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Kapitel VII.
Abortus und Kindermord

Die Indianerinnen sind meist nur die Lasttiere ihrer Männer. Der Herr Gemahl faulenzt und schwatzt, raucht und trinkt mit seinen Stammesgenossen, während der unglücklichen Frau die ganze Arbeit aufgebürdet wird. Sie näht, stickt und besetzt die Kleider, bereitet die Felle, kocht und füttert das Vieh, wenn es vorhanden ist. Alles ruht auf ihren Schultern, da ist es erklärlich, daß sie sich das Leben zu erleichtern sucht. Und um der Last der Kinderaufziehung zu entgehen, greift sie zum Abortus oder sogar zum Kindermord. Besonders Kinder weiblichen Geschlechts bringen sie um, damit sie vor dem zukünftigen Schicksal, das sie an sich selbst vor Augen haben, bewahrt bleiben. Bei den Bacairi sollen nach v. d. Steinen die Frauen aus Furcht vor der Niederkunft abortieren, was schon der alte Dobrizhoffer bei den Apiponen zu bemerken Gelegenheit hatte, bei welch letzteren, wie bei vielen Reitervölkern, die Geburt äußerst schmerzhaft war. Die Karayáfrau abortiert nur, nach Aussage Ehrenreichs, auf Verlangen des Ehemannes.

Da alle Habe eines gestorbenen Pimo-Indianers verteilt wird und die Witwe dann völlig mittellos mit ihren Kindern zurückbleibt, scheuen sich die Frauen in vielen Fällen nicht, Abortus vorzunehmen oder die Kinder zu töten.

Da nun, wie gesagt, dem Morde am häufigsten Mädchen zum Opfer fallen, ist es verständlich, warum in vielen Stämmen die Zahl der Männer die der Frauen überwiegt und weshalb dann dort die Sitte der Polyandrie herrscht.

Die Dacótas (Schoolkraft) benutzen zum Abtreiben der Leibesfrucht mehrere Pflanzen, töten aber durch diese Gewaltmittel oft die Mutter mit dem Kinde. Die Weiber der Katawbas übten die Abortation in hohem Grade, besonders nahmen die außerehelich geschwängerten Mädchen vielfach ihre Zuflucht zu diesem Mittel.

Während die Odjibwä diese Unsitte verabscheuen, ist sie unter den Knistenaux (Crees), welche, wie die vorigen, zu den Algonkinstämmen gehören, und bei den Indianern im Oregongebiet sehr häufig. Die Weiber in den Stämmen am Orinoko glauben durch Geburten in jugendlichem Alter vorschnell zu verblühen, weshalb sie sich ihrer Schwangerschaft zu entledigen suchen. Derselben Ansicht sind auch die Mbayás in Paraguay und die Payaguas; bei ersteren sah Azara, wie diese Prozedur durch Schläge auf den Unterleib vor sich ging, bis Blut aus den Geschlechtsteilen hervorlief, während man die Weiber im letzteren Stamme einer Massage mit Fäusten unterwarf.

Ungewöhnlich ist die Abtreibung bei den Omáhas, welche zu der großen Sprachfamilie der Dacótas gehören, während Jacobsen diese Unsitte bei den Quecka beobachtete, wo sich der Medizinmann auf den Magen der Mädchen und Frauen hinkniete, um das keimende Leben zu ersticken. Die Indianerinnen Alaskas lassen sich den Uterus durch die Bauchdecke kneten und drücken, und die Weiber der Shasta in Kalifornien benutzen (Bankroft) große Mengen einer Farrenwurzel, die auf Fichtenbäumen wachsen, während nach Frank die Irokesinnen und andere nördlicher wohnende Stämme ein allgemein dort wachsendes Kraut als Abortivmittel gebrauchen.

Gehen wir bis zum höchsten Norden hinauf, so sehen wir, daß auch die Eskimos diesem Mißbrauche nicht fernstehen. Sie bewirken (Bessels) die Sache durch Klopfen mit Peitschenstielen und Drücken, oder nehmen einen geschärften Knochen, mit dem sie die Embryonalhüllen zerstechen, welchen sie, um die Vagina nicht zu beschädigen, mittels eines Futterals einführen.

Die Athabasken in Nordamerika, denen man die Návahoes, Apáchen und andere Stämme zurechnet, und die Bororó in Brasilien kennen viele künstliche Mittel, die diesem Zwecke dienen, jedoch kennen die Botokuden, wie der Prinz von Wied versichert, diese Unsitte nicht.

Die Guánas begraben oft die neugeborenen weiblichen Kinder lebendig, Guaycurús, Lénguas, Machicuýs, Mbayás, Kadiuéos und Guatschís lassen nur ein einziges Kind am Leben.

Trotzdem die Choróti- und Ashlúslaymädchen sehr frei vor der Ehe leben und oft ihre Geliebten wechseln, haben sie niemals Kinder, da sie sich davon durch Abtreiben oder Mord befreien.

Abortus und Kindertötung kam bei den Moxos in Bolivien aus Aberglauben vor.

Die Stämme in Nordamerika töten alle schwächlichen Kinder ohne Ausnahme.

siehe Bildunterschrift

Schwangere Karayá (Bras.) Tonfigur. Brl. Mus. f. Völkerkunde.

Stirbt die Lenguafrau bei der Geburt (Koch-Grünberg), so begräbt man das Kind mit der Mutter, und die Akaxees von Durango erschlagen das Neugeborene in diesem Falle aus Strafe, da beide Stämme annehmen, daß die Kinder die Ursache des Todes der Mutter wären. Dasselbe geschieht auf dem Isthmus bei den Dorachos mit dem Säugling. Bankroft schreibt, daß dieser Stamm der toten Mutter das Kind an die Brust legt und beide verbrennt, damit die Frau im Jenseits ihren Sprößling mit ihrer Milch weiter säugen kann.

Das Eintreten der Mannbarkeit ist ein Zeitpunkt, der bei den Indianern auf die verschiedenste Art und Weise begangen wird.


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