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Drittes Capitel.
Un poisson d'Avril.


Auch der König empfand den günstigen Einfluß des ungewöhnlichen Frühjahrs. Er fühlte sich körperlich außerordentlich wohl und geistig aufs heiterste angeregt. In solcher Stimmung war er voll Anerkennung für gute Dienste, die ihm geleistet wurden, geneigt zu Nachsicht und zum Schenken für Männer und Frauen, und im engen Kreise der Vertrauten zu Allem aufgelegt, wozu eine sinnliche Jugend in so unverdient begünstigten Lebensverhältnissen sich nur allzu leicht verlockt fühlt. Da blieb »Lätitia« nicht lange Parole, sondern das »Lustig« ward wieder ausgespielt, und wenn's recht dick kam, mit schwäbischer Zunge »luschtik« ausgesprochen, wie Jerôme wahrscheinlich das Wort zuerst von seiner Gemahlin gelernt hatte.

Um diese Zeit waren der Krone zwei Lehen heimgefallen, Bernterode und Keudelstein. Jenes bedeutendere verlieh Jerôme seinem Gardecapitän, dem General Du Coudras, den er zum Grafen von Bernterode ernannte. Er wußte, wie sehr den braven Mann das leichtfertige Betragen seiner Frau kränkte, die es sich wenig anfechten ließ, daß ihr in Folge des Vorfalls auf Bülow's Maskenfeste und zur Beruhigung des Ministers Simeon der Hof verboten war.

Außer der guten Ermunterung für seinen General hoffte doch Jerôme von dieser Standeserhöhung noch immer eine heilsame Wirkung auf die Frau, für die er fortwährend leidenschaftlich eingenommen blieb. – Sie möchte nun mehr Würde behaupten, ließ er ihr durch Marinville sagen, und die Gelegenheit ergreifen, im Rang einer Gräfin sich mit der Gesellschaft auszusöhnen und in ein anständiges Verhältniß zu setzen.

Was ihren Abendfreund betraf, so hielt Bercagny, trotz Allem, was die Gräfin Bülow zu Gunsten Hermann's erklärt hatte, den König bei der Vermuthung fest, daß der junge, liebenswürdige Inspector und kein Anderer der Liebhaber sei, um den die lebhafte Frau sich so vergessen hätte. Jerôme blieb nicht unempfindlich über einen jungen Mann, der ihm wiederholt in den Weg gekommen war, und Bercagny benutzte diese Laune, dem König einen kleinen lustigen Gewaltstreich anzurathen, hinter dem sich zugleich auch für seinen Günstling Berault die demselben früher entgangene Stelle Hermann's wiederfinden ließ. Wenn nämlich die Abendbesuche bei der Generalin noch nicht aufhören würden, wollte er, um ihre Wohnung nicht zu beunruhigen, den jungen Mann, sobald sie ihn wieder einmal aus dem Theater mitnähme, in einen Wagen packen und mit Gendarmerie nach Halle an das Haus seines Vaters bringen lassen.

Das andere Lehen gab der König seinem Generalintendanten der Civilliste, Staatsrathe Lafleche, dem Manne der schönen Bianca, der es sehr schwer ward, sich mit ihrer italienischen Zunge Baronin von Keudelstein zu nennen. Um dieser prächtigen Frau willen hatte der König schon einmal einen bedeutenden Kassendefect ihres Mannes nachgesehen. Lafleche, der Kaufmannssohn aus Marseille, war nämlich, selbst nach dem Urtheil der Franzosen, ein unbedeutender, wenig brauchbarer Mensch – homme nul et inept.

Diejenigen bei Hofe, die den König nach seiner Grundstimmung kannten, aber ihm doch nicht nahe genug standen, um auch den Modulationen derselben zu folgen, zweifelten nicht, daß bei seiner so dauernd guten Laune eine neue zärtliche Neigung im Spiele sei. Ganz ohne schien es damit allerdings nicht; nur daß Jerôme's schwungvolle Stimmung, ces goguettes de sa Majesté, weniger die Folge einer neuen Leidenschaft, als der Antrieb zu einer solchen waren. Jene sogenannte schwedische Gräfin hatte sich gegen die von Zeit zu Zeit wiederkehrende Annäherung Jerôme's fortwährend spröde gehalten. Es war eine Dame, die sich durch vornehme Haltung und liebenswürdige Manieren in einem gewissen Kreise der höhern Gesellschaft zu behaupten wußte, was man auch von dem Besuch und den kleinen Spielpartien reicher und angesehener Herren in der geschmackvoll eingerichteten Wohnung der Gräfin, beim Juden Jolberg in der Martinigasse, flüstern mochte. Vertraute wollten sogar wissen, sie halte einen besondern Agenten, der angesehenen Fremden im Theater Einladekärtchen zu ihren Abendcirkeln zustellte. Nur den Zutritt bei Hofe hatte sie, bei der Weigerung der Königin sie zu empfangen, noch nicht durchsetzen können.

Für ihren vertrauten Umgang außer den Spielpartien, für ihren Herzensverkehr, wenn man es so nennen will, ließ die Gräfin sich durch ihr Wohlgefallen an schönen blühenden Männergestalten bestimmen. Solchen Vorzug besaß Jerôme nicht, um sie so leicht einzunehmen; aber er bot statt dessen durch seine hohe Stellung eine Glücksnummer, für welche die abenteuernde Dame einen Einsatz der Eitelkeit und des Eigennutzes im Sinne hatte. Sie griff es mit Schlauheit an, und hielt den König eine Zeitlang mit seinen Anträgen hin aus Berechnung, wie es schien, daß sie mit dem Anspruch auf Empfang bei Hof die Geltung ihrer Person und den Preis ihrer Gunst steigern könnte. Zuletzt gab sie soweit nach, daß sie sich mit der Einladung zu einem der kleinern Abende des Königs begnügen wolle, wenn es nur ein aus Damen und Herren der höhern Gesellschaft gemischter Cirkel wäre. Schnell erging nun in den letzten heitern Märztagen eine Einladung zu einem Fisch- und Vogelfang, wie es hieß, auf Sonnabend den 1. April nach der Löwenburg.

Fischfang auf der waldigen Löwenburg? fragte man sich, und man ahnete wohl, daß es auf eine Aprilneckerei abgesehen sei. Da man aber wußte, wie artig und anständig der König solche Scherze ausführte, so nahm man keinen Anstand und ignorirte der Majestät zu Lieb die Absicht des kleinen Festes, und ließ dem König den Spaß.

 

Ein dunkles Abendroth verglomm hinter dem Zuge des Habichtswaldes, als man nach Napoleonshöhe hinauffuhr. Die hellen kleinen Fenster der hohen Burg leuchteten in die Dämmerung des Parks, und auf dem platten Thurme derselben brannten Pechkränze, in deren qualmender Lohe eine aufgesteckte Fahne über den Wipfeln des Waldes wehte. Im Burghofe war die Gardemusik aufgestellt, und die Hofdienerschaft wurde von einem Gehülfen des schwer an einer Brustentzündung darniederliegenden Castellans angeschickt. Eine Reihe der Zimmer war angenehm durchwärmt und erleuchtet, bis auf das vor dem verschlossenen Cabinet des Kurfürsten gelegene Gemach, das still und halbdämmerig gehalten wurde.

Jerôme empfing seine Gäste mit artigem Anstand. Es war eine kleine, ausgewählte Gesellschaft in dem für solche Abende vorgeschriebenen Costüm, das für die Damen den tiefsten Ausschnitt der Schulterbekleidung mit sich brachte.

Die schwedische Gräfin, wie man sie kurzweg nannte, weil man dem angegebenen Namen Stjernhielm nicht recht traute, und ihn daher mit lächelnder Anzüglichkeit für etwas zu schwer aussprechbar erklärte, – die Schwedin hatte diesem Costüm mehr als genug gethan. Sie erregte selbst unter den anwesenden Damen dieses Zuschnitts einiges Aufsehen, was den umstehenden Herren nicht unbemerkt blieb. Marinville, der Schalk und Spötter, machte sogar aufmerksam auf die Empfindlichkeit der Damen.

Diese saßen im Halbkreis, und die Herren gingen ab und zu, oder standen ihnen gegenüber bei seinen Erfrischungen, die umhergereicht wurden.

Sehen Sie nur, meine Herren, sagte Marinville, wie still entrüstet unsere Damen aussehen! Was halten Ew. Durchlaucht davon? Was mag es sein? Gilt es der reizenden Schwedin?

Diese Frage war an den Fürstbischof von Corvey gerichtet, der eben der Ostern wegen wieder nach Cassel gekommen war. Der joviale Prälat hatte die mündliche Einladung des Königs angenommen, sich aber gegen die etwa zu weit gehende Lustigkeit mit seinem geistlichen Anzug gerüstet. Er trug den veilchenblauen Talar mit dem bischöflichen Diamantenkreuz auf der Brust. Ein ebenso feiner geistlicher Schalk, als Marinville ein frivoler weltlicher war, antwortete der stattliche Prälat:

Ich sehe diese Entrüstung der schönen Damen mit Vergnügen, und Sie werden sich jetzt überzeugen, Herr Baron, daß unsere Hofdamen des weiblichen Zartgefühls nicht ganz so bar sind, wie ihre Brust der Bedeckung.

O Ew. Durchlaucht! rief Marinville. Ich sehe noch weiter und behaupte, daß sie noch unwilliger über die Möglichkeit als über die Wirklichkeit solcher Darlegung sind.

Wie meinen Sie das?

Ich meine, unsere zartfühlenden Damen sind verdrießlich nicht sowol darüber, daß die Schwedin soweit gegangen ist, sondern daß sie soweit gehen konnte. Wenig Damen sind für ein so kühnes Costüm so gut eingerichtet. Und doch studiren wir Männer die Geographie der Frauenschönheit nicht gern bei einem Planiglobium.

Die umherstehenden Herren lachten beifällig, und der Prälat versetzte mit heiterer Drohung des Zeigefingers:

Nehmen Sie sich in Acht, Baron! Wir sind hier auf einen räthselhaften Fisch- und Vogelfang eingeladen, und Sie sind ein großer Spottvogel, wie wir im Deutschen einen Spötter nennen.

Indem war feines Zuckerbackwerk in Form von Fischen und Vögeln angeboten worden; Jerôme trat mit seiner leichten Anmuth vor den Halbkreis der Damen und hielt eine heitere Ansprache.

Ich habe zu Fischen und Vögeln eingeladen, sagte er, aber nicht blos in Zuckerwerk, wie es sich eben Ihrem Wohlgeschmack empfiehlt, sondern auch in anderm Sinn und Bedeutung. Zuerst meine ich einen Frühlingsvogel. Ich habe in diesen letzten Tagen einen guten Bürger aus Cassel begnadigt, oder vielmehr für schuldlos erklärt. Er hatte auf den König geschimpft, aber mit einem deutschen Ausdruck. Er hatte gesagt –

Jerôme sprach die folgenden Worte ebenfalls deutsch:

»Der Kuckuk soll holen den König! Der Jerôme soll marschiren zum Kuckuk! Zum Kuckuk gehen.«

Dann fuhr er französisch fort:

Ein deutscher Mouchard hatte den Mann angezeigt, und Minister Simeon fragte an, ob ich meine Majestät von dieser Verwünschung für beleidigt hielte? – Nein, Herr Minister der Justiz, hab' ich gesagt. Der Kuckuk ist ein lieber Vogel, und wenn man zum Kuckuk geht, ist es Frühling, und der Kuckuk ruft die Nachtigallen herbei. Wirklich habe ich gestern schon einen gehört und ihn eingeladen. Hören Sie! St! St!

Alles schwieg und lauschte.

Ein Page hatte unvermerkt ein Zeichen gegeben, und es ließ sich in einiger Entfernung durch künstliche Veranstaltung ein Kuckuk hören, der so lange schlug, bis das Gelächter der Herren und Damen sich beruhigte. Dann fuhr Jerôme fort:

Aber, nun fragen Sie auch nach den Fischen, meine liebenswürdigen Damen? Fische so hoch im Wald? Ja, das sind Zauberfische, die nur einen Tag im Jahr erscheinen. Nicht durch Zauber, sondern um uns zu bezaubern!

Er winkte einem Pagen, der schon ein zierliches Fischnetz in Bereitschaft hielt. Jerôme ergriff es, und im Nu eines geschickten Wurfes lag's vor den Füßen der Damen ausgespreitet; worauf er, einige Schritte zurückgetreten, in die Hände klatschend ausrief:

Poissons d'Avril, poissous d'Avril! Les voilà!

Die Herren hinter Jerôme lachten und klaschten aufs lebhafteste mit, sodaß die ganze Neckerei offenbar auf die Damen allein fiel.

Diese sprangen auf und umringten Jerôme mit lächelnden Drohungen. Einige hoben das Netz vom Boden, und machten Miene, ihn darein zu verwickeln, um – wie sie lachten – einen königlichen Aprilfisch zu fangen.

Der König entfloh ihrem Kreis und rettete sich hinter die Herren. Diese gingen den Verfolgerinnen mit offenen Armen entgegen und faßten jeder eine. Die Musik fiel ein und spielte einen Contretanz.

Man hatte dem König die Schwedin übriggelassen, und er kam nun fast nicht mehr von ihrer Seite. Dies setzte eine heimliche Verstimmung auf den Grund eines Misverständnisses ab. Die Damen waren nämlich der Meinung gewesen, die räthselhafte Fremde sei so gelegentlich miteingeladen worden; Jerôme aber, der um ihretwillen den ganzen Scherz angeordnet hatte, behandelte sie in diesem Sinn als Ehrengast, und sie selbst benahm sich darnach.

Die Herren, in ziemlich unbefangener Unterhaltung mit den Damen und mit ihnen Jerôme beobachtend, hielten sich an das Gute, was reichlich geboten wurde. Nur der Prälat von Corvey langweilte sich herzlich. Wieviel wohler hätte er sich im Wald auf der Auerhahnbalz gefühlt! Wirklich kam er mit seinen Gedanken auf dies besondere Waidwerk, das zu seinen nobeln Passionen gehörte, und wozu Frühling und Bergwald nahe genug waren. Und wenn er jetzt den König in Alles vergessender Zuthätigkeit um die Gräfin erblickte, konnte er sich des schalkhaften Vergleichs nicht erwehren: Sieh', sieh', der echte Auerhahn! Wenn jetzt der Kurfürst heranschliche! Ich wär' begierig, ob er's auf den Hahn oder – auf die Henne anlegte!

Die Auerhenne misfiel aber dem Prälaten gründlich, zumal nach Allem, was er in den katholischen Familien der Residenz, mit welchen er bei seinen casseler Besuchen verkehrte, nicht das Beste von dieser Dame gehört hatte, um die sein König jetzt so bemüht erschien.

In dieser Stimmung empfing er die Gräfin, als Jerôme herantrat, sie ihm vorzustellen. Das kecke Selbstgefühl, womit die Dame in ihrem auffallenden Anzug, ohne Scheu vor seinem geistlichen Talar und bischöflichen Kreuz, vor ihm stand, verdroß ihn, so weltvergnügt er sich sonst zu fühlen pflegte.

Sehen Sie, mein lieber Fürstbischof, so geht's Einem! sagte Jerôme. Wir glaubten zu fischen, und wir werden gefischt. Ich komme, Sie vor dieser liebenswürdigen Fischerin zu warnen.

Marinville, der herangetreten war, setzte lächelnd hinzu:

Sie ist besonders eifersüchtig auf katholische Prälaten, die vom Apostel Petrus her ein Fischerrecht in Anspruch nehmen. Hüten sich Ew. Durchlaucht vor ihrem Netz!

Der Prälat mit etwas priesterlich niedergeschlagenen Augen erwiderte:

Ich werde diese verwegene Fischerin alsbald vor meinem königlichen Herrn verklagen. Es bestehen Verordnungen, wornach man sich beim Fischen keines Köders bedienen darf. Und die Gräfin –!

Er streifte mit einem wahrhaft geistlichen Blick ihre entblößten Schultern.

Jerôme lachte.

Ja, komm' Einer einem alten Jäger, rief er, der alle Jagd- und Fischreglements kennt!

Und doch, – Verzeihung, Sire! fuhr der Fürstbischof fort, ich vergaß, daß Ew. Majestät Hofordnung den Fischen erlaubt, was nach den ältern Verordnungen nur den Fischern verboten ist, – ein für alle mal erlaubt, das heißt – einen Köder für Alle. – – – Aber, Verzeihung Frau Gräfin, daß ich so pedantische Sachen vorbringe! Nach so viel Günstigem, als ich von der schönen Dame gehört, fühle ich recht lebhaft, wie ungeschickt ein deutscher Cölibatsmann zwischen spanischen Schlössern und schwedischen Gräfinnen sich benehmen kann!

Die Gräfin war sich viel zu lebhaft als Abenteuererin bewußt, um es nicht anzüglich zu finden, daß ihre Gräflichkeit mit Dem, was man spanische Schlösser oder spanische Dörfer zu nennen pflegte, auf eine Linie gesetzt wurde. Sie wendete sich empfindlich ab, indem sie sagte:

Ew. Majestät wollten mir ja das Cabinet –

À la bonne heure! fiel Jerôme ein. Dupac de Marsollier!

Der gerufene Page trat vor.

Schließen Sie das Cabinet auf! gebot Jerôme. Une lampe à Quinquet!

Der Page, bereits angewiesen, ergriff die Argand'sche Lampe und schritt dem Paare voraus durch das in Halbdämmerung gelassene Zimmer. Jerôme, hier seiner Gesellschaft entzogen, schmiegte sich der reizenden Dame vertraulicher an; sein flehender Blick suchte ihre Augen, die ihm auch lächelnd zublinzten.

Der Page schloß das Cabinet des Kurfürsten auf, und trat vorleuchtend halb rückwärts hinein.

In demselben Augenblick, in welchem das unruhig athmende Paar die Thür betrat, fuhren Beide zugleich mit Entsetzen zurück. Ein durchdringender Schrei der Gräfin, das Prasseln der Lampe, die der erschrockene Page fallen läßt, und der Ruf des Königs:

Schließen, schließen! folgen rasch auf einander.

Die Gesellschaft eilt herbei; aber schon kommen ihnen der König, die Gräfin, der Page, alle Drei leichenblaß, entgegen, und die Gräfin fällt halb ohnmächtig in einen Sessel.

Man umringt sie und fragt, was es sei.

Nichts, nichts! antwortete Jerôme, ohne sich doch fassen zu können. Eine Täuschung, eine Einbildung, die wir hatten!

Wir glaubten den Kurfürsten zu sehen, ächzte die Dame im Sessel. Ja, wir sahen den Kurfürsten; er erhob sich von seinem Sitz, als wir – Hu, mein Gott!

Ich sage Ihnen aber, es war eine Einbildung! rief Jerôme unruhig und abwehrend.

Ja wol, eine Täuschung, eine sonderbare Einbildung, die wir Beide zugleich hatten, – Se. Majestät hatten und ich! wendete die Gräfin ein, und setzte gegen die Damen hinzu:

Se. Majestät wollte mir nämlich das interessante Cabinet des Kurfürsten zeigen.

Still, nennen Sie ihn nicht, befahl Jerôme.

Verzeihung, Ew. Majestät! versetzte Marinville. Ich glaube, daß es nur ein – soll ich sagen Revenant d'Avril ist. Ein verwegener Aprilscherz. Hören Sie, Marsollier! Was haben Sie gesehen?

Ich? Eigentlich – ich – nichts! Ich blickte nicht hinein, ich –

Geben Sie den Schlüssel! Wir wollen gleich nachsehen!

Halt da, Marinville! rief Jerôme. Ich verbiete das. Keine Tollkühnheit diese Nacht! Marsollier, Sie sind für den Schlüssel verantwortlich. Morgen – Aber ehe wir gehen, verpflichte ich Sie Alle, Herren und Damen, das unbedingteste Stillschweigen über den Vorfall zu beobachten. Ich befehle es bei meiner Ungnade! Marinville, befehlen Sie es der Dienerschaft. Hat es nicht eben gedonnert.

Ein Wagen ist in den Hof gefahren, Sire! antwortete der Prälat von Corvey. Aber es ist allerdings sehr milde Mitternacht, – etwas gewitterhaft in der Luft – wie in der Zeit.

Die Wagen also! Gehen wir! rief Jerôme. Gute Nacht! Morgen wieder –

Er wollte in gedankenloser Verwirrung das gewohnte lustig sagen, besann sich aber und rief:

Morgen wollen wir untersuchen lassen. Es ist nichts, aber – Sie haben mir Stillschweigen gelobt. Sagen Sie mir – keine Thorheit nach. Gehen wir, die Wagen fahren an!



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