Heinrich Kruse
Seegeschichten. Zweite Sammlung
Heinrich Kruse

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Der Geizhals.

            Boie, der alte Kap'tän, war so vom Geize besessen,
Daß man es kaum mir glaubt, wenn ich seine Geschichten erzähle.
Einmal ging er zu Fuß nach Barth, drei Meilen von Stralsund,
Bloß weil billiger dort, wie er glaubte, die Nägel zu haben,
Und dann trug er sie selbst im Sack auf der Schulter nach Hause.
Als ich zuerst ihn sah, altfränkisch und schäbig gekleidet,
Mit Kniehosen von braun vor Zeiten gewesnem Manchester,
Grauen Gamaschen und klobigen Schuh'n mit gewaltigen Schnallen –
Als ich zuerst ihn sah so abgetragen einhergehn,
Lacht' ich und sagte zu Vatern: »Da sieh einmal den Schnurranten!
Sieh mal die klotzigen Schuh', die mit Flecken und Riestern bedeckt sind,
Grad, als ob sie die Pocken gehabt und die Narben behalten!«
Doch mein Vater, er sprach: »»Still! Laß es den Alten nicht hören!
Das ist nicht, wie Du meinst, mein Sohn, ein Bettler und Pracher,
Sondern der alte Boi', der schlecht gerechnet ein fünfzig 102
Tausend Thälerchen schon auf die hohe Kante gelegt hat.
›Geld ist gern, wo man's hält in Ehr'n!‹ so pflegt er zu sagen,
Aber er ehrt auch nichts, als das Geld, und kratzet und scharret,
Wo er nur kann, und spendieret sich nicht, was der Ärmste sich zähmet.
Meinst Du, ich hätt' ihn schon je in heilen Schuhen gesehen?
Immer erblickt' ich ihn nur in denselben verblichenen Hosen
Und den geflickten erbärmlichen Schuh'n.«« So erzählte mein Vater,
Mich eindringlich verwarnend vor Geiz, als der Wurzel des Übels.
Auch ich hatte noch lang mit dem alten Boie Bekanntschaft,
Bin als Schiffer mit ihm auf allen Meeren gefahren.
Niemals schien mir ein Mensch so gänzlich derselbe und gleiche.
Bis ins achtzigste Jahr war keins von den schwarzen und blanken,
Lang abfallenden Haaren erbleicht, das Gesicht mit der scharfen
Adlernase verriet kein Zeichen der schwindenden Jahre.
Dabei war er so braun wie ein Pfefferkuchen im Antlitz,
Daß die verblichnen Hosen beneiden ihm konnten die Farbe.
Sonst sind Geizige selten beliebt, sind mürrisch und einsam,
Anders mit Boie; der hielt am liebsten sich mitten im Schwarm auf
Gleich dem Hasen, der dort am liebsten ist, wo er gehetzt wird.
Denn stets ward er als Knauser gefoppt und diente zum Stichblatt,
Und wir hatten ihn gern; er verdarb uns keine Gesellschaft;
Aber es mußte natürlich ihn nie 'was kosten. Er hatte
Nur zwei Händ' am Leibe: zum Nehmen die eine, die andre 103
Zum Behalten, doch keine zum Geben! Das wußten sie alle,
Neckten ihn wegen des Geizes und ehrten ihn wegen des Reichtums.
Also kannten ihn ganze Geschlechter der Schiffer der Ostsee.
Wenn er sich änderte, war's, daß der Geiz mit den Jahren noch zunahm.
Einmal lagen wir beide im Kopenhagener Hafen,
Beide befrachtet mit Salz von Setuval – oder St. Yves,
Wie wir Schiffer es nennen; da brennt man am Strande das Seesalz.
Weil es schon Spätherbst war, so wollten wir segeln nach Hause,
Winterlage zu halten. Als unsre Ladung gelöscht war,
Nahmen wir Ballast ein. Ich war damit noch nicht fertig,
Da kam Boie zu mir und bat mich, ich möchte doch meine
Spaten ihm leih'n, um Ballast zu schaufeln. Ich fragte: »Was soll das?
Alter, Du wirst doch im Schiff selbst Spaten noch haben zum Schaufeln?«
»»Nein,«« antwortete Boie, »»mir fehlen die Spaten zum Unglück.««
»Schwerenot, wie geht denn das zu?« »»Das begab sich auf die Art:
Lieber Freund, wie Du weißt, ist lang schon meine Gerätschaft
Schlecht im Stande, vor allem die Spaten und Schaufeln.«« »Ja freilich,
Boie, sie sind alt Eisen ja nur, und es gäbe der Jude 104
Auf dem Schlaweden Dir nicht vier Pfennig das Pfund für das Kroopzeug.«
»»Nun, ich seh' es auch ein und wollte mir neue Geräte
Kaufen, sobald ich nur käme nach England. Aber zum Unglück
Lief ich nicht England an; so bin ich nun ohne Gerätschaft.
Aber Du leihest die Spaten mir wohl.«« Lieb war es mir gar nicht;
Denn in Kopenhagen bekommt man den schändlichsten Ballast,
Zeug voll Stücken und Steinen, was just nicht die Spaten verbessert.
Aber er setzte mir zu und stellte mir vor, daß die Spaten
Blind schon wären und schmutzig, er liefre sie nach dem Gebrauche
Blank wie ein Spiegel zurück, und was er nicht weiter noch sagte;
Denn mit Worten allein war Boie, der Alte, nicht sparsam.
Und er beschwatzte mich auch und bekam, was er wünschte, die Spaten.
Nun, es war gut. Man läßt sich die Sach' wohl einmal gefallen;
Aber wie war ich erstaunt, nachher zu erfahren, der Alte
Habe das nämliche Stückchen probiert noch einmal in Stralsund!
Ich steh' grad' auf der Ballastkist', die im Frühling ein tiefes
Thal ist, daß von der Höhe der Balken man schwindelnd hinabblickt,
Aber im Herbst ein Gebirge von Sand – da steh' ich und sehe
Grad' auf die stattlichen Reihen der abgetakelten Schiffe
Und auf die herrlichen Kirchen, die zwischen den Masten hindurchsehn, 105
Denk' an die Zeiten zurück, da als Kind ich spielt' in dem Sande,
Wie ich mir Hornsteinkugeln da sucht', und wie ich sie sprengte,
Wie sie mit Amethysten gefüllt und mit schönen Kristallen,
Wie ich mich mit dem Gedanken ergötzt', ich fänd' in der Kugel
Statt violettener Drusen einmal Diamanten und wäre
Reich wie ein König und könnte das herrlichste Schiff mir erbauen –
Doch der Brillant bleibt aus in der Hornsteinkugel des Lebens!
Daran dacht' ich zurück und an dieses und jenes, da ruft mir
Buschmann zu: »Willkommen daheim!« Wir schütteln die Hände
Und ich sage: »»Dich lächert ja so. Was hast Du denn, Buschmann?««
»Ei, wie sollt' ich nicht lachen! Da höre, was eben passiert ist.
Kommt heut' morgen zu mir – ich schlafe noch fest in der Koje –
Steu'rmann Kräft – Du kennst ihn ja wohl, er fährt bei dem alten
Geizigen Boi', katzbuckelt und sagt: ›Recht schöne Empfehlung
Vom Kapitän, Sie möchten so gut sein und leih'n uns die Spaten.‹
›Was, zum Kuckuck, Ihr werdet damit doch selbst wohl versehen sein?‹
Schnauz' ich den Steu'rmann an und richte mich auf in der Koje.
Anfangs machte der Mensch mir noch Fisimatenten, doch rückt' ich
Ihm grad'wegs auf den Leib, daß er endlich die Wahrheit bekannte.
›Herr, ich muß es gestehn, und ich schäme mich,‹ sprach er, ›der Sache.
Ja, wir haben wohl Spaten an Bord, ganz neue, von England, 106
Handlich und braun und sauber gestrichen und blitzend und blinkernd!
Fast ein Jahr schon hängen sie da in der Vorratskammer.
Aber der alte Kap'tän vermochte sich nicht zu entschließen,
Sie in Gebrauch zu nehmen. Er reiste schon gestern nach Barth ab,
Und so sprach er zu mir: ›Geh Du nur,‹ sagt' er, ›zu Buschmann,
Buschmann leihet die Spaten Dir schon.‹ ›Das lass' ich wohl bleiben!
Spukt es dem Alten im Giebel? Was denkt er sich? Seine Gerätschaft
Wünscht er zu schonen und meine mir abzunutzen? Das glaub' ich!
Steu'rmann, gehe nur hin und öffne die eigene Kammer,
Hole die Braunen heraus!‹ ›Das hat mir der Alte verboten,
Hat uns die Kammer verschlossen und mit sich genommen den Schlüssel.‹
›Nun, das muß ich gestehen, das ist recht heiter! Der Geizhals!
Sieh zu, wie Du Dir Spaten verschaffst. Ich gebe Dir keine.‹
Damit ließ ich ihn stehn. Er kratzte sich hinter den Ohren,
Und da Spaten für ihn vom Himmel nicht regneten, ging er
In der Verzweiflung zuletzt zu dem Herrn Kommerzienrate,
Boie's Patron, und sagt' ihm, das Schiff läg' freilich am Bollwerk;
Aber so stände die Sach', und er könnte nicht löschen den Ballast.
Herr Kommerzienrat, bei dieser befremdlichen Botschaft,
Stampft mit dem Fuße und ruft: ›Das weiß doch . . . Reif für das Narrnhaus . . .!‹ 107
Herr Kommerzienrat hat, wie man weiß, die Gewohnheit,
Daß er im Zorn nicht vermag, die Sätze zu Ende zu führen.
›Was ich schon alles gehabt mit dem Boie . . . Das geht denn doch über . . .
Solch ein Geizhals sollte . . .!‹ So stößt er die halben Gedanken
Zornig heraus und füllt das Kontor mit Wolken von Knaster,
Schön zu riechen: er rauchet das Pfund für 'nen pommerschen Thaler.
Ein nachdrückliches: ›Na!‹ wobei er sich dreht auf dem Absatz,
Das ist immer der Schluß, womit er die Rede verzieret.
›Ja, was soll ich denn thun?‹ entgegnet verlegen der Steu'rmann.
›Sollte man nicht aus der Haut . . . So ein knickiger, knausiger Kerl . . . Na!
Brech Er die Kammer nur auf, und sag' Er, ich hätt' es befohlen!‹
Also geschah es denn auch; da siehst Du sie schon mit den braunen
Spaten hantieren im Sand; wie wird er sich ärgern, der Alte!«
Als mir Buschmann dies mit Lachen erzählte, so sagt' ich:
»»Ja, Du kannst wohl lachen, Du warst zu schlau für den Alten;
Doch mich hat er beluchst!«« So erzähl' ich ihm denn die Geschichte,
Wie das nämliche Stück schon in Kopenhagen gespielt hat.
Boi' lief oftmals an mit dem Geiz und der Schlauheit. Es war auch
Wieder in Kopenhagen, da hatten wir köstlichen Spaß dran.
Alldort pflegten wir uns, wir Schiffer, mit Fleisch zu versorgen,
Dort ist's billig und gut zu haben; doch war es für Boien 108
Noch nicht billig genug, und er findet auch richtig 'nen Schlächter,
Der's ihm unter dem Preis abläßt und auch noch zur Mahlzeit
Unseren Boi' einladet. Und hätt' er Befreundete, sollt' er
Sie nur auch mitbringen. So sprach gastfreundlich der Schlächter.
Boie versucht' auch mich zu bereden, ich sollte doch mitgehn;
Aber ich dankte dafür. Wenn beim Handwerker der Schiffer
Mittags speist, muß sicher das Schiff die Zeche bezahlen.
Ebensowenig verlangten die übrigen pommerschen Schiffer
Mit zum billigen Schlächter zu gehn; Boi' zog denn allein ab.
Aber die Mahlzeit kam ihm zuletzt doch teuer zu stehen.
Nämlich der billige Schlächter und Boie bereden den Handel,
Daß Sonnabend ein Schwein zu schlachten, damit es am Sonntag
Gut abkühlt, und Montag früh im Schiff zu empfangen.
Darauf schließen sie ab, und warnen wir Boi' vor dem Schlächter,
Sagt er: »Ich werde mich schon vorsehn. Sobald er das Fleisch nicht
Rein und frisch und gut abliefert, so werd' ich dafür ihm
Ganz gehörig vom Preis abziehn.« So sprach er, doch kam es
Anders damit. Sonntags empfängt mit eigenem Boten,
Welchen ihm A. van Doer, das sämtlichen Schiffern bekannte
Haus in Helsingör, in eiliger Sache gesandt hat,
Boi' ein Schreiben, er möchte sogleich doch kommen, um gute
Fracht nach Messina zu schließen. »Die Post«, so stand in der Nachschrift,
»Gehet um sechs Uhr ab.« Schlag sechs Uhr steigt denn auch Boie 109
Seelenvergnügt auf die Post und träumet bereits von Kajütsfracht,
Von Kaplaken und was sonst Schiffer am meisten erfreuet.
Aber in Helsingör ward nichts aus der Fracht nach Messina,
Weil ein andrer Schiffer die Fracht weit niedriger anbot.
Ja, sein Milchtopf lag in Scherben zerbrochen am Boden,
Und Boi' kehrte zurück in der allerverdrießlichsten Laune.
Als er am Bord ankommt, fällt gleich ihm wieder das Fleisch ein,
Und er begehrt sein billiges Schwein mit Augen zu sehen.
Nun, sie führen ihn denn zur Tonne, in welcher das Schwein liegt,
Auseinander gepackt und tüchtig gesalzen. Er probt es.
»Pfui, wie schmeckt denn das Schwein?« Um es kurz zu machen, der Metzger
Hatte 'ne alte Borg voll Warzen und Finnen geschlachtet.
O, wie grimmig ist Boie! Er schneidet mit raschem Entschlusse
Ein Stück Speck sich ab und wickelt es gut in Papier ein,
Und zum Fleischer damit! Da lärmt er und schilt, doch vergebens.
»»Wenn mein Schwein Euch nicht gut genug war,«« so sagte der Schlächter,
»»Warum nahmt Ihr es denn? Ich hätt's recht gerne behalten.
Aber Ihr nahmet es an und salztet es ein, und so ist es
Mir zu keinem Gebrauche. Ihr müßt es behalten!«« Und Boie
Mochte versichern, er sei zufällig an Bord nicht gewesen,
Oder was sonst er noch sagte, der andre ließ sich auf nichts ein.
Boie muß murrend zuletzt zum Vollen die Rechnung bezahlen.
Sein Stück Speck, das wickelt' er ein und zeigte es jedem, 110
Ihn vor dem billigen Schlächter zu warnen, den jetzt er verfluchte.
Wenn von der Börse wir kamen, wir andern Schiffer, so pflegten
Wir in ein freundliches Haus in der Ostergaden zu gehen,
Wo man reinlich und gut zu Mittag speiset; doch Boie
Zähmte soviel sich nicht. Stets aß er allein auf dem Schiffe.
Erst um die Kaffeezeit, da erschien auch Boie, der Alte.
Wenn ein Täßchen man trinkt, so stehn Weißbrötchen daneben,
Davon jeder sich nimmt nach seinem Belieben. Und Boie
Aß so lange davon, als noch ein Brötchen im Korb war;
Wirklich, man mußte sich schämen. So kam er denn auch mit der Schwarte;
Aber ihm ward an dem Unglückstag sein Kaffee versalzen!
Erstlich ward er verhöhnt mit dem Speck und dem billigen Handel.
Also glaubt' er es gut zu machen, als Marquard hereinkam,
Einzustecken den Speck und still zu sein von dem Schweine,
Mit dem, wie man es nennt, kein Schwein er gehabt. Denn ein Ausbund
War und ein Spötter der Mann und pflegte den Alten zu schrauben.
Aber ein Zufall hatt' es gewollt, daß ein Gast, der schon wegging,
Marquard traf auf der Trepp' und ihm Boiens Geschichte erzählte,
Auch daß der Alte den Speck aus Furcht vor Marquard beseitigt.
Nun, der läßt sich darum auch nichts merken; er tritt in die Stube, 111
Grüßt uns und saget zu Boien: »Du siehst ja wie Waddig und Wehtag,Sprichwörtliche Redensart. Waddig ist der Bodensatz der sauren Milch.
Alter, was fehlt Dir denn heut'?« »»Thorheit, was sollte mir fehlen?
Ich bin herzlich vergnügt!«« sprach Boi' und lachte gezwungen.
»Nun, das freut mich ja, Boi', Dich vergnügt und lachend zu finden.«
So sprach Marquard mit ernstem Gesicht, doch zwinkernden Augen,
Räusperte sich vielsagend und setzte sich neben den Alten,
Welcher von ihm abrückt; doch Marquard rückt ihm sofort nach.
Anfangs plaudert er ganz harmlos, dann schlägt er auf einmal
Boi'n auf die Tasche, worin das Papier mit dem Specke verborgen,
Und so derb, daß Boi' auffährt und verdrießlich ihn fraget:
»Was soll denn das bedeuten?« Marquard antwortet ihm: »»Boie,
Nichts für ungut, Alter! Es saß da grade ein großer
Brummer! Ich wollte davon Dich befreien.«« Und über ein Weilchen
Haut er von neuem auf Boien: »»Es saß da wieder ein Brummer!««
Und zum dritten: »»Da saß wahrhaftig schon wieder ein Brummer,
Boie, die Fliegen sind heut' auf Dich merkwürdig versessen.
Alter Junge, Du hast am Ende wohl Speck in der Tasche,
Daß sich die Fliegen auf Dich so setzen? Ei, laß doch mal sehen!«« 112
Und so zieht er ihm denn aus der Tasche die fettige Tüte,
Jene Tüte mit Speck, die Marquard grade nicht sehn soll.
Alles lacht. »»Pfui, was ein abscheulicher, stinkender, schlechter,
Ranziger Speck!«« rief Marquard. »»Ich bitte Dich, Boie, um alles,
Wo zum Teufel bekommst Du, alter Junge, das Zeug her?
Damit möcht' ich mir nicht einschmieren die Stiefel! Was soll das?««
Und so mußte denn Boie die Sache noch einmal erzählen,
Während dabei Marquard ihn hänselte. »»Ja, Dir geschah recht.
Sehr wohlfeil ist oft sehr teuer. Das merke Dir, Boie!««
Nun ward Kaffee gebracht. Mein Marquard, heimlicherweise,
Leget Trapani-Salz, das in schönen Kristallen erscheinet,
Auf ein Schälchen: es sah zum Verwechseln wie weißer Kandis aus.
Marquard kam mit der Brigg Karolina von dort, von Trapani,
Welches der schönsten Frau'n und des schönsten Salzes sich rühmet.
Leuchtend wie Bergkristall lag also das Salz in der Schale.
Das war Speck auf die Falle gelegt, um Boien zu fangen.
Kandis war für Boie ein Leckerbissen, doch pflegt' er
Sich nur den gröbsten und braunsten zu zähmen. Die weißen Kristalle
Leuchteten ihm sehr ein; er betrachtete sie als gemeines
Eigentum und nahm sich davon in die Tasse nicht sparsam.
Als er zu trinken begann und schlürfte, verzog er die Lippen.
Marquard sagte zu ihm: »»Was ist Dir, Boie, Du ziehst ja 113
Solch ein krauses Gesicht!«« »Ja,« entgegnete Boie, »ich weiß nicht,
Was in den Kaffee gekommen. Er schmeckt ganz salzig.« »»Du träumst wohl.
Du hast ja Salz von Yves geholt, drum kömmt Dir noch alles
Salzig vor!«« Nun, Boie probiert sich den Kaffee noch einmal,
Aber er schmeckte noch mehr nach Salz. Da wird er verdrießlich
Und fischt Stück für Stück aus der Tasse das Salz von Trapani,
Welches so rasch nicht schmilzt, und ein großes Gelächter erschallte.
»Wer hat mir, zum Henker, das Salz in die Tasse geschüttet?
Wer hat das mir gethan?« rief Boie und sah sich im Kreis um.
»Wolter, Du warst es gewiß?!« Ich war von allen der jüngste,
Kaum erst Schiffer geworden, so konnt' er das meiste mir bieten.
»»Nein, das thatet Ihr selbst!«« entgegnet' ich ruhig, und alle
Riefen: »»Wir haben's geseh'n, Du hast Dir die Stücke genommen.««
»Was für Stücke? Und was für Salz?« so sagte nun Marquard.
»Boie, ich will doch nicht hoffen, daß Du mein Salz von Trapani,
Das ich zur Probe mir ausgesucht, die vorzüglichsten Stücke –
Ja wahrhaftig, er hat es gemaust! Da sitzt er, der Salzdieb!«
»»Ach, ich glaubte, es wäre Kandis.«« »Ich glaubte! Ich glaubte!
Damit wird mir das Salz nicht ersetzt. Du mußt es bezahlen.«
»»Boi' muß blechen, ja wohl!«« so riefen wir alle im Chore.
»Leute, wie schätzt Ihr das Salz?« »»Sechs Pfennige!« rufen wir. »Mehr noch! 114
Aber ich laß es dafür. Nun, Boie, nur her mit dem Gelde!«
Doch da Boie bloß hört vom Bezahlen, so macht er sich eilig
Unter Gelächter davon. Der Tag war ihm gründlich versalzen!
»Seht Ihr,« rief ich ihm nach, »wenn Ihr nicht beim Schlächter gegessen!
Das kommt alles vom Geiz, und Geiz ist die Wurzel des Übels!«

 


 


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