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Hier wird erzählt, wie der Held dieses Buches geboren wurde, wer seine Mama war und sein Papa und wie die Heimat der Elefantenherde beschaffen war. Es ist auch die Rede von Streifenfell, dem Tiger, und vom getüpfelten Schrecken des Dschungels, dem Leoparden, von Pfauen, Papageien und anderen bunten Vögeln und von dem lustigen Volk der Affen.
Das Dschungel, das sich zwischen zwei großen Nebenflüssen des heiligen Ganges meilenweit ausdehnte, hatte viele kleine Inseln, die mit allerhand Laubholz bestanden waren. Dort wuchsen Fruchtpalmen mancher Art, schlanke Coohölzer neben allerlei hohen Farnarten und anderen Gewächsen und viele blühende Büsche. Hier und da hatte das dichte Dschungelrohr Lücken; kleine Tümpel oder Stellen, die von Nashörnern und Elefanten oder breithörnigen Büffeln besucht wurden. Auch zog sich manch kleiner Bach, in viele Arme verzweigt, durch die feuchte, tiefe Niederung.
Seit längerer Zeit hielt sich in diesen Teilen des Dschungels eine große Elefantenherde auf, geführt von einem mächtigen alten Bullen, der die Verehrung eines Patriarchen unter den Elefanten genoß. Baumbrecher, der Altelefant, stand in seinen besten Jahren und auf der Höhe seiner Kraft. Er überragte auch die stärksten der anderen Bullen um mehrere Fuß und hatte dicke schwere Stoßzähne, die er wohl zu gebrauchen wußte, nicht nur zum Abbrechen von Bäumen, sondern auch im Kampfe gegen seinesgleichen und gegen mancherlei Feinde. Sein Ruf reichte bis in die Berge von Nepal und bis tief herab in das Gebiet südlich des Ganges. Denn wiederholt hatte er Kämpfe mit Nashörnern bestanden, den Dickhäutern, die jedem braven Elefanten so unsympathisch sind. Auch Menschen hatte er mit Erfolg angegriffen, als diese auf die Elefantenherde Jagd machten, und selbst der Maharadscha entging nur mit Mühe dem furchtbaren Griff seines Rüssels. Neunzehn starke und zwölf jüngere Bullen standen bei der Herde, jeder der älteren Elefanten hatte einen Trupp Weiber bei sich, jüngere und ältere gerecht verteilt. Baumbrecher sorgte für Ordnung; denn das oberste Gesetz der Elefanten heißt: Ordnung und Disziplin. Darum hatte er als Haupt der großen Familie natürlich die meisten Frauen bei sich, wie das sich ja für einen Sultan eines großen Stammes geziemt. Doch er duldete es gern, wenn auch andere starke Elefanten nebenher Familien gründeten, und fuhr, wenn die Eifersüchtigen wütend miteinander kämpften, mit Rüssel und Stoßzähnen dazwischen und stiftete Frieden. Wenn die Elefantenherde durch das Dschungel zog, um gute Weide aufzusuchen oder aber in die Pflanzungen der Menschen einzubrechen, war der Zug stets streng geordnet. Voran bewegte sich die älteste Kuh, dann kam der ungeheure Leib Baumbrechers, des Sultans, ihm folgten fünf seiner älteren und erfahrenen Kühe und einige der starken alten Bullen mit ihrem Anhang. Dann kamen die jüngeren Kühe mit ihren Kindern, und den Schluß bildeten junge Bullen und Kühe. Ganz am Ende des Zuges aber marschierte Stumpfzahn, ein uralter Elefant, der schon längst die Grenze des Greisenalters überschritten hatte. Er war früher Sultan und Führer einer Herde gewesen und war allein übriggeblieben, als die Menschen mit ihren Reitelefanten gekommen waren und die ganze kleine Herde fingen. Nur er, der alte Tusker, war übriggeblieben: ihm war es geglückt, durch die Menge der schreienden Menschen und der trompetenden Elefanten durchzubrechen und sich durch eine Lücke in dem tückischen Zaun zu retten, der die kleine Herde im Dorndickicht einschloß. Jahrelang war der alte Elefant im Dschungel herumgeirrt, bis er endlich auf die Herde des Sultans Baumbrecher stieß. Bescheiden suchte er Anschluß; denn er wußte, daß die vielen Jahre des Umherirrens im Dschungel nicht spurlos an ihm vorübergegangen waren, daß seine Kräfte abgenommen hatten und seine Stoßzähne morsch und faul wurden. Nach einigen Rüsselschlägen und Stößen mit den Zähnen nahm ihn Baumbrecher auf. Denn der große Altelefant konnte von Nutzen sein, wenngleich er auch nicht mehr Familienelefant sein konnte, weil er zu alt dazu war. Nur die einen oder anderen der ganz alten Kühe gesellten sich zu ihm, teils aus Mitleid, teils, weil sie sich selbst alt fühlten und ihm das Gefühl der Verlassenheit und Vereinsamung nachfühlen konnten. Denn was alt ist, ist stets einsam und wird nur noch geduldet in der Herde. Das ist bei allen Tieren so, bei den Büffeln und bei den Hirschen, bei den Antilopen und Gazellen, bei den Elefanten und – bei den Menschen. Stumpfzahn hatte eine ganz schlottrige Haut und war mager, da er Blätter und Gräser, Früchte und Zweige nicht mehr recht vermahlen konnte. Er war ganz langbeinig anzusehen, und seine Haut war dunkelgrau und schorfig. Sein Schwanzwedel hatte nur noch wenige abgebrochene Borsten, der linke Stoßzahn bestand aus einem braunen, morschen Stumpf; der rechte war abgenutzt, stumpf und dunkelbraun. Aber im Rüssel besaß der Elefantengreis noch große Kräfte, und sein Gehirn arbeitete so frisch wie in alter Zeit. Viele, viele Erfahrungen hatte er in seinem langen Leben gesammelt, vielen Menschenjagden und anderen Gefahren war er entgangen. Dschungelbrände hatte er erlebt, in Fallen war er geraten, und voller Narben war seine runzlige Haut. Man duldete den Greis bei der Herde, doch nahm man ihn nie in die Mitte auf; denn Elefantengesetz weist den Alten, den Abgängigen bescheidene Plätze zu. Baumbrecher wußte aber die Erfahrung und Klugheit des alten Elefanten wohl zu schätzen und fragte ihn häufig um Rat. Niemals aber vergab er sich etwas in seiner hoheitsvollen Sultanswürde.
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Das war um die Zeit, da die trächtigen Elefantenkühe nach jahrelanger Pause wieder ihr Kind zur Welt brachten. Wochenlang hatten schwere Regen gerauscht, es war dumpf und heiß im Dschungel, und die Sonne blickte durch den Dunst wie durch Schleier. Es war still in den tiefen Niederungen, nur das Sausen und Brausen unzähliger Insekten war zu hören und das Schnauben der Büffel in den Tümpeln. An solch einem heißen, dumpfigen Tage genas die Lieblingsfrau Baumbrechers, eine hellgraue Elefantin, eines Knaben. Es war ein drolliges, kugelrundes Elefantenbaby, rosig und glatt wie ein Schweinchen. Es wich nicht von der Seite der Mutter, es drängte sich bei jedem fremden Geräusch unter ihren massigen Leib. Alle Bewegungen der Alten ahmte es nach. Wenn die Mutter den Rüssel hob, so tat der Kleine dasselbe, ließ die Alte einen Trompetenruf tönen, schrie auch das Kleine schrill wie mit plärrender Kindertrompete, überall im Dschungel gab es junges Familienglück, sieben, acht Kleine waren zur Welt gekommen, und alle die Elefantenzwerge waren gleich glatt, gleich rosig und gleich rundlich wie Baumbrecher der Jüngere. Die Elefantenherde bewegte sich in diesen Tagen und Wochen nur wenig. Erst nachdem der Mond sechsmal alt und krank geworden war und zum siebenten Male in voller runder Scheibe am Himmel stand, wagten die Elefanten einen größeren Marsch. Es war eine herrliche, laue Tropennacht, als die Herde mit Baumbrecher an der Spitze langsam durch das Dschungel brach. Die schweren Rüssel pendelten hin und her, Dickhaut rauschte an Rohr, Busch und Baum vorbei, und von Zeit zu Zeit krachte ein zerbrochener Baum unter den Griffen gewaltiger Rüssel. Dann rauschten Baumkronen, Äste knickten und knackten, feuchter Boden schmähte unter schweren Tritten.
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Streifenfell, der Tiger, der den Tag über im alten verlassenen Hindutempel auf der großen Dschungelinsel gelegen hatte, gähnte, ließ ein dumpfes Knurren hören, schlug mit dem Schwanz und drückte sich seitwärts, als die massigen Leiber aus dem Dschungel auftauchten; denn mit solchen groben Leuten ist nicht gut umzugehen, und selbst ein Tiger braucht lieber kluge Vorsicht, wenn er dem König des Dschungels, dem Elefanten, begegnet. Die Wasserbüffel schnaubten ängstlich und böse in ihren Sumpfbädern, und die Affen in den Coobäumen und in den Zweigen der Rothölzer und Ebenholzbäume machten ein hysterisches Geschrei, als die Elefanten ringsum der Affenherde Baum nach Baum umbrachen, um die saftigen Stiele und Blätter der Kronen zu zerpflücken. Schwere Nüsse fielen zu Boden, dicke Stinkfrüchte, und die Papageien erwachten aus traumschwerem Schlaf und kreischten mit den Hutaffen um die Wette. Es war ein Lärm im Walde, als ob der Leopard durch die Büsche schliche, und der Lippenbär, der am Bache seinen Durst stillte, richtete sich furchtsam auf und flüchtete grunzend in polternden Sätzen. Am Fluß machte die Elefantenherde halt, langsam rauschten die mächtigen Körper in das gelbschimmernde, mondbeleuchtete Wasser, Rüssel senkten sich, hoben sich, schleuderten gewaltige Sturzbäder auf gewölbte Rücken, breite Ohren fächelten, Sumpf schmatzte. Die Leistenkrokodile schwammen eilig stromabwärts, erschreckt von dem Lärm. Auch beim Baden und Trinken herrschte peinliche Ordnung. Die Mutterelefanten hatten den Vortritt und schoben ihre widerstrebenden Jungen in das seichte Wasser. Die Kleinen trompeteten furchtsam, aber der mütterliche Rüssel half unbarmherzig nach. Baumbrechers kleiner Sohn schrillte in ängstlichen Trompetentönen, aber soviel er auch schrie, ins Wasser mußte er doch. Palmenreiße, die Mutter, kannte keinen Spaß: »Gebadet muß werden, das ist mal so Sitte bei uns,« ermahnte sie den Kleinen, »laß das blöde Trompeten sein, das hilft dir doch nichts; stecke lieber den Rüssel ins Wasser und bespritze dich tüchtig! So, mein Sohn!« Und damit nahm die Elefantenmama den Rüssel voll und spritzte ihn über den Rücken des Kleinen aus. Rechts und links badeten und schöpften jüngere Bullen und die jungen Elefantinnen in bunter Reihe, und nur der alte Tusker stand am Ufer und hielt Wacht. Lange waren die Elefanten im Bade, dann aber rauschte Baumbrecher zurück, gefolgt von den alten Kühen; die Mutterelefanten mit ihren Kälbchen und älteren Kindern schlossen sich an. Zu beiden Seiten gruppierten sich die jüngeren Bullen, es folgten die jungen Kühe und schließlich der Tusker, der nun auch ein kurzes erfrischendes Bad genommen und seinen Bedarf an Wasser gestillt hatte. Wie eine ungeheure Flutwelle brachen die Elefantenleiber durch das Dschungel, aufgeschreckte Pfauen kreischten, erwachte Atzeln schimpften, und die kleine Horneule des Südens flatterte neugierig über die mondbeschienenen glänzenden Rücken der wandelnden Hügel.
Es war schon gegen Morgen, als die Elefanten am Rande des Waldes durch ein großes Bambusdickicht kamen. Die alte gewaltige Spritznase, die die Herde vor Baumbrecher anführte und die Mutter vieler Elefanten des Trupps war, brach voran, daß die Bambusstauden nach rechts und links auseinander krachten. Denn man hatte Eile, zu den Pflanzungen der Zweibeine zu kommen. Endlich gelangte man auf einen Nashornpfad, der zwischen Palmen, Elefantengras, Schilfdschungel und Bambus nach den Feldern führte. So leise zogen nun die Elefanten, daß das Geräusch ihrer Leiber nur auf kurze Entfernung zu hören war. In den Spitzen der Bäume huschten kleine nächtliche Flughörnchen, eine Zibetkatze flüchtete, und Baumratten machten in den Wipfeln des Haines erschreckenden Lärm. Die Elefantenleiber schoben sich langsam aus dem Dschungel und bewegten sich durch die Baumreihen. Ihre suchenden Rüssel fanden nur wenig Früchte; denn die Bananen der Hindus waren noch nicht reif, und die saftigen Mangofrüchte auch nicht. Darum zogen die Elefanten nach den Getreidefeldern, die kurz vor dem zweiten Jahresschnitt standen, und trampelten in ihnen herum.
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Ghautal, der Führer des kleinen Stammes und Dorfvorsteher zugleich war, erwachte aus schwerem Schlaf und sprang vor seine Hütte. Deutlich hörte er das Schnauben und Stampfen der Elefanten und das Knistern und Knacken ihrer schweren Fußtritte, die die niedrige Dornbuschumzäunung zerstampften. Er hörte Äste krachen, Blätter rauschen und wußte, daß er dem Sahib in diesem Jahre wohl keinen Zins geben würde, wenn die Elefanten noch einmal kämen; denn es würde kaum zum Fristen des Lebens reichen, da die zweite Trockenheit heute angefangen. Der Himmel war klar und voller Sterne, und über dem Dschungel stand die sinkende Mondscheibe. Ghautal sah große dunkle Gestalten, die sich zwischen den Büschen und Bäumen der Pflanzungen hin und her schoben, er sah die wandernden Hügel unter den Gummibäumen und zwischen den Stämmen der Bananenpalmen, unter den Tamarinden und im grauen Frühnebel auf dem halbgeernteten Felde. »Knabe,« sprach er zu seinem Sohn, der neben ihm stand und mit weit aufgerissenen Augen nach den Elefanten blickte, »laufe ins Dorf und wecke alle Männer, sie sollen mit Fackeln kommen und drüben hinter den Feldern das dürre Gras anzünden.« Schnell lief der Knabe fort. Ghautal wußte: wenn man im Dorfe Lärm schlug oder Feuer anzündete, konnten die Elefanten gereizt werden und einen Angriff auf die schwachen Hütten unternehmen. Zündete man aber das hohe Gras zwischen den abgeernteten Feldern und dem Flusse an, so würden die Tiere vielleicht erschrecken und in das Dschungel zurückfliehen; denn große Helligkeit und knatterndes Dschungelfeuer ist den Elefanten verhaßt, und auch das mächtigste Tier der Wildnis flüchtet vor Grasbränden. Nach dem Felde zu konnten die Flammen nicht viel Schaden machen, und über den Fluß konnte das Feuer sich nicht ausdehnen. Ghautal blickte gespannt nach der Flußseite hin, sein feines Ohr vernahm mitunter durch das Schnauben und Pusten der Elefanten einen fernen Menschenruf; bald hier, bald dort. Dann blitzte es in weitem Umkreise auf, überall flackerten Flämmchen, dehnten sich aus, und plötzlich stand das ganze schmale Dschungel zwischen Feld und Strom in hellodernden Flammen. Füchse kläfften, ein Schakal ließ sein Geheul hören, aufgeschreckte Vögel kreischten, und mit Donnern und Prasseln breitete sich das Feuer zwischen der Pflanzung und dem Strom aus. Die Elefanten standen zwischen den Bäumen wie angemauert, sie waren rot vom Flammenschein beschienen, und auf ihren hohen gewölbten Rücken glänzte das fahle Mondlicht. Man sah die schneeweißen Stoßzähne der Bullen, hoch aufgerichtete Rüssel und schlagende Ohren. Dann schallte schrilles Trompeten, und die ganze Elefantenherde wendete und donnerte nach dem Busch zu. Schilf rauschte, Bambus splitterte, Büsche raschelten. ... Immer ferner hörte man das Poltern der flüchtenden Elefanten und ihre zornigen und doch ängstlichen Trompetenstöße. Als die Männer wieder ins Dorf gekommen waren, sagte Ghautal: »Wir haben ihnen gut heimgeleuchtet, den Erhabenen, und es ist ein Glück, daß sich die großen Herren doch noch vor Feuer fürchten. Einige Zeit werden wir Ruhe vor ihnen haben, denn jetzt kommt noch eine Weile Trockenheit, und dann wandern die Elefanten weit fort nach den Tiefen bis zum Ganges und stehen in den Sümpfen, wo es kühler und feucht ist. Aber wehe, wenn die Regenzeit kommt, dann werden sie wieder nach den Reisfeldern ziehen, und die Götter seien uns gnädig, wenn sie den Weg hierher finden.«
Der Jäger Appa schob seinen bunten Turban zurecht und sagte: »Weiser Ghautal, hast du den alten Tusker gesehen, den Makma, der nur kurze Stummelzähne hat? Ich kenne ihn seit vielen Jahren. Als ich jung war, war er schon ein alter Elefant; schon damals nannten wir ihn den bösen Stumpfzahn, denn er kennt alle Schlauheiten des Menschen und alle List, er hat den Verstand von zwölf Männern und kennt das ganze Dschungel bis an die Berge im Norden und tief unten im Süden. Wir hatten ihn – wohl dreißig Jahre ist es her – mit seiner Herde in der Khedda und fingen alle Elefanten bis auf einen. Er aber warnte und trompetete und suchte die anderen von der Khedda abzubringen, und als wir Feuerwerk abbrannten und lärmten, rannte er gerade auf die Fackelträger und auf die Tamtams los, durchbrach die Reihe der Binder und Treiber und lief in den Wald zurück. Viele Jahre ist der Tusker allein gewesen, heute aber sehe ich ihn bei einer Herde. Das ist schlimm für uns, denn wir haben ihn beleidigt, und wenn auch die anderen Elefanten auf lange Zeit erschreckt worden sind, der alte Tusker fürchtet sich nicht. Denn er unterscheidet wohl, ob die Menschen einen Brand zum Scheuchen anlegen oder ob das ganze Dschungel in Flammen steht. Darum sage ich dir, o Ghautal, er wird wiederkommen, der alte Tusker, und wird sich rächen wollen; sei gewarnt, o Ghautal. Ich hörte sein böses Trompeten schrill und hoch, ganz anders als das der führenden Elefanten, es war viel Zorn in seinem Ruf und klang wie böse Drohung.«
»Den Ton hörte ich wohl«, sagte Ghautal nachdenklich; »das also war der alte Tusker, der in den Hills so bekannt ist wie tief unten im Dschungel? Der wird uns zu schaffen machen, wenn wir in der nächsten großen Trockenzeit die Elefantenfänge machen, wie uns der Sahib anbefahl.« Der alte erfahrene Appa nickte. »Er wird schon vorher kommen und mit uns abrechnen, wenn mich nicht alles täuscht.«
Stumpfzahn, der alte Tusker, war voller Wut. Ganz langsam und zögernd stampfte er hinter der flüchtenden Herde. Er wäre am liebsten umgekehrt und über die Hürde in das kleine Dorf gerannt, um dort ein paar Hütten auseinanderzureißen und in die Luft zu schleudern, wie er es einst am Son getan hatte, als die Zweibeine in der Nacht im Dorf Feuer angezündet hatten und ihre Donnerflinten gegen die Elefanten abschossen. Hei, wie da die Dächer flogen, wie die Wände krachten und auseinanderfielen, wie die Bambusstangen in Splittern durch die Luft fuhren und die ganze Hindufamilie hinterher! Wie die Affen waren die Zweibeine geflüchtet, über die Fenz, über die Dächer und ins Dickicht hinein. Dem alten Elefanten wird ganz wohl bei der Erinnerung, und während er hinter der Herde langsam herzieht, sind Pläne in seinem alten Hirn.
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Ein glühender Streifen ist im Osten, wächst mit Flammenbündeln, läßt zuckende Strahlen über das blaue Sternenfeld schießen, läßt die Spitzen der Ebenholzbäume und der Coohölzer flammen. Im Dschungel ist blaues, ungewisses Licht. Die Elefantenherde steht im Walde, rupft Zweige, bricht Äste. Droben am Bach hört man Rascheln, donnernden Sprung, Poltern, dann ein Rumpeln, ein Blöken und einen schrecklichen, gellenden Schrei.
»Hörst du,« sagt Palmenreiße, die Mutter, »hörst du, Radha, mein Liebling? Das war der Tiger, der seine Beute faßte!« Radha, der kleine Sohn Baumbrechers, Baumbrecher der Jüngere, hob seinen Rüssel zum Rüssel der Mutter, und die Alte liebkoste ihn. Der Kleine klappte aufmerksam mit den Ohren, und die Mutter sprach weiter also: »Sieh, Radha, wir Elefanten sind die Stärksten und Größten im Busch und im Dschungel, und wir waren einst Könige. Doch wir wurden übermütig, und die Götter setzten andere Fürsten neben uns ein; Streifenfell, den Tiger, den Schrecklichen, und seine Sippe und Breitstirne, den starken Gaur, und sie gaben auch dem Büffel Macht und Recht im Dschungel. Noch sind wir die Stärksten, doch unverwundbar sind wir nicht, und wehe dir, wenn du abseits gehst von uns Großelefanten. Denn Streifenfell, der Tiger, könnte auch dich bewältigen, und selbst, wenn du schon zwei oder drei Jahre alt bist. Auch das häßliche Nashorn ist böse von Sinn und stark von Körper, und schon mancher Jungelefant hat sein Horn im Leibe verspürt. Es ist furchtbar dumm, aber schrecklich böse und darum gefährlicher als alle anderen im Sumpf; denn wenn kluge Leute böse sind, ist es nicht so schlimm, als wenn dumme Leute wüten. Darum weiche dem Gaur und seinem Horn aus, solange du nicht groß und stark bist; denn auch der Gaur ist dumm und blindwütig, und der Büffel nicht weniger. Wenn du aber Tüpfelfell, den Leoparden, siehst, so mißtraue ihm, solange du klein bist, und hüte dich vor ihm. Auch später, wenn du einmal groß und stark bist, hebe den Rüssel so hoch, wie du kannst, wenn dir ein Tiger begegnet oder ein zorniger Leopard, oder rolle den Rüssel und stecke seine Spitze in den Mund; denn die Rüsselspitze ist der verwundbarste Teil der Elefanten. Auch wenn dir eine Schlange begegnet, eine von den giftigen, so rolle den Rüssel oder hebe ihn hoch, denn schrecklich ist der Biß der Kobra und schrecklicher noch der Zahn der Königsschlange. Faßt sie dich in den Rüssel, die böse Brillenschlange, so schwillt die Spitze mächtig auf, und du mußt lange, lange leiden, wenn du nicht gar sterben mußt.«
Der kleine Elefant hörte aufmerksam zu, was Palmenreiße sagte. »Und was war das heute, Mutter?« fragte er.« Palmenreiße schaukelte von den rechten Säulen auf die linken und wieder zurück, so daß ihr langer Rüssel wackelte. »Das sind die schlimmsten von allen, die im Dschungel Hausen und im Wald herum: die Zweibeine. Hüte dich vor ihnen! Am schlimmsten sind die Zweibeine, die ihren Körper mit gelbem oder weißem Zeug verhüllen und helle, rötliche Gesichter haben, denn sie führen den Donner der Götter bei sich, von dem sie einen Strahl, wohl in alter Zeit, gefunden haben. Schon mancher Elefant ist an diesem Blitz gestorben, und selbst der Tiger fürchtet ihn. Die anderen Zweibeine sind braun oder gelblich und tragen kurze, rötliche Röhren auf dem Kopf oder winden sich dicke Schleier um die Stirn. Auch sie sind gefährlich, doch lange nicht so wie die Zweibeine mit den roten Gesichtern; sie führen spitze Dinger bei sich, die sie werfen und mit denen sie das Blut der Tiere vergiften, damit sie sterben sollen, und einige wenige von ihnen haben auch den Blitz bei sich. Die Zweibeine mit den roten Gesichtern sind die Herren, sie haben meist blondes Haar auf dem Kopf und einen listigen Sinn im Hirn, und die braunen Zweibeine mit dem schwarzen Haar und Bart sind ihre Knechte, und darum dürfen auch nur wenige von ihnen den Götterblitz bei sich führen. Viele von ihnen reiten auf zahmen Elefanten, die sie fingen. Sie machen große Zäune und fangen ganze Herden, und ich weiß von einem alten Bullen, der einst bei ihnen war, daß sie nicht schlecht sind zu den zahmen Tieren, aber sehr schlecht gegeneinander.« Radha hörte auf jedes Wort, das die Mutter sprach, und bewahrte alles in seinem kleinen Kinderhirn. Die Sonne stand glühend über den Wipfeln der Laubhölzer und Palmen, Makaken schnatterten, Hutaffen zankten, Palmenhörnchen huschten durch die Wipfel, und aus dem Dschungel tönte der laute Schrei der Pfauen: Pa-uu! Der Hulman sprang von Baum zu Baum und ließ seine tiefen Kehllaute hören, als die Elefantenherde langsam unter ihm durchstampfte, und in der Ferne tönte das zornige Mauzen eines Leoparden, der bei seiner nächtlichen Jagd keinen Erfolg gehabt hatte.
Vorn glitzerte der Fluß, und langsam rauschten die Elefanten durch das hohe Gras und durch die Büsche, und sie gingen in geordneten Reihen in die Flut. Eine Menge Regenpfeifer, Atzeln, Uferschnepfen, Reiher und Manulaschstelzen liefen auf der Sandbank emsig hin und her, eine Racke ließ ihr Schnarren hören, und ein kleiner Flug Spinte strich durch das Dickicht. Auf der großen sandigen Halbinsel jenseits des Stromes nestelten sich Buntschnabelenten und Baumenten im Gefieder, ein paar Kormorane schwammen herbei, ein Kropfstorch und zwei Sattelstörche standen ernst und nachdenklich am Wasser.
Wieder spritzten sich die Elefanten das Wasser in großen Strömen über den Rücken, schossen es in den geöffneten Schlund und schnauften behaglich. Auch die jungen Elefanten hatten sich schon an die laue Flut gewöhnt und pantschten fröhlich in ihr herum. Aller Ärger, aller Zorn war vergessen, und die gestörte Nachtmahlzeit auch. Selbst Baumbrecher dachte nicht mehr an die Zweibeine und an ihr Feuer und freute sich über das kühlende, angenehme Wasser. Nur der alte Tusker, der etwas abseits in der Flut stand und sich unablässig Wasser in die Kehle spritzte, hatte Böses im Sinn. Alte Leute sind nachtragend, und ihr Zorn dauert. Darum dachte Stumpfzahn, der Tusker, jedesmal, wenn er den Rüssel hochwarf, wie schön es doch wäre, einen der tückischen Zweibeine durch die Luft zu wirbeln und dann zu zertreten.
Wie große, angekohlte Baumstämme schwammen Krokodile vorbei, ihre höckrigen Glotzaugen glupten über die Wasserfläche. Plötzlich machten die Affen drüben ein furchtbares Geschrei, und der Hirsch, ein gefleckter Axis, fuhr entsetzt zusammen und flüchtete ins Dickicht, daß die Büsche prasselten. Nicht einen Augenblick zu früh! Denn mit riesigen Sähen erschien ein Leopard auf der Sandbank, wandte sich um mit wehendem Schwanz, verfolgte sein Jagdwild. Doch das Knistern und Prasseln des flüchtenden Hirsches klang immer weiter und weiter; dann aber tönte das böse Hungermauzen des Leoparden. Wieder zeterten die Stare, schnatterten die Affen. Da kam der Leopard langsam auf die Sandbank, schritt bis an den Fluß und trank, und dann kehrte er um, als ginge ihn das alles nichts an und als hätte er niemals versucht, einen Hirsch zu schlagen. Denn der Raubadel des Dschungels ist stolz und zeigt keine Enttäuschung, selbst wenn der Hunger in den Eingeweiden wühlt.
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Rauschend erhoben sich die Elefanten und zogen sich langsam ins Dickicht zurück. Wie immer marschierte die alte Spritznase voran, es folgte Baumbrecher mit seinen langen, weißen Stoßzähnen, hinter ihm gingen Einzahn neben Trampelmann und vier alte Kühe, dann folgte Schlitzohr mit ihrem Kinde, Palmenreiße mit Radha, ihrem Liebling, und die Schar der vielen anderen Elefanten. Und wieder bummelte Stumpfzahn, der Alte, mit schlotternder Haut und wackelndem Rüssel hinter der Herde her. Seine kleinen, listigen Augen blinzelten aufmerksam, seine Ohren hoben sich mißtrauisch und lauschten angestrengt auf jedes Geräusch, und sein langer Rüssel wandte sich hin und her, um Wind zu holen, um zu wittern, ob von irgendwo Gefahr drohte.