Klabund
Roman eines jungen Mannes
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XXX

Als das Dienstmädchen auf dem Tische Ordnung machte, fiel ein Brief herunter und lag bläulichblaß auf dem Fußboden. Der erste Strahl der Februarsonne huschte über ihn und zeigte mit goldenen Fingern auf ihn. Sie hob ihn auf.

»Zeigen Sie her«, sagte er.

Er hatte den Brief doch in die Schublade gelegt. Wie war er denn auf den Tisch gekommen?

Er schob ihn in ein Buch. Er ärgerte sich, als ob der Brief Beine hätte zum Wandern. Er entsann sich genau, ihn nicht auf den Tisch gelegt zu haben. Übrigens wird er mich nicht zwingen, ihn zu lesen.

Er besuchte den Naturforscher und Politiker nebenan. Der liegt schon sechs Monate hier und man weiß immer noch nicht, was er hat. Dafür reibt man ihn wöchentlich mit grüner Seife ein und hat ein Gestell an seinem Bett befestigt, woran man ihn, wie Christus am Kreuz, zuweilen aufhängt. Hängemassage. Sein Gesicht zerfiel mehlig wie Blätterteig.

Josua sah deutlich den von Goethe entdeckten Knochen durch die Haut schimmern.

Er hatte eine Zeitung auf der Decke liegen und wies mit zitterndem Knöchel darauf.

Josua mußte schwerfällig überlegen. Dann fiel ihm ein: gestern war Reichstagswahl.

»So, so«, sagte er. Politik war ihm ein leeres Wort, ein leeres Gefäß geworden, in das jeder seine Brühe gießt. Wie »Kunst«.

Auch so ein Begriff.

Ich will nichts mit Begriffen zu tun haben, ich will überhaupt nicht begreifen, nur greifen.

– Josua sah in dem Buch nach, er war neugierig, ob der Brief wieder Beine bekommen hatte: Er lag noch auf demselben Fleck. Er sah sich den Poststempel an.

München.

Von ... Ruth.

Also deshalb läuft er mir nach.

Er las ihn nicht, zerschnitzelte ihn und ließ die Schnitzel zum Fenster hinaus wie Schnee über die zahmen Rehe niedergehen.


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