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Zurückkunft nach Maulbronn

Als wir in Maulbronn wieder angekommen waren, war mein erstes, nach meinem Garten zu sehen. Die Pflanzen, die ich, als ich Maulbronn im Frühjahr verließ, angesäet und gepflanzt hatte, standen nun im Herbste in voller Blüte oder waren schon verblüht. Die Beete bunter Astern, Nelken und Herbstrosen waren jetzt meine innige Freude. Damals wußte man noch nichts von Georginen, Azalien, Kamellien, Rhododendren usw., man begnügte sich mit Astern, Levkojen, Balsaminen, Nelken, Herbstrosen, Reseden, Veilchen, Lilien und Rosen, und diese Blüten meiner Jugend sind mir auch noch die liebsten im Alter; ihr Geruch führt mich immer in jene Tage meiner Kindheit, und besonders, wo ich auch bin, immer wieder in meinen lieben Garten im Kloster Maulbronn.

Mein Vater gab sich mit meinem Unterricht auch selbst viel in Liebe ab; ich blieb auch immer noch der Begleiter in seine Gärten, zu seinen Bäumen und Bienen, wo er mich das Inokulieren und Zweigen lehrte und mich zu andern kleinen Gartenarbeiten anhielt. Ich war auch hier wieder viel zerstreut, aber nie untätig. Zur Nachtzeit, wenn er in seinem Altvatersessel saß, nahm er mich oft zwischen seine Füße oder auf seinen Schoß und erzählte mir von fremden Ländern, ihren Menschen, Tieren und Pflanzen, auch Geschichten aus seiner Jugend, oder trat er mit mir vor das geöffnete Fenster und erklärte mir den gestirnten Himmel; auch von Meteoren und Mondsteinen sprach er. Ich erinnere mich, daß er mir da einmal den Bericht eines Dorfschulzen aus dem Oberamte Maulbronn aus früheren Zeiten vorlas, den er in seiner Registratur gefunden, welcher von einem feurigen Drachen berichtete, der, im Angesicht der ganzen Gemeinde, abends hoch durch den Himmel gefahren und aus seinem Rachen mit furchtbarem Knall feurige Steine gespieen habe. Offenbar war dies eine Explosion von Meteorsteinen; mein Vater erklärte mir den Bericht auch auf diese Weise.

Mein weiterer Unterricht in Maulbronn wurde nun auch wieder wie früher durch den Professor Mayer und durch die älteren Studierenden fortgesetzt, auch erteilte mir Professor Hiller Unterricht in der Geschichte, Geometrie usw.; aber es wurde nicht mehr der Ernst und die Strenge wie in Brakkenheim eingehalten, auch hatte ich nicht mehr die Kameraden, denen ich nacheiferte, die ich dort hatte, und insofern wäre es besser gewesen, man hätte mich dort gelassen. Mir aber, der ich das nicht so ermaß, war natürlich der Aufenthalt im elterlichen Hause wieder sehr erwünscht; denn fern von meinen Eltern, Blumen und Tieren blieb mir, war ich auch noch so zerstreut, doch immer ein Heimweh im Herzen.

Die künftigen Verwandten

Bald als wir ankamen, wurde das Kloster von Fremden erfüllt; denn es fand eine Einlieferung von neuen Alumnen statt; sie kamen aus dem Kloster Denkendorf und wurden meistens von ihren Eltern und Pflegern begleitet, die in die Häuser der Professoren und Beamten nach eigner Wahl von diesen einquartiert wurden. Meinem Vater fiel unter ihnen ein Mann auf, der ein besonders einnehmendes und redliches Aussehen hatte und für den er sogleich die größte Zuneigung fühlte; diesen erwählte er sich aus allen zum Gaste. Der Sohn, den er mitgebracht hatte, fiel mir darum auf, weil ich meinte, ich hätte ihn schon oftmals gesehen. Er selbst versicherte mich, daß wir uns gewiß noch nie gesehen, aber ich ließ mirs nicht nehmen, dachte ihm immer nach, und auf einmal kam es mir, daß ich ihn in jener Traumnacht unter den Bildern auf den Fenstern der Kirche zu Heilbronn mehr als einmal sah, und zwar meistens in der Nähe jener Gestalt, die mir so oft auf ihnen erschien und nach der mir immer ein Heimweh auch selbst unter meinen Blumen blieb. Jenen Mann aber, seinen Vater, den mein Vater so lieb gewonnen, erinnerte ich mich nie vorher je gesehen zu haben; auch in meinen spätem Jahren sah ich ihn nie wieder; aber er blieb mir mit seinem menschenfreundlichen Gesichte, silberweißen Haaren und lieben Wesen farbig und tief ins Gedächtnis eingeprägt, ob ich ihn gleich damals als Kind nur kurz und oberflächlich sah. Dieser Mann war der Professor Ehemann von Denkendorf, dessen Tochter Friederike, als ich sie zehn Jahre später zum erstenmal erblickte, die treue Gefährtin meines Lebens, so wie dieser ihr Bruder, auch in viel späteren Jahren, mein inniger Freund und Teilnehmer an vielen Jahren meines Lebens wurde.

Sie war mit mir in gleichem Alter, und die ersten der Studenten, die von Denkendorf nach Maulbronn promoviert wurden und mir in Maulbronn Unterricht erteilten, hatten vorher auch ihr Unterricht in Denkendorf erteilt. Nur in diesem Rapporte standen wir, hörten aber nie voneinander und sahen einander nie als in jener spätem Zeit, wo wir uns auf ewig verbanden. Hätte mein Vater damals geahnt, welchen künftigen nahen Verwandten er sich zum Gaste auserwählt! Vielleicht war aber diese seine Wahl schon eine geheime Ahnung, die er nicht zu deuten wußte. Der Mann schied nach kurzem Aufenthalte auch ganz begeistert von meinem Vater. Sie sahen einander nie wieder.

Der Bauer Rapp

Es hatte sich damals in Württemberg und besonders zahlreich im Oberamte Maulbronn eine Sekte gebildet, deren Anhänger sich Separatisten nannten. Sie waren ihren Grundsätzen nach Spiritualisten, Opposition gegen alle Kirche, mehrere sogar Pantheisten. Ihre politische Schwärmerei war nur Nebensache. Ihr Anführer, namens Rapp, war aus dem Dorfe Iptingen, Oberamts Maulbronn, ein Mann noch von den besten Jahren, mit einem kräftigen Körper, hellem Verstand und festem, entschlossenem Charakter.

Obgleich mein Vater sich seinen Bestrebungen und der Verbreitung seiner Sekte als Beamter entgegenstellen mußte, suchte er doch alle Gewalt und Strenge, war sie ihm auch anempfohlen, gegen ihn und seine Brüder zu vermeiden. Gegen ihre Grundsätze war es besonders, einen förmlichen Eid zu schwören, denn sie behaupteten: ein Manneswort müsse ohnedies heilig sein und dürfe nur in Ja und Nein bestehen, und deswegen wollten sie auch dem Herzoge keinen Huldigungseid leisten. Es sollte mit harten Strafen gegen sie eingeschritten werden; mein Vater aber machte zwischen ihnen und der Regierung den Vermittler, und um diese Zeit besuchte Rapp öfters unser Haus, und ich erinnere mich gar wohl noch seiner und seines langen schwarzen Bartes, mit dem der nachher so berühmt gewordene Bauer oftmals bei uns neben meinem Vater zu Tisch saß.

Es ist bekannt, daß er später nach dem Tode meines Vaters mit seinen Glaubensbrüdern nach Nordamerika zog und dort unter dem Namen »Harmonie« eine eigene Kolonie auf eine Mischung von theokratisch-patriarchalischen und kommunistischen Prinzipien gründete. Diese frühere Kolonie vertauschte er später mit einer andern, die er »Ekonomie« benannte, und wo er in sehr hohem Alter am 7. August 1847 starb. Es freut mich, daß mein Vater das Ungewöhnliche, das in diesen Menschen lag, auch in seinem ersten Keime nicht mißkannte.

Mein Bruder Georg mit Reinhard in Maulbronn

Mein Bruder Georg hatte inzwischen, wie schon weitläufig erwähnt wurde, den Sturm der Revolution in Paris mitgemacht, Wunden erhalten und der Guillotine getrotzt.

Beruhigter wurden meine Eltern, als er, sich aus diesen Pariser Stürmen herausarbeitend, den gefahrloseren Weg der Diplomatie einschlug, eine Bahn, die er seinem Landsmanne, dem Württemberger Reinhard, nachherigen Grafen und Pair Frankreichs, zu verdanken hatte. Mit diesem schloß er schon damals einen Freundschaftsbund, der, obgleich seine politischen Gesinnungen oft sehr von denen Reinhards abwichen, fest bis an beider Ende dauerte.

Als Reinhard Gesandter in Hamburg wurde, begleitete er ihn als Privatsekretär dahin. Auf sein Zureden fand sich auch sein Freund Reinhold, der bisher in der holländischen Armee diente, in Hamburg ein und begann dort als Privatsekretär des holländischen Gesandten Abemar seine diplomatische Laufbahn. Beide Freunde lebten da vom Januar 1796 bis Ende Februar 1798 miteinander, nur einen Teil des Winters 1797 brachte mein Bruder Georg, von Reinhard dahin geschickt, in Paris zu. Reinholds spätere Laufbahn wurde schon berührt.

Im Frühling 1798 reiste Reinhard in einer diplomatischen Sendung nach Italien und traf mit meinem Bruder unversehens in Maulbronn ein.

Die Freude des Wiedersehens nach all den Gefahren und Irrwegen war groß und zähmte selbst die Strenge meines Vaters, der, ein fester Monarchist, den republikanischen Sohn demungeachtet mit Liebe wieder an sein väterliches Herz drückte.

Die ernste Würde Reinhards, dessen Aussehen gar nicht das eines leichten Republikaners war (schon damals hatte er das Aussehen eines Grafen und Pairs), das Lob, das er meinem Bruder erteilte, wie er sich in Paris Liebe und Ansehen verschafft, die Erzählungen von den Stürmen, in denen er gänzlich mit Aufopferung seiner selbst das Leben von Freunden und von Fremden verteidigt und gerettet, das alles erwärmte das väterliche Herz.

Reinhard hatte auch seine Gattin bei sich; es war die Tochter des bekannten Professors Reimarus in Hamburg. Reinhard, in seiner Jugend zum Theologen bestimmt, hatte auch einst die württembergischen Erziehungsanstalten für Theologen, die Klöster, durchlaufen, und es war ihm nun sehr angelegen, seiner Gattin all die klösterlichen Einrichtungen zu zeigen und mit ihr sich in diese Zeit seiner Jugend wieder zurückzuversetzen.

Leider waren die Klosterzöglinge gerade in der Vakanz. Um der Gesandtin einen Begriff von der Kleidung zu geben, die auch ihr Gatte in dieser Schule einst trug, ließ mich mein Vater in die Kuttentracht eines Klosterzöglings kleiden, in welcher ich unerwartet zur Türe hereintrat und der Frau Gesandtin einen Blumenstrauß überreichte. Der Besuch des Gesandten und seiner Gattin dauerte einige Tage, der meines Bruders, glaube ich, noch länger.

Es waren für mich vergnügte Tage, denen bald sehr traurige folgten.

Meines Vaters Erkranken

Mein Bruder Georg fand das Aussehen des Vaters sehr verändert. Die so kräftig gewesene Gestalt schien ihm mehr zusammengefallen, das feurige schwarze Auge mehr erloschen, er äußerte gegen den Bruder Carl seine Besorgnisse und war mit großem Herzeleid geschieden.

In der Tat hatte auch mein Vater schon seit einem Jahr zu kränkeln angefangen, und das Leiden stellte sich immer mehr heraus.

Es war ein chronisches Leiden des Magens, es bildete sich eine Verhärtung am Magenmunde, die bald keine Speise mehr in denselben ließ, wodurch auch häufiges Erbrechen stattfand. Meine Mutter war unermüdet in der Pflege ihres Gatten, und meine Schwester Wilhelmine wich auch wenig von seinem Lager, denn sie machte des Vaters Sekretär und Vorleser. Viele Ärzte wurden zu Rate gezogen, zuletzt auch wieder jener russische Arzt zu Heilbronn, der es abermals an Anraten seines Hopelpopels nicht fehlen ließ; allein es trat Zehrfieber und völlige Abmagerung ein. Es war für mich betrübend, nun allein zu meinen Blumen und zu des Vaters verlassenen Bäumen wandern zu müssen; im Hause und in den Gärten gestaltete sich alles trübe, die alten Rappen wurden verkauft und auch Matthias verlor seinen Mutwillen und Scherz; denn er glaubte nicht anders, als er werde, nach jener Prophezeiung des Esels, gewiß in diesem Jahr auch ans Ende seines Lebens kommen.

Des Vaters Aussehen machte mich entsetzlich bange; ich fürchtete mich ihm zu nähern und sah nur oftmals von der nahen Klostermauer, die einen bedeckten Gang hatte, verstohlen in das Zimmer, wo sein Krankenlager war, hinein. Von Arzneiflaschen umgeben, lag er da bleich und zum Gerippe abgemagert im Bette und meine Mutter oft an demselben knieend und betend.

Ein jeder neu ankommende Arzt machte mir nur Angst, und ich floh in den Klosterzwinger zu meinen Blumen oder den Bäumen meines Vaters, die mir aber auch bald wieder bange machten, so daß ich oft von ihnen wieder auf die Mauer zurückkehrte und heimlich in das Krankenzimmer blickte, zu sehen, was da vorging.

Als ich eines Abends so einmal (es war schon Dämmerung) von der Klostermauer in das Fenster des väterlichen Krankenzimmers sah, sah ich mich auf einmal ganz deutlich selbst im Zimmer. Ich sah mich knieend vor dem Bett des Vaters und hatte seine gelbe abgemagerte Hand in der meinigen. Ich blickte auf den Vater; sein schwarzes Auge sah mich verklärt an. Da faßte ich Mut, ich eilte wirklich zum Zimmer, ich fand meine Mutter vor des Vaters Bette im Gebete, meine Gestalt sah ich nicht mehr, aber nun kniete ich auch nieder und faßte seine Hand, und er blickte mich, wie ich es vorhin gesehen, verklärt an. Von da an trat ich öfters ins Krankenzimmer selbst, hatte meine Angst vor dem sterbenden Bilde überwunden, und mein Vater wurde auch freundlicher gegen mich, denn er hatte mein seltenes Erscheinen bald für Mangel an kindlicher Liebe gehalten, was es doch nicht war.

Mein Unterricht wurde, da die Aufsicht des Vaters fehlte, wieder lässiger betrieben, und ich fiel wieder mehr der Natur anheim. Damals aber legte sie ihre Sehnsucht, ihre Wehmut in mich, und mit ihnen die Poesie.

Während der Krankheit meines Vaters kam mein Bruder Carl öfters zu uns nach Maulbronn. Er war damals Lieutenant unter der Artillerie des schwäbischen Kreises, die zu Ludwigsburg stationiert war. An Geist wie an Körper war er zum liebenswürdigsten Jüngling herangewachsen, und durch den festen Charakter und die Besonnenheit, die er schon frühe zeigte, war er meinem Vater sehr teuer, und er ahnete mit Freuden in ihm schon damals die einstige Stütze seiner Hinterbliebenen, was er auch im vollsten Maße wurde.

Für diesen Bruder hegte ich auch schon damals große Achtung und Liebe, obgleich auch unser Wesen wieder sehr verschieden voneinander war. Er war Verstand und Mathematik, ich bloß Gemüt ohne alle Berechnung. Meine poetischen Versuche traf schon damals oft sein Spott, und in solchem hieß er mich oft den Dichter Kotzebue, welcher Name zugleich eine Anspielung auf meine frühere Krankheit sein sollte. Aber er meinte es immer durchaus liebevoll und rechtschaffen, und ich folgte ihm auch in allem gern, selbst seinen Anmahnungen, mich auch hinter die Zahlen und geometrischen Gleichungen zu machen, was mir gewiß sehr schwer fiel und gegen meine Natur war.

Des Vaters Tod

Die Kräfte meines Vaters schwanden immer mehr, und er machte sich bald selbst keine Hoffnung zu einem Aufkommen. Seinen Tochtermann, den Pfarrer Zeller, damals zu Wiernsheim, nicht weit von Maulbronn, hatte er öfters zu fernen Ärzten um Rat geschickt.

Wenige Wochen vor seinem Tode dachte er dafür einen freundlichen Dank für ihn aus. Er hatte (wie schon erwähnt) in seiner Gemäldesammlung ein sehr gut in Öl auf Holz gemaltes Kniestück, Lebensgröße; es stellte den Cimon im Kerker vor, wie er sich an der Brust seiner Tochter nährte. Dieses sandte er dem Tochtermann mit folgenden Zeilen:

»Sie haben sich durch Ihre Gutmütigkeit bemühet, mich aus der Gefangenschaft meines Krankenzimmers zu retten; empfangen Sie dafür zum Andenken dieses Sinnbild kindlicher Liebe. Bewahren Sie es und denken Sie dabei, was kindliche Liebe bei Ihnen nicht vermochte, vermochte endlich der erbarmende Engel des Todes.«

Wenige Tage vor seinem Tode diktierte er seinem Schreiber einen Abschied an Frau und Kinder. Es möge hier aus demselben Nachstehendes Platz finden.

 

»Liebste Ehefrau!

Du hast mir in Deinem Leben viele Liebe erwiesen, auch an dem Rande des Grabes danke ich Dir. Ich bitte Dich, so sehr ich Dich bitten kann, betrübe Dich über meinen Tod nicht zu sehr, betrage Dich als eine vernünftige Christin und denke, daß Du der Vorsehung nicht widerstreben kannst. Es mußte so sein, und Gott nur weiß warum – und es wird gut sein.

Ich wünsche, daß Du nach meinem Tode wieder nach Ludwigsburg ziehest. Verwandte, Freunde und Bekannte werden Dir dort Deine Einsamkeit erträglicher machen.

Lebest Du sparsam, wie Du ja tun wirst, so hoffe ich, daß Du von dem noch vorhandenen Vermögen und dem Witwenkassengehalte werdest leben können. Man möge bei Sr. herzoglichen Durchlaucht um eine Pension für Dich bitten; denn ich diente dreißig Jahre, und die Oberamteien sind nicht so beschaffen, daß ein Mann ohne großes Vermögen, der streng und uneigennützig handelt, mit einer großen Familie, auf ihnen sich Vermögen schaffen könnte, der Ausgaben sind zu viele!

Ist mein Körper erblaßt, so kann man eine Sektion an ihm vornehmen, um meiner Kinder willen; sodann aber ist er ohne die mindeste Zierde eines Sterbekleides in den blauen Schlafrock einzukleiden, den ich ohnlängst von meiner lieben Frau erhalten. Der Sarg, in den man ihn legt, soll nur von Tannenholz sein, braun angestrichen. Man soll meine Chaise abdecken, den großen Bock aufschrauben und meinen Sarg morgens fünf Uhr, wo mein Begräbnis veranstaltet werden soll, darauflegen.

Niemand soll mich zu Grabe geleiten als meine Söhne, mein Tochtermann und Herr Professor Mayer. Zur Tragung des Sarges vom Kirchhoftore bis zum Grabe soll man acht arme Männer bestellen und belohnen. Keine Trauerrede soll man, weder in der Kirche, noch auf dem Grabe, halten, sondern einzig auf ihm ein stilles Vaterunser beten.

In der nächsten Amtsversammlung soll man den Amtsvorstehern und Bürgern, die mir während meiner Amtsführung ihr Vertrauen schenkten, dafür danken und sie versichern: daß meine Absicht immer gewesen, das Wohl des Amtes zu befördern, daß ich aber unter vorliegenden Umständen nur weniges Ersprießliches hätte ausrichten können.«

 

An jedes seiner Kinder richtete er in diesem Abschiede noch Worte der Belehrung und Liebe. Von mir heißt es:

 

»Du liegst mir schwer auf dem Herzen, daß ich nicht mehr für Dich sorgen kann. Dein Oheim wird Vaterstelle an Dir vertreten; sei diesem und Deiner Mutter gehorsam. Dein Glück kannst Du in der Welt allein durch gute Aufführung und Fleiß in Deinen Studien machen. Wähle Dir einen Beruf, zu dem Du einmal Lust hast. Ich scheide mit schwerem Herzen von Dir! Gott segne Dich!« dann schloß er: »Meinen Geschwistern, Anverwandten, Freunden und Bekannten sage ich meinen innigsten Dank und empfehle ihnen meine liebe Frau und Kinder. Endlich empfehle ich meinen Geist in die Hand des allgütigen Gottes!«

 

Noch kurz vor der Stunde seines Todes empfing er in Gemeinschaft mit meiner Mutter das heilige Abendmahl. Er nahm die heilige Hostie, vermochte sie aber nicht mehr zu genießen; da nahm meine Mutter sie von seinem Munde und genoß sie für ihn unter Gebet und Tränen.

Sein Begräbnis wurde veranstaltet, wie er befohlen. Ein Fruchtbaum aus seiner Baumschule wurde ihm aufs Grab als Monument gesetzt. Darauf herrschte Totenstille im Hause. Ich floh zu den Bäumen meines Vaters und zu meinen Blumen. Die Trauer der Mutter machte mich noch trauriger; ich vermied sie, bis endlich der Verkauf der überflüssigen Hausgeräte und die Veranstaltung zur Abreise nach Ludwigsburg das jugendlich bewegliche Gemüt in Zerstreuung und in den Tumult des Lebens zurückbrachten. Ich hatte das dreizehnte Jahr erreicht.


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