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Vorwort

Das sechzehnte Jahrhundert mit seinen religiösen und politischen Kämpfen hat eine so auffallende Ähnlichkeit mit unserem neunzehnten, daß sich diese Bemerkung uns von selbst aufdrängt, wenn wir mit unbefangenem Auge betrachten. Es ist hier nicht der Ort, einen solchen Vergleich auszuführen Ich will nur auf das hindeuten, was ich meinem Roman zum Vorwurf gegeben. Liegt nicht, was sich in Münzer's Lehre oft unklar und unbeholfen, von der Zeit befangen aussprach, in der Richtung unserer neueren Philosophie, in den kommunistischen Bestrebungen, nur schärfer und bestimmter, ausgeprägt? Zahlreiche Anknüpfungspunkte an die Verhältnisse der Gegenwart hätten sich dem Verfasser geboten, hätte er nicht seinem Romane die Objektivität unverkümmert erhalten wollen, die er dem historischen Romane vindiziert. Er begnügte sich damit, die innere Beziehung nur ahnen zu lassen, aber dem Leser, der zwischen den Zeilen wie man zu sagen pflegt, zu lesen versteht, wird sie nicht verborgen bleiben. Er ließ seine Personen sprechen, wie sie unter den gegebenen Verhältnissen gesprochen haben mögen, ohne ihnen philosophische Floskeln in den Mund zu legen, die der Neuzeit gehören. Dies Verfahren beobachtete er besonders bei dem Träger seines Romans: Thomas Münzer, jenem Charakter, der das unglückliche Schicksal gehabt hat, stets von wütenden Parteischriftstellern geschildert zu werden, so daß wir gewohnt sind, seinen Namen mit einem Fluch auszusprechen. Und doch hat kaum je ein kräftigerer Geist gelebt; selbst vor Luther hat er die Entschiedenheit der Gesinnung voraus, die eiserne Konsequenz, mit der er die Idee seines Lebens verfolgte. Die Verleumdung hat alle Mittel aufgeboten, ihn zu beflecken, die Lauterbarkeit seiner Gesinnung in Zweifel zu ziehen; aber sie war nicht umsichtig genug, die Widersprüche zu vermeiden, die uns auf das Wahre führen.

So bürdete man ihm Todesfurcht, Widerruf seiner Überzeugungen auf, und doch ist in den letzten Worten des Sterbenden, die uns dieselben Bürgen überliefern, keine Spur davon vorhanden. Das Mittel, das er als einzige erkannte, zu einem großen heiligen Zweck zu kommen, wollen wir hier weder verteidigen, noch bekämpfen, die Frage ist allein, wie er diese Überzeugung festhielt, wie er sie verfolgte: und daß er dies mit einer außergewöhnlichen Kraft, mit einer Aufopferung tat, beweist Alles, was wir aus seinem Leben wissen. Hätte Münzer gesiegt, so würden ebenso viele Zungen lobpreisen, als ihn jetzt verketzern. Er verkannte seine Kräfte, das ist sein Verbrechen. Von den gemeinen Schmähungen, mit denen man sein Ansehen besudelte, wollen wir schweigen; wir wissen, was wir davon zu halten haben, wenn wir aus demselben Munde, der Münzer den abscheulichen Antichrist nennt, über Spinoza's Lehrsätze hören: »Dies sind die gräulichen Lehren, die entsetzlichen Irrtümer, so dieser ungesalzene Philosophus (mit Gunst zu reden) in die Welt gesch….[issen]. Könnte auch der Teufel wohl ärger philosophieren?«

Daß aber auch Luther damit übereinstimmt, ist nicht zu verwundern, wenn wir den Standpunkt beider Reformatoren betrachten und befangenen Sinnes Luther's Sprüche als Gottesurteile anerkennen. Ein neuer Schriftsteller, Dr. W. Zimmermann, erst hat es gewagt, dem verketzerten Mann Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Was die Aufgabe betrifft, die sich der Verfasser gestellt, so war diese nicht leicht. Er war anfangs gesonnen, den ganzen großen Kampf in die Grenzen seines Romans zu ziehen; die flüchtigste Übersicht des ungeheuren Materials aber belehrte ihn, daß die Bewältigung desselben eine unausführbare Aufgabe und noch dazu unfruchtbare Herkulesarbeit sein würde. Dazu kam noch der Übelstand, der uns auch bei allen Nationalbestrebungen hemmend in den Weg tritt, die Zerrissenheit, der Mangel an einem Mittelpunkt. Jeder der hundert Haufen, die den Kampf führten, hat seine eigene Geschichte, und so fand der Verfasser endlich nur einen äußeren Mittelpunkt, der aber in der Tat ein innerer war: Thomas Münzer.

Daß er all diese Haufen an einem unsichtbaren Faden hielt, ist historisch nur Wahrscheinlichkeit, nicht Gewißheit. Einzelne Richtungen griff der Verfasser als Individualitäten aus der Masse heraus, so die der Kemptner Landleute. Die sich bestimmt von den plan- und formlosen Bestrebungen anderer Haufen abgrenzt. Wie die ganze Bewegung in der Zeit wurzelte, hat er zu schildern versucht, aber er fühlt nur selbst zu gut, daß es bei dem Versuche geblieben ist. Die Charaktere des Romans und die Resultate, zu denen sie kommen, mögen sich selbst verteidigen. Können sie's nicht und bleiben sie unklar, so hat der Verfasser nur eine mißlungene Arbeit zu beklagen. Jetzt, da er die Pforte seines Gebäudes schließt, weiß er, was er gewollt und was er ausgeführt. Schließlich fühlt er sich noch zu dem Geständnis bewogen, daß er dem trefflichen Werke: »Geschichte des großen Bauerkriegs von Dr. W. Zimmermann« vielen Dank schuldig ist, indem es ihm teils Resultate fertig bot, teils ihm den Schlüssel zu solchen lieferte.

Meinigen, im Mai 1844
L. K.


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