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Um das Tagebuch von Doktor Kane zu vervollständigen, sei hier nachgetragen, wie es der zu seiner Aufsuchung ausgesandten Expedition erging.
Das lange Ausbleiben der »Advance« und der Mangel jeglicher Nachricht über das Schicksal Doktor Kanes und seiner Leute hatte in den Vereinigten Staaten große Teilnahme und Besorgnis erregt. Ein Kongreßbeschluß vom 3. Februar 1855 ermächtigte das Marineministerium zur sofortigen Absendung von ein oder zwei Schiffen nach den arktischen Gewässern, um nach den Vermißten zu suchen und ihnen womöglich Hilfe zu bringen. Zu diesem Zweck wurde der Dampfer »Artik« und die Bark »Release« ausgerüstet und mit vollem Proviant sowie Extravorräten für zwei Jahre versehen. Unter der Bemannung befand sich auch Doktor Kanes Bruder.
Die Schiffe gingen im Juni unter dem Kommando des Kapitäns Hartstene in See. Gleich mit ihrem Eintritt in die Baffinsbai hatten sie unter den gewöhnlichen Schwierigkeiten und Gefahren der Eisfahrt zu leiden. Doch waren sie gegen die »Advance« insofern im Vorteil, als sie zuweilen von der Maschinenkraft Gebrauch machen konnten, um sich durchzudrängen und herauszuwinden. Sie suchten mit größter Eile Smithsund zu erreichen. Und insofern wenigstens war diese Expedition besser als alle anderen daran, als sie genau wußte, wohin sie sich mit ihren Aufsuchungsarbeiten zu wenden habe.
Wie sich herausstellte, hatten beide Expeditionen einander gekreuzt. Kane hatte sich mit seinen Leuten mehr links an das Eis der Melvillebucht gehalten, während Kapitän Hartstene gerade auf Kap Alexander zuging und auch so glücklich war, die Etabucht zu erreichen. Dort erhielten sie durch die den Lesern dieses Buches wohlbekannten Eskimos sichere Kunde davon, daß die Gesuchten sich bereits auf dem Heimwege befanden.
Kapitän Hartstene selbst berichtet über diesen Teil seiner Erlebnisse:
»– Kap Alexander und die nahe Sutherlandinsel, zwei sehr auffällige Punkte außer dem Bereich der Eskimos, wurden gründlich untersucht, aber nicht die leiseste Spur verriet, daß jemals zivilisierte Menschen hiergewesen waren. Sehr betroffen hierüber umfuhr ich das Kap mit dem Dampfer. Das Eis dehnte sich in fester Masse bis zur westlichen Küste und nördlich, soweit man sehen konnte. Aber ein schmaler Wasserweg führte so nahe an der Küste hin, daß sich die kleinsten Gegenstände am Lande unterscheiden ließen. Ohne das mindeste zu entdecken, drangen wir vor, bis wir die letzte im Nordwest sichtbare Landspitze erreichten, die wir für Kap Hatherton hielten, die sich aber später als die Pelhamspitze herausstellte. Hier bemerkten wir einige zusammengelegte Steine am Lande. Sofort stiegen einige Mann aus und fanden bei dem sorgsam aufgeschichteten Steinhaufen ein Glasfläschchen, in dessen Kork ein K geschnitten war und das einen großen Moskito, ein Stückchen Patronenpapier und eine Büchsenkugel barg; auf das Papier war, offenbar mit der Spitze der Kugel, geschrieben: Doktor Kane 1853. Das konnte uns wenig Aufklärung bringen. Immerhin wußten wir doch jetzt, daß die Gesuchten hier gewesen waren, und ich beschloß nun, in nördlicher Richtung soweit als möglich vorzudringen. Aber bald stellte sich ein endloses Feld schweren, mit Hummocks dicht bedeckten Eises in den Weg, dazu viele Eisberge, die alle nach Süden trieben. Wir wichen mit dem Eise zurück – immer auf dem Sprung, ob sich nicht ein Durchgang öffnen werde – und untersuchten auf diesem Rückzug ergebnislos Kap Hatherton und die Littletoninsel. Endlich suchten wir Schutz hinter einem vorspringenden Punkte, einige 15 Meilen nordwestlich von Kap Alexander – als plötzlich der Klang menschlicher Stimmen an unser Ohr schlug. Freudigen Herzens machte ich mich mit einigen Gefährten auf, und nach langem mühsamen Durcharbeiten trafen wir zwei Eskimos, denen anscheinend sehr viel daran lag, auf das Schiff zu kommen. Da sie jedoch abgewiesen wurden, deuteten sie gestikulierend nach einer sehr schönen geschützten Bucht, wo demnach eine Niederlassung zu vermuten war. Wir beschlossen, ihnen zu folgen, und sahen unsere Mühe bald glänzend belohnt. Im Hintergrunde der Bucht fand sich eine Niederlassung von einigen 30 Eskimos in sieben Zelten, die alle mit Segeltuch überzogen waren. Wir sahen hier noch viele andere Sachen, zinnerne Töpfe, Teller und Büchsen, Eisenstäbe, Messer und Gabeln, ein baumwollenes Hemd, zerbrochene Ruder und Querhölzer und endlich auch das Rohr eines Teleskops, das als Doktor Kanes Eigentum erkannt wurde. Eine genaue, von drei verschiedenen Personen wiederholte Befragung des verständigsten Eingeborenen, die wir mit einem kleinen Eskimowörterbuch und Zeichnungen von Schiffen, Booten und Personen unterstützten, ergab endlich folgendes: Doktor Kane (dessen Namen die Eingeborenen sehr deutlich aussprachen und dessen Aussehen sie treffend beschrieben) habe sein Schiff irgendwo im Norden verloren und sei mit dem Dolmetscher Karl Petersen und 17 anderen Leuten sowie zwei Booten und Schlitten hier gewesen. Nach zehntägigem Aufenthalt seien sie in südlicher Richtung nach Uppernavik abgefahren ... –«
Bei dieser Lage der Dinge hatte es Kapitän Hartstene für geboten erachtet, nach Süden umzukehren. Wie bereits geschildert, nahm er die glücklich Aufgefundenen an Bord und erreichte nach kurzer ereignisloser Fahrt die Heimat ... –
Doktor Kanes geschwächter Körper erlag zwar bald darauf den Folgen der ausgestandenen Leiden. Doch das Andenken des kühnen Polarfahrers wird unsterblich sein und bleiben!
Von todbringendem Eis umstarrt, vom Schneesturm umtost, im Kampf mit wilden Tieren, mit Hunger und Krankheit – steht dieser Held ungebeugt! Nicht einen Augenblick verlor er als Führer den erhabenen Zweck, dem er sich geweiht, aus den Augen. Selbst ein Kranker, erhob er durch wahre Frömmigkeit, aufopfernde Sorge und unverwüstlichen Humor, der sogar den düstersten Schreckensszenen der Polarnacht noch lichte Seiten abgewann, die tiefgebeugten Kameraden.
So ist durch seine unvergänglich berühmte Expedition die grauenhafte Wüste des Eismeeres, aus der bisher nur der Tod in tausendfacher Form sprach, in einen Schauplatz gewandelt worden, auf dem der Genius der Geschichte kommenden Geschlechtern einen der edelsten Männer zeigt.
Einen Mann und Helden, dessen geläuterter Charakter selbst über die grausigsten Schrecken der Natur triumphiert und so der Nachwelt eine Eroberung hinterließ – glorreicher als jene, die je irgendein Weltbezwinger mit dem Schwert erwarb!