Buchhändler neben ihm verkaufte den Himmel in beliebiger Auswahl, nämlich Traktätlein aller möglichen Glaubensbekenntnisse. Das gläubige und ungläubige Publikum traktierte sich aber mit mehr Vorliebe in einer Trinkstube, auf welche Moorfeld erst aufmerksam wurde, als er sich überhaupt um Publikum umsah und verhältnismäßig wenig am Platze fand. Er entdeckte bei dieser Gelegenheit noch ein drittes öffentliches Gebäude, nämlich ein Croceryshop mit einem Wirtshaus verbunden, und zwar dicht am gotischen Dome, dem es zur Seite stand wie ein Ministrant seinem Priester. Der Kramladen mochte einst besser in die Augen gefallen sein, als nämlich die Farben der kolorierten Lithographien an seinem Schaufenster noch greller erglänzten. Moorfeld musterte diese Lithographien und fand bunt nebeneinander den Alpenübergang Napoleons, Mrs. Siddons als Lady Macbeth, das Rennpferd Eclipse, einen Faustkampf zwischen John Bull und Bruder Jonathan, die Rückkehr des Geliebten, Rotjacke im indianischen Kostüm, Edmund Kean als König Lear, die Schlacht bei Bunkershill, eine New Yorker Regatta, General Washington, Lord Nelson, das Fegefeuer u. a. Über all diese Blätter hatte sich eine Unzahl von Fliegen verbreitet mit überreichlicher Hinterlassung ihrer wohlbekannten Spuren. Die Spelunke erreichte daher durch ihr Schaufenster so ziemlich das Gegenteil der beabsichtigten Anziehungskraft; da überdies die Trinkstube nebenan Rauchwolken des schlechtesten Tabaks, vermischt mit den Pestdünsten abscheulicher Getränkesorten, durch alle Fugen und Ritzen ausschwitzte, so fand sich Moorfeld wenig eingeladen, das wirtliche Dach dieses Hauses zu beschreiten. Nur sein Pferd stellte er hier ein; seine Person, die, wie er aus hinlänglicher Erfahrung wußte, selbst unter dem widerlichsten Pöbelhaufen in keiner öffentlichen Herberge auf irgendeine Sonderung dringen durfte, rettete er wieder ins sogenannte Freie. Er kaute für all sein Nahrungsbedürfnis ein Stückchen Bouillontafel, deren er in Pittsburg einen neuen Vorrat eingekauft. Irgendein nettes Privathäuschen zu entdecken, wo er an einem leidlich menschlichen Tisch sich zu Gaste bitten könnte, ohne das »Hotel von New Lisbon« zu frondieren, darauf verzweifelte er in dieser Kaffernstadt.

Inzwischen ertönte ein greller Trompetentusch von einer Dachluke des Schuppens, d. h. vom Balkon der City-Hall. Das brachte einige Bewegung auf dem Marktplatz hervor. Unter den Dächern der Zeltwagen streckten sich lange Amerikaner-Beine hervor, die dort ihre Mittagsruhe gehalten hatten, aus der Trinkstube des Croceryshops kamen die Gäste gruppenweise über den Square daher gestolpert, der fliegende Buchhändler schloß seine Mappen und der Irländer trank seinen mint julep selber. Alles drängte sich durch die unbehauenen Türpfosten des Stadthauses. Moorfeld folgte. Er stand in einem Stalle, den die Väter der Stadt vielleicht ihren Sitzungssaal nannten, aber der Fußboden dieses Saales war die rauhe unbedielte Erde, die Fensterlöcher hatten keine Fenster, was zwar einen dankenswerten Luftzug gegen die Hitze bewirkte, aber auch einer Unzahl von lästigen Mücken die Passage frei gab, die Decke endlich war so niedrig, daß die Beleuchtung, obschon sie ungetrübter als durch das reinste Kristallglas einfiel, doch etwas Düsteres und Kellerartiges hatte. Das Ameublement bestand in einem Tisch und einigen Stühlen für die Auktionsbeamten nebst zwei langen Bänken für das Publikum, welche an den beiden Längenseiten des oblongen Quadrats hinliefen. Das Publikum nahm dieselben teilweise ein, teils stand es umher oder ging auf und ab. Es waren meist Hinterwäldler, die in Kitteln von selbstgewebten Zwilch oder Kaliko, den groben Strohhut auf dem Kopfe und ein Priemchen Tabak zwischen schlechten Zähnen, herumlungerten. Dieser Aufzug war aber auch alles Ländliche an ihren; Moorfeld bemühte sich vergebens, gewisse allgemein gültige bäuerliche Grundtöne in ihrem Wesen herauszufinden. Kein einziger sah zufrieden, glücklich oder – ehrlich aus. Ihre Leiber waren vom Fieber abgemagert, welk und schlotterig, ihre gefurchten Gesichter bleich und von Luft und Sonne mehr übermalt als gesund gebräunt, ihre hohlen Augen gingen unruhig umher, voll List und Verschlagenheit und wie von allseitigen Sorgen umlagert. Es war eine traurige Heerschau für unsern Europäer. Sind das die Bürger eines freien und glücklichen Landes? fragte er sich unwillkürlich. Zwischen diesen Gestalten bewegten sich noch einige Exemplare aus einer anderen Schichte der Gesellschaft; diese waren mehr oder minder städtisch gekleidet, trugen goldene Uhren und affektierten eine gewissen gentlemanlike Haltung. Moorfeld erkannte sie aber mühelos als Subjekte von gemeinem Charakter und Gewerbe, sie machten ihm ungefähr den Eindruck von verkommenen Advokaten oder durchgegangenen Handlungskommis, kurz von Industrierittern auf allen Gäulen. Indem unser Freund das Treiben dieser Leute schärfer beobachtete, merkte es bald, daß sich ihre Tendenzen gemeinschaftlich an einem Manne begegneten, den sie wie Flammen einen festen Körper umzüngelten; wenigstens schien ihre Rolle die angreifende und die des andern die passive oder selbst die abwehrende. Der ganze Anblick erinnerte ihn auffallend an seine eigene Stellung weiland im Generallandamt zu New York. Diese Ähnlichkeit vermehrte noch das Interesse seiner Beobachtung, das übrigens das Bild jenes einzelnen Mannes schon durch sich selbst zu erregen geeignet war. Derselbe war unverkennbar ein Deutscher, stand in den mittleren Mannesjahren und trug die tiefsten Spuren einer schweren kummervollen Lebenslast zur Schau. Sein Wesen schien das eines ehrlichen, ja selbst noblen Charakters, die eiserne Hinterwaldsarbeit hatte sein Äußeres verknechtet, sein Inneres machte noch eine Art von Figur. Er kontrastierte ebenso fremdartig als vorteilhaft zu den Physiognomien um ihn her, denen die Wolfs- und Luchsnatur eines schlauen und raubgierigen Materialismus grell aufgeprägt war. Er machte neben ihnen mehr den Eindruck eines ausgedienten braven Soldaten, der den Pflug ergriffen, oder eines kleines Landedelmanns, der sein Feld bestellt, als eines Landproletariats, der es ist mit der ganzen Verkommenheit seines sittlichen und geistigen Zustandes. – Sein momentaner Zustand erweckte im steigenden Grade Sympathie. Er befand sich jenen Industrierittern gegenüber offenbar in einer schwierigen, vielleicht selbst verzweifelten Lage. Moorfeld vergaß alles Übrige um sich, indem er den Fortgang dieser Szene verfolgte. Sie hatte ihren Anfang genommen damit, daß einer der Industrieritter gesprächsweise zu dem Manne trat und ihm, wie es schien, im Vorbeigehen ein Offert machte, das er mit der Miene eines Gönners, sonst aber mit großer Gleichgültigkeit behandelte, gleichsam als wäre hier von einem Vorteile die Rede, den nur der andere allein genösse, während er selbst kein Interesse dabei habe. Der Deutsche hatte ihn angehört, einige Gegenfragen gemacht und dann, wie von einer Notwendigkeit überzeugt, die sich nicht ändern läßt, seine Brieftasche gezogen, aus der er langsam und bedächtig eine Banknote hervorholte, die der andere leicht und ungedankt in seine Westentasche schob. Hierauf trat ein zweiter der uhrenkettenbehängten Gentlemen zu dem Manne. Es wiederholte sich von ersterer Seite mit geringen, von letzterer aber mit bedeutsameren Variationen dasselbe Spiel. Es war dem Deutschen, wie man sehen konnte, eine sehr ernsthafte Sache, auch von dieser Person in Anspruch genommen zu sein. Seine Miene verdunkelte sich, seine Stirnfalten wurden tiefer, seine Augenbrauen zogen sich in die Höhe, einer seiner Füße trat unwillkürlich zurück, die ganze Stellung drückte den Schrecken aus, womit man sich gegen ein unvorhergesehenes Phänomen in Positur setzt und einen Augenblick stutzt, ob man sich ihr unterwerfen muß oder entziehen kann. Der Deutsche machte eine Gebärde, mit der er offenbar auf den Mann wies, welcher soeben von ihm gegangen: der Industrieritter dagegen wendete kaum den Kopf, zuckte die Achseln und sagte mit einer wegwerfenden Handbewegung: pah! Der Deutsche war unentschlossen, ratlos. Er warf einen verstörten Blick auf seinen Gegner, maß ihn von oben bis unten und schien die ganze Kraft seiner Menschenkenntnis zusammenzuraffen, um denselben zu durchschauen. Dieser wandte sich stolz zum Gehen. Der Deutsche schüttelte den Kopf, seufzte und folgte jenem, indem ihm zu bangen schien, die Verhandlung abzubrechen. So wandelten die beiden in kurzen Schritten auf einem schmalen Bodenstreifen eine Zeitlang auf und ab und setzten sich ernstlich auseinander. Das Ende war, daß der eine wieder seine Brieftasche zog und dem andern eine Banknote daraus reichte, von der er sich mit sichtlicher Aufopferung trennte. Hierauf trat er an ein Fenster oder vielmehr in eine der leeren Fensterhöhlen und erholte sich mit ein paar Atemzügen frischer Luft von seinem Kummer. Aber er stand nicht lange so. Zwei Schacher nahmen ihn in die Mitte, indem sie links und rechts an seine Seite traten. Dritte und vierte Wiederholung der nämlichen Pantomime. Nur schienen sich die Rollen diesmal umzukehren. Der Deutsche stellte sich kalt, gelassen, gleichgültig und versuchte es, die zwei neuen Quälgeister über seinen eigentlichen Zustand, auf den sie spekulieren mochten, irre zu führen. Der Versuch blieb aber vergebens. Sei es, daß sie sein Benehmen in den beiden vorigen Fällen allzu genau beobachtet oder überhaupt untrüglich gut orientiert waren: genug, sie hatten sich bald fest in den Mann gehakt, der zwischen ihnen jetzt ein so tragisches Bild bot wie Laokoon zwischen den Schlangen. Er litt, er duldete. Seine Mimik war ganz Schmerz, aber dürrer, hoffnungsloser Schmerz, der nur ein Unterliegen vor Augen hat, kein Überwinden. Er kämpft, weil er noch die Kraft dazu fühlt, – Schritt für Schritt diese Kraft aufzubrauchen, kann der einzige Preis des Kampfes sein. So sah man ihn mit seinen beiden Tyrannen handeln und unterhandeln, Vorstellungen machen, schroff und entgegenkommend, nachdrücklich und gelinde sein, man sah die ganze Arbeit eines Menschen, der alles versucht, einen billigen Frieden zu erlangen, und weiß, daß alles umsonst sein wird. Seine Partner standen und ließen ihn gewähren, wie man einen Menschen etwa höflichkeitshalber anhört. Wie dringend er die Aktion belebte, sie waren tot und ließen ihn Schläge ins Wasser tun. Ein kaltes Achselzucken, ein Schnippchen mit dem Finger, ein Ruck auf dem Absatz, ein stummes Getändel mit der Uhrkette, mitunter ein spitzer Mund, als pfiffen sie geistesabwesend ein Liedchen – das war ihre ganze Antwort. Es war die Rhetorik von Granitherzen. Endlich ergab sich der andere in sein Schicksal. Er zog seine Brieftasche und händigte ihnen zwei Banknoten aus. Dann setzte er sich auf die Bank hin und begrub den Kopf in seine beiden Hände, welche er auf die Knie stützte. Wenn ein Maler eine Mannesträne malen wollte, ohne sie sehen zu lassen, so würde er diese Stellung wählen – sagte sich Moorfeld.

Jetzt trat durch einen untern Eingang des »Saales« der Sheriff mit zwei Clercs ein. Er stellte sich hinter seinen Tisch und gab mit einem Hammer das Zeichen des Anfangs. Die anwesenden Waldfäuste erhoben sich vorwurfsvoll über sein langes Ausbleiben. Der Sheriff bat die »Herren« sehr artig um Verzeihung, worauf sich das souveräne Volk zufrieden gab. In diesem Augenblick näherte sich ein fünfter Industrieritter dem Mann auf der Bank. Er legte ihm die Hand auf die Schulter und mußte ihn mit einem Wort aufgescheucht haben, das genau die Tendenz der vier andern ausdrückte, denn der Mann zuckte, wie von einem elektrischen Schlage getroffen, zusammen und starrte den Fünften an, gleichsam als begriffe er nicht, wie es möglich sei, daß sich nach all seinen Opfern die alte Zumutung von neuem vor sein Auge hinpflanzen könne. Indem Moorfeld sein so erhobenes Gesicht betrachtete, ergriffen ihn die rührenden Züge des inneren Menschen darin. Der Kopf kam ihm schöner vor als zuvor, gleichsam als hätte der Schmerz inzwischen Zeit gefunden, sich über sein ganzes Ich auszugießen und es zu einem reinen Modell des Seelenleidens zu idealisieren. Desto abscheulicher stach die Physiognomie des Fünften neben ihm ab. Der Mann war ungefähr ein naher Sechziger, sein Schädel eine schwere und unförmliche Masse, seine Züge grob geschnitten, das Gesicht aufgetrieben, wulstig, voll Warzen und beulenartiger Unebenheiten, welche durch die Ideenverbindung mit Krankheitsursachen noch zurückstoßender wurden; er hatte eine niedrige Stirn, eine platte Nase, einen dicken brutalen Mund und hervorragende Backenknochen. Seine Augen waren klein, grau und von einem bösen Blick; zottige Augenbrauen hingen darüber im finstern, schweren Buschen herab und vollendeten den Ausdruck eines ungeselligen, harten, rachsüchtigen Charakters. Dieser Wehrwolf stellte sich jetzt dem vielgebeugten Manne entgegen und wiederholte, wie man sah, das Manöver der vier Vorhergegangenen. Der Deutsche stand da, sein Haupt auf die Brust gesunken, die eine Hand am Barte, die andere schlaff niederhangend, den Blick auf dem Boden. Er war auf einem Punkte angelangt, wo er verzweifelte. Nur einmal sah man ihn eine leichte Frage tun, gleichsam versuchsweise, wie über einen Gegenstand, den man aufgibt. Der Häßliche antwortete, – der Deutsche maß ihn mit einem langen, stummen Blick, dann wendete er sich um, holte seinen Wanderstock von der Wand und schritt ohne weiteres dem Ausgange zu. Nahe an der Türe wurde sein Gang langsamer, noch einmal blickte er in das Auktionszimmer zurück, wie auf eine Position, die man mit schweren Opfern erkauft und schwer wie das Leben selbst verläßt, ein Seufzer unendlichen Wehs entwand sich seiner Brust, er fiel mehr hinaus, als er ging.

Um Gottes willen, was geht hier vor? rief Moorfeld, den Mann zurückhaltend.

Ein Schicksal! antwortete dieser tonlos.

Erklären Sie sich, mein Herr, ich bitte!

Es ist entschieden! Ich soll nicht leben. Auch der letzte Faden reißt. Lassen Sie mich.

Es gelang Moorfeld erst nach einigen Minuten, andere als solche und ähnliche Antworten zu erhalten, welche den Glauben an ein düstres, alles vereitelndes Faktum atmeten. Der Deutsche entzog sich mehr seiner Teilnahme, als er ihr entgegenkam; er schien eine jener wackern Naturen, welche ihre Kraft lange zusammenhalten, aber gebrochen auch vollständig brechen. Diesen Verlust seiner männlichen Fassung fühlte er auch mit Scham; er strebte hinweg, und nicht leicht war es, ihn festzuhalten. Selbst die deutsche Anrede, womit Moorfeld gleich vorweg ihn zu gewinnen gedacht, verfehlte jedes Zaubers auf ihn. Ich bin in allen Zungen betrogen worden, sagte der Unglückliche. Moorfeld schleppte ihn endlich mit Gewalt in eine einsame Ecke und forderte sein Vertrauen wie die Erfüllung einer Menschenpflicht.

Das Unglück muß sich erzählen, sagte der andere, es ist wahr; jeder Weinende ist dem Konzertsaal ein Andante schuldig. Wohlan, mein Herr, ich war deutscher Offizier, mein Name ist von Anhorst. Ich hatte ein Duell mit einem andern Offizier, welcher die Ehre meiner Frau beleidigt hatte, weil sie ein armes, braves Bürgermädchen war, indes er selbst die Mätresse eines Großen und die natürliche Tochter eines andern Großen geehlichet. Der Ausgang des Duells brachte mich auf die Festung. Man verhalf mir zur Flucht, ich ging mit Frau und Kind nach Amerika. Aber – unterbrach sich der Erzähler mit plötzlich veränderter Stimme – aber, mein Herr, indes ich so anfange, wird dort geendet mit mir. Haben Sie gehört? schon rief der Sheriff das Land aus, das ich mit dieser Hornhaut auf den Händen, das ich mit dem vierfach erkauften Rechte zu kaufen, mein nenne. Steht Ihnen noch mehr von meiner Geschichte zu Diensten?

Moorfeld gab sich die Miene, die Bitterkeit des Tiefverstimmten zu überhören, und sagte mit Wärme: Allerdings, mein Herr, bitte ich darum, wenngleich nicht in diesem Augenblicke. Gegenwärtig würde ich Ihnen Dank wissen, wenn Sie mir bloß die letzten Ihrer Worte zu erklären so freundlich wären. Das Land, worauf Sie gerechte Ansprüche haben und das Ihnen desungeachtet soeben entgehen soll – wie verhält es sich damit?

Anhörst, wie wir den Deutschen jetzt nennen können, widerstand der fortgesetzten Freundlichkeit Moorfelds nicht länger; er fühlte seinen eigenen Kulturmenschen wieder erwacht in sich und antwortete etwas geselliger: Sie wissen, mein Herr, was ein Squatter oder Vorsiedler ist. Er ist ein Festungssträfling im Freien. Er verrichtet die härtesten aller menschlichen Arbeiten, denn er geht allen übrigen Arbeiten voraus. Mit Axt und Flinte wirft er sich in den Ozean der Urwälder und Prärien, und wo er die Spuren einer Büffelherde entdeckt, dort ist seine Etappenstraße; der folgt er. Eine Waldeinöde links, eine Graseinöde rechts, und in der Front vielleicht ein trüber Abfluß von einem morastigen See – das ist ihm genug zur Heimat: den Winkel wählt er und fragt nichts darnach, ob er zur nächst-größeren Stadt ungefähr so weit hat, wie von Basel nach Leipzig. Er zündet das erste menschliche Licht an, wo sonst nur der Blitz in Bäume gezündet hat, er haut sich ein paar Schock Eichen um, welche mit Friedrich von Hohenstaufen zugleich flaumbärtige Kinder waren, er stellt sich seine rohe Blockhütte auf. Er bricht den Wald und Prärieboden um, der mit zahllosen Wurzeln wie mit einem Eisendraht durchflochten ist, er rodet rastlos das ewig nachwuchernde Unkraut aus, er schützt sich endlich das halbwegs geklärte Feld gegen die wilden Tiere und gegen sein eigenes bald verwilderndes Haustier mit dem bekannten Fenzenzaun, zu welchem Ende er die gefällten Eichen jetzt in Hunderte von Scheitern aushackt. Das alles sind gräßliche Arbeiten, Herr. Der Squatter bekommt Hände davon wie ein Petrefakt – sehen Sie, solche Hände ungefähr. Der Sprecher wies seine Hände und ließ sie gegeneinanderklirren wie Schildpatt. Ich sehe nicht ab, wie das im Grabe verwesen soll, setzte er mit einem tragischen Scherze hinzu. Dann fuhr er fort: Ist nun das Hauswesen also festgenagelt in den widerspenstigen Boden, sind die Sommerfieber glücklich überstanden, kommen weder Überschwemmungen, Windbrüche, Waldbrände vor, geht nicht gleich die erste Ernte an der hessischen Fliege zugrunde: so – nun, so hat sich eben kein Unglück ereignet, aber der Vorsiedler ist darum noch nicht sicher in seiner Existenz. Ein Käufer erscheint, welcher das Land, das bis dahin herrenlos war, kauft. Der Vorsiedler kann dann gehen, wenn es dem Käufer beliebt. Das ist eine Katastrophe, die er früher oder später über sich ergehen lassen muß. Freilich gibt's eine Partei, die freesoolers, welche den Grundsatz aufstellt: amerikanischer Boden werde durch Arbeit, nicht durch Geld erworben. Diese Partei würde dem Vorsiedler das Land als Eigentum zusprechen. Aber ihre Politik hat noch nicht die Majorität. Bis dahin kann jeder Vorsiedler ausgekauft werden und alles, was ihm der Kongreß als jus primae occupationis zu bewilligen für gut findet, das ist das Recht des Vorkaufs. Aber selbst diese kleine Wohltat, von der Gesetzgebung gewährt, wird von den Gesetzgebern, nämlich vom Volke selbst, wieder illusorisch gemacht. Ein Beispiel davon sehen Sie an mir. Nachdem ich in verschiedenen Städten meinen Wohlstand gegründet, aber dem großen und kleinen Krieg der Yankee-Tricks stets immer wieder erlegen war, gab ich den ungleichen Kampf endlich auf und vergrub meinen Ekel vor diesem Volke in diese Waldeinöde. Das Land, worauf ich mich niederließ, gehörte einem Manne, namens John Stutering, der einen notorischen Mord begangen, aber durch die Umtriebe seines Advokaten es dahin gebracht, daß er gegen tausend Dollars Kaution, wofür er eben dieses Land verpfändete, aus der Personalhaft entlassen wurde. Kaum freigegeben, ergriff er sofort die Flucht. Sein Grundstück – es war ein roher Waldboden auf Spekulation gekauft, – blieb herrenlos hinter ihm zurück. Ich siedelte mich in einem äußersten Waldeckchen davon an, so genügsam als möglich. Die Untersuchung nahm indes ihren Fortgang und stellte die Beweise gegen John Stutering vollständig her. Er war fort. Die Gerichte ziehen nun die Kaution ein und versteigern das Land. Das Wort Versteigerung ist aber in diesem wie in den meisten Versteigerungsfällen nur ein Wort. Niemand beeilt sich zu bieten, denn das unverkauft gebliebene Land ist bedeutend niedriger, oft unter einen Dollar per Acre, zu erstehen. Auf diese Gelegenheit wartet man. Aber dies ist dann auch der Fall, wo ein Vorsiedler, wenn ein solcher da ist, das Vorkaufsrecht hat. Bleibt also Stuterings »Los« bei der heutigen Versteigerung unverkauft, so bin ich der Berechtigte, zu dem herabgesetzten Preis es vor allen Mitbewerbern an mich zu bringen. Das ist die Gunst des Gesetzes.

Nun aber die Menschen! Sehen Sie mein Herr – doch, Sie haben es, wie ich höre, gesehen. Sie haben es genau verfolgt, wie diese Meute mir zusetzt. O es sind Teufel! Es ist keine Menschlichkeit in ihnen. Herr, in deinem Reich! es läßt sich am Ende noch begreifen, wenn sie mich als Geschäftsmann betrogen, da ich im gestickten Pantoffel auf Brüsseler Teppichen wandelte: – sie mochten denken: Schelm, wer weiß, woher du es hast; wir nehmen's einer vom andern. Aber der arme Settler, der mit schwielenvoller Faust das härteste Stück Brot, das von Menschen gegessen wird, aus der Erde gräbt, der nichts hat als seinen Schweiß, der mit Pflug und Karst niemand übervorteilen kann, wohl aber die Grundlage aller übrigen Geschäfte und Vorteile ist – doch ich will kurz sein. Ich habe gesagt, die Versteigerung ist kaum mehr eine Form, es findet sich nicht leicht ein Steigerer ein. Wohl! Es finden sich aber schlechte nichtswürdige Menschen ein, welche sich für Steigerer ausgeben, um dem armen Vorsiedler ein Stück Geld abzupressen. Diese Leute haben oft keinen halben Adler in der Tasche, dessenungeachtet treten sie dreist mit der Miene auf die Auktion, als ob sie das ausgebotene Land zu jedem, auch dem höchsten Preis kaufen würden. Es liegt für ihre Geschäftsverbindungen wunderbar bequem, sie werden Kardiermaschinen, Drehmaschinen, Marmormühlen, Lohmühlen, Kreissägen und Gott weiß welche »Improviments« darauf errichten, sie wissen ganz sicher, daß ein Kanaldurchstich oder eine Eisenbahnlinie durch dieses Grundstück projektiert ist, und daß es demnächst hundertfachen Wert haben wird: kurz sie steigern jedenfalls. Da aber ein Vorsiedler da ist, so wollen sie freilich nicht rücksichtslos sein. Zu seinen Gunsten stehen sie von dem Handel ab und bitten sich nur ein »hush-money« von etwa fünf oder zehn Dollars aus. Diese kleine Erkenntlichkeit dürfen sie billig in Anspruch nehmen. Wer wollte sie verweigern? Es wäre sein eigener Schaden. Der arme Settler zahlt es denn auch. So muß er sich sein Vorkaufsrecht kaufen, das er durch die »freien und aufgeklärten Institutionen« dieses Landes hoch-wohlklingender Weise umsonst hat. Manchmal darf er freilich das hush-money ungestraft verweigern. Zuweilen statuiert aber auch der Scheinkäufer ein Exempel und kauft wirklich. Den Kaufschilling bringt er durch die Hilfe seiner Zunftgenossen zusammen. Ein solcher Fall wirkt dann gleich vielen. Der Settler kann nie wissen, was er für eine Potenz vor sich hat. Er läßt sich also, es schmerze, wie's wolle, gutwillig brandschatzen.

Daß man auf jeder Landauktion, fuhr Anhörst fort, einem solchen hush-money-Reiter begegnen werde, darauf kann man schon längst und regelmäßig gefaßt sein. Die Entsittlichung der Bevölkerung schreitet noch mehr vor als diese selbst. Auch ich kam auf die Lisboner Auktion in keiner bessern Erwartung. Ja, ich glaubte gefaßt zu sein. Leider! dem gegenüber, was mich erwartete, ging mir die Fassung aus in Börse wie in Gemüt. Nicht ein, fünf hush-money-Wölfe nahmen mich diesmal in Empfang. Das war mir überwältigend neu! Ach, mein Herr! ich habe in den Städten viel Unglück erlebt: die Bowery-Jungen zu New York haben mich gewaltsam geplündert, die Quäker zu Philadelphia gaben in Geld- und Wechselsachen falsch Zeugnis wider mich, und die ersten Häuser in Cincinnati bankrottierten mich nieder, während sie selbst ihren pile dabei machten. In dieser Wildnis, mit dieser Kieselfaust, glaubt' ich, um den Preis alles dessen, was das Leben schön macht, das Leben behaupten zu können. Umsonst. Es geht noch einmal nicht. Viermal, wie Sie sahen, zog ich meine Brieftasche und fütterte die Wölfe; was ein Mensch geben kann, der entschlossen ist, lieber sämtliches Ackergerät aus Eisen zu verkaufen und mit hölzernen Stangen und zehnfacher Anstrengung zu arbeiten, das gab ich diesen Unbarmherzigen dahin, um mein letztes unwirtliches Waldasyl festzuhalten. Umsonst. Viere könnt' ich befriedigen, den fünften nicht mehr. Der ist unter den Wölfen der Wehrwolf. Sehen Sie diesen grauen bestialischen Satan mit seinem bösen Auge und vertiertem Gesichte, ein Kerl, der eher einer Kreuzung von Schwein und Tiger als einem Menschen gleicht, Mr. Wogan ist's, einer jener unzähligen Winkeladvokaten, die wie Pest und Finnen im Staatskörper dieser dissoluten Republik stecken, ein Herumtreiber, der alles mitnimmt, was nach Schlechtigkeit riecht, ein Ignorant, der noch nie einen ordentlichen Prozeß vor der Barre gewonnen hat, aber dessenungeachtet von einer gewissen Klientensorte gesucht wird, weil die Geschwornen, die gegen sein Plädoyer votieren, nicht selten an einem anonymen Drohbrief erkranken, und bald darauf irgendwo tot gefunden werden – dieser Kannibale ist's, der mir jetzt alles vereitelt, mein Recht, meine Aussichten und meine Geldopfer, die ich beiden schon gebracht. Ein Mensch, der soeben in Mr. Clahanes Bar – ich lege einen Eid darauf ab – seinen letzten Dirne in Slings vertrunken, wagt es, mir vorzuschwindeln – In diesem Augenblick unterbrach Moorfeld seinen Mann, und fragte mit jenem Tone, der einen fertigen Entschluß ausdrückt, welcher nur noch der letzten Feile bedarf: Sie scheinen sich übrigens, mein Freund, an der hiesigen Gegend ein traurig Stück Erde zum Wohnplatz erwählt zu haben?

Die Gegend ist gut, antwortete Anhörst mit Unbefangenheit. Wenn Sie vom Ohio heraufgekommen sind, so werden Sie bemerkt haben, daß der Boden teils zu naß, teils zu trocken war; hier in Lisbon z. B. das erstere. Die Weide oder die Fichte stand da einseitig. Stuterings Waldland hingegen hat eine sehr reiche Mischung von Baumarten, was bekanntlich schon allein hinreicht, über den Wert eines Grundstücks jedes Laienauge zu orientieren. Wenn Lisbon sich ausdehnt, so wird es vor all seinen übrigen Radien der Richtung Stutering folgen müssen. Dort sind die Bodenbestandteile –

Die Unterhaltung der beiden Männer ward an dieser Stelle unterbrochen. Der Sheriff hatte die Auktion über das besprochene Grundstück eröffnet, ein Akt, auf welchen unsre zwei Freunde nicht sonderlich geachtet, da Moorfeld inzwischen auf Anhorsts Mitteilungen gehört, und dieser selbst, wie wir wissen, das ganze Steigerungsgeschäft mehr wie eine Vorarbeit, als wie den Mittelpunkt der Handlung betrachtete. Wie groß war daher Anhorsts Bestürzung, als der Sheriff das Grundstück zu tausend Dollars kaum ausgerufen hatte, und eine Stimme sogleich tausendzweihundert dagegen rief. Es war die Stimme Mr. Wogans. Fest und trotzig rief er sein Angebot und wendete sein häßliches Gesicht bedeutungsvoll auf Anhorst zurück.

Er bietet wahrhaftig! stammelte dieser erblaßt und sah mit einem schreckenseisigen Blick auf Moorfeld.

Tausendfünfhundert! rief eine zweite Stimme. Aber in seinem ganzen schicksalsreichen Leben hatte Anhorst wohl nie einen so plötzlichen Wechsel von Gemütsbewegungen erfahren, denn diese zweite Stimme war Moorfelds Stimme selbst. Ein wallendes Freudenrot überflog die harten, zerarbeiteten Züge des Deutschen und kaum glaubend an diese plötzliche Hilfe in der Not, bückte er seinen Retter zwischen Furcht und Hoffnung an. Moorfeld nahm sich keine Zeit, den Zagenden seines ausdrücklichen Schutzes zu versichern, denn Funke auf Funke stob's jetzt zwischen ihm und Wogan; er konnte nur durch Taten antworten. Tausendsechshundert, hatte Wogan geantwortet, siebenhundert gab Moorfeld zurück, achthundert Wogan, neunhundert Moorfeld, neunhundertfünfzig Wogan, zweitausend Moorfeld.

Der ganze Saal wendete sich jetzt nach den beiden Kämpfern, während einige der erfahrendsten Landhändler das Haus verließen, überzeugt, daß jedes weitere Verweilen unnütz und die Auktion »fest« sei. Der Sheriff selbst streckte mit einiger Verwunderung seinen langen Hals aus den Vatermördern, und es geschah offenbar zu seiner eigenen Überraschung, daß er John Stuterings Los nunmehr zu zweitausend Dollars zu auktionieren fortfahren konnte. Und schon sah man den Hammer in seiner Hand erhoben und zum Niederschlagen bereit, als Wogan schnell noch ein neues Hundert dazwischen rief. Moorfeld überbot mit zweihundert, Wogan steigerte drei-, Moorfeld vier-, Wogan fünfhundert. Zweitausendfünfhundert! rief Wogan. Jetzt hielt Moorfeld inne. Wogan stutzte. Unwillkürlich blickte er hin nach Moorfeld, aber nicht triumphierend, erschrocken war der Blick. Ertappt! rief Moorfeld seinen Schützling anstoßend, jetzt wollen wir ihn zappeln lassen. – Zweitausendfünfhundert wiederholte mit heller Stimme der Sheriff. Moorfeld schwieg noch einmal. Wogan blickte nicht mehr nach ihm, er mocht fürchten, daß sein voriger Blick ihn verraten. Desto unerbittlicher durchbohrte Moorfelds Auge den Betrüger. Dieser stand da, den Kopf gesenkt und zur Seite geneigt, wie ein Mensch, der dem, was herankommen soll, nicht ins Auge zu schauen wagt. Es war eine Stellung, kleinlaut und grimmig. Zweitausendfünfhundert! rief der Sheriff zum dritten Male. Moorfeld beharrte in seinem Schweigen. Er beharrte in seinem Blick auf dem zermalmten, elenden Gesichtsausdruck seines Gegners. Die Szene fing an Aufsehen zu machen. Alles blickte mit Moorfeld auf Wogan, der seinerseits mit einem kriechenden Blicke von unten auf dem Niederfallen des erhobenen Hammers rat- und hilflos entgegenzitterte. Zuletzt holte sich Moorfeld eine Zigarre aus seinem Etui, biß ihre Mundspitze ab, schnellte sie mit der Zunge von sich und sagte dazu: Dreitausend! Es lag für Wogan etwas unendlich Verächtliches in dieser Aktion. Er bot nicht mehr. Die Lektion, die ihm Moorfeld gegeben, verfehlte ihre Wirkung nicht. Er schlich sich aus der Versammlung. An Moorfeld vorübergehend murmelte er mit tückisch gesenktem Haupte und einem bösen, wölfisch-schielenden Seitenblick: Ich heiße Wogan. – Mir sehr gleichgültig, erwiderte Moorfeld schnell und schwang seine Zigarre durch die Luft, um ihr Feuer anzufachen.


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