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Siebentes Blatt.

Der Fadingerhof.

Gleich einer Hochwacht heben sich die Berge
Entlang der Donau zwischen Inn und Enns.
Ein Herrenland ist's, das der Strom durchwandelt;
Manch stolz Geschlecht saß einst um seine Flut
Und sperrte kühn den Wasserweg mit Ketten,
Mit Ausfallspforten, Türm und Wehr und Wall.
Noch heute stehn die Burgen und die Schlösser
Teils aufrecht, teils zerfallend, hoch und frei.
Doch die Geschlechter dämmern nur als Schatten
Hinwandelnd zwischen Trümmern und Gestein.

Stehst du auf freier Höh' und blickst nach Norden,
So windet sich der Donau blaues Band
Durchs Grün der Wälder, die mit steilen Ufern
Hinunterstürzen, felsenreich, zum Strom.
Diesseits und jenseits grüßt dich manche Warte,
Manch grauer Bergfried blickt hinab ins Tal;
Burg Wallsee, Neuhaus, Aist und Rannariedl
Und manch gewaltig Haus klebt hier als Horst.
Oft auch erhebt sich, spitzgetürmt, ein Kirchlein,
Um das sich weiße Häuser friedlich reihn.
Vertraulich wie die Gänse um den Hüter,
Ein Dorf bedeutend oder einen Markt.

Blickst du nach Süden, dann erhebt sich tiefblau
Der Alpen hohe Mauer in die Luft
Mit grünem Vorland und mit kahlen Gipfeln
Von der begoßnen »Alm«, die schneeweiß blinkt,
Zum »Untersberg«, vom »Dachstein« bis zum »Traunstein«,
Zur »Falkenmauer« und zum »Hohen Priel«.
Was zwischen Strom und Alpen liegt, im Westen
Vom Inn bespült, im Osten von der Enns,
Das ist die grüne Heimstatt unsers Volkes,
Das ist das alte »Landel« ob der Ens.

Wie reich ist's heut! wie herrlich und gesegnet!
Ein Paradies durch seiner Kinder Fleiß.
Einst aber war es rauh, halb eine Wildnis;
Wo heute goldnes Korn wogt, stund der Wald,
Mit schwarzen Tannen dunkel ausgebreitet,
Der Wildbach riß die Scholle aus dem Grund,
Die Wiese war versumpft, und aus dem Dickicht
Kroch allerlei Getier. Der Hirsch, der Wolf,
Der Eber brach verderblich in die Friedung
Bestellten Lands, beim Bauer Aesung suchend.
Und weh dem Wildschütz, der das Tier bestand!

Der Forstbann traf ihn blutig. Nur der Adel
War jagdbefugt auf Vogel, Wild und Fisch.
Was flog, was schwamm, was sprang, das war dem Bauer
Ein unverletzlich Spielzeug seines Herrn.

Der Bauer war ein Knecht, der an die Scholle
Gebunden war mit Hab und Gut und Leib.
Vom Kleinsten gab er Zins, tat Frond' und Robot,
Den Pfleger fürchtend, den gestrengen Herrn,
Den Züchtiger und Richter, dessen Ausspruch
Zum Schicksal wurde für den armen Mann.
Der Amtmann war des Bauers Herr und Meister,
Der Edelmann sein Teufel oder Gott.

Just zwischen Maierhoferberg und Donau
Erhebt sich eine Höhe, breit gedehnt,
Mit dunklem Wald, mit Ackerland und Wiesen
Im Sonnenschein, weitab von aller Welt.
Steh still, o Wandrer! Deinem Pfad zur Rechten
– Wenn du herüber von der Schaumburg kommst –
Beim Wald auf einer Wiese, dicht am Weg,
Nun längst zerstört, lag einst das Herz des Landes,
Das Fadingergehöft. Was heut so heißt,
Das ist nicht echt, trägt nur den alten Namen
Und steht entfernt vom Ort, wo's alte stand.

Erbau' es dir im Geist, laß es noch einmal
So auferstehn, wie es vorzeiten war.
Betracht es, Wandrer! Welch ein stattlich Eigen!
Mit Stroh gedeckt, erbaut aus roten Ziegeln,
Einschichtig, stolz und ganz auf eignem Grund.
Tritt ein und sprich: Gelobt sei Jesus Christus!
In Ewigkeit! erwidert dir das Haus.
Sankt Florians Bild, zur Abwehr für das Feuer,
Ist überm Tor, dabei ein frommer Spruch.

Wie weit der Hof ist und wie licht und freundlich!
Bei schwerer Arbeit findest du den Knecht,
Die Dirne singt, und selbst das Vieh ist traulich.
Die Tauben auf dem Dach, die Kuh im Stall,
Der Hund an seiner Kette, selbst die Katze
Sind zahm, als wär' kein Falsch in diesem Haus.
Gar lustig kräht der Hahn hoch auf dem Dünger,
Als wär' der Mist ein Königsschloß von Gold;
Die Fliege sonnt sich an der reinen Mauer,
Ein Lindenbaum wirft Schatten in den Hof,
Die Schwalbe aber kreist am blauen Himmel
Und baut ihr Nest im friedlichen Gebälk.

Zur rechten Hand tritt in die große Stube
Durch die bemalte, eichenbraune Tür
Mit schwerem Schloß. Die rußgeschwärzte Decke
Macht dunkler noch den schwergedrückten Raum
Mit spiegelblanken, winzig kleinen Fenstern,
Just groß genug für einen Bauernkopf,
Der durchs gekreuzte Gitter steckt die Nase.
Der Fensterstock ist sorglich ausgelegt
Mit grünem Moos und gelben Sägespänen
Zum Schutz vor Sturm und eis'gem Winterfrost.
Gleich an der Tür steht grün der Kachelofen,
Ein altes Stück einheimischer Töpferkunst,
Mit Gott dem Vater und den zwölf Aposteln,
Leibhaftig, derbgegliedert, streng und steif.
Die Ofenbank umzieht den Bau im Winkel
Und läßt nur für die Feuerstelle Raum
Und für die Röhre, ausgelegt mit Kupfer;
Der Ofen ist der Herd, er nährt das Haus.
Ihm gegenüber, nah der fernsten Ecke,
Steht als des Hauses Mittelpunkt der Tisch
Aus Eichenholz auf plump gespreizten Beinen
Mit schwerer Lade, die das Brot verwahrt.
Vier starke Stühle sind um ihn versammelt;
Die Ecke aber, wo sich Wand mit Wand
Berührt, die ist der Ehrenplatz des Bauers;
Dort mündet die behäbig lange Bank,
Die längs der ganzen Stubenwand sich hinzieht,
Als Winkelsitz mit braunem Lederpolster,
So, daß der Hauswirt nicht durchs Fenster blickt,
Nein, in die Stube, rückwärts nach dem Ofen
Und nach der Tür, wo das Gesind erscheint.
Dicht ob des Bauers Haupt brennt eine Ampel
Mit rotem Licht; behütet wird das Oel
Mit Sorglichkeit und frommem Aberglauben,
Daß es sich nährt und daß es nicht versiegt.
Darüber schwebt ein Kruzifix aus Ahorn
Mit unserm Heiland, schwarzgebeizt vom Rauch,
Ein schmerzhaft Bild mit leidverzehrten Zügen,
Die Stacheldornenkrone ganz verdeckt
Durch einen Kranz aus künstlich roten Rosen
Und Flittergold, ein ländlich frommer Schmuck.
Dicht rechts und links zu unsers Heilands Häupten
Sind Palmenzweige von der Osterzeit,
Das Haus vor bösen Geistern zu behüten;
Ein Gleiches tut die Aufschrift an der Tür,
Die Kasper, Melcher, Balthasar bedeutet,
Mit weißer Kreide sorglich hingemalt.

Hier kannst du, wenn der Feierabend dunkelt,
Sie alle finden, die das Haus ernährt.
Den Bauer und den Altknecht, Bursch und Dirnen,
Insonderlich des Bauers Schwesterlein,
Die blonde Gretel, die die Wirtschaft hütet,
Die ihm ersetzt sein längst verstorbnes Weib.
Drum ist sie auch sein Herzblatt und sein Leben,
Sie ist das Licht, an dem er sich erfreut.
Sie singt, wenn er am Tisch sitzt voll Gedanken
Und in das Holz die ernsten Blicke bohrt.
Sie lehnt an seiner Schulter, wenn er düster
Sich selbst verliert und in vergangner Zeit
Bei Schatten weilt, die nimmer wiederkommen,
Bei seines Weibs und seiner Kinder Tod.
Dann streicht sie ihm die Falten von der Stirne,
Dann spricht sie schalkhaft: »Träumst du wieder, Steff,
Und hältst das arme Salzfaß für den Böhmen,
Für den Lombarden, schleuderst uns das Ding
Noch einmal an den Kopf? Sei doch vernünftig!
Du machst die Welt nicht anders, laß sie gehn.
In unsre große Schüssel mußt du blicken
Und essen, Steff; wer lang ißt, der wird alt.«

Ihr Bruder lächelt; nicht wie andre Menschen,
Die fröhlich sind; es zuckt durch sein Gesicht
Was Wetterhaftes, eine düstre Helle,
Es ist ein Ernst, der in sich selbst verglüht.

Die Schwester aber bringt die große Schüssel
Mit Bauernkrapfen dampfend auf den Tisch,
Die Knechte und die Dirnen greifen tapfer
Zum Löffel oder brechen mit der Hand
Das aufgequollne Backwerk, und die Gretel
Füllt jedem Mannsbild einen Krug mit Most,
Aus dem die Weiber gleichfalls tapfer trinken.
Gebet und Mahlzeit wechseln in der Stube
Nach altem Brauch, und ist der Tisch geräumt,
Dann greift der Altknecht gerne nach der Zither
Und spielt mit seiner arbeitsschweren Hand
Des lieben »Landlers« lustig schöne Weisen
Und tritt den Takt mit seinem derben Fuß.

Da bleibt die blonde Gretel nicht mehr sitzen,
Sie springt und ruft: »Wer führt mich brav zum Tanz?
Wer ist mein Schatz?« Da rasseln Schloß und Angeln,
Und grüßend steht der junge Christoph Zeller,
Der »Miniwirt«, der Nachbar, an der Tür.
»Recht guten Abend alle beieinander!«
So grüßt er, doch nur eine blickt er an,
Die blonde Gretel, die, schlank wie ein Eichhorn,
Dem Grüßenden den Rücken zugekehrt,
Aufhorchend steht. Kann sie den Gast nicht leiden?
Was nestelt sie am Kopftuch und wird rot?

Der Steff steht auf, reicht seine Hand dem Nachbar
Und spricht: »Grüß' Gott, du kommst mir eben recht.
Ich weiß was Neues. Tanz nur, Schwester Gretel,
Seid lustig, Leut', wer weiß, wie lang ihr lacht.
Du, Christoph, komm mit mir ins Oberstübel;
Der Tanz geht los, wir – tanzen auch noch mit.«
Und beide steigen in das Oberstübel.
Die Gretel aber zürnt: »Ich tanz' heut nicht.«


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