Heinrich Kruse
Seegeschichten. Neue Folge
Heinrich Kruse

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        Suhlberg stammte vom Darß, und Möller war Barthisches Stadtkind,
Parallel war immer ihr Weg durchs Leben gegangen. –
Schulkameraden in Barth, zur See dann gegangen als Schiffsjung,
Waren sie beide gestiegen im Seedienst bis auf den Gipfel,
Bis zum Kaptän. Sie hatten vor nicht zwei Jahren ein jeder
Einen vom Stapel soeben gelaufenen Schoner bekommen.
Und wenn der Schiffer ein Schiff zu fahren erhält, ist das Nächste,
Daß er an Hochzeitmachen gedenkt. So thut es ja grade
Auch ein Kandidat, sobald er zur Pfarre gewählt ist.
Denn zur Pfarre gehöret die Quarre, so sagt man im Scherz ja.
Unsere Schiffer, verliebt in lebenslustige Schwestern,
Führten sie beide zum Traualtar zur nämlichen Zeit fast,
Nahmen sie beide auch mit zur See, wie zärtliche junge
Ehepaare gewohnt. Nun trafen die Schwäger in Stralsund
Einst zusammen am Ende des Jahres. »Wie geht es Dir, Suhlberg?«
Sagte Möller zu ihm, ein frischer und flotter Geselle,
Welchem die Lebenslust aus den lachenden Augen heraussah.
»Ist es nicht herrlich, ein Weibchen wie wir am Arme zu haben,
Ja, wir sind nicht betrogen. Es sind zwei muntere Frauen, 114
Und sie verstehen zu kochen und was zur Wirthschaft gehörig.«
»Aber –« »Was hast Du denn noch zu abern? Die Frachten sind leidlich
Diesmal gewesen, wir haben mit ziemlichem Glücke gefahren.
Warum setzest Du, Schwager, denn solch ein grämlich Gesicht auf?«
»Nun, ein Ehmann hat es ja gut bei Nacht und bei Tage,
Aber –« »Zum Henker nochmal, was hast Du denn noch für ein Aber?
Ei, Gott straf' mich, Du siehst ja aus wie Waddick und Wehtag.«
»Ja, Du kannst wohl lachen, Du trägst einen Rock von dem feinsten
Tuch, das von weitem schon glänzt, trägst eine goldene Kette
Jetzt an der Uhr und gehst wie ein modischer Stutzer gekleidet.«
»Du hast stets noch den Rock von dazumal, Peter, wie kommt das?
Bist Du geizig geworden?« »O, nein, doch es liegt bei dem Hunde,
Wie man saget, der Knüppel, mir fehlet das nöthige Kleingeld.
Siehe, die Eh' ist ein köstliches Ding, doch ist sie auch kostbar –
Uhr und Kette und seidenes Kleid und Mäntel und Hüte
Winters und Sommers, der Putz hört gar nicht auf bei den Frauen;
Mir bleibt kaum so viel am Ende des Jahrs in der Kasse,
Ein Glas Punsch zu trinken Sylvesterabend. So ist es!
Kostet die Frau Dir nichts? Hast du für Mäntel und Hüte
Und für sonstigen Kram nichts auszugeben denn, Gottfried?«
»O, mir kostet die Frau nicht viel,« entgegnete Möller,
»Da mir der Reeder gestattet, an Bord zu nehmen das Frauchen,
Muß so galant er auch sein, sie frei zu halten.« »Das wäre! 115
Und wie fängst Du das an? Erläutere mir doch die Sache!«
»Ei, Du Narr, ich verrechne den Hut und den Mantel und alles
Unter die Schiffsunkosten. Das müssen die Reeder bezahlen.«
»Kann man das thun?« »Jawohl. Warum denn nicht. Mach' es wie ich doch.«
So sprach Möller und ließ Suhlberg in tiefen Gedanken.
Aber er hatte nicht deutlich genug gesprochen für Suhlberg,
Diese ehrliche Haut war gerade beschäftigt, das Schiffsbuch
Für das verflossene Jahr in Ordnung zu bringen. Er trug dort
Alles gewissenhaft ein, was draufgegangen im Frühjahr
Zur Ausrüstung des Schiffs, mit vielen Belegen von Krämern
Und Handwerkern, sodann für Hafengelder und Lichter,
Fracht, Kaplaken und Lotsengebühr und alles und jedes,
Zwischen Matrosenheuer und Grünigkeiten versteckt fast
Schrieb er das Item ein für Mantel und Hut der Kaptänin.
Damit schien ihm der immer noch etwas bedenkliche Posten
Ganz schiffsmäßig gebucht, doch war ihm ein wenig beklommen,
Als er trat ins Kontor und das Schiffsbuch gab an den Reeder.
Dieser begnügte für jetzt sich, die Summe des Ganzen zu lesen.
»Viel Unkosten!« so sprach er. »Ja, Herr Kommerzienrat, freilich,
Denn Sie erinnern sich wohl an den Sturm aus dem Kattegat, wo wir
Anker und Kette verloren,« entgegnete drauf ihm der Schiffer,
»Unser Ruder zerbrach und etliche Segel zerrissen.«
»Nun, schon gut, wir werden ja sehen« so sagte der Reeder,
»Komm' Er in acht bis vierzehn Tagen nur wieder.« So sprechend,
Klappt' er das Schiffsbuch zu und nahm es in sein Kabinett mit.
Was auch Möller gesagt, ihm klopfte das Herz doch im stillen.
Als er nach einiger Zeit zum Kommerzrath in das Kontor trat, 116
Da entlud sich auf ihn ein Donnerwetter mit Blitzen.
»Ist Er närrisch geworden?« so fuhr er den armen Kaptän an,
»Oder will Er mich selbst zum Narren halten! Für Mantel
Und für Hut der Kaptänin? Hat solch ein seltsames Item
Jemals früher gestanden in einem vernünftigen Schiffsbuch?«
Damit stampft' er den Stock mit Macht auf den Boden und fragte:
»Müssen wir Reeder auch für das Schnürleib Seiner Gemahlin
Und für die Kinderstrümpfe bezahlen! Das weiß doch der liebe . . .«
»Herr, mir wurde gesagt, daß die andern es ebenso machten;
Aber es soll nicht wieder geschehen!« so stotterte Suhlberg.
Doch der Kommerzienrath war nicht so leicht zu besänft'gen,
Und so fuhr er denn fort zu wettern: »Man möchte – das heißt doch –
Aller Unverschämtheit – den Kopf abbeißen,« so wollt' er
Schließen, doch endigte nie er die angefangenen Sätze,
Wenn man dem sonst so freundlichen Manne die Galle erregte.
»Schiffer, ich will Ihm was rathen« (der Herr Kommerzienrath nannte
Seine Kaptäne nur Schiffer und Er), »wenn Er wieder ins Schiffsbuch
Schreibt, vorher nicht über den Durst zu trinken. Verstanden?«
Und so stampft' er den Stock auf den Boden noch einmal, als wollt' er
Darein bohren ein Loch, dann ging er grimmig, die Thüre
Hinter sich werfend ins Schloß, zurück in das eigene Zimmer.
Suhlberg starrte, als sei ihm die Petersilie verhagelt.
Alle die Herrn des Kontors, kaum konnten sie schreiben vor Lachen.
Suhlberg eilte verblüfft zu Gottfried Möller – dem Schwager,
Um brühwarm zu erzählen, wie übel der Rath ihm bekommen. 117
Möller wollte dabei sich bucklig lachen, daß Suhlberg
Allzu wörtlich befolgte den Rath, und er sagte verschnaufend:
»Peter, Du bist nicht hell, sonst hättest du gleich mich verstanden,
Daß man das Geld für der Frau zu machende kleine Geschenke
Schlägt aus den Kosten heraus, die man anrechnet den Reedern.«
Und so belehrt er den Freund, wie er künftig zu machen es hätte.
Als nun im anderen Jahr Suhlberg ankommt mit dem Schiffsbuch,
Rufen die Kontoristen mit Lachen: »Nun, Kapitän Suhlberg,
Schriebt Ihr auch wieder ins Buch ›für Mantel und Hut der Kaptänin‹?«
»Könnt Ihr schweigen?« antwortet er drauf und zeigt nach der Thür hin,
Welche zum Herrn Kommerzienrath führt; »im tiefsten Vertrauen,
Da Ihr wissen es wollt, so will ich bekennen die Wahrheit:
Ja, sie stehen darin, doch ist es nicht leicht, sie zu finden.«

 


 


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