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Sechstes Kapitel.
Über den Umgang mit Leuten von allerlei Ständen im bürgerlichen Leben

1.

Machen wir den Anfang mit den Ärzten. Kein Stand ist für das Menschengeschlecht wohltätiger als dieser, wenn er seine Bestimmung erfüllt. Der Mann, welcher alle Schätze der Natur durchwühlt und ihre Kräfte erforscht, um Mittel aufzusuchen, das Meisterstück der irdischen Schöpfung, den Menschen, von den Plagen zu befreien, von denen sein sichtbarer, materieller Teil befallen wird, die seinen Geist zu Boden drücken und oft schon seine Maschine zerstören, ehe noch einmal sich jede Kraft in ihm entwickelt hat; der Mann, der sich nicht scheuet vor dem Anblicke des Elendes, Jammers und Schmerzes, der seine Gemächlichkeit, seine Ruhe, selbst seine eigene Gesundheit und sein Leben daranwagt, um den leidenden Brüdern beizustehn, dieser Mann verdient Verehrung und warmen Dank. Er gibt einer zahlreichen Familie ihren Beschützer, ihren Erhalter, ihren Wohltäter wieder, erhält unmündigen Kindern ihren Vater, Ernährer und Erzieher, führt vom Rande des Grabes den edeln Gatten zurück in die Arme seines treuen Weibes mit einem Worte, kein Stand hat so unmittelbar segenvollen Einfluß auf das Wohl der Welt, auf das Glück, auf die Ruhe, auf die Zufriedenheit der Mitbürger als der eines Arztes. Und wenn man bedenkt, welch ein Umfang von Kenntnissen dazu gehört! Man wird es ohne Genie in keinem Stande recht weit bringen; doch gibt es Wissenschaften, in welchen ein schlichter gesunder Hausverstand und wohl noch etwas weniger recht gute Dienste tut; große Ärzte hingegen können durchaus nur die feinsten Köpfe sein. Doch das Genie macht es nicht allein aus; es gehört das emsigste Studium dazu, um es in diesem Fache weit zu bringen; endlich, wenn man überlegt, daß diese Kenntnisse mit allen Hilfswissenschaften, welche die Arzneikunde voraussetzt, grade die erhabensten, natürlichsten, ersten Grundkenntnisse des Menschen sind Studium der Natur in allen ihren Reichen, in allen ihren möglichen Wirkungen, in allen ihren Bestandteilen; Studium des Menschen an Leib und Seele, in seinen festen und flüssigen Teilen, in seiner ganzen Komposition, in seinen Gemütsbewegungen und Leidenschaften was kann dann lehrreicher, tröstender, erquickender sein als der Umgang und die Hilfe eines solchen Mannes? Es gibt aber unter den Söhnen Äskulaps auch unzählige Leute von ganz andrer Art, Leute, denen der Doktorhut das Privilegium gibt, an armen Kranken Versuche ihrer Unwissenheit zu machen; Leute, die den Körper des Patienten als ihr Eigentum, als ein Gefäß ansehn, in welches sie nach Willkür allerlei flüssige und trockne Materien schütten dürfen, um wahrzunehmen, welche Wirkung durch den Streit dieser salzartigen, sauren und geistigen Dinge hervorgebracht wird, und wobei sie nichts wagen als höchstens, daß das Gefäß zugrunde geht. Andern fehlt es bei der gründlichsten Kenntnis an Beobachtungsgeist. Sie verwechseln die Zeichen der Krankheiten, lassen sich durch falsche Berichte der Patienten täuschen, forschen nicht kaltblütig, nicht tief, nicht fleißig genug und verordnen dann Mittel, die gewiß helfen würden wenn wir die Krankheit hätten, mit welcher sie uns behaftet glauben. Wieder andre kleben an Systemgeist, an Autorität, an Mode und schieben nie auf ihre Blindheit, sondern auf die Natur die Schuld, wenn ihre Arzneimittel andre Wirkungen hervorbringen als die, welche sie aus Vorurteil ihnen zutrauen; endlich noch andre halten aus Gewinnsucht die Genesung der Leidenden auf, um desto länger nebst dem Apotheker und Wundarzte den Vorteil davon zu ziehn. In wessen von dieser Herrn Händen man nun auch fällt, so wagt man es doch darauf, das Opfer der Ungewißheit, der Sorglosigkeit, des Eigensinns oder der Bosheit zu werden.

Nun ist es freilich selbst einem Laien, der sonst einen graden Blick mit ein bißchen Menschenkenntnis, Erfahrung und Gelehrsamkeit verbindet, nicht so schwer, den groben Scharlatan von dem geschickten Manne an seinem Vortrage, an der Art seiner Fragen und Verordnungen auszuzeichnen; unter den bessern aber den zu unterscheiden, dem man am sichersten seinen Körper anvertrauen kann, das ist sehr viel schwerer. Folgende Vorschriften würde ich daher in Rücksicht auf den Umgang mit Ärzten empfehlen.

Lebe mäßig in allem Betrachte, so magst Du den Arzt als Freund bei Dir sehn, aber Du wirst seiner Hilfe selten bedürfen.

Gib wohl acht auf das, was Deiner Konstitution schädlich und heilsam ist, was Dir wohl und was Dir übel bekommt. Richte darnach strenge Deine Lebensart ein, so wirst Du nicht oft in den Fall kommen, Dein Geld in die Apotheke zu schicken.

Wenn man nicht ganz fremd in der Physik, dabei ein wenig bewandert in medizinischen Büchern ist, sein Temperament kennt und weiß, zu welchen Krankheiten man Anlage hat und was Wirkung auf uns macht, so kann man auch oft bei wirklichen Krankheiten sein eigener Arzt sein. Jeder Mensch ist einer Art von Gebrechen mehr ausgesetzt als einer andern, insofern er einförmig lebt. Studiert er nun mit Ernst diesen einzigen Zweig der Heilkunde, so müsse es sonderbar zugehn, wenn er davon nicht vielleicht mehr, wenigstens ebensoviel Einsicht erlangen sollte als ein Mann, der das ganze Heer von Krankheiten übersehn muß.

Fordert aber die Not, daß Du Dich an einen Doktor wendest, und Du willst Dir einen unter dem Haufen aussuchen, so gib zuerst acht, ob der Mann gesunde Vernunft hat; ob er über andre Gegenstände mit Klarheit, unparteiisch, ohne Vorurteil räsoniert; ob er bescheiden, verschwiegen, fleißig, anhänglich an seine Kunst ist; ob er ein gefühlvolles, menschenliebendes Herz offenbart; ob er seine Kranken mit einer Menge verschiedener Arzeneien zu bestürmen oder sich einfacher Mittel zu bedienen, der Natur womöglich ihren Lauf zu lassen pflegt; ob er eine Diät empfiehlt, die nach seinen Begierden abgemessen, ob er verbietet, was ihm zuwider ist, anrät, wozu er Appetit hat; ob er sich im Reden zuweilen widerspricht; ob er Brotneid gegen seine Kunstverwandten, ob er sich bereitwilliger zeigt, den Großen und Reichen als den Niedern und Armen beizustehn? Bist Du über diese Punkte befriedigt und beruhigt, so vertraue Dich ihm an.

Vertraue Dich aber ihm allein, gänzlich und ohne Zurückhaltung. Verschweige auch nicht den kleinsten Umstand, der dazu dienen mag, ihn mit dem Zustande und dem Sitze Deines Übels bekannt zu machen. Doch mische keine nichtsbedeutende Kleinigkeit, keine Torheiten, keine Grillen, keine Einbildungen hinein, die ihn irremachen könnten. Folge strenge und pünktlich seinen Vorschriften, damit er sicher sein dürfe, ob das, was Du nachher empfindest, die Folge seiner angewendeten Mittel sei. Desfalls lasse Dich auch nicht verleiten, nebenher kleine Hausarkana, möchten sie auch noch so unschuldig scheinen, zu gebrauchen, noch heimlich einen zweiten Arzt um Rat zu fragen. Vor allen Dingen nimm nicht etwa zu gleicher Zeit zwei solcher Herrn öffentlich an. Die Resultate ihrer medizinischen Konsilien werden ebensoviel Todesurteile für Dich sein; keinem von beiden wird Deine Genesung am Herzen liegen; sie werden Deinen Körper zu dem Kampfplatze ihrer verschiedenen Meinungen gebrauchen; sie werden einer dem andern die Ehre mißgönnen, Dich gesund zu machen und Dich also lieber gemeinschaftlich in jene Welt schicken, um nachher wechselseitig die Schuld auf einander schieben zu können.

Den Mann, der alles anwendet, was in seinen Kräften steht, Deine Gesundheit herzustellen, belohne nicht sparsam. Gib ihm reichlich nach Deinem Vermögen. Hast Du aber Ursache zu glauben, daß er eigennützig sei, so setze Dich auf den Fuß, ihm jährlich etwas Festgesetztes zu zahlen, Du möchtest unpaß oder gesund sein, damit er kein Interesse dabei habe, Dich mit allerlei Krankheiten zu versehn oder Deine Herstellung aufzuhalten.

2.

Wenden wir uns nun zu den Juristen. Nächst den natürlichen Gütern, nächst der Wohlfahrt des Geistes, der Seele und des Leibes ist in der bürgerlichen Gesellschaft der sichre Besitz des Eigentums das Heiligste und Teuerste. Wer dazu beiträgt, uns diesen Besitz zuzusichern; wer sich weder durch Freundschaft noch Parteilichkeit noch Weichlichkeit noch Leidenschaft noch Schmeichelei noch Eigennutz noch Menschenfurcht bewegen läßt, auch nur einen einzigen kleinen Schritt von dem graden Wege der Gerechtigkeit abzuweichen; wer durch alle Künste der Schikane und Überredung, durch die Unbestimmtheit, Zweideutigkeit und Verwirrung der geschriebenen Gesetze hindurch klar zu schauen und den Punkt, den Vernunft, Wahrheit, Redlichkeit und Billigkeit bestimmen, zu treffen weiß; wer der Beschützer des Ärmern, des Schwächern und Unterdrückten gegen den Stärkern, Reichern und Unterdrücker; wer der Waisen Vater, der Unschuldigen Retter und Verteidiger ist der ist gewiß unsrer ganzen Verehrung wert.

Was ich hier gesagt habe, beweist aber auch zugleich, wie sehr viel dazu gehört, auf den Titel eines würdigen Richters und auf den eines edeln Sachwalters Anspruch machen zu dürfen, und es ist, am gelindesten gesprochen, sehr übereilt geurteilt, wenn man behauptet, es werde, um ein guter Jurist zu sein, wenig gesunde Vernunft, sondern nur Gedächtnis, Schlendrian und ein hartes Herz erfordert, oder die Rechtsgelehrsamkeit sei nichts anders als die Kunst, die Leute auf privilegierte Art um Geld und Gut zu bringen. Freilich, wenn man unter einem Juristen einen Mann versteht, der nur sein römisches Recht im Kopfe hat, die Schlupfwinkel der Schikane kennt und die spitzfindigen Distinktionen der Rabulisten studiert hat, so mag man recht haben; aber ein solcher entheiligt auch sein ehrwürdiges Amt.

Doch ist es in der Tat traurig – um auch das Böse nicht zu verschweigen daß in diesem Stande die Handlungen so vieler Richter und Advokaten sowie die Justizverfassung in den mehrsten Ländern sehr mannigfaltige Gelegenheit zu jenen harten Beschuldigungen geben. Da widmen sich denn die schiefsten Köpfe dem Studium der Rechtsgelehrsamkeit, womit sie keine andren feinen Kenntnisse verbinden, dennoch aber so stolz auf diesen Wust von alten römischen, auf unsre Zeiten wenig passenden Gesetzen sind, daß sie von dem Manne, der die edlen Pandekten nicht am Schnürchen hat, glauben, er könne gar nichts gelernt haben. Ihre ganze Gedankenreihe knüpft sich nur an ihr Buch aller Bücher, an das Corpusjuris an, und ein steifer Zivilist ist wahrlich im gesellschaftlichen Leben das langweiligste Geschöpf, das man sich denken mag. In allen übrigen menschlichen Dingen, in allen andere den Geist aufklärenden, das Herz bildenden Kenntnissen unerfahren, treten sie dann in öffentliche Ämter. Ihr barbarischer Stil, ihre bogenlangen Perioden, ihre Gabe, die einfachste, deutlichste Sache weitschweifig und unverständlich zu machen, erfüllt jeden, der Geschmack und Gefühl für Klarheit hat, mit Ekel und Ungeduld. Wenn Du auch nicht das Unglück erlebst, daß Deine Angelegenheit einem eigennützigen, parteiischen, faulen oder schwachköpfigen Richter in die Hände fällt, so ist es schon genug, daß Dein oder Deines Gegners Advokat ein Mensch ohne Gefühl, ein gewinnsüchtiger Gauner, ein Pinsel oder ein Schikaneur sei, um bei einem Rechtsstreite, den jeder unbefangene gesunde Kopf in einer Stunde schlichten könnte, viel Jahre lang hingehalten zu werden, ganze Zimmer voll Akten zusammengeschmiert zu sehn und dreimal soviel an Unkosten zu bezahlen, als der Gegenstand des ganzen Streits wert ist, ja am Ende die gerechteste Sache zu verlieren und Dein offenbares Eigentum fremden Händen preiszugeben. Und wäre beides nicht der Fall, wären Richter und Sachwalter geschickte und redliche Männer, so ist der Gang der Justiz in manchen Ländern von der Art, daß man Methusalems Alter erreichen muß, um das Ende eines Prozesses zu erleben. Da schmachten dann ganze Familien im Elende und Jammer, indes sich Schelme und hungrige Skribler in ihr Vermögen teilen. Da wird die gegründeteste Forderung wegen eines kleinen Mangels an elenden Formalitäten für nichtig erklärt. Da muß der Ärmere sich's gefallen lassen, daß sein reicherer Nachbar ihm sein väterliches Erbe entreißt, wenn die Schikane Mittel findet, den Sinn irgendeines alten Dokuments zu verdrehn, oder wenn der Unterdrückte nicht Vermögen genug hat, die ungeheuren Kosten zu Führung des Prozesses aufzubringen. Da müssen Söhne und Enkel ruhig zusehn, wie die Güter ihrer Voreltern unter dem Vorwande, die darauf haftenden Schulden zu bezahlen, Jahrhunderte hindurch in den Händen privilegierter Diebe bleiben, indes weder sie noch die Gläubiger Genuß davon haben, wenn diese Diebe nur die Kunst besitzen, Rechnungen aufzustellen, die der gebräuchlichen Form nach richtig sind. Da muß mancher Unschuldige sein Leben auf dem Blutgerüste hingeben, weil die Richter nicht so bekannt mit der Sprache der Unschuld als mit den Wendungen einer falschen Beredsamkeit sind. Da lassen Professoren Urteile über Gut und Blut durch ihre unbärtigen Schüler verfassen und geben demjenigen recht, der das Responsum bezahlt. Doch was helfen alle Deklamationen, und wer kennt nicht diesen Greuel der Verwüstung?

Einen bessern Rat weiß ich nicht zu geben als den: Man hüte sich, mit seinem Vermögen oder seiner Person in die Hände der Justiz zu fallen!

Man weiche auf alle mögliche Weise jedem Prozesse aus und vergleiche sich lieber, auch bei der sichersten Überzeugung von Recht, gebe lieber die Hälfte dessen hin, was uns ein andrer streitig macht, bevor man es zum Schriftwechsel kommen lasse.

Man halte seine Geschäfte in solcher Ordnung, mache alles darin bei Lebzeiten so klar, daß man auch seinen Erben nicht die Wahrscheinlichkeit eines gerichtlichen Zwistes hinterlasse.

Hat uns aber der böse Feind zu einem Prozesse verholfen, so suche man sich einen redlichen, uneigennützigen, geschickten Advokaten man wird oft ein wenig lange suchen müssen und bemühe sich, mit ihm also einig zu werden, daß man ihm außer seinen Gebühren noch reichere Bezahlung verspreche nach Verhältnis der Kürze der Zeit, binnen welcher er die Sache zu Ende bringen wird.

Man mache sich gefaßt, nie wieder in den Besitz seiner Güter zu kommen, wenn diese einmal in Advokaten- und Kuratorenhände geraten sind, besonders in Ländern, wo alter Schlendrian, Schläfrigkeit und Inkonsequenz in Geschäften herrschen.

Man erlaube sich keine Art von Bestechung der Richter. Wer dergleichen gibt, der ist beinahe ein ebenso arger Schelm als der, welcher nimmt.

Man wappne sich mit Geduld in allen Geschäften, die man mit Juristen von gemeinem Schlage vorhat.

Man bediene sich auch keines solchen zu Dingen, die schleunig und einfach behandelt werden sollen.

Man sei äußerst vorsichtig im Schreiben, Reden, Versprechen und Behaupten gegen Rechtsgelehrte. Sie kleben am Buchstaben; ein juristischer Beweis ist nicht immer ein Beweis der gesunden Vernunft; juristische Wahrheit zuweilen etwas mehr, zuweilen etwas weniger als gemeine Wahrheit; juristischer Ausdruck nicht selten einer andern Auslegung fähig als gewöhnlicher Ausdruck und juristischer Wille oft das Gegenteil von dem, was man im gemeinen Leben Willen nennt.

3.

Ich komme jetzt zu dem Wehrstande. Wenn in unsern heutigen Kriegen noch Mann gegen Mann föchte und die Kunst, Menschen zu vertilgen, nicht so methodisch und maschinenmäßig getrieben würde; wenn allein persönliche Tapferkeit das Glück des Kriegs entschiede, und der Soldat nur für sein Vaterland, zu Verteidigung seines Eigentums und seiner Freiheit stritte, so würde auch freilich noch kein solcher Ton unter diesen Männern herrschen als jetzt, da zu einem geschickten Kriegshelden ganz andre Arten von Kenntnissen gehören, da ein paar neue Ressorts, nämlich Subordination und ein konventioneller Begriff von Ehre, auf gewisse Weise an die Stelle des kühnen Muts getreten sind und diese die Menschen zwingen müssen, da stehn zu bleiben und aus der Ferne auf sich schießen zu lassen, wo die Leidenschaften der Fürsten ihnen gebieten zu stehn und ihr Leben für wenig Groschen daran zu wagen. Dennoch war eine gewisse Rohigkeit, Zügellosigkeit und ein Hinaussetzen über alle Regeln der Moral und bürgerlichen Übereinkunft gleich als wären diese Gesetze nur Kinder des Friedens noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts fast der allgemeine Charakter eines Soldaten von hohem und niederm Range. In unsern Tagen aber sieht es damit ganz anders aus. Fast in allen europäischen Staaten findet man unter Männern und Jünglingen im Soldatenstande Personen, die durch Kenntnisse in allen Fächern der Wissenschaften und Künste, besonders in solchen, die zu ihrem Handwerke gehören, durch eine bescheidne, feine Aufführung, durch strenge Sittlichkeit, Sanftmut des Charakters und nützliche Anwendungen ihrer Muße zu Bildung des Geistes und Herzens sich der allgemeinen Achtung und Liebe wert machen. Ich würde also gar keine besondre Vorschriften über den Umgang mit Offizieren zu geben haben, wenn nicht teils so wie in allen Ständen also auch hier Ausnahmen vom Guten stattfänden, teils einige andre Rücksichten nicht mit Stillschweigen übergangen werden dürften; doch kann ich mich dabei kurz fassen.

Wer seinem Stande, seinem Alter oder seinen Grundsätzen nach sich weder aufziehn und beleidigen zu lassen, noch eine Beleidigung durch den Zweikampf auszutilgen Lust haben kann, der tut wohl, wenn er die Gelegenheit vermeidet, bei Spiel, Trunk oder andern dergleichen Fällen mit rohen Leuten vom Soldatenstande in Gemeinschaft zu kommen, oder, wenn er solchen Gelegenheiten nicht ausweichen kann, sich so behutsam, höflich und ernsthaft als möglich aufzuführen. Indessen kommt hiebei auch sehr viel auf den Ruf an, in welchen man sich gesetzt hat, und ein grader, fester, redlicher und verständiger Mann pflegt selbst von ausschweifenden, ungesitteten Leuten respektiert und geschont zu werden.

Überhaupt aber rate ich, im Reden und Handeln gegen Offiziers vorsichtig zu sein. Das Vorurteil von übel verstandner Ehre, das in den mehrsten Armeen, vorzüglich in der französischen, herrschend ist, und das von mancher andern Seite einen Nutzen stiften kann, der hier zu weitläufig zu entwickeln sein würde, befiehlt dem Offizier, auch nicht das kleinste zweideutige Wörtchen, das ihm gesagt wird, hinzunehmen, ohne Genugtuung durch Waffen zu fordern, und da hat denn vielmals ein Ausdruck, den man sich im gemeinen Leben erlauben dürfte, für ihn einen beleidigenden Sinn. Man darf zum Beispiel wohl sagen: »das war doch nicht gut«, aber keineswegs: »das war schlecht von Ihnen«, und doch muß das, was nicht gut ist, notwendig schlecht sein. Mit dieser Sprache der Übereinkunft soll man sich also auch bekannt machen, wenn man mit Personen, denen dieselbe Gesetze auflegt, umgehn will.

Daß man in Gegenwart eines Offiziers nie, auch nicht das mindeste, zum Nachteil dieses Standes vorbringen dürfe, versteht sich wohl um so mehr von selbst, da es in der Tat nötig ist, daß der Soldat seinen Stand für den ersten und wichtigsten in der Welt halte. Denn was soll ihn denn bewegen, sich einer so beschwerlichen und gefährlichen Lebensart zu widmen, wenn es nicht die Ansprüche auf Ruhm und Ehre sind?

Endlich pflegt bei dem Soldatenstande eine Art von offnem, treuherzigem, nicht sehr feierlichem, sondern munterm, freiem und durch gesitteten Scherz gewürztem Betragen uns beliebt zu machen, mit welcher man daher vertraut werden muß, wenn man mit dieser Klasse leben will.

4.

Kein Stand hat vielleicht so viel Annehmlichkeit als der eines Kaufmanns, wenn dieser nicht ganz mit leerer Hand anfängt, wenn das Glück ihm nicht entschieden zuwider ist, wenn er ein wenig vor sich gebracht hat, wenn er seine Unternehmungen mit gehöriger Klugheit treibt, nicht zu viel wagt und auf das Spiel setzt. Kein Stand genießt einer so glücklichen Freiheit als dieser. Kein Stand hat von jeher so unmittelbar tätigen, wichtigen Einfluß auf Moralität, Kultur und Luxus gehabt als die Kaufmannschaft. Wenn durch sie und durch die Verbindung, welche dieselbe zwischen entlegenen, voneinander in so viel Dingen verschiednen Völkern stiftet, der Ton ganzer Nationen umgestimmt und Menschen mit geistigen und körperlichen Bedürfnissen, mit Wissenschaften, Wünschen, Krankheiten, Schätzen und Sitten bekannt werden, die außerdem vielleicht nie, wenigstens sehr viel später, bis dahin gedrungen sein würden, so läßt sich wohl nicht zweifeln, daß, sofern die feinsten Köpfe unter den Kaufleuten eines großen Reichs sich über ein System von Wirksamkeit nach festen Grundsätzen vereinigten, es in ihrer Macht stehn müßte, welche Richtung des Verstandes und Willens sie ihrem Vaterlande geben wollten. Zum Glück für unsre Freiheit aber gibt es teils nicht viel so weitgehende, planvolle Köpfe unter Leuten dieses Standes in der Welt, teils sind sie durch sehr verschiednes Interesse so getrennt, daß sie sich nicht zur Tyrannei vereinigen können; und so fällt zwar die Wirkung nicht weg, welche der Handel auf Sitten und Aufklärung hat, aber es geht doch damit nicht methodisch zu, sondern alles geht seinen Gang an der Hand der Zeit. Indessen begreift man leicht, das eben das Ideal, welches ich von einem großen Negotianten aufgestellt habe, einen Mann von feinem, vorausschauendem, weit umfassendem Geiste und, wenn es ihm um das Wohl der Welt zu tun ist, einen Mann von edlen, erhabnen Gesinnungen bezeichnet. Auch gibt es solcher Männer in diesem Stande, und ich habe besonders während meines Aufenthalts in Frankfurt am Main und den benachbarten Gegenden deren einige kennengelernt, die wahrlich, wenn sie auf einem andern Schauplatze gestanden, unter den größten Männern ihrer Zeit genannt worden wären.

Da man nun aber keiner Vorschriften bedarf, um zu lernen, wie man mit weisen und guten Menschen umgehn soll, so will ich hier nur von dem Betragen im Umgange mit Kaufleuten von gemeinem Schlage reden. Diese werden von ihrer ersten Jugend an gewöhnlich so mit Leib und Seele nur dahin gerichtet, auf Geld und Gut ihr Augenmerk und für nichts anders Sinn zu haben als für Reichtum und Erwerb, daß sie den Wert eines Menschen fast immer nach der Schwere seiner Geldkasten beurteilen, und bei ihnen: der Mann ist gut, soviel heißt als: der Mann ist reich. Hierzu gesellt sich wohl noch besonders in Reichsstädten eine Art von Prahlerei, eine Begierde, es andern ihresgleichen, da wo es in die Augen fällt, an Pracht zuvorzutun, um zu zeigen, daß ihre Sachen fest stehen. Da sich aber mit dieser Neigung immer noch Sparsamkeit und Habsucht verbinden, und sie, sobald es nicht bemerkt wird, in ihren Häusern äußerst eingeschränkt und hungrig leben und sich sehr viel versagen, so bemerkt man da einen Kontrast von Kleinlichkeit und Glanz, von Geiz und Verschwendung, von Niederträchtigkeit und Stolz, von Unwissenheit und Prätension, der Mitleiden erregt, und so industriös auch sonst die Kaufleute sind, so fehlt es ihnen doch mehrenteils an der Gabe, ein kleines Fest durch geschmackvolle Anordnung glänzend und mit wenig Kosten einen anständigen Aufwand zu machen.

Willst Du bei diesen Leuten geachtet sein, so mußt Du wenigstens in dem Rufe stehn, daß Deine Vermögensumstände nicht zerrüttet sind; Wohlstand macht auf sie den besten Eindruck. Sei es durch Deine Schuld oder durch Unglück, so wirst Du auch bei den herrlichsten Vorzügen des Verstandes und Herzens von ihnen verachtet werden, wenn Du Mangel leidest.

Willst Du einen solchen zu einer milden Gabe oder sonst zu einer großmütigen Handlung bewegen, so mußt Du entweder seine Eitelkeit mit in das Spiel bringen, daß es bekannt werde, wieviel dies große Haus an Arme gibt, oder der Mann muß glauben, daß der Himmel ihm die Gabe hundertfältig vergelten werde; dann wird es andächtiger Wucher.

Große Kaufleute spielen, wenn sie spielen, gewöhnlich um hohes Geld. Sie betrachten das wie jeden andern Spekulationshandel; aber sie spielen dann auch mit aller Kunst und Aufmerksamkeit. Man hüte sich daher, wenn man das Spiel nicht versteht oder es nachlässig, bloß als Zeitvertreib ansieht, sich mit solchen Männern darauf einzulassen.

Laß es Dir hier ja nicht einfallen, wert auf Geburt und Rang zu setzen, besonders wenn Du arm bist, oder Du wirst Dich kränkenden Demütigungen aussetzen.

Doch pflegt in manchen Kaufmannshäusern ein Mann mit Stern, Orden und Titel geschmeichelt zu werden, und das geschieht dann aus Prahlerei, um zu zeigen, daß auch Vornehme da Gastfreundschaft genießen oder daß man mit Höfen und großen Familien in Verhältnissen steht.

Auch der Gelehrte und Künstler wird hier übersehn oder nur aus Eitelkeit vorgezogen. Er erwarte nicht, daß sein wahrer Wert erkannt werde.

Da die Sicherheit des Handels auf Pünktlichkeit im Bezahlen und auf Treue und Glauben beruht, so setze Dich bei den Kaufleuten in den Ruf, strenge Wort zu halten und ordentlich zu bezahlen; so werden sie Dich höher achten als manchen viel reichern Mann.

Wer wohlfeil kaufen will, der kaufe für bares Geld das ist eine sehr bekannte Lehre. Man hat dann die Wahl von Kaufleuten und von Waren, und man kann es niemand übel auslegen, wenn er, bei der Ungewißheit, ob und wie bald er bezahlt werden wird, für seine Ware einen übertriebnen Preis fordert oder das Schlechteste hingibt, was er hat.

Hat man Ursache, mit dem Betragen des Mannes zufrieden zu sein, mit welchem man Handlungsgeschäfte getrieben hat, so wechsle man nicht ohne Not, laufe nicht von einem Kaufmanne zu dem andern. Man wird treuer bedient von Leuten, die uns kennen, denen an der Erhaltung unsrer Kundschaft gelegen ist, und sie geben uns auch, wenn es ja unsre Umstände erforderten, leichter Kredit, ohne deswegen den Preis der Waren zu erhöhn.

Man enthalte sich, einem Kaufmanne für den geringen Vorteil, der ihm aus einem kleinen Handel mit uns zuwächst, viel Mühe, Zeitverlust und Wege zu machen. Diese Unart ist besonders den Frauenzimmern eigen, die zuweilen sich für tausend Taler Waren auspacken lassen, um nach zweistündiger Beäugelung und Betastung für einen Gulden zu kaufen oder gar alles Gesehene zu schlecht und zu teuer finden.

Bei kleinen Kaufleuten und in Städten, wo eigentlich nur Krämer wohnen, ist die unartige Gewohnheit eingerissen, daß diese oft sehr viel mehr für ihre Waren fordern, als wofür sie dieselbe hingeben wollen. Andre affektieren mit angenommener Treuherzigkeit und Biederkeit, immer den äußersten Preis zu setzen und sich keinen Heller abdingen zu lassen, und so muß man oft doppelt soviel bezahlen, als die Sache wert ist. Ersteren würde man ihre kleinen Künste leicht abgewöhnen können, wenn die Angesehensten in einer Stadt sich vereinigten, solchen Gaunern gar nichts abzukaufen. Es ist aber das jüdische Verfahren beider Art von christlichen Kaufleuten ebenso unredlich als unklug. Sie betrügen damit höchstens nur einige Fremde und solche, die von dem Werte der Waren nichts verstehen; bei andern hingegen verlieren sie allen Glauben; und wenn man erst ihre Weise kennt, so bietet man ihnen nur die Hälfte von dem, was sie fordern. Übrigens soll der, welcher kaufen will, die Augen auftun, und es ist unvernünftig, einen Handel von einiger Wichtigkeit zu schließen, ohne vorher sich Kenntnis von dem wahren Werte der Sache erworben zu haben, die man zu kaufen die Absicht hat.

Welch eine große Vorsicht man im Pferdehandel zu beobachten habe, das ist eine bekannte Sache. Bei diesem hat sich das Vorurteil eingeschlichen, daß Eltern und Kinder, Geschwister und Freunde, Herrn und Diener sich keinen Gewissensvorwurf machen zu dürfen glauben, wenn sie sich einander betrügen.

5.

Die Herrn Buchhändler verdienten wohl ein eignes Kapitel. In demselben könnte man sehr viel Wahres zum Lobe derer unter ihnen sagen, die diesen Handel nicht als einen jüdischen Erwerb treiben, so daß sie etwa wenig darum bekümmert wären, was für Bücher bei ihnen verlegt und gekauft, insofern nur Gelder daraus gelöst werden; denen es nicht gleichgültig ist, ob man sie zu Hebammen von kleinen Krüppeln und Mißgeburten braucht, ob sie zu Werkzeugen der Ausbreitung eines elenden, frivolen, falschen Geschmacks und schlechter Grundsätze dienen; sondern denen, wie unserm Nicolai, Wahrheit, Kultur und Aufklärung am Herzen liegt; die das mißkannte, im Dunkeln lebende Talent ermuntern, aus dem Staube hervorziehen, in Tätigkeit setzen und großmütig unterstützen; die den täglichen Umgang und den Verkehr mit Gelehrten und Büchern dazu anwenden, sich selber Kenntnisse zu sammeln, ihren Geist zu bilden und beßre Menschen zu werden. Und dann würde des Kontrastes wegen das Gegenbild keine üble Wirkungen machen. Das Bild eines Mannes, der, nachdem ein halbes Jahrhundert hindurch die vortrefflichsten Werke durch seine schmutzigen, geldgierigen Finger gegangen, noch immer ebenso unwissend und dumm geblieben außer was die kleinen Wucherkünste betrifft als ein zehnjähriger Knabe; der Manuskripte und neue Bücher nach der Dicke, nach dem Titel und nach dem Verhältnisse schätzt und kauft, nach welchem er vermuten kann, daß ein von falschem Geschmacke irregeleitetes Publikum darnach greifen wird; der, um diesen falschen Geschmack zu unterhalten, durch unbärtige Knaben jämmerliche Broschüren, Romänchen und Märchen schreiben und unter seiner Firma in die Welt gehn läßt; der die erbärmlichste Schmiererei, deren Nichtswürdigkeit er selbst fühlt, durch einen vielversprechenden Modetitel oder durch saubre Bildlein aufgesetzt nach Frankfurt und Leipzig schleppt und für diese Lumpereien ein schändendes Lob von feilen Rezensenten erkauft; der den Mann von Talenten wie einen Taglöhner behandelt und bezahlt, von der eingeschränkten häuslichen Lage eines armen Schriftstellers Vorteil zieht, um ein Werk, das Anstrengung aller Kräfte, Nachtwachen und Aufwand von wahrer Geistesgröße erfordert hat, und womit er Tausende gewinnen kann, wie Makulatur zu erhandeln; der, so oft ihm ein Werk angeboten wird, verächtlich die Nase rümpft und den Kopf schüttelt, um desto wohlfeiler daranzukommen; der, wie unter andern unsre Karlsruher und Frankenthaler Freunde, durch Nachdruck ein Dieb an fremdem Eigentume wird. Endlich könnte ich Vorschriften geben, wie die Schriftsteller mit Buchhändlern von dieser Art umgehn sollen, um nicht ihre Sklaven zu werden; wie man sich bei ihnen Gewicht geben kann, und in welche Form man seine Geistesprodukte gießen muß, damit sie von den Sosiern unsrer Zeit in Verlag genommen werden. Das aber sind zum Teil Zunftgeheimnisse, die unter uns großen Gelehrten nur mündlich fortgepflanzt werden und die man also nicht jedem, der bloß Leser ist, auf die Nase heften darf.

Bei der ersten flüchtigen Übersicht sollte man glauben, alle Buchhändler, die nur irgend einigen Verlag hätten, müßten reich werden. Wenn man in Deutschland vierundzwanzig Millionen Einwohner annimmt und dann rechnet, daß jedes Buch tausendmal abgedruckt würde, so beträgt das auf 24000 Menschen nur ein Exemplar und welches Buch könnte so schlecht sein, daß nicht unter 24000 Leuten einer Lust bekäme, es zu kaufen? Allein man wird bald andrer Meinung, wenn man die Schuldbücher der Herrn Buchhändler durchsieht; wenn man erfährt, daß sie von ihren Amtsbrüdern nicht mit Gelde, sondern mit Makulatur und Ladenhütern, von andern Käufern aber oft mit Vertröstungen bezahlt werden, daß man von der Summe jener 24000 beinahe den ganzen Bauernstand abrechnen muß, und daß die häufigen Leihbibliotheken und Nachdruckfabriken ihnen beträchtlichen Schaden zufügen.

Doch noch eine Bemerkung. Wer sich bei Buchhändlern, besonders in minder großen Städten beliebt machen will, der leihe und verleihe nicht viel Bücher und errichte keine Lesegesellschaften. Man kann es sonst wahrlich den armen Handelsmännern nicht übelnehmen, daß sie sich durch Nachdruck, kleine Künste und sparsames Honorarium an ihren Kollegen, am Publico und an den Autoren zu erholen suchen, wenn unter zwanzig Personen kaum einer ein Buch kauft, die übrigen aber umsonst mitlesen.

6.

Ich habe im ersten Teile dieses Buchs, bei Gelegenheit, da ich Bemerkungen über den Umgang mit Wohltätern machte, zugleich von dem Betragen in Rücksicht auf Lehrer und Erzieher geredet. Unter dieser Klasse habe ich aber die sogenannten Maîtres, das heißt: die stundenweise bedungenen Unterweiser in Sprachen und Künsten nicht mitbegriffen. Von diesen werde ich daher noch hier ein paar Worte sagen.

Wirklich ist es eine recht lästige Beschäftigung, zu Erringung seines Unterhalts den ganzen Tag durch Wind und Wetter von einem Hause in das andre zu laufen und ohne freie Wahl der Schüler dieselben Anfangsgründe einer Kunst oder Sprache unzähligemal wiederholen zu müssen. Findet man nun unter diesen Meistern dennoch einen Mann, dem trotz dieser abschreckenden Schwierigkeiten die Fortschritte, welche seine Schüler machen, mehr als der Gewinst am Herzen liegen, dem es ernstlich darum zu tun ist, seine Kunst leicht, gründlich, lebhaft und deutlich vorzutragen, so ehre man diesen wie jeden andern, der etwas zu unsrer Bildung beiträgt. Man folge ihm. Man lasse es nicht dabei bewenden, die Lehrstunde auszuhalten, sondern bereite sich darauf vor und wiederhole das Gelernte, damit er seine schwere Arbeit nicht mit Seufzen verrichte. Oft aber trifft man unter diesen Herrn sehr schlechte Subjekte an; Menschen ohne Erziehung und Sitten, die von dem, was sie andern beibringen wollen, selbst keine klaren Begriffe, am wenigsten aber die Gabe haben, in andern dergleichen zu erwecken; Menschen, die, besonders wenn sie es mit Kindern zu tun haben, ihre Schüler etwas auswendig lernen lassen, womit sie gelegentlich die unwissenden Eltern täuschen können, welche dann große Begriffe von den Fortschritten fassen, die gemacht werden, indes der Meister froh ist, wenn die Stunde glücklich vorübergegangen; Menschen, die, um diese Stunde zu vertreiben, Stadtmärchen erzählen, aus einem Hause in das andre tragen oder gar das unedle Handwerk von Kupplern und Liebesbriefträgern verwalten. Ich kann jeden sorgsamen Vater und wem sonst junge Leute anvertraut sind, nicht genug vor dieser bösen Gattung von Unterweisern warnen und rate soviel möglich bei den Lehrstunden solcher Meister, die man nicht recht genau kennt, gegenwärtig zu sein.

7.

Ein redlicher, arbeitsamer und geschickter Handwerksmann oder Künstler ist eine der nützlichsten Personen im Staate, und es macht unsern Sitten wenig Ehre, daß wir diesen Stand so geringschätzen. Was hat ein müßiger Hofschranze, was hat ein reicher Tagedieb, der um sein bares Geld sich Titel und Rang erkauft hat, vor dem fleißigen Bürger voraus, der seinen Unterhalt auf erlaubte Weise durch seiner Hände Arbeit erwirbt? Dieser Stand befriedigt unsre ersten und natürlichsten Bedürfnisse; ohne ihn würden wir für unsre Nahrung und Kleidung und für alle Gemächlichkeiten des Lebens mit eigenen hohen Händen sorgen müssen; und erhebt sich nun gar der Handwerker oder Künstler (wie es sehr oft der Fall ist) über das Mechanische durch Erfindungskraft und Verfeinerung seiner Kunst, so verdient er doppelte Achtung. Dazu kommt, daß man wirklich unter diesen Leuten, die bei ihren Geschäften Zeit genug haben, an andre gute Dinge zu denken, zuweilen die hellsten Köpfe und Männer antrifft, die freier von Vorurteilen sind als viele, die durch Studieren und Systemgeist ihre gesunde Vernunft verschroben haben.

Man ehre also einen rechtschaffenen und fleißigen Handwerksmann und betrage sich höflich gegen ihn. Man gehe nicht ohne Not, solange man von seiner Arbeit, von seinem Fleiße und von seinen Preisen zufrieden ist, von ihm ab, um sich an einen andern zu wenden. Man mache nicht den Handwerksneid unter diesen Leuten rege. Man ziehe bei gleichen Umständen den Handwerksmann, der unser Nachbar ist, dem entfernter wohnenden vor. Man bezahle ordentlich, pünktlich, bar und dinge ihm nicht über die Grenzen der Billigkeit ab. Unverantwortlich ist das Verfahren so vieler Vornehmen und selbst Reichen, die bei allem Aufwande, den sie machen, nur zuletzt daran denken, die Handwerksleute, welche für sie arbeiten, zu befriedigen. Sie verlieren vielleicht in einem Abende Tausende im Spiel und machen es sich zu einem Ehrenpunkte, diese Schuld ohne Aufschub zu tilgen; ihr armer Schuster hingegen muß, um eine Rechnung von zehn Talern, worunter mehr als die Hälfte in baren Auslagen von seiner Armut besteht, bezahlt zu erhalten, jahrelang manchen sauren Weg vergebens tun und sich von einem groben Haushofmeister abweisen lassen. Dies stürzt so manchen ehrlichen, sonst wohlhabenden Bürger in Mangel oder verleitet ihn, ein Betrüger zu werden.

Es herrscht aber unter den Handwerksleuten die unartige Gewohnheit des Lügens. Sie versprechen, was sie weder halten können noch halten wollen, und übernehmen mehr Arbeit, als sie in der verheißenen Frist zu liefern imstande sind. Es würde der Mühe wert sein, daß sich, wie ich etwas Ähnliches vorgeschlagen habe, als ich von dem Überfordern der Krämer redete, die angesehensten Leute einer Stadt dahin vereinigten, bei einem solchen Windbeutel nicht mehr arbeiten zu lassen. Was mich betrifft (der ich vielleicht zu pedantisch auf Worterfüllung und Ordnung halte), ich mache mit den Handwerksleuten, welche für mich arbeiten, den Vertrag, daß ich augenblicklich von ihnen abgehe, sobald sie mir ihre Zusage nicht halten. In ihrer Gegenwart schreibe ich mehrenteils die Stunde auf, in welcher sie die Arbeit zu liefern verheißen; ist nun diese Stunde erschienen und sie stellen sich nicht ein, so haben sie vom frühen Morgen bis in die Nacht vor mir und meinen Leuten keine Ruhe. Dadurch nun, und weil ich jedesmal bei Ablieferung der Arbeit bar bezahle, erlange ich, daß ich seltener belogen werde als andre.

8.

Ein Blick zurück auf das, was ich von dem Umgange mit Kaufleuten gesagt habe, erinnert mich, daß ich bei dieser Gelegenheit auch von den Juden als gebornen Handelsmännern hätte reden sollen. Ich will aber das wenige, so ich etwa über diesen Gegenstand vorzutragen habe, hier nachholen.

In Amerika trifft man sehr viele Juden an, die durchaus in allen ihren Sitten mit den Christen übereinstimmen, auch sogar mit christlichen Familien durch wechselseitige Heiraten sich verbinden. In Holland und einigen Städten von Deutschland, besonders in Berlin, ist die Lebensart mancher jüdischen Familien von der Weise, wie andre Religionsverwandte leben, auch fast gar nicht unterschieden. In diesen Fällen nun ist eine von den Ursachen gehoben, weswegen der Charakter dieses Volks so viel nicht vorteilhafte Eigenschaften hat. Daß übrigens die höchst unverantwortliche Verachtung, mit welcher wir den Juden begegnen, der Druck, in welchem sie in den mehrsten Ländern leben, und die Unmöglichkeit, auf andre Weise als durch Wucher ihren Lebensunterhalt zu gewinnen, daß dies alles nicht wenig dazu beiträgt, sie moralisch schlecht zu machen und zur Niederträchtigkeit und zum Betruge zu reizen; endlich daß es, ungeachtet aller dieser Umstände, dennoch edle, wohlwollende, großmütige Menschen unter ihnen gibt das sind bekannte, oft gesagte Dinge. Betrachten wir aber hier die Juden nicht wie sie unter andern Umständen sein könnten, noch wie einzelne Subjekte unter ihnen sind, sondern so, wie wir jetzt ihren Volkscharakter nach der größern Anzahl beurteilen müssen.

Sie sind unermüdet da, wo etwas zu gewinnen ist und machen durch ihren engen Zusammenhang in allen Ländern und dadurch, daß sie sich durch keine Art von Behandlung und Zurückweisung abschrecken lassen, fast unmögliche Dinge möglich. Man kann sie daher unter der Hand zu den wichtigsten Verhandlungen brauchen, nur muß man ihre Dienste gut bezahlen.

Sie sind verschwiegen, wo sie Interesse dabei finden; vorsichtig, zuweilen zu furchtsam, doch fürs Geld bereit, das Ärgste zu wagen; verschlagen, witzig, originell in ihren Einfällen; Schmeichler im höchsten Grade, und finden also Mittel, sich ohne Aufsehn in den größten Häusern Einfluß zu verschaffen und durchzusetzen, was man ohne sie schwerlich erlangen würde.

Sie sind mißtrauisch. Haben wir sie aber einmal von unsrer Pünktlichkeit im Bezahlen und von der Heilighaltung unsers Worts überzeugt; haben sie oft Geschäfte mit uns gemacht und wissen, daß wir mit unsern Finanzen nicht ganz übel stehen, so kann man auch bei ihnen Hilfe finden, wenn alle christlichen Wucherer uns im Stiche lassen.

Bist Du aber ein schlechter Wirt oder sind Deine Vermögensumstände in einer zweideutigen Lage, so wird niemand dies leichter gewahr werden als der Jude. Rechne dann nicht darauf, daß er Dir Geld vorschießen werde, oder mache Dich gefaßt, ihm, wenn er es auf Spekulation daran wagt, Dich zu so übertriebenen Prozenten und zu solchen Klauseln verbindlich machen zu müssen, daß dadurch Deine Lage gewiß noch unglücklicher wird.

Es wird den Juden gewaltig schwer, sich vom Gelde zu scheiden. Wenn jemand, den sie nicht recht genau kennen, sie um ein Darlehn anspricht, so werden sie denselben auf einen andern Tag wieder bestellen. Unterdessen forschen sie bei Handwerkern, Nachbarn, Bedienten und dergleichen nach den kleinsten Umständen des künftigen Schuldners. Kommt dieser zur bestimmten Zeit wieder, so läßt sich der Jude verleugnen oder verschiebt die Zahlungen noch um einige Wochen, Tage oder Stunden. Und ist auf Deinem Gesichte nur irgendeine Spur von Verlegenheit über Deine Umstände oder von zu großer Freude über die zu hoffende Hilfe zu lesen, so wird der Jude sich nicht von seinem Mammon trennen, und hätte er auch schon angefangen, das Geld hinzuzählen. Daß er Dir immer das leichteste Gold gibt, das versteht sich von selber. Auf dies alles muß man sich gefaßt machen, wenn man in solche Fälle kommt.

Bei dem Handel mit Hebräern gemeiner Art rate ich die Augen oder den Beutel zu öffnen. Es ist sehr natürlich, daß ein Christ sich auf ihre Gewissenhaftigkeit, auf ihre Beteuerungen nicht verlassen darf. Sie werden Euch Kupfer für Gold, drei Ellen für vier, alte Sachen für neue verkaufen, falsche Münze für echte geben, wenn Ihr es nicht besser versteht.

Wenn man alte Kleider oder andre Sachen an Juden verhandeln will, so suche man mit dem ersten, der uns ein irgend leidliches Gebot tut, sogleich einig zu werden. Läßt Du ihn fortgehn, ohne sein Gebot anzunehmen, so wird die Nachricht, daß bei Dir etwas zu schachern sei und daß man Mendeln oder Jokef den Handel nicht verderben dürfe, wie ein Lauffeuer durch die ganze Judenschaft gehn und in der Synagoge publiziert werden; in solchen Fällen halten sie treulich zusammen. Es werden dann haufenweise die Israeliten, fremde und einheimische, Dein Haus bestürmen, aber jeder später kommende wird immer etwas weniger bieten als der vorhergehende, bis Du endlich entweder den ersten wieder aufsuchst, der aber dann die gleich anfangs gebotene Summe noch vermindert, oder bis Deine Ware Dir so zuwider wird, daß Du sie für die Hälfte des Werts einem andern hingibst, der sie treulich dem ersten einhändige. Wenn auch ein Jude von gemeiner Art Dir im Handel so viel bietet, als Du etwa fordern zu dürfen glaubst, so schlage doch nicht gleich zu. Er wird sonst zurückziehn, entweder weil er nun denkt, er hätte noch wohlfeiler darankommen können oder es stecke Betrug dahinter.

Ist man seines Kaufs mit einem Trödeljuden völlig einig, so wird er doch noch versuchen, uns zu hintergehn. Er wird gewöhnlich sagen: er habe kein bares Geld bei sich, wolle uns aber die Uhr oder so etwas zum Unterpfande lassen. Er weiß wohl, daß man das selten annimmt. Gibt man ihm nun Kredit und das Gekaufte mit, so schleppt er dies in der ganzen Stadt umher, bietet es feil und bringt es endlich wieder, mit dem Bedeuten: man solle etwas schwinden lassen; er habe sich übereilt. Oder er kommt gar nicht wieder, und man muß lange hinter der Bezahlung herlaufen. Auch wollen sie gar zu gern Ware statt Geld geben, denn die bare Münze ist ihnen sehr an das Herz gewachsen. Auf dies alles darf man sich nicht einlassen. Etwas ganz Charakteristisches hat diese Nation übrigens in allem. Ich rede von dem großen Haufen derselben, nicht von denen, die sich (vielleicht nicht zu ihrem Glücke) nach den Sitten der Christen umgebildet haben. Man höre die Musik in ihren Tempeln und die ganz originelle Art, wie sie dieselbe vortragen. Man sehe sie tanzen. Man gebe acht auf die Verzierungen, welche auch die reichsten alten Juden in ihren Häusern anbringen, ob nicht immer etwas von den Knäufen an dem Tempel Salomons, von den Verzierungen der Bundeslade, Scharlach, Rosenrot und gezwirnte weiße Seide mit unterläuft.

9.

In den mehrsten Provinzen von Deutschland lebt der Bauer in einer Art von Druck und Sklaverei, die wahrlich oft härter ist als die Leibeigenschaft desselben in andern Ländern. Mit Abgaben überhäuft, zu schweren Diensten verurteilt, unter dem Joche grausamer, rauhherziger Beamter seufzend, werden sie des Lebens nie froh, haben keinen Schatten von Freiheit, kein sicheres Eigentum und arbeiten nicht für sich und die Ihrigen, sondern nur für ihre Tyrannen.

Wen nun die Vorsehung in die glückliche Lage gesetzt hat, zu Erleichterung dieser so sehr gedrückten und doch so wichtigen, so nützlichen Menschenklasse etwas beitragen zu können, oh der schaffe sich doch die süße Wonne, in den kleinen Hütten der Landleute Freude zu verbreiten und seinen Namen von Kindern und Enkeln mit Segen genannt zu hören.

Wohl freilich sind die Bauern zum Teil so hartnäckige, zänkische, widerspenstige und unverschämte Geschöpfe, daß sie aus der geringsten Wohltat eine Schuldigkeit machen, daß sie nie zufrieden sind, immer klagen, immer mehr haben wollen, als man ihnen zugestehn kann; allein sind wir nicht selbst durch lange fortgesetzte unedle Behandlung und Vernachlässigung ihrer Bildung daran Schuld, daß niederträchtige Gesinnungen bei ihnen herrschend werden? Und gibt es nicht einen Mittelweg zwischen übertriebener Nachsicht und despotischer Strenge und Grausamkeit? Ich verlange nicht, daß ein Landes- oder Gutsherr sich des Rechts begeben soll, seine Untertanen zu gewissen schuldigen Diensten zu brauchen; allein er soll nicht, damit er zum Beispiel das grausame Vergnügen einer Hirsch- und Schweinemetzelei schmecke, den Bauern zu einer Zeit, wo seine Gegenwart zu Hause ihn und seine Familie gegen Mangel schützen muß, mehr Tage hintereinander in strenger Kälte mit leerem Magen herumlaufen und Ohren und Nasen erfrieren lassen. Er soll ihm die schuldigen Abgaben nicht schenken; aber er soll Nachsicht mit seinen Umständen haben, Rücksicht auf erlittene Unglücksfälle nehmen und darauf achten, daß die Beamten die Gelder zu einer Zeit eintreiben, wo es dem armen Landmanne weniger schwer wird, bare Münze aufzutreiben, ohne sich mit Leib und Seele dem Juden oder dem bösen Feinde zu verschreiben.

Man schwätzt soviel von Verbesserung der Dorfschulen und Aufklärung des Landvolks; allein überlegt man auch wohl immer genau genug, welch ein Grad von Aufklärung für den Landmann, besonders für den von niedrigem Stande taugt? Daß man den Bauern nach und nach mehr durch Beispiele als durch Demonstrationen zu bewegen suche, von manchen ererbten Vorurteilen in der Art des Feldbaues und überhaupt in Führung des Haushalts zurückzukommen; daß man durch zweckmäßigen Schulunterricht die törichten Grillen, den dummen Aberglauben, den Glauben an Gespenster, Hexen und dergleichen zu zerstören trachte; daß man die Bauern gut schreiben, lesen und rechnen lehre; das ist löblich und nützlich. Ihnen aber allerlei Bücher, Geschichten und Fabeln in die Hände zu spielen; sie zu gewöhnen, sich in eine Ideenwelt zu versetzen; ihnen die Augen über ihren armseligen Zustand zu öffnen, den man nun einmal nicht verbessern kann; sie durch zu viel Aufklärung unzufrieden mit ihrer Lage, sie zu Philosophen zu machen, die über ungleiche Austeilung der Glücksgüter deklamieren; ihren Sitten Geschmeidigkeit und den Anstrich der feinen Höflichkeit zu geben das taugt wahrlich nicht. Ohne alle diese künstlichen Hilfsmittel trifft man indessen unter alten Landleuten Menschen von so unverfälschtem Sinne, von so hellem, heiterm Kopfe und von so festem Charakter an, daß diese manchen hochstudierten Herrn beschämen könnten. Im ganzen betrage man sich gegen den Bauern treuherzig, grade, offen, ernsthaft, wohlwollend, nicht geschwätzig, konsequent, immer gleich, und man wird sich seine Achtung, sein Zutrauen erwerben und viel über ihn vermögen.

Von Land-Edelleuten und andern Personen höhere Standes, die in den Dörfern leben, gilt zum Teil dasselbe. Man nehme keinen Residenzton mit zu ihnen hin, hüte sich vor leeren Komplimenten, nehme teil an ihren ländlichen Freuden, Sorgen und Geschäften und verbanne allen Zwang im Umgange mit ihnen, ohne jedoch zu schmutziger, pöbelhafter Aufführung herabzusinken, so wird man ihnen als Gast, Nachbar, Freund und Ratgeber willkommen sein.


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