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Viertes Capitel.
Nachwirkungen eines Regenschirms.


Es war wol damals schon bei Hofe vorgekommen, daß man einen Pagen zum Stillschweigen verpflichtete, nachdem er hinter einem Fenstervorhange, beiseite gebrachtes Zuckerwerk naschend, den mit einer Hofdame eingetretenen König unvermeidlicherweise belauscht und in seiner verschämten Angst sich selbst durch Niesen verrathen hatte.

Auch dem Gardeoffizier von Pogwitz war ja Schweigen auferlegt worden, als er damals vor dem Cabinet Jerôme's seine Verlobte in der Gespensterstunde erblickt hatte.

Waren dennoch diese so einfach geknüpften Geheimnisse ausgekommen, wie hätte sich die Gespensterscheinung auf der Löwenburg hinter soviel Zeugen des königlichen Schrecks und der getäuschten Erwartung einer beneideten Abenteuererin verheimlichen lassen? Im Gegentheil gewann gerade durch die ängstliche Vorsicht, mit der man ausplauderte, der Vorfall eine geheimnißvolle Bedeutsamkeit. Sogar für die anfangs Ungläubigen in des Königs Umgebung verwickelte sich das Unerklärliche der Erscheinung dadurch, daß die abergläubige Anwandelung Jerôme's es verhindert hatte, durch alsbald vorgenommenes Nachforschen das täuschende Bild des Kurfürsten noch im Sessel zu finden. Denn auf den entstandenen Lärm hatte die Tochter des Castellans gleich in derselben Nacht das über die Krankheit ihres Vaters außer Acht gelassene Gemälde entfernt, und als man am folgenden Tage nichts Verdächtiges fand, gab die Dienerschaft die Versicherung, daß auch am Vorabend keine Seele durch den hintern verschlossenen Zugang ins Cabinet gekommen sei.

Vollends aber in den Kreisen des Volks, das am Kurfürsten hing, bildete sich aus dem Stoff eines so geheimnißvollen Gerüchts eine wunderbare, höchst bedeutsame, ja verhängnißdrohende Geschichte. Jedermann, der in solcher Gemüthsstimmung davon hörte, schmückte in demselben Sinn seine Nacherzählung noch weiter aus. Da hatte nicht gleich beim Eintritt ins Cabinet das lüsterne Paar den warnenden Fürsten erblickt, sondern er hatte sie in ihrer frivolen Vertraulichkeit überrascht; ihr Frevel hatte seine Racheerscheinung heraufbeschworen, mit drohend gehobener Hand war ihnen der Herr entgegengeschrittem und hatte den Fliehenden die Argand'sche Lampe nachgeschleudert, die zur Entwürdigung seines dem Wohl des Landes bestimmten stillen Aufenthalts geleuchtet hatte. Von dem Pagen, der über den Vorfall allein geschwiegen hatte, verbreitete sich der Misverstand, – er sei seit jenem Augenblicke stumm geworden.

So ward ohne alle Absichtlichkeit, blos durch poetische Volksphantasie, das kleine Ereigniß einer Täuschung, eines Aberglaubens, zu einem Wahrzeichen der ganzen Zeit, worin sich mit dem Unwillen über die heillose Fremdherrschaft das geheime Bestreben zur Herstellung des frühern Regiments verknüpfte.

Diese Stimmung im Lande kam den Verbündeten um so erwünschter, als die Zeit herannahte, wo man zur Ausführung des vorbereiteten Unternehmens auf den gehobenen Muth des Volks rechnen mußte.

Die Bewegungen in Oestreich ließen keinen Zweifel mehr über einen nahen Ausbruch des Kriegs. Die Zeitungsberichte ergänzten und berichtigten sich durch Privatnachrichten. Und als am 9. April die Oestreicher den Inn überschritten, bebten von dem Marsche dieser Armee alle hessisch-gespannten Herzen nach.

Auch Hermann theilte den Freunden aus den wiener Briefen des Kapellmeisters Reichardt interessante Schilderungen der militärischen Vorgänge und des patriotischen Aufschwungs mit. – »Alles ist jetzt in der größten Bewegung«, schrieb derselbe unter Anderm. »Nach den bairischen und sächsischen Grenzen rücken bereits einige hunderttausend Mann. Die entfernten Grenzregimenter rücken nach, und die Landwehr setzt sich in Bewegung. Alles drängt sich zur freudigsten Theilnahme; Niemand will zurückbleiben. Fürsten und Grafen errichten nicht blos ihre Landwehrbataillons und stellen sich an die Spitze: Viele von ihnen marschiren als Subalterne in Bataillons, die von Bürgerlichen, oder von Männern aus dem sogenannten kleinen Adel commandirt werden. Unzählige Beispiele von echtem Bürgersinn in allen Classen und Ständen ließen sich aufzählen. Die größten Handelshäuser sehen sich von ihren Comptoirgehülfen und Dienern entblößt; die Kinder vieler der ersten Häuser, wie Lobkowitz, Dietrichstein u. dgl. bleiben ohne Hofmeister und Lehrer, weil auch diese sich nicht des thätigen Antheils begeben wollen. Ganze Bataillons von studirenden Jünglingen wurden errichtet, und die Theater verlieren manchen guten Acteur und bleiben ohne Figuranten. Die Zurückgebliebenen werden thätig durch ansehnliche Beiträge aller Art für die Landwehrmänner und ihre zurückgebliebenen Familien. Collin, der edle Mensch und Dichter, verließ den tragischen Kothurn, und sang Kriegs- und Siegeslieder für das Volk voll Kraft und Leben u. dgl.

Von solchen Liedern war eine Auswahl den Briefen beigefügt. Es waren Gebete, Gelöbnisse, Ehrenpreise für das Haus Oestreich, oder Abschiedsworte des Greises an den Sohn, des Bräutigams an die Braut.

Aus letzterm Gedicht eines Bräutigams machten die Schlußverse einen lebhaften Eindruck auf unsern jungen Freund, indem er dabei, in Ermangelung einer Braut, an Lina dachte, die doch zunächst ihren Mann in ein gefährliches Unternehmen ziehen ließ. Die Verse lauteten:

So laß mich zieh'n. Am Siegesmahl
Soll unsre Hochzeit sein;
Bei Pauken- und Trompetenschall
Will ich dich, Liebste, frei'n.
Dann rühmt dich Jeder ins Gesicht,
Weil dich ein Held erlas,
Der über seine Liebe nicht
Des Vaterlands vergaß.

An diese Mittheilungen von allgemeinem Interesse knüpfte sich eine etwas spätere Nachricht des Kapellmeisters aus Prag, auf die man in Cassel einen besondern Werth legte. Seltsamerweise, wie Reichardt sich auf seiner Rückreise der Heimat näherte, gingen auch seine Erlebnisse diese Heimat näher an.

Der Kurfürst war nämlich aus Itzehoe nach Prag übergesiedelt, und Freund Reichardt erlebte hier die förmliche Anerkennung des vertriebenen Fürsten von Seiten Oestreichs. Eine Compagnie von der Landwehr war mit klingendem Spiel und wehender Fahne vor seiner Wohnung als Ehrenwacht aufgezogen. Graf von Wallis, als Oberburggraf, in Begleitung der angesehensten Civilpersonen, und der Stadtcommandant, General von Risch, mit Militärgefolge, waren zur Cour erschienen und hatten ein kaiserliches Rescript überbracht, worin die feierliche Anerkennung des Fürsten und die Zusage seiner Wiederherstellung als Kurfürst ausgesprochen war.

Nicht lange, so erhielten die Verbündeten in Hessen auch den unzweifelhaftesten Beweis von der guten Stimmung und Erwartung des »Herrn«. Fritz Dörnberg, des Obersten Bruder, brachte von Prag eine Anweisung auf 30,000 Thaler, die der Kurfürst für den Fall des Gelingens der Unternehmung zu Gunsten seiner Wiederherstellung bewilligte. Diese Bedingung trug freilich die Farbe des vorsichtigen Herrn, der nur auf die gewinnende Nummer einsetzen wollte. Wer aber am wenigsten Zweifel über das Gelingen hegte, waren eben die Anführer des Aufstandes.

Man vertheilte nun die Rollen für das ernste Spiel auf den Fall eines unerwarteten Anstoßes von außen, während man nur noch die vom Major Schill zugesagte preußische Hülfe abwarten wollte, um loszuschlagen. Einmal war früher schon wegen Anrückens französischer Truppen der Termin zum Ausbruch verschoben worden, und das gefährliche Geheimniß hielt sich unverrathen, obgleich wol hundert Personen in Cassel eingeweiht und an dreißig Gemeindeanführer auf dem Land instruirt waren. Gefährlicher drohten die dumpfen Gerüchte zu werden, die täglich umliefen. Bald sollten die französischen Heere aufs Haupt geschlagen sein, bald bei Hofe bereits Alles zur Flucht gerüstet werden; heut waren die Engländer in Bremen gelandet, morgen lugte der Kurfürst schon aus dem Söhrewald auf seine Residenz herab.

Bei der Vertheilung der Rollen war hauptsächlich auf den zum Commandanten der Garde ernannten Obersten von Langensturz und auf den Capitän von Bork als wachthabenden Offizier der verhängnißvollen Nacht gerechnet. Oberst Dörnberg an der Spitze seiner Chasseurs-Carabiniers commandirte die ganze Bewegung. Hermann, der junge Freund, dem man als Nichthessen, auch abgesehen von seiner Jugend und mangelnden Kriegsübung, keinen selbständigen Posten anvertraute, wurde als gutberittener Adjutant dem Obersten Dörnberg zur Verwendung besonders für den Verkehr mit Homberg, dem Herde des Ausbruchs, untergeben. Ein Posten, der unter Umständen, wenn die Truppen des Königs mit dem Aufgebot der Verbündeten handgemein wurden, sehr gefährlich für das Leben oder die Freiheit des Freundes ausfallen konnte. Hermann berechnete das nicht; ihn freute das Vertrauen eines Mannes wie Dörnberg.

Bei der Berathung und Rollenvertheilung fiel ihm nur Eines, nämlich der Ungestüm auf, womit Baron Rehfeld die Festnehmung des Generalcapitäns der Garde, Du Coudras, jetzigen Grafen von Bernterode, für seinen Antheil foderte, – er, der es sich früher nicht wollte nehmen lassen, den »leichten« König selbst auf seiner Schulter davonzutragen.

Fanchon's Regenschirm hatte einige Kälte in den vertrauten Umgang des Barons mit Hermann gebracht. Rehfeld vermied es offenbar, von seinem Erfolg bei Ablieferung des Schirms etwas Aufrichtiges mitzutheilen. Entweder war er mit der leichtfertigen Kammerjungferdame in ein Verhältniß gerathen, dessen er nicht geständig sein mochte, oder war in einer Weise abgefahren, deren er sich schämte. Ebenso räthselhaft blieb es nun aber auch, ob er sich durch einen Handstreich gegen den General an der ihm abholden Frau rächen wollte, oder mit der ihm vertrauten vertraulicher zu setzen dachte. In jedem Fall aber blieb der Baron, wie Hermann ihn kannte, ein beim Unternehmen gegen Jerôme sehr waghalsiger, ebenso kühner als kluger Mann.

 

So gingen die nächsten Apriltage hin. Die Verbündeten hatten vor allem die Rückkehr des Königs abzuwarten, der mit seiner Gemahlin einen Frühlingsausflug durch einige Departements machte.

Hermann, wie sehr ihn seine geschäftlichen Ausritte anmutheten, war augenblicklich doch sehr zufrieden damit, daß ihn die Arbeiten des Bureau vorerst in Cassel festhielten, da man jeden Tag Nachrichten aus Preußen erwartete, und er alsdann für das große Unternehmen, das bevorstand, geschäftsfrei oder doch frei zu auswärtigen Geschäften zu sein wünschte.

 

Betrachten wir den jungen Freund in seiner Lage, so finden wir allerdings, daß er sich über seine Theilnahme an dem hessischen Aufstande keine kaltverständige Rechenschaft gab. Seiner sittlichen Entrüstung über den gesellschaftlichen Zustand in Cassel hielt der Anblick eines schwungvollen neuen Staatslebens ein Gegengewicht, und gegen die Person des leichtsinnigen Königs hegte er keinen individuellen Groll. Allein der von der Universität mitgebrachte Napoleonshaß und das im Verkehr mit bedeutenden Männern nach und nach entflammte Gefühl der Schmach und Entwürdigung Deutschlands hatten sein Gemüth eingenommen. Nicht ohne anregenden Einfluß blieben dabei die achtbaren Männer, die er in den geheimen Versammlungen hörte, die Briefe Luisens – jener Freundin, deren Nimbus in der Ferne noch glänzender geworden war; ferner der Eifer seines Freundes Ludwig und vor allem auch der Schwung, den sein Herz bei dem Gedanken an Lina nahm – eine Stimmung, die gegenüber der angstvollen Abneigung Lina's vor dem Wagniß selbst doch eigentlich etwas Räthselhaftes, wenn nicht Ahnungsvolles behielt. Und am Ende, wenn es auch eine bloße Sehnsucht, ein unbestimmtes Verlangen nach Glück, nach Poesie, nach Liebe für das Leben gewesen wäre, – oder eine jugendliche Unruhe nach etwas Ungewöhnlichem, was sich ereignen, nach etwas Unnennbarem, was ihm begegnen sollte, ja nur der ungestüme Puls, den ein so herrlicher Frühling im Herzen der Jugend anregt – : Alles dies hätte den Freund zu jenem Unternehmen hintreiben können, das umfassend und unbestimmt genug aussah, um Alles zu versprechen, was eines unbefriedigten Jünglings Herz und Phantasie begehren mag.

 

In diesem erwartungsvollen Abwarten erhielt Hermann eines Tags eine Einladung zu seinem Minister von Bülow. Einladung – nicht zu einem Fest oder Schmause, sondern in dem damaligen französisch-höflichen Kanzleistil – Monsieur est invité.

Der Graf empfing ihn auf seinem Geschäftssopha, freundlich, aber gedankenvoll.

Bercagny, unser alter Gegner, war bei mir, sagte er, – im Auftrag des Königs, mit einem Befehl, den er aus Braunschweig erhalten haben will. Es sind Anzeigen von geschäftswidrigem Betragen verschiedener Steuerofficianten in einigen Cantons des Werradepartements eingelaufen. Es müssen von meinen angestellten Preußen sein, denn sie sollen an öffentlichen Orten ihre Anhänglichkeit für den unglücklichen König selbst durch Vivats haben laut werden lassen. Dies ist mir noch lieb, daß es Preußen sind: Vivats auf den Kurfürsten würde der König viel schwerer nehmen. Ich soll die Sache blos disciplinarisch untersuchen lassen und zwar – durch Sie!

Als er Hermann's Betroffenheit bemerkte, dem der Auftrag allerdings, wenn auch aus andern Gesichtspunkten, in die Quere kam, fuhr der Graf fort:

Nicht wahr, es befremdet Sie auch? Und allerdings ist das Verfahren so abweichend, daß mir eine Nebenabsicht dahinter zu stecken scheint. Ich kann mir nur durchaus nicht denken, was es sein möchte. Was mich in meinem Argwohn bestärkt, ist der Umstand, daß gerade dieser mir fatale Bercagny der Ueberbringer des Auftrags ist, den allem Vermuthen nach auch er ausgespitzt hat. Er besorgt nämlich, im Vertrauen gesagt! Jerôme's Privatpolizei. Ich kann mir keine Liebesangelegenheit dahinter denken, lächelte Herr von Bülow, wobei einer von uns Beiden gemeint wäre. Oder will man mich wegen meiner Begünstigung preußischer Subjecte compromittiren? Dann würde man aber einen Andern mit der Untersuchung beauftragen; oder will Sie auf die Zinne des Tempels führen: denn Bercagny, wissen Sie, war gegen Ihre jetzige Anstellung. Die Untersuchung mag allerdings vom König befohlen sein; der Auftrag dazu für Sie ist aber ganz gewiß ein Plänchen von Bercagny. Aber lassen Sie sich das nicht anfechten! Genug, die Sache muß geschehen, und ich kann Ihnen nur sagen: Gehen Sie gründlich dabei zu Werk – um Ihretwillen, aber auch mit vorsichtiger Schonung der Angeklagten. Diese allerdings schlechten westfälischen Patrioten sind gewiß tüchtige Officianten und wahrscheinlich Hausväter. Suchen Sie dieselben wo möglich durchzuschleppen, und bringen Sie ihnen in meinem Namen die Warnung bei, mehr Anstand und Vorsicht in ihrem Benehmen walten zu lassen. Ihre Vollmacht und die nöthigen Notizen sollen Sie morgen in der Frühe auf meinem Bureau finden. Bercagny hat sie noch zurückbehalten. Rüsten Sie sich, nach Empfang sofort Ihren Auftrag zu erledigen.

Der Minister ließ sich noch mit Hinweis auf die Pflichten und Instruktion der betreffenden Beamten darüber aus, wie eine solche Untersuchung mit Umsicht ohne überflüssige Umstände zu behandeln sei. Die Winke, die er dabei, um sie nicht ausdrücklich zu geben, so leichthin fallen ließ, hätten verrathen können, daß er den Auftrag mehr auf seine Person zielend glaubte, als auf den jungen Mann, dem er ertheilt war. Hermann dagegen bezog denselben gar nicht auf sich; es war ihm nur unangenehm, daß er sich gerade jetzt auf mehre Tage von Cassel entfernen sollte. Die Cantons waren ihm noch nicht bezeichnet; er hoffte es aber so einrichten zu können, daß er seinen Rückweg über Homberg nehme, um Lina zu sehen, und sein herzliches, herzleidendes Cordelchen mit einigen Neuigkeiten zu erfreuen.

Als er in seine Wohnung kam, hörte er, daß ein Billet an ihn mit nachdrücklicher Empfehlung desselben zur Beachtung von einem Knaben abgegeben worden sei. Das zusammengekniffene Briefchen lag auf seinem Theaterbillet, und lautete mit entstellter Handschrift:

»Herr Dr. Teutleben wird gewarnt, sich heut nach dem Theater dem Wagen der Frau Du Coudras, Gräfin Bernterode, ja nicht zu nähern.«

 

Heut? rief er verwundert aus. Bin ich denn schon je einmal in die Nähe dieses Wagens gekommen? Es ist mein Name, kein Irrthum in der Abgabe des Billets! In welchem Ruf muß ich stehen, oder welches Misverständniß waltet hier ob? Ist das vielleicht noch ein Recept von dem närrischen Apotheker, der mich mit der falschen Kammerjungfer in Verwirrung gebracht hat?

So ärgerlich und nachdenklich der Freund gestimmt war, mochte er doch nicht aus dem Theater wegbleiben. Die Oper »Joseph«, von Mehul, wurde zum ersten mal gegeben. Es war großer Zudrang zu erwarten. Er beeilte seine Vorkehrungen zur morgenden Reise, und fand wirklich nur noch einen hintern Platz in der Parterreloge.

Die Durchführung der neuen Oper war gelungen zu nennen. Hermann, heiterer gestimmt, verließ etwas vor dem Schluß seinen Platz, um die An- und Abfahrt der Wagen zu beobachten. Doch würde er sehr wahrscheinlich seines Zwecks verfehlt haben, wäre nicht in der untern Halle die Gräfin, die ebenfalls früher ihre Loge verlassen hatte, an ihm vorübergehuscht. Sie schlüpfte zwischen den vordern Wagen hindurch nach einer entfernt haltenden Equipage. Ein behender Mann im Mantel folgte ihr von außen. Aber im Augenblick, wo er ihr in den Wagen half und selbst einsteigen wollte, wurde er von zwei aus einer nahen Kalesche springenden Gendarmen gepackt, und in seinen eigenen Mantel verwickelt in die Kalesche gehoben. Beide Bewaffnete stiegen mit ein, ein Dritter zu Pferd sprengte aus dem Hintergrunde des Platzes heran, und nun im Augenblick, wo die ersten Wagen am Haus anfahren und das Parterre sich tosend entleerte, jagte der leichte Wagen fort die Königsstraße hinab.

Hermann athmete auf. Es war etwas von schadenfrohem Behagen in der Betrachtung, daß die dahineilende Kalesche seinen guten Ruf einholen werde für Diejenigen, die vielleicht ihn einzufangen gedacht hatten. – Dein Recept, unbekannter Apotheker, war gut; es ist nur an den unrechten Mann gekommen!

Mit diesem lachenden Gedanken ging er nach dem Hôtel de France des Monsieur Legendre, um sich für den glücklich ausgegangenen Verdruß etwas gütlich zu thun.



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