Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Admiral HeldKontreadmiral Eduard Held 1818–1885. war ein Mann, der Ehre dem Namen gemacht hat, Welchen er trug, und frühe, bereits in den Jahren der Jugend, Gab er ein Pröbchen der Welt, was künftig von ihm zu erwarten. Damals war er ein Zögling der Steu'rmannsschule in Stralsund, Jugendlich schön wie Apoll mit den Muskeln und Kräften des Helden, Der den nemeischen Löwen erdrückt in seiner Umarmung. Und so war er denn stets in den Spielen der Jugend der Erste, Namentlich war er bekannt als verwegenster Schlittschuhläufer. Nicht in jeglichem Jahr friert, müßt Ihr wissen, der Sund zu, Welcher den Namen gegeben der Stadt mit den ragenden Türmen, Einst durch Handel und Wandel berühmt und Schlachten und Siege. Früher war ja die Stadt nur ein Fischerdorf, wie die Fähre, Die auf der Höhe des Ufers von Rügen gelegene Ortschaft, Und so ist es beinah, wie wenn eine der Schwestern vermählt ward 180 Einem begüterten Mann, und die andre verblieben in Armut. Heut' noch sieht auf die Stadt mit neidischen Blicken das Fährdorf, Und woher es auch kommt, stets hacken sie gern aufeinander. Wenn bei heiterer Luft und ruhigem Wetter die See friert, Glänzet der Sund wie Krystall und es ist ein Fest für die Städter, Und bald fahren die klingelnden Schlitten hinüber, herüber. Auch Handschlitten, geschnellt von den kräftigen Stößen der Pike, Und Fußgänger dazwischen und Schlittschuhläufer die Menge. Scheel zu der Lust auf dem Eis sehn nur die Bewohner der Fähre, Gegenüber der Stadt; denn seit unvordenklichen Zeiten Haben das Recht sie der Fähre gehabt und üben es heut' noch, Und sie beuten es aus habgierig, so klagen die Städter. Aber was sollen sie thun, wenn der grimmige Frost nun die Brücke Zwischen dem Festland schlug und der Insel? Sie haben das Zusehn, Während der Landmann fährt sein Korn vierspännig nach Stralsund, Und in Mäntel und Pelze vermummt hinziehen die Städter, Über dem leuchtenden Eis gleich einer gewundenen Schlange, Hier vom Mastenwalde des Hafens bis drüben nach Rügen, Wo sie an Glühwein sich bei dem klingenden Froste erwärmen. Wozu helfen den Fährschen dann ihre vergilbten Papiere? Darum ziehen sie denn aus dem Schauer verdrossen die Schlitten, Höchst altmodische Schlitten mit überhängenden Bänken, 181 Welche man Koithahn nennt – ein Wort, nicht leicht zu erklären – Und so bieten sie auch sich an zur Fahrt auf dem Eise, Um ein weniges doch zu verdienen zu Zeiten der Eisbahn. Aber die Eisbahn ist ein Dorn im Auge der Fährschen, Und stets streuen sie aus, das Eis auf dem Strom sei nicht sicher. Dort, wo die Ostsee mächtig im tieferen Bette dahinrollt, Trägt unwillig sie nur die beengenden Fesseln des Winters. Und sie befreit sich am ersten davon, wenn das Tauen beginnet. Aber die listigen Fährschen befördern das Schwinden des Eises, Heimlich des Nachts auf dem Strom es zerstoßend: wer kann es beweisen? Und sie hatten schon lange für ihre Praktiken die Strafe Reichlich verdient, die ihnen zuletzt für die Tücke zu teil ward. Schwach auf dem Strom ist das Eis schon wieder geworden, so hieß es, Und schon hatten die Fährschen sich offenes Wasser geschaffen, Wo sie fährten die Leute, die nicht mehr trauten dem Eise. »O, mich trägt es wohl noch,« sprach Eduard Held da, der Schüler Von dem Triebseer Thor, wo die Steu'rmannsschule man abhielt, »Bin ich doch gestern noch spät am Abend zur Fähre gelaufen.« Und so schnallt' er die Schlittschuh an, und der flinkste der Läufer Fuhr er dahin auf dem Eis, wie ein Vogel in freudigem Mute. Und so kam er zum Strom, wo die Fährschen schon trieben ihr Wesen 182 Und einheimsten das Geld auf der künstlich geschaffenen Fähre, Welche das Eis von hüben verband mit dem Eise von drüben. Aber er lief zur Seite, vorbei auf dem spiegelnden Eise, Und schon war er beinahe gelangt zur rügenschen Seite, Als einbrach ihm unter den Füßen die spiegelnde Decke, Und so sank er hinab und hatte von Glück noch zu sagen, Daß er den Kopf sich nicht abschnitt an der Kante des Eises, Wie es im eiligen Lauf schon Schlittschuhläufern begegnet. Drüben im Fährboot sahn zwei Fährsche geschehen das Unglück, Meinet Ihr aber, sie hätten dabei sich gerührt und gerüppelt? »Lasset den Menschen ersaufen! Wir haben gewarnt vor dem Strome, Und wenn der Schüler ertrinkt, so schreckt das die Städter noch mehr ab.« Ja, so sind sie, die Menschen! Es denkt an den eigenen Vorteil Jeder allein, und sie lassen das Haus gern brennen des Nächsten, Wenn sie Eier dabei sich kochen können. Der Schüler Sieht, daß die Leut' in dem Boot nach ihm hingucken, doch wenden Bald sie wieder sich ab, als bemerkten sie gar nicht das Unglück. Schurken! so sprach er für sich und rief nicht einmal: »Zu Hilfe!« »Hilf Dir selbst!« so hatt' er gelernt, und strampelte kräftig Zwischen gebrochenem Eis und dem dunkelen, eisigen Wasser; Und so rafft' er sich glücklich empor und gelangt auf die Decke, Die noch fest dastand und sicher. Es bluteten freilich 183 Händ' und Füße ihm sehr, und es winkt' auf der Fähre der Glühwein; Doch er beschloß, vorher erst Rache zu nehmen, die süßer Labt, als glühender Wein mit Zucker und edlen Gewürzen. Also geht er nicht los auf das Fährdorf, sondern er eilet Rasch auf das Fährboot zu und ruft schon von weitem: »Halunken, Gestern hielt noch das Eis auf dem nämlichen Platz, wo ich einbrach, Und in der Nacht hat nicht es getaut, nein, ziemlich gefroren, So ist klipp es und klar, daß das Eis von selbst nicht so schwach ward, Sondern Ihr Schändlichen habt im geheimen es tückisch zerstoßen, Freilich, da konnte das Eis, das neu sich gebildet, nicht tragen. Endlich seid Ihr ertappt, nachdem Ihr Frevel auf Frevel Habt im stillen verübt, die ohne Bestrafung geblieben. Und Ihr kamt nicht einmal, als ich rang mit dem Tod, mir zu Hilfe! Dafür werd' ich jetzt Euch züchtigen!« Voller Verwund'rung Sah'n sich den Burschen die Fährleut' an, der so sie bedrohte, War er doch blutjung noch und schmächtig, sie bärtige Männer. »Räkel, Du willst uns bedrohn?« so riefen die beiden und fielen Über ihn her und meinten, ihn leicht zu bezwingen, den Schüler; Aber sie kannten ihn nicht und die Kraft, die er trug in den Armen. Auseinander riß er die ihn anpackenden Feinde, Gleich wie der Fichtenbeuger die Fichte. Erst hielt er sie mächtig 184 Auseinander, und schlug sie dann noch stärker zusammen, Und dann zaust er und schüttelt die Leute der Fähre dermaßen, Daß sie den Mut und die Kraft zum Widerstande verloren. »Kerls, Ihr seid mir zu schlecht, Euch mit eigener Hand zu bestrafen, Darum sollt Ihr mir selbst abwechselnd der eine am andern Jetzt Profoßendienste versehn. Komm, Ewers, und lege Quer Dich über die Bank, mit den Hinterbacken nach oben, Möglichst hoch. So recht. So liegst Du bequem zur Bestrafung. Blandow, Du nimmst nun den Riemen und haust mit dem Blatte auf Deinen Kameraden nun los und aus Leibeskräften, verstehst Du? Lässest Du aber dabei es an Schwung und Begeisterung fehlen, Siehe, so stehe ich hinter Dir, Freund, und haue auf Dich los. Geht nun ans löbliche Werk, Ihr Fährschen, denn besser verdiente Prügel gab es noch nie.« So hieb denn Blandow auf Ewers, Und dann wechselten sie mit den Rollen; es legte sich Blandow Über die Bank und wurde getrillt mit dem Riemen von Ewers. Wie wenn ein ländlicher Wirt, um Geld sich im Herbste zu schaffen, Nachts zwei Uhr sich erhebt und drischt mit den Knechten die Gerste, Während die Hornlaterne nur kärglich die Tenne beleuchtet. Eifrig holen sie aus mit den Flegeln und dreschen im Takte, Daß man im schlummernden Dorf es vernimmt, so mußten die Kerle Wechselseitig sich dreschen mit Macht, daß nur es so klatschte. 185 Und dann standen sie da, die Gewalkten und hielten die Hände Sich vor den schmerzenden Teil. Held eilte mit Lachen von dannen. Doch ganz Stralsund pries um die Wette den mutigen Schüler Der mit herkulischer Kraft das Recht in die Hände genommen Und die Fährschen einmal für alte Tücken und neue Hatte bestraft und ihnen das Eisaufbrechen verleidet. Eduard Held indes ging nach vollzogener Strafe Nicht auf die Höhe hinauf nach dem Altenfährischen Wirtshaus, Denn ein hölzernes Haus war, mitten erbaut auf dem Eise, Immer mit Gästen gefüllt. Ein Winter von seltener Strenge Hatte die Ostsee rings in Bande geschlagen, der Sund war Zugefroren, man ging zu Fuß von Rügen nach Schweden, Und sechs Wochen bereits stand fest und sicher die Bude Auf dem gewaltigen Eis, aus welcher beständig Musik scholl, Lärmen der Zecher und froher Gesang und Klingen der Gläser. Doch dort weilt' er nicht lang', er stürzte ein Glas nur von Glühwein Rasch herunter, und suchte nur schnell nach Hause zu kommen, Wenigstens innen erwärmt, und schleunig die Kleidung zu wechseln. Als er ins Freie gelangt und die Schlittschuh wieder sich anschnallt, Sieht er, es haben die Leute der Fähre zu zwanzig und dreißig Sich zusammengerottet, gewiß um Rache zu nehmen. Freilich, er hofft im geflügelten Lauf sich vor ihnen zu retten, Aber ihn hemmt die Nässe und Schwere und Steifheit der Kleidung, Und sie hinter ihm her, mit Hallo nachrennend und drohend! 186 Jetzt sind schon sie ihm dicht auf den Fersen, er sah sich verloren, Wenn er durch Kriegslist nicht noch seinen Verfolgern entkommen. Grad auf das zierliche Türmchen von Sankt Johannes im Westen Hatt' er gerichtet den Lauf, und er bog nicht ab von der Richtung, Obgleich deutlich er sieht, daß ein offenes Wasser vor ihm blinkt', »Waken« genannt, wie sie hier und dort beim Frieren sich bilden. Nur im letzten Moment, da erhebt er den Fuß; auf dem andern Schwenkt' er nach Osten sich ab und läuft nun auf die gewalt'ge Kirche von Sankt Marien, den stolzesten Bau an der Ostsee. Aber den Rahmen zu schlagen gelang nicht den Leuten der Fähre, Sondern sie waren im Schuß und liefen hinein in die Wake, Zwei, drei stürzten hinab von den Vordersten, plumps! in das Wasser. Also hatten genug nun die Altenfährschen zu schaffen, Um aus dem Wasser zu ziehn die nach Beistand schrei'nden Gefährten. Eduard Held fliegt aber dahin, siegsfroh auf die Stadt zu, Und in Sicherheit sieht er zurück und rufet mit Lachen: »Ei, Ihr fangt früh an mit dem Baden, noch ist es nicht Sommer!« |