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Als Lefty in Begleitung seiner drei Soldaten durch die Straßen Florestas ritt, gab es einen Menschenauflauf. Alles starrte auf den schwarzgekleideten Reiter. Flüsternd ging sein Name von Mund zu Mund. Laut wagte jedoch keiner seine Annahme kund zu tun.
Vor der Kaserne trat ihm schon Paulo de Viera entgegen. An seinem bestürzten Gesicht sah Lefty, daß nicht alles in Ordnung war.
Seine Soldaten ließ er draußen, doch gebot er ihnen Stillschweigen.
Paulo de Viera brachte ihn in eine Mannschaftsstube. »Capitão Carrasco ist nicht anwesend!« platzte er heraus.
Auf einen fragenden Blick Leftys erzählte er.
»Heute früh am Morgen, ich befand mich gerade auf dem Kasernenhof, ritt hier ein Mann ein, und ...«
»Wie sah er aus?« unterbrach ihn Lefty.
»Es war ein schlanker, kleinerer Mann mit einem schmalen, feinen Gesicht. Er trug seinen rechten Arm in der Binde.«
Lefty glaubte nach der Beschreibung Ordonez zu erkennen.
»Weiter!« forderte er Viera auf, seinen Bericht zu vollenden.
»Dieser fragte herrisch nach Capitão Carrasco. Er hätte ihm eine wichtige Meldung zu bringen, sagte er. Ich ließ ihn nach Carrascos Wohnung führen.
Eine Stunde später ritt Capitão Carrasco in Begleitung eines Sergeanten fort. Vorher ließ er mich rufen und sagte mir, daß er morgen wieder hier sein würde; er hätte eine Meldung erhalten, der er sofort auf den Grund gehen müsse.
»Ich wunderte mich über alles, konnte aber nichts dagegen tun. Capitão Carrasco ist mein Vorgesetzter.«
»Ihr habt recht, es ist mein Fehler; ich hätte Euch mehr einweihen müssen!« erwiderte Lefty.
Er überlegte, sicher hatte Ordonez seinen Verbündeten gewarnt. Allerdings machte Lefty die Begleitung des Sergeanten stutzig. Er konnte es sich schließlich nur so erklären, daß der Mann Capitão Carrascos Vertrauter sein mußte. Sie sahen ihr Spiel durchschaut und zogen die sichere Flucht dem unsicheren Abwarten vor.
Es gab jetzt nur noch eins für Lefty: sich so schnell wie möglich mit seinem Vater wieder zu treffen.
Er befahl daher Paulo de Viera, seine Soldaten zu alarmieren. Als dies geschehen, blieb ein Teil zurück zum Schutz Florestas. Unter Führung der Soldaten, die mit Lefty gekommen waren, zogen zwanzig Mann zur Unterstützung des Obersten ab, während Lefty mit Paulo de Viera und dreißig Mann dem Gebirge zueilte.
An dem Saum des Waldes, an dem Henrique Almares die mörderische Kugel getroffen hatte, sah Lefty ein reiterloses Pferd.
Auf einen Wink von ihm blieben die Soldaten halten; er selbst ritt vorsichtig darauf zu. Schon von weitem sah er eine Gestalt am Boden liegen. Als er näher kam, erkannte er – Ordonez. Mit einem Sprunge war er aus dem Sattel. Ein Lungenschuß hatte Ordonez' Leben ein Ende gesetzt. Minuten blieb Lefty bei ihm stehen. An den Abdrücken der Spuren, die hier liefen, sah er, daß drei Pferde angekommen und nur zwei wieder abgeritten waren. Er verfolgte die Spuren ein Stück und blieb plötzlich regungslos stehen. Die Spuren nahmen eine andere Richtung an, sie führten nicht nach dem Gebirge sondern direkt nach der Fazenda!
Jetzt wußte Lefty, was hier vorgefallen war. Ihm graute vor Carrascos Schlechtigkeit.
Alles mußte Carrasco verloren sehen: seine Stellung, sein Weiterkommen, sein Ansehen! Was übrig blieb, war ein gehetzter Mann, der sich, wenn es ihm gelang, fern von Brasilien ein neues Leben aufbauen mußte.
Sein Temperament konnte aber nicht auf die Frau verzichten, die er zu lieben glaubte. Er mußte davon eine Andeutung zu Alexandre de Ordonez gemacht haben. Da Lefty durch die Indiskretion Mercedes' wußte, daß auch dieser Luiza liebte, mußte es hier zu einem heftigen Wortwechsel zwischen den beiden Rivalen gekommen sein, in dessen Verlauf Carrasco seinen Gegner, der durch seine Wunde behindert war, heruntergeschossen hatte. So hatte Ordonez seine Anständigkeit, Carrasco nicht ohne Warnung zu lassen, büßen müssen.
Lefty rief Paulo de Viera heran.
»Legt diesen in ein ordentliches Grab!« gebot er und wies auf den Toten. »Ich trenne mich hier von Euch.
»Paulo de Viera, Ihr führt Eure Leute in den Nordteil des Triumph-Gebirges. Grüßt den Anführer der Soldaten von mir, die ihr dort treffen werdet und sagt ihm, daß mich meine Pflicht jetzt auf die Almares-Fazenda führt – vielleicht auch noch weiter. Sagt, daß ich nicht eher ruhen würde, bevor ich nicht den Schuft Carrasco vor meinen Colt bekäme.« Vielleicht hatte Lefty noch niemals so ruhig und schleppend gesprochen; Paulo de Viera sah ihn betroffen an.
Jetzt verlangte Lefty von ›Black Night‹, der schon viele Strapazen hinter sich hatte, Unerhörtes. Leftys Ruhe war nicht nur äußerlich. Es war, als ob alles in ihm erstorben sei.
Den Weg zur Fazenda legte er anstatt in vier Stunden in der Hälfte der Zeit zurück.
Jetzt befand er sich schon auf dem Grund und Boden der Fazenda.
Männer, die arbeitend auf den Tabaksfeldern standen, sahen mit offenem Munde einen schwarzen Reiter an sich vorbeipreschen.
Nun lag schon der kleine Rotholzwald vor ihm, da sah er am Rande desselben einen Mann stehen, – er hatte Uniform an, es mußte Carrascos Begleiter sein! Also mußte dieser noch hier sein! Der Mann schien ihn erkannt zu haben. Lefty merkte, daß er erschreckt flüchten wollte, da hob er seinen Colt und zum ersten Male schoß er kalten Herzens einem Mann in den Rücken.
›Black Night‹ erzitterte. Lefty sprang ab; wenn er das Pferd nicht völlig zu schanden reiten wollte, durfte er es keinen Schritt weitertreiben. Mit tief gesenktem Kopf blieb ›Black Night‹ schnaubend stehen, während Lefty dem Walde zulief.
Genau so, wie es Lefty angenommen hatte, war es gewesen. Carrasco sah alles zusammenbrechen und hatte nur noch einen Gedanken gehabt: Luiza!
Er hatte seinen Entschluß, Luiza an sich zu reißen, Ordonez mitgeteilt. Als dieser ihn hindern wollte, den Weg zur Fazenda einzuschlagen, hatte er diesen, ohne sich zu besinnen, über den Haufen geschossen. Der Sergeant störte ihn nicht, dieser war ihm ergeben und durch sein Schicksal an ihn gebunden.
Carrascos Pläne gingen noch weiter. Luiza wollte er in das Versteck zur Bande schleppen; durch Ordonez wußte er, wo es lag; dort wollte er den Rest der Bande um sich sammeln. Miguel de Silva war tot, und auch Ordonez war nicht mehr. Die Bande hatte nun keinen Führer mehr, und so wollte er die Führung an sich reißen. Er fühlte in sich die Kraft, solchen Desperados ein Herr zu sein. Doch wollte er Luiza als letztes aus seinem früheren Leben mitnehmen.
Ruhig, als ob nichts geschehen wäre, war er auf die Fazenda geritten. Er käme, wie er zu den Geschwistern sagte, als Freund ihres Vaters zu ihnen, nachdem er von dem furchtbaren Unglück, das sie betroffen, gehört hätte.
Dankbar hatte Luiza sein Mitgefühl entgegengenommen und ihn bewirtet. José lag mit etwas Fieber zu Bett. Als Carrasco bat, sie möchte ihn zu Henrique Almares' Grab führen, fand sie nichts Besonderes in dieser Bitte.
Wenn sie ihn auch persönlich nicht schätzte, so hatte er ihr doch keinen Grund gegeben, ihm zu mißtrauen. Sie ließ ihn darum unbesorgt an Josés Bett zurück und kleidete sich zum Reiten um. Almares' letzte Ruhestätte lag am Waldrande, eine halbe Stunde Ritt vom Hofe entfernt.
Als Luiza auf den Hof trat, um einem der hier anwesenden Leute den Befehl zu geben, ihr Pferd zu satteln, hörte sie einen Schuß – tief und hallend.
Sie erbleichte und preßte ihre Hand auf ihr wild pochendes Herz. Was in den Gebäuden anwesend war, stürzte auf den Hof.
Da vernahmen sie einen klirrenden Schritt. Auf den Hof kam ein schwarz gekleideter Reiter; alles erbleichte.
Luiza sah einen Colt in der Hand des Mannes. Sie meinte ihre Augen nicht von ihm reißen zu können, doch plötzlich zuckte sie entsetzt zurück.
Sein Gang! Seine Haltung! Eine wilde Erregung ergriff sie.
Hatte das Entsetzen sie verrückt gemacht? Aber dieser Mann – der ›reitende Tod‹?!
Er kam näher, er mußte an ihr vorbei. Luiza riß sich mit aller Kraft zusammen; sie meinte das Leben in ihrem Körper höre auf. So erwartete sie ihn; eine furchtbare Spannung hielt sie aufrecht.
Der Mann in dem schwarzen Reiteranzug ging an ihr vorbei, er sah starr gerade aus; Luiza konnte sein steinernes Antlitz nur ahnen unter der Maske.
Aber – sie fühlte seine Nähe!
Mit Gewalt riß sie ihre Sinne von der sie überwältigenden Betäubung los. Der ›reitende Tod‹! – Pedro? ...
Luiza fühlte, wie sich die Spannung löste; ihre Glieder lockerten sich; vor ihren Augen tanzten Funken, die sich zu einem Kreis verdichteten, der sich schneller und schneller zu drehen begann. Da klang noch einmal ein Schuß auf; Luiza brach zusammen; Leere war um sie. –
Als der erste Schuß verklungen, war Carrasco vom Bett des Knaben aufgesprungen. Dieser wollte ihm folgen, doch Carrasco drückte ihn zurück und versuchte, ihn zu beruhigen. Das kostete ihm wertvolle Minuten, dann eilte er hinunter. Als er aus dem Haus trat, sah auch er die versteinerten Mienen der Leute und den einen Mann ruhig auf das Haus zuschreiten.
In einem schrecklichen Augenblick erkannte er: es war der ›reitende Tod‹! Bevor er jedoch noch zur Waffe greifen konnte, sank er schon von einer Kugel durch den Kopf getroffen zu Boden. –
*
Luiza schlug die Augen auf, sie lag im Wohnzimmer, dicht über sich sah sie ein Gesicht geneigt, es war der ›reitende Tod‹, nein – Pedro! Sie legte beide Hände um seinen Kopf und zog ihn zu sich herunter.
»Pedro! –« flüsterten ihre Lippen.
Lefty folgte dem zarten Druck; er legte seinen Kopf an den ihren; so an einander geschmiegt verharrten sie stillschweigend.
Plötzlich traf ihn ihre leise Stimme.
»Erzähle, bitte!« bat sie ihn.
In seinen Armen liegend hörte sie die Geschichte des ›reitenden Tods‹.