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Kapitel IX.
Frauenherrschaft

Auch in Amerika treffen wir auf weibliche Herrscher, deren Persönlichkeit auf völlig geschichtlicher Grundlage beruht. Ebenso gab und gibt es Stämme, in denen ihnen die Stellungen von Zauberinnen und Priesterinnen zugänglich waren und sind. Selbst auf die Amazonensage stoßen wir hier und da.

Zur Zeit der Spanier war die Insel Haiti in fünf Kazikate geteilt, von denen zwei von Frauen beherrscht wurden. Die eine, Anakaona, Fürstin von Xaragua, war wegen ihrer poetischen und musikalischen Talente berühmt. Außer dieser wird noch eine zweite Herrscherin mit Namen Yguanama erwähnt (Sundstral, Tippenhauer).

Als de Soto auf seinem berühmten Zuge bis zum Savannah gelangte, kam er in das Reich Cofaciqui, das eine junge und schöne Frau zur Regentin hatte (Irving). Auch Schomburgk traf in Guyana eine Frau, die sich dort durch Klugheit und Energie diese Stellung errungen hatte. Die Kazikin Orozomay im heutigen Columbien, und eine andere mit Namen Anapuya werden in alten spanischen Urkunden erwähnt (Friderici). In Honduras und San Salvador, dessen einheimischer Name Cuscatlan lautet, waren in den Kazikenfamilien die Töchter successionsfähig, und in der Gegend südlich von Monterey wies seinerzeit J. Rodriguez gleichfalls auf eine regierende Kazika hin.

Große Macht müssen nach Wright die Frauen der Seneka, eines Stammes der Irokesen, gehabt haben, welche Häuptlinge, die sich nicht bewährten, absetzen und zu gemeinen Kriegern degradieren konnten. Überhaupt hatten die Frauen der Irokesen eine bevorzugte Stellung, sie konnten unter sich eigene Ratsversammlungen abhalten, auf deren Beschluß die Krieger bedeutende Rücksicht nahmen. Ähnlich war es bei den Wyandot (Huronen).

Von den Hopi (Moki), einem Pueblostamme in Arizona wird gleiches berichtet und aus dem alten Nicaragua und von den Chibchas in Columbien liegen ähnliche Berichte vor. In Nicaragua war Quesada Zeuge einer originellen Szene. Ein Kazike hatte zu sehr dem Bacchos geopfert und der Spanier kam gerade dazu, als die drei Frauen den Häuptling an einen Pfahl gebunden hatten und ihn wegen dieses Vergehens ganz gehörig durchpeitschten.

Krause berichtet von einem weiblichen Häuptling der Niharnies, einem Stamme der Aihapaska, die sich bei den gefürchtetsten Kriegern in Recht zu setzen wußte und, wie Jacobsen schreibt, können die Chimsianfrauen sogar Hametze werden.

Hervorragende Stellung hatten die Weiber der Morotocas in der Chiquitogegend (Friderici), und zu den Ratsversammlungen der Azteken hatten alte erfahrene Frauen stets Zutritt. Auch im Süden des Kontinents bei dem ausgestorbenen Volke der Abiponen gab es eine Adelsklasse, in welche Frauen, die sich ausgezeichnet hatten, erhoben werden konnten (Dobrizhoffer).

Die höchste Gewalt, die Stellung eines Oberhäuptlings, konnten sich auch Frauen erringen bei den Winnebágoes(Dacota) und Ottáwas (Algonkin), wie wir den Mitteilungen von Carver und Tanner entnehmen.

Der Ursprung der indianischen Amazonensage datiert seit dem Jahre 1542. Gonzalo Pizorro wurde von seinem Bruder Franzisko, dem Eroberer Perus, zur Entdeckung eines gewürzreichen Landes im Osten abgesandt. Unter ihm diente als Hauptmann Franzisko Orellana, welcher seinen Vorgesetzten verräterisch mit dem einzigen Schiff der Expedition, auf dem sich alle Vorräte befanden, verliefe, den Napo hinabfuhr und in den von ihm benannten Rio de Amazonas gelangte, den er bis zur Mündung hinabfuhr, eine Großtat, welche die Congofahrt Stanleys bei weitem übertrifft.

Andeutungen gefangener Indianer über einen Staat streitbarer Weiber näherten sich der Tatsache, als die Spanier mit einem Stamm in feindliche Berührung kamen, an dessen Spitze Weiber wie rasend kämpften, die Männer ermutigten und die Feigen oder Fliehenden mit Keulen erschlugen.

Sie waren große, kräftige Gestalten, trugen das Haar über den Köpfen zusammengebunden und um die Hüften Jaguarfelle. Bewaffnet waren sie mit Bogen und Pfeilen, mit welchen Waffen sie acht Spanier töteten (Pater Carbajal).

Erneut tauchte die Amazonensage auf im Jahre 1545. Der Conquistador Paraguays, Fernando de Ribeira, berichtete, auf seinen Zügen von einem Frauenreiche etwa unter dem 12° südlicher Breite gehört zu haben, und Sir Walther Raleigh versetzte ein solches Reich an die Ufer des Tapajós.

Oft hat wohl das ungewohnte Äußere die Spanier getäuscht, so bei den Kariben, deren Krieger langflatternde Haare trugen. Bei vielen kriegerischen Stämmen kämpften die Weiber in den Reihen der Männer, wie bei den Mundurucú, und zeigten sich als höchst gefährliche Gegner der Spanier. Eine äußerst überraschende Erscheinung bot bei den Kämpfen in Michuakan ein Individuum, das in Weiberkleidung aufs tapferste kämpfend schließlich gefangen genommen wurde und sich als »pathicus« herausstellte.

Aber nicht alles ist Legende, wenn man auch keinen Amazonenstaat, wie in der griechischen Sage, antraf. So schildert z. B. Crevaux eine Kolonie am Paron, die nur aus Weibern bestand, doch waren dies keine Heldinnen, sondern unglückliche Wesen, die von ihren Männern aus dem Hause gejagt, sich hier zusammengefunden hatten und ein kümmerliches Dasein führten. Nur ein einziges Beispiel gibt es, daß doch nicht alles auf Phantasie beruht. Ziemlich genaue Nachrichten existieren von einem kleinen Weiberstaat auf dem Hochlande von Bogotá unter der Kazika Jarativa. Sie herrschte unbeschränkt über ihre weiblichen Untertanen. Kein freier Mann lebte dort, die Frauen kauften sich von umwohnenden Stämmen Sklaven, die die laufenden Arbeiten zu besorgen hatten und ihnen zugleich als Beischläfer dienen mußten (Friderici).

 


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