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In die Tafeln der Geschichte der Nordpolexpeditionen ist der Name John Franklin mit goldenen Lettern eingezeichnet. Es war um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, als man immer und immer wieder den Versuch unternahm, die berühmte nordwestliche Durchfahrt zu finden. Da durfte auch Sir John Franklin nicht fehlen – der kühne Engländer, den ein abenteuerliches Leben kreuz und quer über den Erdball getrieben hatte, um ihm schließlich in den wüsten Einöden des ewigen Eises sein Grab zu bereiten.
Zur Aufsuchung der nordwestlichen Durchfahrt segelten unter Franklins Leitung am 19. Mai 1845 die beiden englischen Schiffe »Erebus« und »Terror« ab und wurden am 26. Juli in der Melville-Bai unter 77° nördl. Breite und 66° 13' westl. Länge von Greenwich zum letzten Male gesehen. Seit dieser Zeit fehlten alle Nachrichten. Das rätselhafte Verschwinden Sir John Franklins und seiner Gefährten begann bald die ganze gebildete Welt zu interessieren und überall Hilfsbereitschaft wachzurufen. Seit 1848 wurden von der englischen Regierung, von der Gattin Franklins und dem amerikanischen Kaufmann Grinnell wiederholt Expeditionen ausgerüstet, um teils von der Baffinsbai, teils von der Beringstraße aus nach den Verschollenen zu suchen. Alle Versuche schlugen fehl.
Franklin war durch den Lancastersund gegangen, dann nordwärts durch den Wellingtonkanal um die Insel Cornwall gesegelt, hatte das Prinz-Wales-Land umkreist, worauf seine Schiffe vor der Nordspitze von King-Williams-Land (70° nördl. Breite) im Eise festgehalten wurden. Aussagen von Eskimos gaben 1854 die ersten Andeutungen von dem tragischen Schicksal der Expedition. 1859 entdeckte Mac Clintock Ueberbleibsel und schriftliche Nachrichten, aus denen man endlich die Gewißheit erlangte, daß Franklin nach Ueberstehung eines zweiten Winters am 11. Juni 1847 gestorben war. Seine Gefährten, 105 Mann, verließen unter den Kapitänen Crozier und Fitzjames am 22. April 1848 die Schiffe. Bis dahin waren trotz dreimaliger Ueberwinterung erst 9 Offiziere und 15 Mann gestorben. Bei ihrem verzweifelten Versuch, das Festland und die Stationen der Hudsonbai-Compagnie zu erreichen, sind sie sämtlich durch Hunger und Kälte umgekommen.
In London wurde Franklin ein Bronzestandbild errichtet.
Von den zu seiner vergeblichen Rettung unternommenen Versuchen gilt die zweite Grinnell-Expedition als die berühmteste. Sie stand unter dem Kommando des Dr. Elisha Kent Kane, der 1820 zu Philadelphia geboren war. Von seinen 37 Lebensjahren verbrachte Dr. Kane nicht weniger als 20 auf Entdeckungs- und Forschungsreisen in allen Längen- und Breitengraden. Nach seiner Schulzeit und den Studienjahren auf den Universitäten Virginiens und Pennsylvaniens machte er 1843 sein medizinisches Doktorexamen und erhielt bald darauf eine Anstellung als Arzt bei der diplomatischen Expedition nach China. Diese Gelegenheit benutzte er, um die Philippinen zu durchstreifen und zu erforschen. Sein Begleiter, der preußische Baron Loe, brach unter den Anstrengungen zusammen und starb auf Java. Dr. Kane kehrte gesund und mit reicher wissenschaftlicher Ausbeute heim. Besonders hatte er die vulkanischen Gegenden Albaifs und Sombaras durchforscht und war der Erste, der den Krater des Hallvulkans erstieg. Doch er bestieg ihn nicht nur, sondern ließ sich auch an einem Bambusseil von einer überhängenden Klippe über hundert Fuß tief hinab und kletterte dann durch Asche- und Lavalabyrinthe noch sechshundert Fuß tiefer. Besinnungslos wurde er heraufgewunden, brachte aber alles mit, was er in dieser grauenhaften Unterwelt gesammelt – sogar eine Flasche mit Luft! Er erinnerte sich alles Gesehenen so genau, daß er eine topographische Skizze davon entwerfen konnte.
Diese tollkühne Art von Naturforschung brachte ihn in Ruf, und alle Naturforscher begrüßten ihn als den ihrigen.
Es folgten Reisen nach Indien, Aegypten, Ceylon. In unermüdlichem und unerschrockenem Vorwärtsdrang erreichte er häufig Punkte, die vorher noch niemand mit wissenschaftlichen Augen angesehen hatte. Ein Wüstensturm beraubte ihn leider der ganzen schriftlichen Ausbeute mehrjähriger rastloser Tätigkeit. Auf einer anderen Expedition bereiste er die Westküste von Afrika, die damalige Region des Sklavenhandels, bis das gefährliche Bodenfieber der heißen Zone ihn an den Rand des Grabes brachte.
Später begleitete er die amerikanische Armee nach Mexiko, wo er selbst verwundet wurde. Ungeachtet der Kriegsläufte durchforschte er das Land und vermaß den Vulkan Popokatepetl zum ersten Male genau. Nach dem Frieden war er bald als Küsteningenieur im Golf von Mexiko wieder tätig. Hier erreichte ihn der Antrag, die erste Grinnell- Expedition als Oberarzt zu begleiten, die im Mai 1850 auszog und im Oktober 1851 – mit dem gleichen Mißerfolge wie alle anderen Versuche zur Rettung Franklins und seiner Gefährten – wieder heimkehrte.
Ohne sich durch die ausgestandenen Gefahren und die Anstrengungen dieser ersten Reise abhalten zu lassen, erbot sich Kane sofort nach seiner Rückkehr, einen abermaligen Versuch zur Auffindung der Verschollenen zu machen. Teils auf seine eigenen Kosten, teils unter finanzieller Mithilfe des Herrn Grinnell und anderer Personen und Institute kam das Unternehmen zustande.
Dieselbe Brigg »Advance«, die Dr. Kane auf seiner ersten Reise getragen, kam jetzt unter seinen Befehl. Nun durfte er nach Maßgabe seiner Kräfte seine Lieblingsidee verwirklichen: daß man nach den Verlorenen geradezu im Norden suchen und an Grönland vorbei soweit als irgend möglich gegen den Pol vorstoßen mußte. Am 30. Mai 1853 ging die »Advance« in See.
Dr. Kane ist weiter vorgedrungen, als man füglich hätte erwarten dürfen. Zwar fand auch er keine Spur von Franklin, doch er entschleierte gewaltige Länderstrecken des bisher noch unentdeckten Nordens und erreichte sogar das geheimnisvolle eisfreie Polarmeer, von dessen Vorhandensein man bis dahin nur in phantastischen Vermutungen gefabelt hatte. Endlich brachte er, als es für ihn nichts mehr zu tun gab, sich und seine Gefährten glücklich zurück, nachdem man bereits ihn selbst zu den Verlorenen zu zählen begonnen hatte.
Dr. Kane war ohne weiteres bereit zu einer dritten Expedition und eilte nach seiner Rückkehr sogleich nach England, um hier seine Bereitwilligkeit zu erklären.
Doch die unerhörten, jahrelangen Anstrengungen, die er sich körperlich zugemutet, hatten seine Gesundheit völlig untergraben. Um Genesung zu suchen, ging er nach Havanna, das er nur als Leiche wieder verließ.
Der 11. März 1857 war der Tag, an dem eine großartige, aber traurige Feier der Stadt New York ihren Stempel aufdrückte: an diesem Tage trug man den Mann zu Grabe, den jedes Volk mit Stolz den Seinigen genannt hätte.
Zum besseren Verständnis der nun folgenden Reisebeschreibung diene die Erklärung einiger häufig auftretender Worte und Fachausdrücke:
Eisberg ist ein einzeln schwimmender riesiger Eisklumpen von mitunter phantastischen Formen und Farbenbildungen.
Eisfelder erheben sich 4 – 6 Fuß aus dem Wasser und liegen oft bis zu 20 Fuß unter ihm. Diese Felder sind viele Meilen lang und breit. Oft rücken sie nur langsam vorwärts, oft treiben sie mit rapider Geschwindigkeit. Vom Mastkorbe aus lassen sie sich ihres enormen Umfanges wegen nicht übersehen.
Eisflarden dagegen sind Eisfelder geringeren Umfanges.
Hummocks sind Eisklumpen, die von einem Eisfelde oder einer Eisflarde getragen werden.
Packeis sind Eisbarrikaden, die sich aus einzelnen Klumpen oder Schollen auftürmen. Entweder verstopfen sie ganze Meeresarme oder bieten auf freier See jedem Vordringen ein unerwartetes Halt. Dann sind sie meist unübersehbar und vereiteln jede Annäherung an etwa hinter ihnen liegende unbekannte Länder.
Loses Eis sind Eismassen, die dicht nebeneinander schwimmen, durch die sich das Schiff aber einen Weg bahnen kann. Segeleis ist so klein zerstückelt, daß jedes Schiff ohne Mühe hindurchkommt.
Schweres Eis geht sehr tief und ist völlig kompakt.
Eiszungen ragen von einem Eisfelde oder Eisberge unter dem Wasserspiegel ins freie Wasser und bilden eine gefährliche Klippe, die bei ruhigem Wasser jedoch leicht sichtbar ist.
Eisblink ist der eigentümliche Widerschein, den eine Eisfläche auf den Horizont wirft. Für den Nordpolfahrer ist der Eisblink ein deutliches Kennzeichen, daß er umzukehren hat.
Wasserhimmel dagegen verheißt freie Fahrt. Man versteht unter diesem Worte eine leichte Verdunkelung der Luft, die von einer darunter liegenden Fläche freien Wassers herrührt.