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Um Smiths ökonomische Grundbegriffe klar zu machen und seine Darstellungsweise zu charakterisieren, sind wir ihm bis jetzt Kapitel für Kapitel gefolgt; da jedoch äußere Rücksichten uns Grenzen setzen, müssen wir uns bei den letzten beiden Büchern, deren Umfang den der drei ersten übertrifft, auf eine gedrängte Inhaltsangabe beschränken. Der verschiedene Reichtumsfortschritt in verschiedenen Zeitaltern und Ländern, leitet Smith das vierte Buch ein, habe zu zwei verschiedenen Systemen der politischen Ökonomie Anlaß gegeben, dem Kommerz- (Merkantil-) System und dem Agrikultursystem (dieses heißt heute das der Physiokraten). Diese wolle er nun darstellen. Das Merkantilsystem ist nicht von einem Gelehrten ausgeklügelt worden, sondern ging von selbst aus der mangelhaften Erkenntnis der Natur des Geldes und seiner dadurch verursachten Überschätzung hervor. Alle Regierungen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts handelten nach seinen Grundsätzen: daß der Reichtum eines Landes hauptsächlich in seinem Edelmetallvorrat bestehe, daß man also diesen zu vermehren trachten müsse, daß zu diesem Zweck die Einfuhr, die dem Lande Geld entziehe, durch Verbote und Zölle gehemmt, die Ausfuhr, die Geld ins Land bringe, begünstigt, und die Industrie, welche die lohnendsten Ausfuhr-Artikel liefere, gefördert werden müsse. Der französische Minister Colbert († 1683) gilt als der Mann, der diese Grundsätze am folgerichtigsten durchgeführt habe, doch sind die englischen Staatsmänner und Friedrich der Große nicht weniger merkantilistisch gewesen. Smith widerlegt den Merkantilismus folgendermaßen.
Da Geld das Werkzeug des Handels ist, wer Geld hat, damit alle Güter leicht beschaffen kann, darum alle Welt nach Gelde giert, so lag die Versuchung nahe, die zwei Begriffe Geld und Reichtum zu verwechseln. Aber ein Sohn Dschingischans, der den französischen Gesandten fragte, ob sein Land viel Schafe und Ochsen habe, hatte eine richtigere Vorstellung vom Nationalwohlstande als die europäischen Staatsmänner. Die Kaufleute allerdings fanden bei der merkantilistischen Politik ihren Vorteil, und sie überredeten die Parlamente und die Räte der Fürsten, daß dieser ihr Vorteil auch der des Landes sei; die regierenden Edelleute aber glaubten ihnen als Sachverständigen. Daß Handel ein Land bereichere, das lehrte die Erfahrung; auf welche Weise jedoch er das Land bereichere, vermochte keine der genannten beiden Klassen zu erkennen; die Kaufleute wußten nur, auf welche Weise er sie bereichere. Allerdings muß ein Land, das keine Gold- und Silberminen besitzt, seinen Edelmetallbedarf im Auslande decken, aber es bekommt davon, wie von jeder anderen ausländischen Ware, jederzeit ohne besondere Regierungsmaßregeln so viel, als seine Nachfrage verlangt. Und sollte einmal Mangel daran eintreten, so wäre dieser leichter zu ertragen als jeder andere Mangel. Fehlt es an Rohstoffen, so steht die Industrie still; fehlt es an Brot, so stirbt das Volk Hungers; fehlt es bloß an Münzmetall, so ist dem Mangel durch Papiergeld leicht abgeholfen. Einen Kaufmann kann Geldmangel in große Verlegenheit bringen; sein Reichtum besteht in Gütern, die verderben oder an Wert verlieren, wenn er sie nicht beizeiten in Geld umsetzen kann. Die Nation dagegen besitzt den größten Teil ihrer Güter nicht als Handelsware, sondern verbraucht sie; nur ein kleiner Teil davon ist bestimmt, zum Austausch gegen andere Güter ins Ausland geschickt zu werden, und von diesem Teil dient wieder nur ein kleiner Teil dazu, Edelmetall einzutauschen. Im Augenblick freilich zieht das Geld rascher und leichter Güter herbei als die Güter Geld herbeiziehen, aber auf die Länge wird das Geld mit Notwendigkeit von den Gebrauchsgütern herbeigezogen, das Gebrauchsgut nicht so notwendig vom Gelde. Das Gebrauchsgut dient eben hauptsächlich zum Gebrauch und nur zufällig und vorübergehend als Handelsware, zum Eintausch von Geld; das Geld hat keinen anderen Zweck, als Güter einzutauschen. Drum läuft das Geld notwendigerweise den Gütern nach, aber die Güter laufen nicht immer notwendigerweise dem Gelde nach. Man hat den überwiegenden Wert des Geldes darin gefunden, daß Metalle dauerhafter sind als verzehrbare Güter. Nun, Eisenwaren sind auch dauerhafter als Wein, dennoch halten wir es für kein schlechtes Geschäft, unsere Eisenwaren gegen französischen Wein auszutauschen, anstatt sie zu behalten und einen ungeheuren Berg von eisernen Töpfen und Pfannen aufzutürmen, die ewig dauern könnten. Haben wir nur zu essen, so werden wir auch genug Töpfe und Pfannen haben, unsere Speisen darin zuzubereiten, denn wenn wir Arbeitern einen Teil der Lebensmittel geben, so werden sie uns gern so viel Töpfe und Pfannen anfertigen, als wir brauchen; es wäre höchst lächerlich, der Beschaffung von Küchengeschirr eine besondere Sorge zu widmen und mehr davon herstellen zu lassen als gebraucht wird. Gerade so ist es mit dem Gelde. [Diese Ansicht Smiths hat der Erfolg der Einführung der Goldwährung bei uns glänzend gerechtfertigt. Das deutsche Volk hat seit 1870 eine unglaubliche Menge von Gebrauchsgütern produziert, und die zu deren Umtrieb notwendige Menge Goldes hat sich, allen düsteren Prophezeiungen zum Trotz, ganz von selbst eingestellt.] Die Staatsmänner haben das jedoch nicht eingesehen, und, um den Gold- und Silberschatz des Landes besorgt, den Verkehr teils beschränkt, teils willkürlich zu leiten versucht. Sie haben zunächst die Einfuhr solcher Güter beschränkt, die im eigenen Lande erzeugt werden können. Wer unsere Zollgesetzgebung nicht kennt, der ahnt nicht, welche Mannigfaltigkeit von Gütern durch unbedingtes oder nur unter gewissen Umständen geltendes Verbot von der Einfuhr in England ausgeschlossen ist. Da jeder Unternehmer seinen eigenen Vorteil sucht, der Inlandsverkehr der vorteilhafteste ist und desto größeren Gewinn abwirft, je wertvollere Güter er liefert, so sehen sich die Unternehmer durch ihre Selbstsucht genötigt, den Wohlstand des Landes so viel wie möglich zu mehren. Verleiht ihnen jedoch der Staat durch Einfuhrverbote das Monopol des inneren Marktes, und bestimmt er sie dadurch, ihr Kapital in Industriezweige zu stecken, in denen sie es beim natürlichen Laufe der Dinge nicht angelegt hätten, so wird diese Anlage weniger vorteilhaft fürs Land ausfallen. Das Land verliert durch den Zwang, Dinge selbst anzufertigen, die es im Auslande billiger kaufen könnte, ebenso, wie der Schneider verlieren würde, den man zwänge, seine Schuhe selbst anzufertigen. Den Fabrikanten allerdings nützen Einfuhrverbote und Schutzzölle, denn bei freier Einfuhr könnten sie leicht von auswärtigen Fabrikanten unterboten werden. In Beziehung auf landwirtschaftliche Erzeugnisse ist das undenkbar; die Landwirte haben darum von auswärtiger Konkurrenz nichts zu befürchten. [Das ist seitdem anders geworden.] Übrigens haben sich die Landwirte vom Monopolgeiste frei erhalten; nicht sie, sondern die gegen das Publikum verschworenen Kaufleute und Fabrikanten sind die Erfinder der Schutzzollpolitik, und die Kornhändler fordern weit dringender Exportprämien auf Korn als die Landwirte. Von diesen gilt noch immer, was Cato gesagt hat: »Ihr Gewerbe ist schuldlos, beständig und wird ohne gegenseitigen Neid betrieben; die es ausüben, planen nichts Arges.« Doch sind von der hier aufgestellten Regel zwei Ausnahmen zuzulassen. Weil die Landesverteidigung wichtiger ist als die Reichtumsvermehrung, so ist die [von Cromwell 1651 erlassene] Navigationsakte, die den Verkehr ausländischer Schiffe in englischen Häfen außerordentlich beschränkt und dadurch den heimischen Schiffbau fördert, der Nation heilsam gewesen. Und wenn unter dem Zollschutze eine Industrie groß geworden ist, deren zahlreiche Arbeiter durch plötzliche Aufhebung der Schranken brotlos gemacht werden könnten, so fordert die Humanität, daß die Einfuhr nur ganz allmählich und in vorsichtiger Weise wieder frei gegeben werde. Indes zu glauben, Großbritannien werde jemals die allgemeine Handelsfreiheit wieder herstellen, das wäre so töricht, als wenn man die Einführung der Verfassung von Utopia erwarten wollte. [Nun, ein halbes Jahrhundert hat jetzt England doch Handelsfreiheit genossen, aber es ist ihrer schon überdrüssig.] Gerechtfertigt erscheinen Einfuhrzölle auch als Retorsion gegen Zollmaßregeln des Auslandes.
Wenn gewisse Einfuhrzölle damit verteidigt werden, daß sie notwendig seien, die Handelsbilanz mit dem davon betroffenen Staate wieder günstig zu gestalten, so ist darauf zu antworten, daß weder die Nachweise der Zolleinnahmen, noch die Wechselkurse [bei dieser Gelegenheit wird die Geschichte der Bank von Amsterdam erzählt] eine sichere Grundlage zur Berechnung der Bilanz abgeben, daß die Bilanz mit einem einzelnen Lande, wenn sie berechnet werden könnte, über die doch allein entscheidende Gesamtbilanz nichts aussagen würde, und daß die ganze Lehre von der Handelsbilanz Unsinn ist, weil jeder Güteraustausch beiden Tauschenden gleichen Vorteil bringt. [Jeder reelle und vollkommen freie zwischen gleich starken Parteien! Aber bei Nationen geschieht es wie bei einzelnen Personen, daß die klügere die einfältigere betrügt, die stärkere die schwächere ausnützt, was im Völkerverkehr u. a. in der Weise vorkommt, daß das industriell fortgeschrittene Volk durch Überschwemmung der Agrarländer mit wohlfeilen Industriewaren bei jenen die Entstehung einheimischer Gewerbe hemmt, oder in Ländern mit alter Kultur feinere Industrien durch wohlfeile grobe Ware erstickt; so haben die Engländer im neunzehnten Jahrhundert mit ihrem Kattun die schlesische Leinen- und die indische Musselinfabrikation vernichtet. Der Streit über die Handelsbilanz hat an Bedeutung verloren, seitdem man weiß, daß der Warenverkehr nur eines unter vielen Mitteln der internationalen Wertübertragungen ist, und daß gerade die reichsten Länder meistens eine passive Handelsbilanz haben.] Der Grundsatz, daß jeder Güteraustausch beiden Teilen nütze, gilt ganz allgemein, auch für das Geschäft, das der Arbeiter mit dem Bierhause macht, obwohl es zu der Art von Geschäften gehört, die leicht in Mißbrauch ausarten können. Doch ist an dem Mißbrauch, wo er vorkommt, nicht die verlockende Gelegenheit schuld: die große Zahl der Wirtshäuser und die Wohlfeilheit der berauschenden Getränke. Das Volk ist nirgends mäßiger als in den Weinländern, wo der Wein spottbillig ist. Wenn ein nordfranzösisches Regiment nach dem Süden verlegt wird, pflegen sich allerdings anfangs die Soldaten, durch die ungewohnte Billigkeit des Weins verführt, oft zu betrinken, aber nach einigen Monaten sind die meisten von ihnen so mäßig wie die Einheimischen. [Die Italiener und die Spanier verdienen dieses Lob noch heute, die Franzosen leider – seit etwa vierzig Jahren – nicht mehr.] Deshalb sollte auch der Handel mit Spirituosen und ihr Ausschank völlig freigegeben werden. Unter dem Einflusse der falschen Theorie hat sich jedes Volk daran gewöhnt, den Gewinn des Nachbars für eigenen Verlust zu halten; jede möchte darum die andere an den Bettelstab bringen [heute wissen wir, daß die reichsten Nationen unsere besten Kunden sind], und so ist der Handel, der die Nationen wie die Individuen mit Freundschaftsbanden umschlingen sollte, die stärkste Quelle der Feindschaft zwischen ihnen geworden. Der launenhafte Ehrgeiz der Könige und ihrer Minister ist in den letzten Jahrhunderten nicht so verhängnisvoll für die Ruhe Europas gewesen wie die unverschämte Eifersucht der Kaufleute und Fabrikanten. Die Gewalttätigkeiten und die Ungerechtigkeiten der Herrschenden nun sind alte Übel, gegen die es wohl keine Abhilfe gibt; aber die gemeine Raubgier und der Monopolgeist der Fabrikanten und der Kaufleute müßten doch zu zügeln sein. Eher als Schutzzölle und Ausfuhrprämien ließen sich Prämien auf die Fabrikation gewisser Waren rechtfertigen; diese würden das Volk mit Hilfe einer mäßigen Steuer bereichern, indem sie die Produktion förderten und die Güter der begünstigten Art wohlfeil machten. Aber eben dieses wollen die Kaufleute nicht; lieber zahlen sie Ausfuhrprämien aus ihrer eigenen Tasche, um den Warenvorrat in der Heimat zu vermindern und dadurch die Preise zu steigern.
So unverständig wie die Handelspolitik der neueren Europäer ist bisher auch ihre Kolonialpolitik gewesen. [Vor deren Darstellung überblickt er die Geschichte der griechischen, der römischen und der mittelalterlichen Kolonisation.] Obwohl Goldsucherei die riskanteste aller Lotterien ist, ließen sich nach der Entdeckung Amerikas die Europäer durch ihre unvernünftige Habgier verleiten, die Aussicht auf unermeßliche Beute an Gold und Silber für das Wertvollste an dem neuen Länderbesitz zu halten. Der wirkliche Wert dieser Kolonien besteht darin, daß sie uns mit Gebrauchsgütern bereichern, die vor der Entdeckung Amerikas unbekannt waren, und daß sie unsere Industrie anregen, Ausfuhrartikel für die neuen Länder zu erzeugen. Den Hauptnutzen, daß sie Millionen Sprößlingen Europas eine neue Heimat und ein glücklicheres Dasein gewähren, deutet Smith nur an, indem er noch einmal die Ursache des raschen Gedeihens der Kolonien: Arbeit mit europäischer Bildung und Technik auf kostenlosem Boden, erörtert. Von dem Druck der Übervölkerung, der durch den Abfluß der Auswanderer gehoben oder wenigstens gemildert wird, wußte Smith noch nichts. Er schildert das verschiedene Verfahren der kolonisierenden Nationen, u. a. auch die Raubwirtschaft der Holländer auf den Gewürzinseln, und gibt als Ursachen des alle anderen übertreffenden Gedeihens der Neuenglandstaaten an, daß England bei aller Engherzigkeit seine amerikanischen Kolonien immer noch liberaler behandelt habe als die übrigen Staaten die ihrigen, daß weise Gesetze und das Fehlen einer privilegierten Aristokratie die Aufsaugung des kleinen Grundbesitzes durch den großen verhütet hätten, und daß sich diese republikanisch organisierten Kolonien einer einfachen und wohlfeilen Selbstverwaltung erfreuten. Er ist jedoch gerecht genug, anzuerkennen, daß auch ein absolutes Regiment seine Vorzüge habe; auf den französischen Zuckerplantagen würden die Neger von der Regierung vor grausamer Behandlung geschützt; der amerikanische Bürger lasse sich über Gebrauch oder Mißbrauch seines Eigentums von Behörden, die aus seinen gleichberechtigten Standesgenossen bestehen, keine Vorschriften machen. So seien in Altrom die Sklaven unter der Republik grausam behandelt, von den Kaisern geschützt worden. [Wir Heutigen wissen außerdem: nur die starke Regierung eines Bismarck hat die neue Periode der Sozialpolitik zu inaugurieren vermocht.] Narrheit und Ungerechtigkeit sind nach Smith die zwei Ratgeber, welche die europäischen Regierungen bei der Gründung und Behandlung der Kolonien geleitet haben; das einzige, was diese Europa verdanken, sind die Menschen, die es ihnen liefert: Männer, die tüchtig sind, große Reiche zu gründen. Verdanken die Kolonien Europa sonst wenig, so verdankt dieses ihnen desto mehr, hat sich aber wiederum durch Unverstand eines Teils des Nutzens beraubt, indem jeder Staat, England voran, den Handel mit seinen Kolonien für sich monopolisierte, und dadurch in die natürliche Entwickelung seines Handels störend eingriff: dem ertragreicheren Nahhandel Kapitalien entzog, um sie vor der Zeit in den weniger gewinnreichen Fernhandel zu stecken. Da England noch dazu die Kosten der Verteidigung seiner Kolonien trägt und Kriege um sie führt, so hat es eigentlich nur Schaden von ihnen. Es ist verfahren, wie ein sehr dummer Kleiderhändler verfahren würde, der einem Manne ein Landgut schenkte gegen das Versprechen des Beschenkten, seine Kleider in keinem anderen Laden zu kaufen als in dem seines Wohltäters. Eine noch so lästige Provinz freiwillig aufgeben, das tut nun freilich kein Staat; daran hindert der Stolz. Könnte es geschehen, so würde England durch eine friedliche und freundschaftliche Trennung von seinen Kolonien nur gewinnen. Da daran nicht du denken ist, so wird es die Kolonien wenigstens zu den Kosten der Verteidigung des Reiches heranziehen, darum sie durch Zulassung ihrer Vertreter ins Parlament in das Reich eingliedern müssen. Das hat gar keine Bedenken; der römischen Republik freilich, die das Repräsentativsystem nicht kannte, mußte die Erweiterung des Kreises der mit dem Bürgerrecht Beschenkten zum Verderben gereichen. Sollten die Kolonien mit der Zeit das Mutterland in Einwohnerzahl und Steuerleistung überflügeln, so müßte der Sitz der Regierung dorthin verlegt werden. Wer bis jetzt keinen Vorteil, nur Elend von der Kolonisation geerntet hat, das sind die unglücklichen Eingeborenen. Vielleicht erstarken sie durch die Teilnahme an der europäischen Kultur mit der Zeit bis zu jenem Grade von Mut und Macht, der Furcht einflößt: das einzige Mittel, unabhängige Nationen zur Achtung der Rechte anderer zu zwingen. [Es wird dann noch die schlechte Wirtschaft der Ostindischen Kompagnie und ihrer Beamten beschrieben – Kaufleute seien eben unfähig, ein Land zu regieren – und die Grausamkeit der von Tuchfabrikanten erzwungenen, mit Blut geschriebenen Gesetze: Wollausfuhr wurde mit Handabhackung und dem Tode bestraft.]
Das von Quesnay begründete Agrikultursystem existiert nur in den Köpfen einiger gelehrten und genialen Franzosen und wird wahrscheinlich nirgends in der Welt Schaden anrichten. Colbert, ein Beamter von großer Rechtschaffenheit, Geschäftstüchtigkeit und Detailkenntnis, hatte sich eingebildet, Produktion und Verkehr so willkürlich regeln zu können, wie die Arbeiten eines Regierungsbureaus, und hatte es nach merkantilistischen Grundsätzen zu tun versucht. Namentlich Kornausfuhrverbote, die zum Nutzen der Industriearbeiter das Getreide wohlfeil machen sollten, erzeugten mit dem Steuer- und Frondendruck zusammen eine Not der Bauernschaft, die sich dem ganzen Lande fühlbar machte, und die auf Abhilfe Sinnenden überbogen nun, wie das zu geschehen pflegt, den Stab nach der anderen Seite, indem sie lehrten: die Landwirtschaft allein vermehre die Gütermenge, und alle anderen Stände außer den Grundbesitzern und Landwirten, auch die Kaufleute, Fabrikanten und Handwerker, seien unproduktiv. Das ist natürlich falsch, aber die Erfinder des Systems sind wegen ihrer hochherzigen Gesinnung zu loben, denn sie lehren, daß bei unbeschränkter Verkehrsfreiheit Ackerbauvölker im natürlichen Laufe der Entwickelung von selbst zu Gewerbe und Handel gelangen. Manche Ärzte glauben, der Menschenleib könne nur bei einer bestimmten Diät gesund bleiben. Quesnay war Arzt und ein philosophischer Kopf, und er mag diese Ansicht auf den Gesellschaftskörper angewandt und geglaubt haben, auch dieser könne nur bei der vollkommen vernünftigen Diät, bei voller Freiheit und Gerechtigkeit gedeihen. Die Erfahrung lehrt jedoch, daß die Menschen bei sehr verschiedener und manchmal recht unverständiger Diät gesund bleiben, weil, wie es scheint, dem Organismus die Kraft innewohnt, sich selbst zu regulieren, die schlimmsten Wirkungen störender Eingriffe zu mildern und zu heilen. So ist's auch mit dem Gesellschaftskörper: das von der Natur jedem einzelnen eingepflanzte Streben, seine Lage zu verbessern, erhält die Nation gesund trotz aller ökonomischen Mißhandlungen durch eine despotische Regierung. Könnten Nationen nur bei vollkommener Freiheit und Gerechtigkeit gedeihen, so würde es niemals eine gedeihende Nation gegeben haben.
Indem solchergestalt bewiesen worden ist, daß alle Beschränkungen und Begünstigungen nur schaden, so ergibt sich daraus das System der natürlichen Freiheit als das allein vernünftige von selbst: Jedermann muß es freistehen, solange er nur die Gerechtigkeit nicht verletzt, sein eigenes Interesse auf seine Weise zu verfolgen. Der Souverän ist von einer Pflicht entbunden, deren Erfüllung übermenschliche Weisheit erfordern würde: den Gewerbefleiß der Privatleute zu überwachen und ihn zum allgemeinen Besten zu lenken. Dem Souverän liegen nur drei Pflichten ob: er hat die Nation vor äußeren Feinden, durch die Justiz jedes Mitglied der Nation vor Ungerechtigkeiten anderer Mitglieder zu schützen, und für gewisse öffentliche Werke und Einrichtungen zu sorgen, die einzelne Personen oder Vereinigungen von solchen nicht besorgen würden, weil sie dabei nicht auf die Kosten kämen. Diese Pflichten und die Beschaffung der zu ihrer Erfüllung nötigen Geldmittel sind der Gegenstand des fünften Buches.
Smith handelt demnach zuerst von der Landesverteidigung, überblickt die Entwickelung des Kriegswesens von seinen ersten Anfängen an, nennt die Kriegskunst die edelste, aber auch auf dem dermaligen Stande ihrer Vollkommenheit die schwierigste, und folgert daraus, daß die Landesverteidigung nicht Milizen, sondern nur Berufssoldaten anvertraut werden könne. Er bekämpft das englische Vorurteil gegen stehende Heere; ein solches sei das einzige Mittel, barbarische Völker zu zivilisieren, und der Freiheit nicht im mindesten gefährlich. Die Rechtspflege habe besonders das Eigentum zu beschützen. Dieser Schutz werde in einer zivilisierten Gesellschaft durch die Vermögensungleichheit notwendig. Zivilisation hebe die ursprüngliche Vermögensgleichheit auf und schaffe Reichtum, und Privatreichtum sei nicht möglich, wenn nicht auf einen Reichen wenigstens fünfhundert Arme kommen. Diese aber beneiden den Reichen und begehren sein Vermögen. Wiederum wird die Geschichte der Institution im Abriß erzählt und als beste Art der Besoldung der Richter die durch Sporteln empfohlen; wenn die Richter ihr Geld jedesmal erst nach Beendigung des Prozesses ausgezahlt bekommen, werden sie diesen nicht verschleppen. Die Trennung der Justiz von der Verwaltung hat sich bei der Häufung der Geschäfte als unvermeidliche Arbeitsteilung von selbst ergeben. Öffentliche Bauten wie die von Straßen, Brücken und Kanälen und ihre Unterhaltung werden besser von den Provinzen und Gemeinden, die sie brauchen, als vom Staate besorgt.
Der Handel erfordert Schutz vom Staate, wenn er mit wilden Völkern getrieben wird. Handelsgesellschaften haben die Regierung zu überreden verstanden, ihnen diese Souveränitätspflicht samt den entsprechenden Rechten zu übertragen. Solche Gesellschaften nützen mitunter, indem sie auf eigene Gefahr und Kosten dem Handel neue Bahnen und Märkte erschließen, aber auf die Dauer werden sie alle schädlich, weil sie, vom Zunftgeiste beseelt, die Konkurrenz ausschließen. Smith erzählt die Geschichte einer Reihe solcher Gesellschaften, namentlich die der Ostindischen Kompagnie, die er wiederum scharf kritisiert. »Kein anderer Souverän,« schreibt er u. a., »ist jemals gegen das Wohl und Wehe seiner Untertanen, gegen den guten oder schlechten Zustand des Landes, gegen den Ruhm oder die Schande seiner Verwaltung so gleichgültig gewesen, als es die meisten Aktionäre einer Handelsgesellschaft sind, und es liegt in der Natur der Dinge, daß sie gar nicht anders sein können.« In Beziehung auf den Unterricht entwickelt Smith die Grundsätze, die wir schon kennen: der Unterricht wird am besten ausfallen, wenn die Lehrer nach ihren Leistungen bezahlt werden, und zwar von denen, die diese Leistungen fordern. Gegenstände, um die sich der Staat nicht kümmert, wie Tanzen und Fechten, werden am besten gelehrt. Für den Mädchenunterricht sorgt keine öffentliche Anstalt; darum werden die Mädchen von ihren Müttern vernünftig erzogen und bleiben von dem Zwange, unnützes Zeug lernen zu müssen, verschont. Die Universitätslehrer sind durch ihre reichen Pfründen faul und dumm geworden, und die Disziplin dient nur ihrer Bequemlichkeit. Die Studenten bedürfen keiner Strafgesetze und keines Zwanges, denn die Jugend ist von so edler Gesinnung beseelt, daß sie den Lehrer schon dankbar verehrt, wenn er seine Schuldigkeit nur halb tut und ihr etwas bietet. Es folgt ein Abriß der Geschichte des gelehrten Unterrichts in Europa. Weniger verderbt als die Universitäten, deren elender Zustand die schädliche Sitte, junge Edelleute auf Reisen zu schicken, einigermaßen entschuldigt, sind die Lateinschulen. Gäbe es keine privilegierten Unterrichtsanstalten, so würde kein Lehrer sein Brot finden, der entweder eine an sich nützliche Wissenschaft nach einem veralteten System, oder statt nützlicher Wissenschaft sophistischen Unsinn lehren wollte. Dagegen sollte der Staat dafür sorgen, daß die Kinder der arbeitenden Armen lesen, schreiben und rechnen lernen. Denn die Arbeitsteilung, welche die Arbeit auf die immerwährende Wiederholung weniger Handgriffe einschränkt, macht den Arbeiter stumpfsinnig, läßt ihn auch körperlich entarten und macht ihn unkriegerisch, während den Barbaren seine vielseitige Tätigkeit intelligent, körperlich rüstig und tapfer erhält; die armen Leute selbst aber haben weder die Mittel dazu, noch denken sie daran, der Verkümmerung ihrer Kinder durch einigen Unterricht vorzubeugen. In Schottland sorge die Geistlichkeit dafür, in geringerem Umfange versuchten es in England die von wohltätigen Vereinen unterhaltenen Schulen ( charity schools). Nur müßte in allen solchen Schulen statt einiger Brocken Latein Elementargeometrie und Mechanik gelehrt werden. Zu Leibesübungen müßte das Volk nach dem Vorbilde der Alten angehalten werden nicht allein der Sicherheit des Vaterlandes wegen, weil ein tüchtiges stehendes Heer ein wehrfähiges Volk als Grundlage vorausgesetzt, sondern auch um der schimpflichsten aller Verstümmelungen, dem Schwinden des militärischen Geistes vorzubeugen: ein Feigling, der sich weder zu verteidigen noch zu rächen vermag, ist nur ein elender Krüppel, und auch der Schwund der Geisteskräfte bei den Armen der zivilisierten Nationen ist Verstümmelung und Verkrüppelung. Der Verbreitung einer solchen hat der Staat ebenso zu steuern wie der Verbreitung des Aussatzes und ähnlicher ekelhafter Seuchen.
Die Menschen aller Lebensalter unterrichtet der Klerus, um sie für das Leben in einer besseren Welt vorzubereiten. Herrschende Kirchen wie die römische und die englische Staatskirche gleichen den wohlgemästeten Völkern Südasiens, die sich der hungrigen Tataren des Nordens nicht zu erwehren vermögen: sie rufen darum zu ihrer Verteidigung den Staat an und lassen durch diesen die Sekten verfolgen. Der Staat aber sollte die Kirche ganz sich selbst überlassen. Sie würde dann in eine Unzahl von Sekten zerfallen, deren jede zu schwach wäre, die übrigen zu verfolgen. So würden sie sich miteinander vertragen lernen, und aus ihrer Konkurrenz würde eine reine, von Aberglauben freie Religion hervorgehen. Neue Religionen pflegen ihre ersten Anhänger im gemeinen Volke zu gewinnen, darum müssen ihre Verkünder eine strenge Moral lehren. Denn während die Vornehmen einer laxen Moral huldigen, weil sie die Mittel haben, liederlich und lasterhaft zu leben, gilt beim armen Manne, der sich durch eine einzige liederliche Woche schon zugrunde richten kann, jede Art von Ausschweifung als etwas sehr Schimpfliches. [Natürlich hat hier Smith nicht das Lumpenproletariat im Sinn, sondern den anständigen Arbeiterstand, das Kleinbürgertum, die Kleinbauernschaft vom schottisch-puritanischen Schlage.] Eine je strengere Moral der Apostel predigt, desto mehr imponiert er den armen Leuten; diese, die kein anderes Mittel haben, Aufsehen zu erregen und Achtung zu erwerben, überbieten einander in Rigorismus, und der artet darum bei kleinen Sekten leicht in unsozialen Fanatismus aus. Diesen hat der Staat auf zweierlei Weise zu bekämpfen: indem er philosophische Bildung in den oberen und mittleren Schichten verbreitet, von denen die unteren ihre Ideen empfangen, und indem er öffentliche Lustbarkeiten dadurch begünstigt, daß er denen völlige Freiheit einräumt, die es im eigenen Interesse unternehmen, das Volk – ohne Ärgernis und Unziemlichkeit – mit Werken der bildenden Künste, mit Musik und Tanz, mit dramatischen Vorstellungen zu unterhalten und zu erheitern. Herrschende Kirchen werden leicht staatsgefährlich, aber noch gefährlicher und immer erfolglos ist der Versuch, sie mit Gewalt zu unterdrücken. In einer Übersicht der Kirchengeschichte wird die Kirche von Rom als die furchtbarste aller Verschwörungen gegen die Sicherheit des Staates wie gegen die Freiheit, Vernunft und Glückseligkeit des Menschengeschlechtes charakterisiert, und der schottischen sowie der schweizerischen Kirche großes Lob gespendet; in beiden Ländern sei das ganze Volk besonders deswegen einmütig der Reformation zugefallen, weil der Klerus arm und pflichteifrig sei.
Was nun die Beschaffung der für die Staatsausgaben nötigen Mittel betrifft, so soll der Staat nicht versuchen, durch industrielle und Handelsunternehmungen Geld zu verdienen; so wenig der Kaufmann zum Regenten taugt, so wenig taugt ein Regent zum Kaufmann; keine anderen zwei Berufsarten vertragen sich so schlecht miteinander als der Herrscherberuf und der Handel; das einzige Gewerbe, das der Staat ohne Gefahr und mit Nutzen auszuüben vermag, ist das der Post. Auch aus Domänen können die Staatsausgaben heute nicht mehr bestritten werden; die Bodenrente von ganz England würde sie nicht decken. Zudem werden Domänen schlecht bewirtschaftet; sie bestehen meistens aus sogenannten Forsten in denen man immer erst ein paar Meilen reisen muß, ehe man einen Baum sieht. [Smith müßte heute einmal die preußischen Staatsforsten inspizieren.] Es wäre darum vorteilhaft, die Domänen zu verkaufen. Die Staatsausgaben können demnach nur aus Steuern bestritten werden.
Für die Steuerpolitik stellt Smith vier Regeln auf. 1. Die Untertanen müssen möglichst im Verhältnis ihrer Leistungsfähigkeit zu den Staatsbedürfnissen beitragen. 2. Die Steuer muß nach Höhe, Zeit und Zahlungsart genau bestimmt, nicht willkürlich sein. 3. Die Zeit und die Art der Erhebung müssen so angeordnet werden, daß der Steuerzahler dadurch so wenig wie möglich bedrückt wird. 4. Die Erhebung muß so eingerichtet werden, daß sie so wenig wie möglich Kosten verursacht. Bei der Durchmusterung der verschiedenen Steuern und Zölle schöpft Smith offenbar vieles aus dem Schatze der Erfahrungen, die er als Zollkontrolleur gesammelt hat. Er schlägt u. a. die Errichtung von Lagerhäusern vor, in denen die Waren, von denen ja viele nur auf der Durchfuhr im Hafen weilen, zollfrei aufbewahrt werden könnten; der Zoll dürfe dann nur von dem Teile entrichtet werden, der in den inneren Verkehr übergeht. Die Maßregel sei aber nur durchführbar, wenn die Zollpflicht auf wenige Massenartikel beschränkt werde; die Verzollung einer Unzahl von Warensorten koste ohnehin mehr als sie bringe, und fördere teils den Schmuggel, teils vernichte sie die Einfuhr und damit die Zolleinnahme. Werde durch solche zweckmäßige Reformen Schmuggel unlohnend, der Zoll aber beweglich gemacht, indem man ihn bald erhöhe, bald herabsetze, je nachdem eine Änderung die Einnahme zu erhöhen verspreche, werde der Zoll überhaupt grundsätzlich als Finanzzoll, nicht als Schutzzoll behandelt, dann werde eine solche Reform Industrie und Handel fördern, ohne die Staatseinnahmen zu schädigen. Daß Smith die direkte wie indirekte Besteuerung des Arbeitslohnes für unzweckmäßig erklärt, weil eine solche den Arbeitslohn und damit den Warenpreis erhöhen, demnach aus der Tasche des Publikums und der Unternehmer bezahlt werden müsse, ist bereits erwähnt worden. Deshalb müssen also notwendige Lebensbedürfnisse steuer- und zollfrei bleiben. Zu diesen seien aber nicht allein die zur Erhaltung des Lebens notwendigen Gebrauchsgegenstände zu rechnen, sondern auch solche, auf die selbst der Ärmste nicht verzichten könne, ohne den Ruf eines anständigen Mannes zu verlieren. Das wechsele nach Ort und Zeit. Die alten Griechen trugen kein Leinenhemd. In England gilt jetzt der Mangel eines solchen »als das Kennzeichen jenes schimpflichen Grades von Armut, zu dem nach allgemeiner Annahme niemand hinabsinken kann, wenn er nicht einen schlechten Lebenswandel führt«. Schuhe gehören in England für beide Geschlechter zur Anständigkeit, in Schottland nur für das männliche; in Frankreich braucht sich weder Mann noch Weib der Barfüßigkeit zu schämen. Den Fleischgenuß hält Smith nicht für notwendig, dagegen fordert er die Aufhebung der Steuern auf Salz, Leder, Seife und Talglichter. Steuern auf den Luxus der Armen: Spirituosen und Tabak, lobt er als sehr nützlich; sie erhöhen den Arbeitslohn nicht, machen die Armen mäßig und fördern dadurch die Erzeugung und Aufzucht des Nachwuchses. Den Branntwein soll man teuer, das Bier wohlfeil machen, jedenfalls aber immer bedenken, daß nur Artikel des Massenkonsums, wie Rum, Tabak und Zucker, bedeutende Erträge abwerfen, und daß der Konsum des gemeinen Volkes nicht bloß der Masse, sondern auch dem Werte nach den der Reichen weit übertrifft. Indirekte Steuern werden am leichtesten getragen; sie entsprechen den ersten drei Regeln, jedoch nicht der vierten, da ihre Erhebung kostspielig ist, erzeugen den Schmuggel und hemmen mitunter die Produktion.
Weil die modernen Regierungen im Frieden nicht sparen – nur der König von Preußen sammle einen Staatsschatz – müssen sie im Kriege Schulden machen. Smith glaubt, daß die enormen Staatsschulden, wenn sie so weiter wachsen, mit der Zeit alle Nationen Europas ruinieren werden. Er stellt die Entwickelung des englischen Staatsschuldenwesens dar. Eine gründliche Steuerreform sei zwar sehr wünschenswert, aber nicht hinreichend, die Nation von der Schuldenlast zu befreien. Dazu könnte vielleicht die Besteuerung Irlands und der Kolonien verhelfen, die aber, wie gesagt, die Eingliederung dieser Länder in den Reichskörper zur Voraussetzung habe. Irland würde durch die Einverleibung auch von seiner ausbeutenden Aristokratie erlöst werden, »einer Aristokratie, die nicht, gleich der schottischen, auf dem natürlichen und achtungswerten Unterschiede von Geburt und Vermögen beruht, sondern auf jenen gehässigsten aller Unterschiede, die das religiöse und das politische Vorurteil erzeugt.« Auch das Gebiet der Ostindischen Kompagnie könnte zu einer reichlichen Einkommenquelle gemacht werden, nicht durch höhere Besteuerung der schon übermäßig belasteten Einwohner, sondern indem man den jetzt üblichen Veruntreuungen ein Ende machte. Der größte Teil der Staatsschulden sei durch die Verteidigung der Kolonien verursacht worden; könnten diese nicht zu den Verteidigungskosten herangezogen werden, so müsse man sie aufgeben; Provinzen, die nicht einmal; zahlen, was ihre Verteidigung kostet, seien keine Provinzen, sondern Prunkstücke. »Die Beherrscher Großbritanniens,« mit diesen Worten schließt Smith das Werk, »haben seit mehr als einem Jahrhundert das Volk mit der Einbildung ergötzt, es besitze jenseits des Atlantischen Ozeans ein großes Reich. Dieses Reich hat jedoch bis jetzt nur in der Einbildung bestanden. Es war nicht ein Reich, sondern der Plan zu einem Reiche; nicht eine Goldmine, sondern der Plan zu einer Goldmine; ein Projekt, das unermeßliche Auslagen gekostet hat, noch kostet und, wenn in derselben Weise weiter verfolgt, kosten wird, und zwar wahrscheinlich, ohne irgend einen Gewinn zu bringen, denn das Monopol des Kolonialhandels trägt, wie gezeigt worden ist, der Masse des Volkes nur Verlust ein statt Gewinn. Es ist wahrlich Zeit, daß unsere Herrscher entweder den Goldtraum verwirklichen, in dem sie selbst sich vielleicht nicht weniger gewiegt haben als das Volk, oder daß sie erwachen und das Volk aufwecken. Kann das Projekt nicht durchgeführt werden, so muß man es aufgeben. Lassen sich gewisse Provinzen des Britischen Reiches nicht dazu bringen, ihren Beitrag zur Erhaltung des ganzen Reiches zu zahlen, so ist es Zeit, daß sich Großbritannien von der Last befreie, diese Provinzen im Kriege zu verteidigen, und im Frieden einen Teil der Kosten ihrer Zivil- und Militärverwaltung zu tragen, und daß es seine zukünftigen Pläne und Entwürfe seinen bescheidenen wirklichen Mitteln anpasse.«