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Bayerisches, allzu Bayerisches

Wer in der noch ungeschriebenen Geschichte des deutschen Volksspottes zurückblättert, findet, dass in früheren Zeiten gerade der Bayer am liebsten von seinen nahen und fernen Stammesbrüdern mit dem Namen angeredet worden ist, den er heute gern dem Preußen gibt: »Bayernsau«. In den bayerischen Landschaften wurden ehedem die besten Schweine gemästet und die bayerische Sau war weit über Deutschland hinaus bekannt und begehrt. Wegen der Schweinezucht nun wurde der Bayer selbst »Sau« genannt und die »Bayernsau« zum Sinnbild für den Bayern ausersehen: »Eyn Sau für eyn Baier«, heißt es bei Fischart, einem der größten Spötter aller Zeiten.

Ein altes Priamel, das aus dem 15. Jahrhundert stammen mag, beginnt mit der bayerischen Schweinezucht:

»In Bayern zeucht man vil der schwein,
der treibt man vil hinab an Rhein.«

Ähnlich erzählt der Geograph Sebastian Frank im 16. Jahrhundert in seinem »Weltbuch«: »Beyerland ist so voller eycheln und holzops, das sy allen nachbauren und Anstößern Säw genug ziehen und mästen.« Fischart verulkt schon versteckt die Bayern, wenn er in »Aller Praktik Großmutter«, dem scherzhaften Gegenstück zur Kalenderweisheit, schreibt: »Es ist kein glück im Bayerland, wann die Sew sterben«, oder in der »Geschichtklitterung«, wo ein König also spricht: »Die Baier sind fridsam still Leut, die dingen wir, dass sie dem Läger stets die Säw nachtreiben.« Auf bayerische Eigentümlichkeiten spielt schon stärker Johannes Bohemus an, ein Zeitgenosse Fischarts und Franks, wenn er schreibt, »in den weiten Wäldern Bayerns würden solche Mengen Schweine gemästet, dass die bayerische Schweinezucht für ganz Europa genüge, wie die Rinderzucht Ungarns: der Charakter der Bayern entspreche übrigens ihrer Hauptbeschäftigung, sodass sie, mit den übrigen Deutschen verglichen, Barbaren genannt werden könnten.«

Andere haben sich kein Blatt mehr vor den Mund genommen, jedem Bayern die »Bayernsau« angehängt und alles, was mit dem nützlichen, aber arg verlästerten Haustiere zusammenhängt, den Bayern aufgemützt. »Bavarus et sus – habent unum corpus«, soll sich nach Schmeller in einem alten Kodex von neuerer Hand eingetragen finden, was deutsch etwa lautet: »Ein Bayer und ein Schwein – wird kein Unterschied sein.« In Stranitzkys »Ollapatrida des durchgetriebenen Fuchsmundi« spricht der Held: »Ich bin kein Bayer, sonst wäre ich ein Rhetor porcensis«, und die Beispiele ließen sich leicht verhundertfachen. Ja sogar ein Geschütz ist einmal »Bayerische Sau« getauft worden; in einem fliegenden Blatt des 17. Jahrhunderts »Bayerischer Feldtzug« heißt es: »Alsbald hört man die Bayerische Sau und andere Stücke nacher pfeiffen.«

Und erst die Schwänkeschreiber sind mit Witz und Spott über den armen Bayern hergefallen. Da erzählt gleich der gelehrte Heinrich Bebel in vollendetem Latein, als Erzherzog Siegmund von Österreich Elsass, Breisgau und die Landvogtei in Schwaben dem Herzog Jörgen von Bayern verkauft hätte, seien die Einwohner der Verkaufes gar nicht zufrieden gewesen. Wie nun ein bayerischer Ritter vorbeiritt, fand er das Weib des Pflegers vor dem Schloss mit etlichen Säuen sitzen; er grüßt sie und fragt, was sie da täte. »Ich höre«, gab sie höflich zur Antwort, »dass wir müssen bayerisch werden; deshalb bemühe ich mich, ihre Sprache von den Säuen zu lernen.« Der gemeine Mann, erklärt Bebel zuletzt, heißt nämlich die Bayern Säue, weil sie ein großes Einkommen von Schweinen haben.

Köstlicher ist noch, wie die Schwaben die Erschaffung des Menschen erzählen und dabei den Bayern eins am Zeug flicken, wie bei Bronner im »Bayerischen Schelmenbüchlein« zu lesen ist: Als unser Herrgott am ersten Schöpfungstage das helle Licht anstatt der Finsternis wollte, sprach er links zum Lech hinüber gewendet: »Es werde!« Rechts vom Lech hinüber aber: »Es sei!« (»Ös Säu!«)

Wie der Bayer selber am liebsten an das Schwein denkt, verrät ein Schwank, der in vielen Abänderungen bekannt ist – ich teile ihn mit, wie ihn das Aurbachersche »Volksbüchlein« erzählt: Der Spiegelschwab, ein Tiroler und ein Bayer stritten sich, wer am raschesten drei Vögel nennen könne. Der Schwabe fängt an und sagt, so geschwind er kann: »Zeisle, Meisle, Fink!« Darauf bedächtig und langsam der Tiroler: »Eppermal ein Alster, eppermal ein Amsel, eppermal ein Nachtigall!« Aber der Bayer: »Ein Staal (Staarl), ein Dahl (Dohle)«, und nach langem Besinnen, »und eine Spansau!« Ist doch das »Schweinerne« dem Bayer das liebste Gericht, wie schon ein altes Spruchgedicht »Anzale und geschicklichkeit der kriegsleute« bezeugt, wo Bayern gesucht wurden, »die kein seu hont gessen«.

Man muss immer bedenken, dass der Volksspott, auch was die »Bayernsau« anbelangt, die noch heute unter den Nachbarn der Bayern auf allen vier Seiten gang und gäbe ist, bloß ein Körnlein Wahrheit enthält und alles andere Übertreibung ist. Das Spottwort ist einmal da und der, dem es anhängt, muss es sich gefallen lassen, ob es ihm recht ist oder nicht. Aber der Angegriffene kann sich wehren und mit gleicher Münze heimzahlen, was auch die lieben Bayern gründlich besorgt haben und heute noch besorgen.

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