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Es war eine jener kalten, windigen Steppennächte, in denen kein Mongole sich aus seiner stinkenden Filzjurte herauswagt. Der Himmel war dick bewölkt, und unsere müden, kleinen struppigen Gäule schleppten sich unlustig über den harten Lehmboden eines flachen Tales.
Gupa, der sonst im Dunkeln wie eine Katze sehen konnte, hatte das, was man hier zwischen Charbin und dem südlichen Chingan-Gebirge als Weg bezeichnet, schon vor zwei Stunden gänzlich verloren. Wir ritten auf gut Glück nach dem Kompaß weiter gen Westen, – wir hätten längst unser Zelt aufgebaut, aber Wera trieb uns mit ihrer Ungeduld und versteckten Angst dauernd vorwärts.
Dieser Ostteil der Wüste Gobi, an den Rändern von den Chinesen längst besiedelt, hat dennoch im Innern den Charakter der pfadlosen Wildnis völlig bewahrt. Die Bodenformation ist dieselbe wie in der eigentlichen Gobi: Zwischen wellenartigen, mit Steinschutt bedeckten Höhenzügen liegen lehmige Täler oder Kiesebenen, während größere Sandflächen selten sind. Die Sträucher und Gräser in den Niederungen schießen im Frühjahr nach der Schneeschmelze in wenigen Wochen so üppig hoch, daß das Getier der Wüste, im Winter an das Fasten gewöhnt, überreichlich Nahrung findet.
Wir hatten von diesem Getier in den verflossenen fünf Tagen freilich wenig gesehen – außer Murmeltieren, Pfeifhasen und Spitzmäusen und den sehr zahlreichen Fasanen nur ein paar Hirsche und einen kleinen Trupp Targans, Wildpferde. Den Dörfern und Zeltlagern waren wir in weitem Bogen ausgewichen, denn wir fürchteten auf Schritt und Tritt Verrat. Wir wußten hinter uns eine Schar von Reitern, und wir waren nur unser vier und Wrangel, der Hund, dazu vier Reitpferde. Tschanli und die beiden anderen Chinesen hatten wir schon vor der Stadt Chabarowsk abgelohnt, hatten ihnen den Schoner geschenkt und waren weiter unangefochten mit der Bahn über Wladiwostok nach Charbin gelangt. In diesem internationalen Gaunernest, das mehr Spielhöllen und Freudenhäuser beherbergt, als der harmlose Europäer ahnt, spürten wir zum ersten Male, daß wir beobachtet wurden. Wenn wir den treuen Gupa nicht gehabt hätten, würden wir wohl nie lebend aus Charbin herausgekommen sein. Gupa hatte uns weit von der Stadt bei einem Bekannten untergebracht, – noch in der Nacht mußten wir flüchten, und daß Gupa inzwischen dennoch erfahren hatte, daß der Fürst, Gowin und Chedee sich weiter westwärts gewandt hatten, war einer jener Glückszufälle, die nachher leider ihr wahres Antlitz enthüllen. –
Ich drängte jetzt meinen zottigen Gaul näher an Wera heran.
»Wir müssen rasten«, mahnte ich energisch. »Wir treiben die Pferde zwecklos bis zur Erschöpfung vorwärts, und falls es dann hart auf hart kommt, Fürstin, versagen sie.«
Wera mochte einsehen, daß ich recht hatte. Sie hob sich im Sattel und blickte sich um. »Drüben ist Gesträuch, Olaf – schlagen wir das Zelt auf …« Ihre Stimme klang matt und verzagt. Seit Charbin war sie völlig verändert. Bis dahin hatten ihre Nerven noch standgehalten, jetzt streikten auch ihre Kräfte.
Wir erreichten die Büsche, es waren mannshohe Saxaulsträucher und stachelige Sulkhir-Zwergbäume, und in einer sandigen Mulde zwischen ihnen begrüßte uns das wütende Kläffen einiger Mongolenhunde. Das große Filzzelt sahen wir erst, als wir es rochen … Drei Kerle mit hohen Lammfellmützen, und Kitteln und Schafwolle traten ins Freie, – der eine hielt eine eiserne Pfanne mit brennenden Zweigen empor, und die beiden anderen begrüßten uns durch eine Flut von fabelhaften Kraftworten, über die unser Gupa sich vor Lachen ausschüttete.
Er verständigte sich dann schnell mit diesen schmierigen Landsleuten – es waren reinblütige Chalcha-Nomaden –, und gegen etwas Bargeld und Tabak gestatteten sie uns, neben der Jurte das Zelt zu errichten, das gerade nur für Wera ausreichte.
Ich hatte bis dahin keine Jurte betreten, ich blieb auch nur kurze Zeit in dieser Hölle von Gestank und Qualm, ich sah zwölf Menschen in einer Ecke zusammengepfercht, den übrigen Raum nahmen ganz junge Lämmer ein, die man vor der Kälte schützen wollte. Eine der Frauen des Familienoberhauptes säuberte gerade den Kessel mit … getrocknetem Kamelmist, um für uns den Tee zu bereiten. – Ich flüchtete ins Freie zurück, Steenpool aber ließ sich zwischen den Nomaden nieder und Gupa verhandelte mit einem der Söhne, – wahrscheinlich wollte er ihn für uns als Führer gewinnen.
Der kalte Wind strich über die Mulde hinweg, ich breitete meine Decken wie immer vor Weras Zelteingang aus und hüllte mich ein und aß ein paar Stücke Hartzwieback. Im Zelt brannte noch Licht. Wera mußte mich gehört haben und kam heraus. »Ich koche Tee für uns, Olaf …« – Das Verhältnis zwischen uns hatte sich seit der Flucht aus Charbin etwas getrübt, da ich schon wiederholt der Fürstin unsinnige Eile bemängelt hatte.
»Gut, daß Sie es tun, Wera, denn der Ziegeltee mit Hirsebrei, den uns die Chalchadamen vorsetzen würden – aus dem Kessel, ich danke!«
Ich hatte mich aufrecht gesetzt, Wera kniete mit einem Male neben mir und legte mir den Arm um den Nacken. »Olaf, sind Sie mir böse?!«
»Das nicht … Sie sind nur sehr unvernünftig, Wera … Wenn es irgend jemand mit Ihnen gut meint, bin ich es doch. Wir haben ein bestimmtes Reiseziel vor Augen, das Dorf Choto, wo wir die Gesuchten treffen werden, die nur einen Tag Vorsprung haben – oder hatten. Ihre Schuld wäre es, wenn wir dieser Chinesenhorde, die man uns auf die Fersen gehetzt hat, vorher in die Hände fielen.«
Ihr Arm sank herab … Sie nahm neben mir Platz … »Olaf, … ich … begreife mich zuweilen selbst nicht mehr … der, den ich einst liebte, ist für mich ein verblaßtes Phantom geworden … eigentlich ein Fremder … Ich bin ja sein Weib nie gewesen, Olaf, – die Ehe ist doch nicht die papierne Bestätigung des gegenseitigen Willens zu innigster Gemeinschaft, diese Gemeinschaft muß auch hergestellt worden sein. Wäre dies geschehen, würde mir Iwan wohl seelisch noch näher gerückt sein … So aber …?! – Wenn ich an all diese Jahre zurückdenke, wenn ich ehrlich in mein Inneres schaue: Ich glaube, es war ein gut Teil Abenteurerlust bei diesem zähen Bemühen, Iwan zu finden. Zuletzt betrog ich mich wohl selbst, ich redete mir ein Gefühl ein, das längst nur ganz schwach flackerte … – Olaf, es ist eine trostlose Erkenntnis …!«
»Dazu kann ich mich wirklich nicht äußern …« – und ich log, denn ich hätte rufen müssen: Er ist deiner ja gar nicht wert, – wir beide gehören zusammen, Wera, nur wir beide!
Erriet sie meine Gedanken?!
Sie lehnte sich an mich, sie tastete nach meiner Hand …
»Olaf …!«
Es war nur wie ein Hauch, aber es war auch ein verzweifeltes Schluchzen …
»Olaf, – – wenn ich dich früher kennen gelernt hätte …!«
Ich saß da und regte mich nicht. Es war ein Kampf, wie ich ihn so schwer nie ausgefochten hatte.
Und es war ein Glück, daß hinter uns im Zelte das Wasser zischend überkochte und gleichzeitig mein treuer Wrangel, der sich bereits mit den mageren Mongolenkötern angefreundet hatte, warnend knurrte. Ich war im Nu auf den Füßen, hatte die Büchse ergriffen und drängte mich hinter meinem Hunde durch die Büsche.
Ich sah nichts Verdächtiges, aber Wrangel schaute mit gesträubtem Haar nach Osten hin, wo ich undeutlich ein paar nackte Felsen erkannte.
Ich nahm ihn an die Leine, und vorsichtig schritt ich weiter. Wrangel zog und zerrte immer stärker an dem Riemen, und ich entsicherte die Büchse, duckte mich ganz tief und spähte mit halb zugekniffenen Augen in die Finsternis. Je näher wir den Felsen kamen, desto ungestümer benahm sich mein sonst so behutsamer Wrangel.
Dann – aus einer Spalte des größten Felsens ein warnendes Kreischen, und blitzschnell turnten ein Dutzend mittelgroßer Affen noch höher empor und verschwanden.
Ich hätte Wrangel das Fell gerben mögen! Deshalb diese ganze Aufregung! Affen, hier in der Nordmongolei nur in drei Arten vertreten, hatten mir bange Minuten bereitet. Ich hatte an die Chinesenhorde gedacht, ich hatte schon Kugeln pfeifen gehört, mein Herz hatte sich darauf gefreut, sein wildes Hämmern in nächtlichem Gefecht ersticken zu können, und dieses Herz pochte nur eines Weibes wegen so ruhelos.
Ich riß Wrangel zurück, er widersetzte sich, – Steenpool kam mir entgegen, lachte mich noch aus, und dann saß ich verärgert in Weras Zelt und trank Tee, und Steenpools Schilderung des Innenlebens der Jurte fand ich witzlos und unfein, denn er kratzte sich andauernd hier und dort, und Wera lächelte dazu …
Nachher lagen wir beide im Freien, den Sattel als Kopfkissen, – Gupa war in der Jurte geblieben, und Wrangel hatte ich zur Strafe bei den Pferden angebunden. Ich fror trotz der beiden Wolldecken, die Gräser waren feucht von Tau, die Blätter der Büsche tropften, am Tage hatten wir mindestens achtundzwanzig Grad Wärme gehabt. Die Nordostgobi ist kein Land für Rheumatiker.
Steenpool schnarchte wie immer; von der Jurte kam der beißende Schafgestank herüber, und der Wind pfiff und säuselte, und die Pfeifhasen pfiffen noch ärger.
Ich verfiel in einen unruhigen Halbschlaf. Die Pferde stampften und schüttelten sich, Nachtschwalben schossen blitzschnell um den Rauchfang der Jurte und fingen die durch den schwachen Lichtschein angelockten Insekten …
Ich schrecke empor …
Hatte ich geträumt?! Hatte ich nicht wirklich einen kurzen Schrei vernommen?
Da – – Wrangels schrilles Bellen machte mich völlig munter … Der Hund hatte sich losgerissen und jagte in die Büsche hinein …
Ich stand und lauschte …
Wieder ein halberstickter Schrei – – und dumpfer Hufschlag …
Ich riß den Zeltvorhang hoch.
»Wera?!«
Keine Antwort, – ich hinein, – nochmals …
»Wera?!«
Und dann zu den Pferden, – raus mit dem Pflock aus der Erde, hinauf auf den kahlen Rücken, – Hacken in die Weichen gehauen …
»Steenpool, hallo, – Wera ist entführt worden!«
Und schon sause ich durch die Sträucher, schon höre ich in der Ferne Wrangels helles, wütendes Kläffen, – ich habe nur Messer und Pistole bei mir, ich muß aus dem langen Halsriemen für den Gaul erst eine Trense knoten, – ich tue alles ganz mechanisch, ich bin dennoch der El Gento von einst, der mit Coy über die Pampas fegte, den Puma hetzte und die silbernen Häupter der Cordilleren kennen lernte.
Mein Pferdchen, dem die kurze Ruhe wenigstens etwas Kraft zurückgegeben hat, scheint zu wissen, daß es hier um mehr, als nur eine Hatz auf Hirsche gilt. Dieser kleine ruppige Gaul, sehnig wie ein übertrainiertes Vollblut, streckt sich lang, weicht von selbst jedem Erdloche aus, – schön sind diese Mongolengäule nicht, sie tragen den Kopf zu tief, aber Augen haben sie wie ein Luchs, und besonders auf dem lehmigen Boden, wo Murmeltiere, Füchse und Mäuse alles unterwühlt haben, würde sich jedes andere Pferd nach drei Galoppsprüngen die Beine brechen.
Wie bitter unrecht habe ich doch vorhin meinem Hunde getan! Wrangel hatte es gar nicht auf die Affen abgesehen, Wrangel hatte die schlitzäugigen Feinde gewittert, und ich hatte Prügel verdient, ich alter erfahrener Steppenläufer, der das Benehmen Wrangels so falsch deutete!
Hinter mir höre ich nun auch Steenpools gellenden Ruf … Und dann Gupas Donnerstimme, – weit, weit hinter mir …
Die Finsternis verschluckt mich, ich richte mich nur nach des Hundes Kläffen … Und – wenn Wrangel mit seinem noch immer lahmen Bein versagt?!
Wir fliegen über Steingeröll, über jenen Pulverstaub, den die Wüste Gobi bei Stürmen hochwirbelt und in schwarzgraue Wolken verwandelt. Sandstürme gibt es nur tief im Süden, hier in dieser Gobiecke fürchtet der Nomade den Staubsturm noch mehr, denn dieser mehlfeine Staub enthält so viel Natronteilchen, daß die Herden, die ihn längere Zeit einatmen, elend an Lungenentzündung krepieren.
Wir fliegen …
Doch die da vor mir, die die Fürstin geraubt haben, müssen frische Pferde haben …
Wrangels Kläffen erstirbt immer mehr. Angst packt mich, preßt mir das Herz zusammen, – ich kenne diese gelben Banditen, die da irgend jemand in Charbin angeworben hat, – vertierte Bestien, Söldner jener Generäle, die aus Profitgier einander bekämpfen, die vom Auslande bezahlt werden, die ihr niederträchtiges Geschäft bedroht sehen, sobald einmal die Völker Asiens sich zusammentun.
Gupa kennt sie noch besser: Diebe, Banditen, Leichenfledderer, Frauenschänder, in Uniform gesteckt, elendester Abschaum, zu faul zu ehrlicher Arbeit, zu blöde, um eines einzigen Gedankens fähig zu sein!
Und Wera in deren Händen!
Mich überläuft es kalt …
Dann – stolpert mein Gaul …
Stolpert nochmals …
Seine Sprünge werden unsicher …
… Was habe ich doch vorhin Wera vorgeworfen?!
Und – handele ich jetzt nicht selbst wie ein Unsinniger?!
Ich zügele das keuchende Tier, es steht, zittert.
Stehen darf es nicht, und im Schritt reite ich weiter, ein Hoffnungsloser …
Um mich her nur noch die Stimmen der Wüste.
Vor mir?«
Wenn nur diese Finsternis nicht wäre, wenn nur die Wolken sich zerteilen wollten … Mond und Sterne würden mir genügend Licht geben, die Fährten im Auge zu behalten. Aber auch Mond und Sterne waren gegen mich, selbst die Natur hatte sich wider mich verschworen, und Wera Ginnström, meine Landsmännin, würde … hoffentlich noch Gelegenheit finden, die winzige Pistole zu benutzen, die sie stets bei sich trug und mit der sie so sicher zu treffen wußte.
Stolpernd quälte sich mein armer Gaul weiter. Ich überlegte … Sollte ich durch ein paar Schüsse Steenpool und Gupa herbeirufen?! – Nein, ihre Pferde mußten genau so abgehetzt sein wie mein Tier, und ob sie in derselben Richtung vorwärtsgeprescht waren wie ich, erschien zweifelhaft, da Wrangels Gebell kaum ihre Ohren erreicht haben dürfte.
Sehnsüchtig warf ich einen Blick zum Firmament empor. Der steife Nordost führte noch immer schwarzes Gewölk aus den mandschurischen Bergen herbei, ganz selten zeigte sich ein hellerer Fleck mit glitzernden Pünktchen, ganz selten wurden die Wolkenränder vom Monde wie ein ungeheures Transparent durchleuchtet.
Hatte es Zweck, aufs Geratewohl durch die Steppe zu ziehen?! Aber der eisige Wind hätte dem Pferde, für das ich keine Wolldecke hatte, den Rest gegeben. Ich selbst war wie aus dem Wasser gezogen, ich fühlte, daß meine Haut dampfte, daß ich klüger tat abzusteigen und mir Bewegung zu machen.
So wanderten dann Mann und Roß durch Finsternis und aufstiebende Staubwolken gen Südost …: In dieser Richtung war des Hundes Kläffen zuletzt erklungen.
Ich wanderte, die Trense in der Linken, den Kopf vorgebeugt, und lauschte …
Zuweilen gingen aus hohem Grase mit eigentümlichem lärmenden Surren Fasanen hoch. Daß die Mongolei das Paradies der Fasanen ist, hatte ich bisher nicht gewußt. Zuweilen heulte in der Nähe ein Wolf kurz auf … Im Winter sind diese Raubgesellen gefährlich, im Sommer finden sie übergenug Beute und zerstreuen sich paarweise über die endlosen Weiten. Auf unserem Ritt von Charbin waren wir auch einigen Hochzeitszügen dieser grauen, dickköpfigen, kurzhalsigen Bestien begegnet. Eine Wölfin, umringt von einem Dutzend bissiger Verehrer, die einer den anderen den Pelz zerzausten … Blutspuren bezeichneten den Weg dieser Brünstigen.
Vor mir tauchte wiederum eine jener kahlen Felsformationen auf, zwischen deren Blöcken und Klippen man häufig genug Muscheln findet. Bekannte Forscher haben wohl mit Recht die Theorie aufgestellt, daß die ganze ungeheure Niederung der Wüste Gobi einst ein riesiges Wasserbecken gewesen sei.
Die Wolken schoben sich ein wenig auseinander, und zwischen den ersten Steinen lag japsend und keuchend mein Wrangel. Er sah mich, winselte, duckte den Kopf, der schuldbewußte Ausreißer, kroch mir entgegen und umschmeichelte mich.
Hoffnung lebte neu in mir auf …
»Wrangel – – endlich!« – und kein böses Wort bekam er zu hören, – nun wußte ich, ich würde Wera finden, auf des Hundes Nase war Verlaß.
»Such', mein Hund, – such' …!« – und Wrangel heulte leise auf, beschnupperte den Boden und trabte schwer hinkend nach links um die Felsen herum.
Stunden waren vergangen.
Im Osten zeigte sich der fahle Bogen der ersten Dämmerung. Der Wind war umgesprungen, aber die Sterne verblaßten, und die Fährte der vier Räuber lief weiter, als unklarer Strich vor mir her. Sie hatten die Richtung geändert, die Spur führte genau nach Westen, und meiner Berechnung nach mußte dort unser Ziel, das Dorf Choto an den Ostausläufern des Chingan liegen. In einem lehmigen Tale mit üppigstem Graswuchs ritt ich jetzt dahin. Mein Fuchs, dessen Haar mehr ins Rötliche spielte, hatte sich wieder erholt, nachdem wir eine Stunde in tiefer Schlucht gerastet hatten. Das Tal stieg sanft an, – im Morgenlicht erkannte ich als Abschluß vor mir einen flachen Bergrücken mit ein paar Bäumen. Es waren Zwergeichen, Buchen, Tannen und stacheliges Gestrüpp.
Wrangel wurde ungestümer … Ich hatte ihn am Riemen, er zog plötzlich scharf vorwärts …
Ich nahm die Pistole heraus, blies durch den Lauf, um den Staub zu entfernen, ließ die erste Patrone des Rahmens in die Kammer schnellen und beobachtete Wrangel. Sein Haar war nur wenig gesträubt, er knurrte nicht …
Mein Herz pochte lauter: Die ersten Büsche. Links ein Abhang, ein Felsloch, mit Geröll gefüllt … Zwischen dem Geröll die Spitze eines Stiefels, der Zipfel einer Chakijacke … und eine Hand … zusammengekrampft.
Ich stieg ab, ich räumte den Steinschutt weg.
Vier der Banditen, die vier Räuber – – tot, oberflächlich bedeckt mit Steinen …
Jeder mit einem winzigen Loch im Schädel.
Zwanzig Schritt weiter zwischen den Bäumen vier angepflockte, mit Wolldecken behängte ruppige Gäule …
Daneben unter einer Buche eine schlafende, blasse Frau …
Die ersten Sonnenstrahlen schössen über die Wüste, – Wrangel bellte freudig, Wera Ginnström sprang auf …
Ihre Augen ruhten auf mir mit einem zärtlichen Leuchten, und wortlos sank sie mir in die Arme … Sie weinte an meiner Brust, aber ihre Lippen waren heiß und voll trunkener Freude.