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Und nun, wertester Leser, eile ich zum Schlusse dieses Werks über den Umgang mit Menschen. Finden Sie etwas darin, das Ihrer Aufmerksamkeit wert ist, wird dies Buch vom Publico gütig aufgenommen und billig beurteilt, so wird mir das mehr Freude machen, als mir bis jetzt selbst der beste Erfolg irgendeiner meiner Schriften gewährt hat. Wenigstens hoffe ich, Sie werden hier keine Grundsätze antreffen, deren sich ein rechtschaffner und verständiger Mann schämen dürfte, und, wenn es sonst kein anders Verdienst hat, ihm doch das der Vollständigkeit nicht absprechen; denn ich glaube, daß doch nicht leicht irgendein Verhältnis im geselligen Leben gefunden werden könne, über welches ich nicht etwas gesagt hätte ob gut oder schlecht oder beides vermischt oder mittelmäßig von Anfang bis zu Ende, das darf ich nicht entscheiden.
Daß ein solches Buch aber, vorausgesetzt nämlich, daß der Gegenstand mit gehöriger Einsicht, Erfahrung und Menschenkenntnis behandelt wäre, nicht nur Jünglingen, sondern selbst Männern Nutzen gewähren könnte, das darf ich wohl behaupten. Man verlangt von feinen, hellsehenden Leuten immer auch esprit de conduite; aber man hat darin unrecht. Dieser Geist des Umgangs erfordert Kaltblütigkeit, Achtsamkeit auf geringe Dinge, auf Kleinigkeiten, die man bei feurigen Genies selten antrifft. Ein Wink hingegen aus einem solchen Buche kann manchen aufmerksam auf Fehler in Behandlung der Menschen machen, auf Fehler, die er an sich aus zu großer Lebhaftigkeit bis jetzt übersehn hatte.
Ich habe aber in diesem Werke nicht die Kunst lehren wollen, die Menschen zu seinen Endzwecken zu mißbrauchen, über alle nach Gefallen zu herrschen, jeden nach Belieben für unsre eigennützigen Absichten in Bewegung zu setzen. Ich verachte den Satz, daß man aus den Menschen machen könne, was man wolle, wenn man sie bei ihren schwachen Seiten zu fassen verstünde. Nur ein Schurke kann das und will das, weil nur ihm die Mittel zu seinem Zwecke zu gelangen, gleichgültig sind; der ehrliche Mann kann nicht aus allen Menschen alles machen und will das auch nicht; und der Mann von festen Grundsätzen läßt auch nicht alles aus sich machen. Aber das wünscht und das kann jeder Rechtschaffene und Weise bewirken, daß wenigstens die Bessern ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen; daß niemand ihn verachte; daß er Frieden von außen her habe; daß man ihn in Ruhe lasse; daß er Genuß aus dem Umgange mit allen Klassen von Menschen schöpfe; daß andre ihn nicht mißbrauchen oder bei der Nase herumführen. Und wenn er ausdauert, immer konsequent, edel, vorsichtig und grade handelt, so kann er sich allgemeine Achtung erzwingen, kann auch, wenn er die Menschen studiert hat und sich durch keine Schwierigkeit abschrecken läßt, fast jede gute Sache am Ende durchsetzen. Und hierzu die Mittel zu erleichtern und Vorschriften zu geben, die dahin einschlagen das ist der Zweck dieses Buchs. Ich muß bei dieser Gelegenheit ein paar Worte über den moralischen Wert und Unwert meiner Vorschriften sagen, weil der Rezensent in der Allgemeinen Literatur-Zeitung (die Rezension ist unerbeten eingeschickt worden) hierüber einige Zweifel äußert. Was ich sagen werde, soll sich nur auf eine Stelle in dieser Rezension beziehn, und wer die nicht gelesen hat, mag diese Anmerkung überschlagen! Es ist kein eigentlicher Unterschied unter dem, was wahrhaftig klug, weise und tugendhaft handeln heißt. Ob eine Handlung gut, schön, anständig sei oder nicht, das kann nur nach der Nützlichkeit der Handlung beurteilt werden, und nützlich ist nichts, was nicht edel ist. Es gibt keine Moral, als die uns lehrt, was wir uns und andern schuldig sind, und keine praktische Weisheit, als die uns tun heißt, was gut ist. Gut sein heißt weise, heißt klug sein; denn List und Ränke sind Torheit. Ich habe nicht gelehrt, wie man gewisse Absichten, sondern wie man die einzige Absicht erreichen soll, sich und andern das Leben süß und leicht zu machen. Das kann weder ohn Moral noch ohne Weisheit geschehn; aber beide zielen auf einen Zweck. Fast in jedem Kapitel habe ich unterscheidend gesagt: das lehrt Klugheit; das sind die Grenzen der Gefälligkeit, der Duldung, der Geschmeidigkeit; das darf, das soll man tun; das ist gleichgültig, dies schädlich, das nützlich; dies Pflicht!
Daß ich bei dieser Gelegenheit die Schwachheiten mancher Klassen von Leuten habe aufdecken müssen, ohne jedoch auf einzelne Subjekte unedle Fingerzeige zu geben, das war wohl sehr natürlich. Aber oh, was hätte ich sagen können, wenn ich mein Buch mit wirklichen Anekdoten hätte auszieren und spezielle Erfahrungen aus meinem Leben erzählen wollen! Schmeichle ich mich zu viel, wenn ich hoffe, daß man den Wert dieser Schonung fühlen und mir wenigstens von dieser Seite wird Gerechtigkeit widerfahren lassen? Sonderbar ist es zu sehen, aus welchen schiefen Gesichtspunkten ein Rezensent zuweilen die Sachen ansieht. Diese letzten Zeilen haben einen grundgelehrten Mann, der aber vielleicht bekannter mit seinen Büchern als mit der Welt ist, bewogen ob in gelehrter Unschuld oder aus hämischen Absichten, das will ich nicht untersuchen, in einer Rezension zu sagen: »Für diese Schonung brauche man einem ehrlichen Manne gar nicht zu danken.« Der grundgelehrte Herr lasse sich doch erzählen, daß man ein sehr ehrlichen Mann sein und dennoch aus übel verstandnem Eifer für die gute Sache Schurken- und Pinselstreiche öffentlich bekanntmachen kann; daß, wenn ich selbst dies in jüngern Jahren getan habe, mich nun aber dessen enthalte, nicht etwa Wachstum in Rechtschaffenheit, sondern erworbne Vorsichtigkeit und die Erfahrung, daß dergleichen öffentliche Darstellungen nicht bessern, sondern nur erbittern und unnütze Fehden veranlassen, mich davon abhält! Das Verbrechen, Anekdoten von der Art drucken zu lassen, ist übrigens bei weitem so groß nicht als die Bosheit, einen ehrlichen Mann, der seine Kräfte verwendet, in einem Werke die Resultate seiner nicht ganz gemeinen Welterfahrungen für die Zeitgenossen zu sammeln, bei seinen Mitbürgern verdächtig machen zu wollen.