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2. Vom Kapital, von den verschiedenen Kapitalanlagen und dem Einfluß der Politik darauf.

Unter Kapital verstand man im Mittelalter, wie der nationalökonomische Laie meistens heute noch, eine auf Zinsen ausgeliehene Geldsumme. Das kanonische Zinsverbot, das sich auf die Ansicht von der Unfruchtbarkeit des Geldes stützte, veranlaßte Untersuchungen, die zu dem Ergebnis führten, daß die Möglichkeit, Zinsen zu zahlen und trotzdem durch das aufgenommene Kapital reicher zu werden, aus den Frucht tragenden oder Gewinn abwerfenden Gütern entspringe, die mit dem geliehenen Gelde gekauft werden, und Hume und Turgot sprachen es aus, daß man die Güter selbst Kapital nennen dürfe. Smith beschränkte die Bezeichnung auf solche Güter, die zur Produktion neuer Güter oder zur Vermehrung des eigenen Besitzes durch Kaufmannsgeschäfte verwendet werden, und schuf damit den heute in der Nationalökonomie herrschenden Kapitalbegriff.

Im ursprünglichen Zustande der Gesellschaft, so leitet er das zweite Buch ein, wo ein jeder seine Bedürfnisse unmittelbar mit dem befriedigt, was ihm die Natur an Lebensmitteln und an Material zur Bedeckung seines Leibes, zum Bau einer Hütte darbietet, bedarf er noch keines Vorrats. Nach Eintritt der Arbeitsteilung jedoch [und Übergang des Bodens samt seinen Erzeugnissen in Privatbesitz] vermag der einzelne nur einen kleinen Teil seiner Bedürfnisse mit den Erzeugnissen seiner eigenen Arbeit zu befriedigen [beim Kleinbauer ist dieser Teil durchaus nicht klein, sondern es ist der bei weitem größte Teil seiner Bedürfnisse]; den größeren Teil muß er mit Produkten seiner Arbeit oder mit dem daraus gelösten Gelde von anderen eintauschen, kaufen. Aber das kann er erst, nachdem er diese Erzeugnisse vollendet und verkauft hat. Bis dahin bedarf er eines Vorrats, aus dem er seine Bedürfnisse befriedigt, und außerdem braucht er einen Vorrat von Rohstoffen und Werkzeugen. »Ein Weber kann sich nicht ausschließlich der Weberei widmen, wenn nicht vorher irgendwo, sei es in seinem eigenen Besitz oder in dem eines anderen, ein Vorrat aufgehäuft worden ist, der hinreicht, seinen Unterhalt zu bestreiten, sowie ihn mit Rohstoff und Werkzeugen zu versehen, bis er sein Gewebe fertig und verkauft hat. Diese Anhäufung muß offenbar stattgefunden haben, ehe er sich so lange Zeit ausschließlich einer solchen speziellen Tätigkeit widmet. Wie die Ansammlung eines Vorrats der Arbeitsteilung vorhergehen muß, so kann diese auch nur in dem Maße fortschreiten, als der Vorrat wächst. Je weiter die Arbeitsteilung durchgeführt ist, eine desto größere Masse Rohstoffs kann von ein und derselben Arbeiterzahl verarbeitet werden; und je mehr sich dabei die Verrichtungen jedes Arbeiters vereinfachen, desto mehr Maschinen werden zur Erleichterung und Beschleunigung der Arbeit erfunden. Demnach erfordert jeder Fortschritt der Arbeitsteilung für die gleiche Anzahl von Arbeitern bei gleichem Vorrat von Lebensmitteln einen größeren Vorrat von Rohstoffen und Werkzeugen. Aber auch die Zahl der Arbeiter pflegt in jedem Produktionszweige mit dem Fortschritt der Arbeitsteilung in diesem Zweige zu wachsen, oder vielmehr: ihre zunehmende Zahl ist es, was die Verzweigung und Spezialisierung ihrer Verrichtungen ermöglicht.« Wie die Arbeitsteilung mit der Vermehrung des Vorrats oder Kapitals Hand in Hand fortschreitet, hat hier Smith richtig beschrieben, aber seine Darstellung leidet an Ungenauigkeiten, die Irrtümer veranlaßt haben. Daß der Arbeitsteilung Aufhäufung eines Vorrats vorhergehen müsse, gilt nur für den allerersten Anfang und nur in einem ganz unbedeutenden Maße. Der Jäger, der zuerst einen Bogen anfertigte, mußte von dem zuletzt erlegten Wilde ein paar Tage leben können, und er mußte ein schneidendes Werkzeug haben. Nachdem diese beiden »Kapitalien« ins Dasein getreten waren, hat es in der ganzen Wirtschaftsgeschichte niemals einen Augenblick gegeben, wo die Menschheit ohne Kapital gewesen wäre und solches hätte sammeln müssen, ehe sie mit der Arbeitsteilung beginnen konnte. Dem Landmann wachsen das ganze Jahr hindurch an Korn, Milch, Eiern und Früchten aller Art Lebensmittel zu, und auf dem Landgute sind alle Handwerke entstanden, ist demnach der wichtigste Schritt der Arbeitsteilung getan worden. Als sich der erste Bauernsohn ausschließlich dem Schmiedehandwerk oder der Wagenbauerei widmete, da brauchte für ihn kein besonderer Vorrat aufgehäuft zu werden; denn die Lebensmittel für doppelt so viel Menschen, als in der Landwirtschaft beschäftigt sind, liegen im Dorfe immer vorrätig da, wenn nicht die Natur eine Mißernte oder Unfähigkeit des Volkes oder seiner Regierung russische Zustände verschuldet. Sodann hat Smith zwar vom Weber ausdrücklich gesagt, die Vorräte müßten da sein in seinem eigenen Besitz oder in dem einer anderen Person, aber die Worte, die wir unterstrichen haben, sind von seinen unechten Jüngern übersehen oder unterschlagen worden, und infolgedessen hat sich in den Köpfen sowohl der Freunde des Kapitalismus, wie in denen ihrer grimmigsten Gegner, der Sozialdemokraten, die Vorstellung festgesetzt, es gehöre zum Wesen des Kapitals, daß es Eigentum einer vom Arbeiter verschiedenen Person, des Kapitalisten, sei. Einen Zustand anstreben, in welchem diese heute allerdings vorherrschende Scheidung nicht zwar ganz, aber zum Teil wieder aufgehoben wäre und der größere Teil des Volkes aus selbständigen kleinen Produzenten: Bauern und Kleinhandwerkern, bestünde (die jedoch mit den in der kapitalistischen Periode erfundenen vollkommenen Produktionsmitteln schaffen würden) das wird von beiden Parteien als romantische Phantasterei und Rückständigkeit verspottet.

»Reicht der Vorrat eines Mannes,« heißt es weiter bei Smith, »nur eben hin, ihn einige Tage oder Wochen zu ernähren, so denkt er selten daran, Einkommen davon zu ziehen; er verbraucht ihn so sparsam er kann und müht sich, durch Arbeit Ersatz dafür zu verdienen, ehe er völlig aufgezehrt ist. Sein Einkommen fließt dann ganz aus Arbeit, und in dieser Lage befindet sich der größte Teil der arbeitenden Armen in allen Ländern. Besitzt dagegen jemand Vorrat genug, Monate oder Jahre lang davon leben zu können, so sucht er natürlich vom größeren Teile Einkommen zu ziehen; für den unmittelbaren Verbrauch behält er nur so viel zurück, als zu seinem Unterhalt nötig ist, bis das Einkommen zu fließen beginnt. Sein Gesamtvorrat scheidet sich demnach in zwei Teile, und der Teil, von dem er Einkommen erwartet, wird sein Kapital genannt … Es gibt zwei verschiedene Wege, in denen ein Kapital dem, der es verwendet, Einkommen oder Profit abwerfen kann. Erstens kann es dazu verwendet werden, Güter [landwirtschaftlich] zu erzeugen, zu fabrizieren oder einzukaufen, und sie mit Profit wieder zu verkaufen. Ein solches Kapital bringt dem Unternehmer weder Einkommen noch Gewinn, so lange es in seinem Besitz bleibt, oder seine ursprüngliche Gestalt behält. Dem Kaufmann gewähren seine Kaufmannsgüter kein Einkommen, bis er sie für Geld verkauft, und das Geld wiederum verwandelt sich erst dadurch in wirkliches Einkommen, daß damit die Güter gekauft werden, die er verbraucht. So geht sein Kapital unausgesetzt in der einen Gestalt von ihm hinweg, und kehrt in einer anderen zu ihm zurück, und nur in solchem Kreislauf vermag es ihm Gewinn zu bringen. Solches Kapital wird darum passend zirkulierendes, umlaufendes Kapital genannt. Zweitens kann es dazu verwendet werden, Boden zu melioriren, Maschinen für die Fabrikation, Werkzeuge für den Handel zu kaufen und ähnliche Dinge [Gebäude z. B.], die Ertrag abwerfen, ohne umzulaufen und den Besitzer zu wechseln. Solches Kapital mag man stehendes (fixes) nennen. Verschiedene Gewerbe erfordern ein verschiedenes Verhältnis dieser zwei Kapitalarten zueinander. Das Kapital eines Kaufmanns ist umlaufendes Kapital; Maschinen und Werkzeuge braucht er nicht, man müßte denn seinen Laden und seine Speicher so nennen. [Großhändler, die man Reeder nennt, besitzen auch Schiffe, und der modern ausgestattete Laden eines größeren Detailisten enthält ein ziemlich bedeutendes Inventar.] Der Handwerker, der Fabrikant muß einen Teil seines Kapitals in Werkzeugen festlegen, einen sehr verschiedenen freilich je nach seinem Gewerbe. Der Schneidermeister braucht nur ein Päckchen Nadeln [doch auch Plätteisen und heut auch sonst noch manches]; der Schuhmacher etwas mehr, der Weber noch mehr. Doch der größte Teil des Kapitals aller dieser Leute läuft um in Gestalt von Materialien und Arbeitslöhnen. Dagegen erfordern Eisenwerke, Hochöfen, Walzwerke, die Wasserpumpen und sonstigen Maschinen der Bergwerke ein bedeutendes fixes Kapital.« [Von der Großartigkeit heutiger Lokomotivbau- und Eisenbahnwerkstätten, Eisenbahnen, Kanonengießereien und Werften hatte man damals natürlich noch keine Ahnung.]

Was im einzelnen zum Vorrat für den Verbrauch oder anders ausgedrückt zum Einkommen, was zum fixen und was zum umlaufenden Kapital zu rechnen sei, darüber streiten bis heute die Gelehrten. Smiths Verdienst ist es, als erster versucht zu haben, die Güter nach diesen Kategorien zu scheiden. Auch der Gesamtvorrat eines Landes, fährt er fort, der ja nichts anderes ist als die Gesamtheit aller im Privatbesitz befindlichen Vorräte, gliedert sich in diese drei Teile. Der für den Verbrauch bestimmte Teil des Nationalvermögens, der kein Einkommen abwirft, besteht in den Gebrauchsgegenständen, die von den Verbrauchern gekauft, aber noch nicht verbraucht worden sind. [Auch die noch in den Speichern und Läden der Produzenten und der Händler befindlichen gehören dazu.] Nahrungsmittel werden binnen wenigen Tagen, Kleider binnen wenigen Monaten oder Jahren, Möbel langsamer, Häuser noch langsamer verbraucht. Ein Mietshaus ist für seinen Besitzer Kapital; »der Mieter muß Zins dafür zahlen, den er irgend einer Einkommenquelle: Rente oder Arbeit, entnimmt. Obgleich darum ein solches Haus seinem Eigentümer Rente abwirft, wirft es doch für das Publikum keine ab, ist für diese kein Kapital, und kann das Einkommen der Gesamtheit niemals auch nur um das mindeste vermehren.« [Eine schiefe Gegenüberstellung! Die Hausnutzung ist ein Einkommenbestandteil des Mieters und darum auch der Gesamtheit. Vermehrt wird deren Einkommen allerdings nicht durch die Nutzung, wohl aber dadurch, daß ihr das Haus gebaut und zur Verfügung gestellt wird. Hier hätte Smith den Unterschied von Erwerbskapital und Produktivkapital klar machen können. In einer durchaus kapitalistischen Gesellschaft, die es niemals gegeben hat, würde zwar jedes Produktivkapital zugleich Erwerbskapital für den Eigentümer sein, aber niemals sind alle Erwerbskapitale Produktivkapitale; Miethäuser sind es nicht, und zum Konsum ausgeliehene Geldkapitale sind es auch nicht.] Der zweite Bestandteil des Nationalvermögens ist Einkommen schaffendes fixes Kapital. Es besteht erstens aus den Maschinen und Werkzeugen, zweitens aus den für den Gewerbebetrieb bestimmten Gebäuden: Wirtschaftsgebäuden der Landwirte, Werkstätten, Speichern, Läden; drittens aus den Bodenmeliorationen; viertens aus den erworbenen nützlichen Kenntnissen und Fertigkeiten der Bewohner des Landes. Der dritte Bestandteil ist das umlaufende Kapital. Dieses besteht seinerseits wieder aus folgenden Stücken: erstens den Geldmünzen; zweitens den noch im Besitz der Landwirte, Fleischer und Händler befindlichen Lebensmittelvorräte; drittens den Rohmaterialien der Fabrikanten; viertens den fertigen, aber noch nicht verkauften Fabrikaten. [Die ausgemünzten Edelmetalle sind, soweit sie im Inlande zirkulieren, fürs Volk nicht umlaufendes, sondern fixes Kapital; Nr. 2, 3 und 4 sind nur für ihre Besitzer umlaufendes Kapital; fürs Volk Gebrauchsgegenstände, also Bestandteile seines Einkommens; das Volk hat umlaufendes Kapital nur, soweit es Auslandshandel treibt. Smith korrigiert sich selbst, indem er fortfährt:] Die zuletzt genannten drei Bestandteile des umlaufenden Kapitals werden ihm binnen kürzerer oder längerer Frist entzogen und gehen in den zum Verbrauch bestimmten Vorrat über. Jedes fixe Kapital fließt aus dem zirkulierenden und wird aus ihm (durch Reparaturen und Ergänzungen) erhalten. Fixes Kapital kann Einkommen abwerfen nur mittels des zirkulierenden Kapitals. [Hier hat Smith wieder durch die englische Brille gesehen. Das Saatgetreide, mit dem der Bauer seinem fixen Kapital, dem Boden, neuen Ertrag entlockt, trägt nicht den Charakter eines zirkulierenden Kapitals; es ist niemals aus seinem Besitz herausgekommen, und der Dünger, mit dem er sein fixes Kapital repariert, braucht kein gekaufter Kunstdünger zu sein, sondern kann von seinen Leuten und Rindern geliefert werden. Was unbedingt erfordert wird, wenn das fixe Kapital Ertrag vermitteln soll, das ist menschliche Arbeit: die Nähnadel schafft keinen Rock ohne den Schneider, und der Dampfhammer schafft keine Panzerplatten ohne Krupps Kopf und die Arme seiner Arbeiter. Nur innerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, und auch in dieser nicht allgemein, wird umlaufendes Kapital dazu erfordert, daß fixes Kapital entstehe und der Gesamtheit Produkte, dem Besitzer Profit liefere.] Das umlaufende Kapital selbst wiederum wird von der Urproduktion gespendet: der Landwirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaft, dem Bergbau; der Erde werden alle Rohstoffe und Lebensmittel entnommen. In allen Ländern, schließt Smith, die sich erträglicher Sicherheit erfreuen, werden die Vorräte entweder zum Genuß verwendet oder dazu, ihrem Besitzer als stehendes oder umlaufendes Kapital Profit zu schaffen. Nur ein ganz verschrobener Mensch könnte alle drei Anwendungsarten unterlassen. In asiatischen Ländern freilich, wo die Herrschenden Räuber sind, werden die Vorräte vergraben. [Das ist wieder englisch; Smith denkt hier trotz seiner richtigen Ansicht vom Gelde nur an den einen Bestandteil des Vorrats, den Edelmetallschatz, und er denkt nur an den Profit. Die schlimmste Wirkung einer despotischen Regierung ist nicht, daß die Untertanen Gold und Silber vergraben, sondern daß das Arbeiten unterbleibt, daß man z. B. nicht mehr Korn baut, als man zum eigenen Leben braucht, weil der Überschuß geraubt werden würde; daß darum das Volk versumpft. Nicht der Profit der Unternehmer ist das Wesentliche im volkswirtschaftlichen Prozeß, sondern die Produktion für den Bedarf des Volkes. Dieses Wesentliche hat Smith kurz vorher selbst hervorgehoben:] Das fixe und das zirkulierende Kapital haben keinen anderen Zweck, als den Verbrauchsvorrat zu erhalten und zu mehren. »Dieser Vorrat nährt, kleidet, behaust das Volk. Dieses ist reich oder arm, je nachdem die beiden Kapitalien es reichlich oder dürftig mit Verbrauchsgütern versorgen.«

Um sich den Weg zu bahnen zur Erklärung der Natur des Geldes, greift er noch einmal auf die drei vermeintlichen Wertbestandteile und die ihnen entsprechenden drei Stände zurück und zeigt, wie der Landlord, um seine Rente zu ermitteln, den Nettoertrag aus dem Rohertrage auszusondern habe. So sei auch für das Volk Reineinkommen nur das, was nach Abzug der für das fixe und das umlaufende Kapital bestimmten Stoffe zum Verbrauch übrig bleibe. Indes gelte das in vollem Umfange nur vom fixen Kapital. Was in Maschinen oder in den Boden gesteckt wird, kann man nicht mehr zum persönlichen Genuß verwenden. Dagegen sind die drei letzten Bestandteile des umlaufenden Kapitals dem Verbrauch oder Genuß nicht verloren, sie gehen in diesen über [und sind, wie gesagt, eben deswegen in Beziehung auf die Gesamtheit nicht Kapital, sondern Einkommen zu nennen]. Hartgeld ist demnach der einzige Bestandteil des umlaufenden Kapitals, der eine Verminderung des Reineinkommens der Nation verursachen kann. Es hat eine große Ähnlichkeit mit dem fixen Kapital [und sollte darum, auf die Nation bezogen, ihm einfach zugerechnet werden]. Seine Anschaffung und Erhaltung verursacht gleich der von Maschinen Unkosten, die das Reineinkommen vermindern. »Eine gewisse Menge sehr wertvoller Stoffe: Gold und Silber und sehr künstlicher Arbeit wird, anstatt den für den Unterhalt und das Vergnügen der Individuen bestimmten Vorrat zu vergrößern, dazu verwendet, das große aber kostspielige Verkehrswerkzeug zu erhalten, durch dessen Vermittelung einem jeden Mitgliede der Gesellschaft sein Maß von Unterhaltsmitteln, Annehmlichkeiten und Genüssen zugeteilt wird. Und wie Maschinen keinen Bestandteil des Einkommens ausmachen, so macht auch das Geld, durch welches das Gesamteinkommen der Gesellschaft unter ihre verschiedenen Mitglieder verteilt wird, keinen Bestandteil dieses Einkommens aus. Das große Rad, das die Güter umtreibt, ist von den Gütern, die es umtreibt, durchaus verschieden. Das Einkommen der Gesellschaft besteht nur in diesen Gütern, nicht in dem Rade, das sie umtreibt. Wenn wir das Einkommen, das rohe oder das Nettoeinkommen, irgend einer Gesellschaft berechnen wollen, so müssen wir vom jährlichen Gesamtumlauf an Geld und Gütern den ganzen Wert des gemünzten Geldes abziehen, denn von diesem kann auch nicht ein Pfennig jemals einen Teil des einen oder des anderen Einkommens ausmachen.«

»Nur die Zweideutigkeit der gewöhnlichen Ausdrucksweise ist schuld daran, daß diese Behauptung manchem paradox erscheinen wird; gehörig erklärt, leuchtet sie von selbst ein. Wenn wir eine Geldsumme nennen, so meinen wir manchmal bloß die metallenen Münzen, die sie zusammensetzen, manchmal schweben uns dabei auch die Güter vor, die man damit eintauschen kann, oder die Kaufkraft, die der Besitz dieses Geldes verleiht. Wenn wir sagen, an zirkulierendem Gelde besitze England achtzehn Millionen Pfund [1868 berechnete Jevons die Masse des englischen Münzmetalls, einschließlich der Barren der Bank von England, auf 110 Millionen], so meinen wir damit nur den Betrag an metallenen Münzen, der nach der Berechnung oder vielmehr nur Vermutung einiger Sachkundigen in diesem Lande umlaufen soll. Sagen wir dagegen, Herr X. sei fünfzig oder hundert Pfund jährlich wert, so wollen wir gewöhnlich nicht die Anzahl von Münzen ausdrücken, die ihm jährlich ausgezahlt wird, sondern den Wert der Güter, die er jährlich kaufen und verbrauchen kann. Sprechen wir in diesem zweiten Sinne, dann ist das Einkommen, das damit angedeutet wird, nur dem einen der beiden Werte gleich, die in dem Ausdrucke zweideutigerweise zusammengefaßt werden, und zwar dem zweiten mehr als dem ersten, den geldwerten Dingen, nicht dem Gelde selbst. Bekommt jemand wöchentlich eine Guinea Pension, so kann er damit allwöchentlich eine bestimmte Menge Unterhaltsmittel, Annehmlichkeiten und Genüsse kaufen. Je nachdem diese Menge groß oder klein ausfällt, ist sein wirklicher Wohlstand, sein wirkliches Wocheneinkommen groß oder klein [kostet das Pfund Rindfleisch zehn Pfennige und eine Wohnung von fünf Zimmern hundert Mark, so ist er bei zweitausend Mark Einkommen wohlhabend; lauten die Preise eine Mark und tausend Mark, dann ist er arm]. Sein Wocheneinkommen besteht sicherlich nicht in der Guinea und in den Gütern, die er damit kauft, sondern nur in einem von beiden, und zwar in den Gütern. Würde dem Manne seine Wochenpension nicht in einer Goldmünze, sondern in einer Anweisung auf eine solche gezahlt, so bestände sein Einkommen sicherlich nicht in dem Papierstückchen, sondern in dem, was er dafür bekommen kann. So kann man die Goldmünze selbst als eine Anweisung auf die in der Nachbarschaft zu erlangenden Waren und Genüsse ansehen, und das Einkommen dieses Mannes besteht nicht sowohl in der Guinea als in dem, was er dafür bekommen kann. Wäre nichts dafür zu haben [z. B. in einer belagerten und ausgehungerten Stadt oder in der Wüste] so hätte sie, gleich dem von einem Bankrotten ausgestellten Wechsel, nicht mehr wert als ein unbrauchbares Stückchen Papier.«

»Obwohl also den verschiedenen Einwohnern eines Landes ihr Einkommen wöchentlich oder alljährlich in Gelde ausgezahlt werden mag, was ja tatsächlich oft der Fall ist, so hängt doch die Größe ihres wirklichen Einkommens nicht von dem Nennwert der Geldsumme ab, sondern von der Gütermasse, die damit gekauft werden kann, und ihr Gesamteinkommen besteht nicht in dem Gelde und den Gütern, sondern bloß in diesen. Bei der Gesellschaft ist das noch klarer als bei den einzelnen. Die Geldsumme, die ein einzelner jährlich einnimmt, kann dem Werte nach seinem Einkommen genau gleich sein, und ist darum geeignet, dessen Höhe kurz zu bezeichnen. Dagegen kann der Betrag der in einer Gesellschaft, einem Volke umlaufenden Münzen niemals gleich der Summe der Einkommen aller seiner Mitglieder sein. Dieselbe Guinea, die heute dem einen seinen Wochenlohn zuführt, verrichtet in den nächsten Wochen denselben Dienst bei mehreren anderen, so daß also die Gesamtsumme der Metallmünzen eines Volkes viel kleiner ist als die Gesamtsumme der Pensionen, Besoldungen, Arbeitslöhne usw., die alljährlich gezahlt werden. Dieser zweiten Summe ist die Kaufkraft des Volkes gleich, die Menge der Güter, die mit der ersten, wandernden Summe nach und nach erworben wird. [Nach Jevons hat in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts der Wert des in England zirkulierenden Geldes den sechsten bis achten Teil des Jahreseinkommens der Nation ausgemacht.] Obwohl demnach das Metallgeld einen und zwar sehr wertvollen Teil des Kapitals einer Nation ausmacht, so ist es doch kein Teil ihres Einkommens, und obwohl die umlaufenden Münzen einem jeden sein Einkommen zuführen, gehören sie doch nicht zu seinem wirklichen, seinem Sacheinkommen.«

»Die dritte Ähnlichkeit, die das Geld mit dem fixen Kapital, den Maschinen, hat, besteht darin, daß jede Ersparnis daran, die der damit zu vollbringenden Leistung keinen Abtrag tut, das Reineinkommen vermehrt.« Eine solche Ersparnis wird dadurch erreicht, daß man statt des Goldes oder Silbers Papier nimmt, und Smith handelt nun die Lehre vom Papiergeld und von den Banknoten ungefähr so ab, wie sie sich heute in jedem guten Handbuche der Volkswirtschaftslehre findet, weist u. a. nach, daß Vermehrung des Papiergeldes über den Bedarf das Metallgeld aus dem Lande treibt, erzählt die Geschichte einer durch Überspekulation verursachten schottischen Bank- und Handelskrisis, und wie Law mit seinem Vorschlage, dem schottischen Gewerbefleiß, der nach Geld lechze, mit Anweisungen auf den Gesamtwert des ganzen Bodens des Landes aufzuhelfen, in Schottland abgewiesen worden ist – er hat dann bekanntlich Frankreich mit seinen Mississippi-Aktien beglückt – und berichtet über die Praxis der Bank von England und über die Papiergeldverhältnisse der englischen Kolonien in Nordamerika. Smiths Lehre vom Gelde ist noch lange nicht genug Gemeingut des Volkes geworden. Wäre sie es, so würde jedermann sich vor Ankauf eines Wertpapiers davon überzeugen, ob es auch wirklich die Gütermenge verbürgt, die sein Nennwert angibt, man würde sich nicht so leicht beschwindeln lassen, und man würde sorgfältiger daraus achten, daß nicht bei der Berechnung des Vermögens oder Einkommens eines Volkes manche Güter doppelt gezählt werden, z. B. die Landgüter und die Hypotheken darauf, die freilich zum Vermögen des Gläubigers gehören, den Wert des Volksvermögens aber so wenig erhöhen wie den des Vermögens des Schuldners. Und diese Lehre vom Gelde ist vielleicht der einzige Abschnitt in Smiths Werken, der keiner Korrektur bedarf – alle vermeintlichen Korrekturen, die man anzubringen versucht hat, sind irreführende Pfuschereien gewesen – sondern nur einer kleinen Ergänzung. In der Ersparung von Bargeld hat man es am weitesten in England gebracht durch die Ausbildung des Wechsel-, Scheck- und Clearingverkehrs. Im Londoner Clearinghouse ist z. B. im Jahre 1902 die ungeheure Summe von 10 029 Millionen Pfund umgesetzt worden, während der gesamte Hartgeldverkehr der vereinigten Königreiche wenig über 130 Millionen Pfund beträgt, von welcher Goldmasse nur ein kleiner Teil im Clearinghouse gebraucht wird. Es wäre also denkbar, daß man im inneren Verkehr ganz ohne Hartgeld auskäme, und solches nur noch für die Ausgleichung internationaler Bilanzen brauchte. Auch dann jedoch – das ist die Ergänzung – würde das Metallgeld notwendig bleiben: als Wertmesser. Es möchte immerhin aus dem Verkehr verschwinden, aber irgendwo muß es noch vorhanden sein, um den papierenen Anweisungen – vielleicht nicht als Deckung Wert – aber einen Sinn zu verleihen. Heute weist jedermann, was ein Zwanzigmarkschein bedeutet, nämlich die Anweisung auf ein goldenes Zwanzigmarkstück. Gibt es kein solches mehr, dann gibt es auch keine Mark und keine Markwährung mehr, und das Papiergeld verliert Sinn und Bedeutung, Was will man dann auf die Zettel schreiben? Vielleicht: gilt ein Fünfpfundbrot? Das mag man dafür bekommen, aber wie soll ausgerechnet werden, wieviel solcher Zettel zur Bezahlung von ein Paar Schuhen nötig sind? Alle jene Verlegenheiten des ursprünglichen Tauschverkehrs, von denen uns das Geld erlöst hat, würden wiederkehren. Oder will man, meint Knies, irgend einen beliebigen Unsinn darauf schreiben, z. B. zehn Hoho oder fünf Sasa? Kein Mensch würde auch nur einen Apfel dafür geben. Daß aber die Arbeit zwar wirklich unter Umständen ein Wertmaß, als solches jedoch praktisch nicht zu gebrauchen, darum des Rodbertus und anderer Sozialisten Arbeitsgeld eine Utopie ist, geht aus dem oben über die Wertbestimmung Gesagten hervor.

Im nächsten Kapitel beginnt Smith, um das, was er Kapitalanhäufung nennt, zu erklären, mit der Unterscheidung der Arbeit in produktive und unproduktive. Der Fabrikarbeiter setze durch seine Arbeit dem Rohstoff den Wert seines Unterhalts und den Profit seines Brotherrn zu und müsse darum produktiv genannt werden, der Dienstbote füge keiner Sache irgend einen Wert hinzu. Hier muß zunächst wieder die englisch-kapitalistische Ausdrucksweise gerügt werden. Der Fabrikarbeiter schafft mit dem Kopfe des Leiters und den Maschinen zusammen neue Gebrauchsgegenstände, geradeso wie der Bauer mit dem Acker zusammen. Das ist das Wesentliche an der Sache: alle Arbeit dient der Bedürfnisbefriedigung, wie ja Smith selbst oft sagt. Daß der Arbeiter, der anderer Bedürfnisse befriedigt, von diesen anderen den Unterhalt bekommen muß, daß der Unternehmer auf etwas mehr als den bloßen Unterhalt Anspruch hat, und daß beider Ansprüche in der kapitalistischen Gesellschaft mittelst des Tauschwerts befriedigt werden, den die Arbeit dem Rohstoff zusetzt, ist nebensächlich und nicht notwendig; für den Bauer, der sein eigenes Korn ißt, die Milch seiner Kühe trinkt und das Fleisch seiner Lämmer und Schweine verzehrt, kommt der Tauschwert der Nahrungsmittel und Rohstoffe und der der durch Umformungs- und Pflegearbeit hinzugefügte Tauschwert gar nicht in Betracht. Zweitens verwechselt und vermischt Smith Rentabilität und Produktivität. Daß die Verwendung von Arbeitern, die den Herrn bereichern, rentabel ist, kann freilich niemand leugnen. Ob sie aber auch produktiv ist, d. h. ein dem Volke nützliches Gut schafft und so seinen Wohlstand vermehrt, das hängt von dem Fabrikationszweige ab. Tuch, Leinwand, gegerbtes Leder sind wirkliche Güter; ihre Herstellung ist eine sowohl rentable als produktive Arbeit. Ob aber die Kartoffelsubstanz dadurch, daß man sie in Fusel verwandelt, an wirklichem, an Gebrauchswert gewinnt oder verliert, das ist doch sehr zweifelhaft; rentabel sind allerdings die drei Gewerbe: Brennerei, Destillation und Ausschank in hohem Grade. Nicht weniger rentabel ist die Fabrikation von Hintertreppenromanen; Tauschwerte von Millionen werden durch ihre Abfassung dem Papier, der Tinte und der Druckerschwärze zugesetzt; ihr Gebrauchswert aber ist negativer Art: sie richten nur Schaden an. Dagegen ist der Diener, der einem mit der Abfassung eines nützlichen Buches beschäftigten Gelehrten oder Dichter oder einem Ingenieur oder Staatsbeamten die Stiefel putzt, den Ofen heizt und die Mahlzeiten bereitet, ein produktiver Arbeiter, denn wenn es sein Herr selbst tun müßte, würde er weniger produzieren; jener hilft also diesem produzieren. Zu den unproduktiven Klassen rechnet Smith ferner die Herrscher, die Beamten, das Militär, die Geistlichkeit, die Juristen, die Ärzte, die Schauspieler, die Musiker, die Tänzer usw. Er will mit dieser Zusammenstellung nicht beleidigen; er erkennt den hohen Wert der Beamten und Gelehrten und den Nutzen, den sie stiften, vollauf an; aber, meint er, sie bringen doch nichts hervor, womit man eine gleiche Menge Arbeit kaufen könnte. Gegen diese Auffassung richtet List seinen entrüsteten Ausruf: »Wer Schweine züchtet, ist nach jener Schule ein produktives, wer Menschen erzieht, ein unproduktives Mitglied der Gesellschaft. Wer Dudelsäcke oder Maultrommeln zum Verkauf fertigt, produziert; die größten Virtuosen sind unproduktiv, weil man das, was sie spielen, nicht zu Markte tragen kann.« Smith hat insofern recht, als man im strengen Sinne des Wortes nur solche Arbeit produktiv nennen kann, die körperliche Gegenstände hervorbringt. Seine häßliche und doch auch irreführende Ausdrucksweise aber kann man dadurch verbessern, daß man die übrigen nützlichen Gesellschaftsklassen, welche die Produktion ermöglichen, fördern, unterstützen, schützen, mittelbar produktiv nennt. Sie sind dieses in sehr verschiedenem Grade; der Ingenieur, der Techniker kommt dem unmittelbar Produktiven am nächsten, und sein Anteil an dem Geschaffenen – auch der manches Philosophen und Naturforschers – ist oft größer als der aller dabei beschäftigten Handarbeiter zusammengenommen.

Da alle Klassen, vernehmen wir weiter, auch die unproduktiv arbeitenden und die gar nichts tun, vom Arbeitsprodukt der Produktiven leben, so wird der Vorrat, über den ein Land zu verfügen hat, desto größer sein, je größer die Zahl der produktiv Arbeitenden und je geringer die Zahl der Unproduktiven und der Müßiggänger ist. [Smith läßt unerwähnt, daß die Größe des Jahreseinkommens noch von zwei anderen Ursachen abhängt: von der Fruchtbarkeit des Landes und von der Höhe der Technik. Je höher diese steigt, eine desto größere Zahl von mittelbar Produktiven und Unproduktiven kann mit dem, was die Produktiven erzeugen, erhalten werden, ohne daß diese Not leiden, wie das heute geschieht, wo die Zahl der Beamten, der Literaten, der im Handel und mit sonstigen Vermittelungen Beschäftigten stetig wächst.] Von dem Jahreseinkommen, das die Produktiven erzeugen, wird ein Teil auf die Ergänzung des stehenden Kapitals: der abgenutzten Maschinen, Gebäude usw., also produktiv verwendet. Der andere Teil, das Reineinkommen, kann entweder ganz zum Unterhalt und Genuß verbraucht, oder es kann ein Teil davon produktiv angelegt werden. Der Arbeitslohn für produktive Arbeiter wird zwar verbraucht, aber trotzdem produktiv angelegt, indem ja eben die Leute produzieren, die ihn verbrauchen. Zum Unterhalt der unproduktiven Klassen tragen die Arbeiter nur wenig bei, indem sie nur selten [heute nicht gar so selten] ein Schauspiel oder dergleichen besuchen. Höchstens als Steuerzahler helfen sie die unproduktiven Klassen ernähren. [Sie bringen heute bei uns durch indirekte Steuern den größten Teil des Militäretats auf.] Allerdings können nur die unter ihnen Steuern zahlen, die etwas mehr verdienen, als zum Lebensunterhalt unbedingt notwendig ist. [Die Grenze zwischen dem unbedingt Notwendigen und dem Überflüssigen ist sehr elastisch und in Rußland z. B. mit Hilfe der Knute unglaublich tief hinuntergedrückt worden.] Die Unproduktiven müssen demnach von denen erhalten werden, die Rente oder Kapitalgewinn beziehen, sowie von den hoch besoldeten Unproduktiven. [Das ist alles durch die kapitalistische Brille geschaut! Die Einkommenverteilung geht in der von uns beschriebenen Weise vor sich, und welche verschiedenen Abzüge die verschiedenen produktiven Klassen und Personen um der Unproduktiven willen zu erleiden haben, das läßt sich im einzelnen gar nicht ermitteln. Reicht das Jahreserzeugnis für alle reichlich hin, dann hat niemand einen Abzug zu erleiden; mehr als sich satt essen kann man nicht, wenigstens auf die Dauer.] Von dem Zahlenverhältnis zwischen den produktiven Arbeitern und den Unproduktiven oder Müßiggängern hängt der Reichtum eines Landes ab. England, meint Smith, sei jetzt reicher als ehedem, weil im Mittelalter die Arbeit zu wenig aufgemuntert, daher auch weniger gearbeitet worden sei. In Handels- und Fabrikstädten, wo die unteren Klassen produktiv beschäftigt werden, seien diese nüchtern und wohlhabend, wie in vielen englischen und in den meisten holländischen Städten. In Residenzstädten dagegen, wo der Hof müßiges Volk füttere, seien sie träg, liederlich und arm; so in Rom, Compiègne, Versailles. Ähnlich stehe es um die französischen Parlamentsstädte, ausgenommen Rouen und Bordeaux, die ihre Lage zu betriebsamen Emporien gemacht habe. Armut herrsche auch in Paris, Madrid und Wien. Von diesen drei Städten sei Paris noch die betriebsamste, doch fabriziere es fast nur für den eigenen Konsum seiner Bewohner. London, Lissabon und Kopenhagen seien vielleicht, dank ihrer günstigen Lage, die einzigen Residenzstädte, die nicht bloß für den Konsum ihrer Bewohner Handel trieben. So habe auch Edinburgh, dessen Bewohner zum Teil von dem dort residierenden schottischen Adel und den hohen Beamten erhalten würden, weit weniger Handel und Gewerbe als Glasgow. Man habe auch die Wahrnehmung gemacht, daß, wenn in einem gewerbtätigen Provinzorte ein großer Lord seine Residenz aufschlägt, die bis dahin fleißigen Einwohner Müßiggänger werden und verarmen. Smith folgert daraus, daß, wo das Kapital herrscht, der Gewerbefleiß vorwiegt, und daß die Menschen müßig gehen, wo sie von Rente und Besoldung, leben können (so muß hier revenue übersetzt werden, nicht mit Einkommen; Einkommen beziehen doch auch der Kapitalist und sein Fabrikarbeiter). Und hieran nun knüpft er die berühmte Lehre von der Entstehung des Kapitals, mit der er eine bis heute noch nicht geschlichtete Verwirrung angerichtet hat:

»Kapitale werden vermehrt durch Sparsamkeit, vermindert durch Verschwendung und Liederlichkeit. Wie das Kapital des Einzelnen nur durch das vergrößert werden kann, was er von seinem jährlichen Einkommen spart, so kann auch das aus den Einzelkapitalen zusammengesetzte Volkskapital nur auf dieselbe Weise wachsen. Sparsamkeit, nicht Gewerbefleiß ist die unmittelbare Ursache des Kapitalwachstums. Der Gewerbefleiß liefert allerdings die Dinge, welche die Sparsamkeit aufhäuft. Aber so viel auch der Fleiß erwerben möchte, wenn es die Sparsamkeit nicht erhielte und sammelte, so würde das Kapital niemals größer. Indem die Sparsamkeit den Vorrat vergrößert, der zum Unterhalt produktiver Hände bestimmt ist, strebt sie, die Zahl der Hände zu vermehren, deren Arbeit dem bearbeiteten Gegenstande Wert hinzufügt. Sparsamkeit hat also die Tendenz, den Tauschwert des Jahresprodukts zu vergrößern, das Arbeit und Boden eines Landes hervorbringen. Sie setzt eine neue Menge von Arbeit in Bewegung, die dem Jahresprodukt eine neue Wertmenge hinzufügt. Was alljährlich gespart wird, das wird so gut verzehrt wie das, was unproduktiv ausgegeben wird, aber nicht von derselben Menschenklasse. Was ein reicher Mann so ausgibt, das wird von müßigen Gästen und Bedienten verzehrt, die keinen Ersatz für das Verzehrte zurücklassen. Was er dagegen spart, um Profit davon zu ziehen, wird ebenfalls und fast in derselben Zeit verzehrt, aber von Arbeitern, die den Wert ihres Jahreskonsums mit dem Zusatz eines Profits wiedererzeugen.« Und es wird nun noch geschildert, was der Verschwender dadurch für Unheil anrichtet, daß er Kapitalien zerstört.

Zunächst ist zu bemerken, daß Smith das Kapital nicht, gleich seinen unechten Schülern, durch Sparen entstehen, sondern bloß vergrößert werden läßt; jenes konnte er nicht wohl, dazu hatte er doch den neuen Kapitalbegriff zu deutlich erklärt. Es wäre geradezu lächerlich gewesen, wenn er geschrieben hätte: Sparsamkeit, nicht Arbeit, düngt unseren Boden und baut unsere Maschinen; aber es ist klar, daß es dasselbe sein muß, was das Kapital schafft und was es vergrößert, und die Spartheorie, wenn sie konsequent sein will, die Entstehung des Kapitals durch Sparen lehren muß. Gespart werden kann nun in zweierlei Weise. Einmal so, daß jemand seinen Vorrat an Lebensmitteln, Kleidern und Hausrat schont, um lange damit zu reichen, wie der Geizige tut und der anständige Arme tun muß, die sich beide nicht satt essen. Diese Art des Sparens mag im allerersten Anfänge der Kultur hie und da von einiger Bedeutung gewesen sein. Es soll Indianer gegeben haben, die, wenn sie eine Kuh geschenkt bekamen, sie sofort schlachteten und nicht eher weggingen, als bis sie sie aufgefressen hatten. Solche konnten es natürlich niemals zu einer Viehherde bringen. Aber bei einem Kulturvolk spielt diese Art Sparsamkeit für die Kapitalschaffung keine Rolle. Die Bauernfamilie wäre gar nicht imstande, ihre Ernte und ihr Vieh auf ein Niedersitzen zu verzehren, wenn sie es wollte, und sie wird von solchen krankhaften Gelüsten gar nicht befallen. Noch weniger hat sie Appetit auf den Dünger, den wichtigsten Ersatz für die Abnutzung ihres Grundkapitals. Und am wenigsten kommt der Hauptbestandteil unseres Industriekapitals: das Eisen unserer Maschinen, Lokomotiven und Eisenbahnen, in Gefahr, von den Kapitalisten oder ihren Arbeitern verspeist zu werden. Smith meint natürlich die andere Art des Sparens: Daß ein wohlhabender Mann, ohne gerade zu hungern und zu entbehren, doch seinem Genuß engere Schranken setzt als sie ihm sein Einkommen zieht, und einen Teil von diesem kapitalisiert. Diese Art des Sparens: daß man Geld spart, um es zinstragend anzulegen oder selbst ein Unternehmen zu gründen oder ein schon gegründetes zu vergrößern, ist allerdings am einzelnen eine Tugend und für den Familienvater eine desto strengere Pflicht, je weniger er bemittelt ist, aber für die Gesamtheit ist es nur unter Umständen, die heute kaum noch vorkommen, ein Segen. Was die produktive Arbeit in Bewegung setzt, das ist nämlich nicht, wie Smith meint, das Kapital, sondern die Kundschaft, deren Verzehr und Verbrauch. Der Viehmäster muß auf die Vermehrung und Verbesserung seiner Herde verzichten, wenn sich die Bevölkerung mit trockenen Kartoffeln begnügt, anstatt Lendenbraten, Schinken und Butter zu speisen. Wird die Menschheit abstinent, so hört der Weinbau auf, und die Münchener Bierkrösusse machen Bankrott. Ohne Lebemänner, eitle Frauen und die viel beklagte Genußsucht der Arbeiter gehen alle Luxusindustrien ein. Der berüchtigte Götze »standesgemäß«, der so viele Offiziere und Beamte zwingt, sich zu ruinieren, ist nur die Maske der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit, die Kunsttischlerei, das Tapeziergewerbe, die Konfektion, die Delikateßhandlung im Gange zu erhalten und die darin beschäftigten Hunderttausende nicht brotlos werden zu lassen. Daß alles Produzierte verzehrt werden muß, sagt ja auch Smith; was nicht Aussicht hat, konsumiert zu werden, das kann nicht produziert werden; nur soll es nach Smith von produktiven Arbeitern verzehrt werden. Also nicht der Verbrauch, die Verschwendung hindert die Kapitalbildung, sondern der Müßiggang. Das ist vollkommen richtig, und der Irrtum Smiths besteht nur darin, daß er meint, jeder Mann, der viel auf Luxus ausgibt, sei selbst ein Müßiggänger und füttere Müßiggänger. Er hatte eben den Gegensatz vor Augen zwischen den liederlichen englischen Kavalieren und den schottischen Puritanern, die schon aus dem Grunde fleißig und enthaltsam sein mußten, weil ihre Religion das Gegenteil verbot; aber es entging ihm, daß seine frommen Schotten und die von ihnen in Zucht genommenen Stadtbürger hätten aufhören müssen zu produzieren, wenn es keine liederlichen Kavaliere gegeben hätte und die wohlhabende Bourgeoisie nicht ein wenig von ihnen angesteckt gewesen wäre. Er wundert sich selbst darüber, daß England immer reicher werde, da doch Sparsamkeit durchaus kein Charakterzug seines Volkes, und sein hoher Adel geradezu liederlich, seine Regierung verschwenderisch sei. Aber es widerstrebte seinem sittlichen Gefühl und seiner Theorie von der prästabilierten Harmonie zwischen Sittlichkeit und Glück, anerkennen zu sollen, daß aus Bösem und Schlechtem Gutes hervorgehen könne, und er mag dem Mandeville darum so gram gewesen sein, weil er witterte, daß dieser scharfsinnige Mann tiefer in das Wesen der Dinge hineingeschaut habe, als er und den Optimismus der schottischen Philosophenschule ins Wanken zu bringen drohe. Mandeville spottete u. a.: er protestiere wahrlich nicht weniger energisch gegen alle Popery als Luther, Calvin und die Königin Elisabeth; aber trotzdem behaupte er, die Reformation habe zur Blüte der protestantischen Staaten nicht mehr beigetragen als die dumme und häßliche Mode der Reifröcke und der wattierten Unterröcke, jedenfalls habe jene nicht so viel produktive Hände in Bewegung gesetzt. Ganze Industrien würden zugrunde gehen, wenn einmal die Weiber anfingen, vernünftig und gewissenhaft zu werden, und sich mit ihren Ausgaben innerhalb der vom Einkommen ihrer Männer gezogenen Grenzen zu halten. Christliche Moral und Kultur vertrügen sich nun einmal nicht miteinander. Wollten wir von Sünden rein bleiben, so müßten wir Wüsteneinsiedler und Waldmenschen werden; die Größe, die Macht und der Reichtum der Nationen beruhe nicht auf ihren Tugenden, sondern auf dem, was die Religion als Laster verurteile. So Mandeville. In Wirklichkeit ist es eine Mischung sittlich guter und sittlich böser, schlechter oder weniger löblicher Eigenschaften, die ein begabtes Volk groß macht: Lebenslust und Genußsucht, die zur Gütererzeugung und zum Gütererwerb drängen, verbunden mit so viel Klugheit und Selbstbeherrschung, daß nicht Entnervung, Trägheit und Pflichtversäumnis die Produktion hemmen; rücksichtslose Härte und Ungerechtigkeit gegen die Schwachen, die man ausbeuten kann, und strenge Rechtschaffenheit und Zuverlässigkeit im Verkehr mit Starken, die erlittene Unbill rächen. Das Puritanertum hat in dem zu kavaliermäßiger Verlumpung neigenden England das unentbehrliche moralische Element verstärkt, und Smith hatte Mandeville gegenüber insofern recht, als er diese Unentbehrlichkeit betonte; nur hätte er sich dadurch nicht verleiten lassen sollen, die Sparsamkeit zur Mutter des Kapitals zu machen. Wie die Engländer nicht durch Sparsamkeit, sondern teils durch Ausraubung ihrer Kolonien, teils durch Übervorteilung anderer Nationen, teils durch scheußliche Ausbeutung ihrer Arbeiterschaft, namentlich durch den großen Fabrikkindermord im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts reich geworden sind – nicht ohne eigene energische Geschäftstätigkeit natürlich – das ist weltbekannt. Der vorläufig unlösbare Widerspruch zwischen dem Zwange zu einem Luxus, ohne den bei hochgestiegener Produktivität der Arbeit ein großer Teil der Arbeiterschaft brotlos werden und die Nation verarmen würde, und der Verpflichtung jedes weniger bemittelten Familienvaters zur Sparsamkeit ist nur einer der vielen quälenden Widersprüche des Menschenlebens, die noch kein Harmonieschwärmer aus der Welt zu schaffen vermocht hat. Smith, der solche Widersprüche nicht anzuerkennen vermochte, erklärt sich das Rätsel, wie ein genußsüchtiges Volk reich zu werden vermöge, damit, daß die Genußsucht, die Unfähigkeit, einer augenblicklichen Versuchung zu widerstehen, nur ein Fehler einzelner Individuen sei und nur zeitweise wirke, darum die Wirkung des allgemein verbreiteten und stetig Wirkenden Triebes, »unsere Lage zu verbessern«, nicht völlig zu vereiteln vermöge. Wir schließen: Nicht Sparsamkeit, sondern Arbeit schafft das Kapital. Sparsamkeit ist eine der Kräfte, welche die Anhäufung des Kapitals in den Händen einzelner fördern, also das Kapital im Sinne von Geldkapital, Kapital besitz schaffen, und kann, sofern der Kapitalismus die Produktivität der Arbeit fördert, auch zur Vermehrung des Sachkapitals beitragen. Aber als allgemein verbreitete Volkssitte hemmt die Sparsamkeit den Konsum und darum auch die Vergrößerung des Sachkapitals, und schreitet die Kapitalbildung so rasch fort, daß ihr sogar ein verschwenderischer Konsum nicht zu folgen vermag, so erzeugt sie Krisen.

Was meint denn Smith eigentlich mit der Akkumulation, der Anhäufung des Kapitals? Die Kapitalgüter, sagt er, würden freilich vom Gewerbefleiß geschaffen, aber um Kapital zu werden oder das Kapital zu vergrößern, müßten sie gespart und angehäuft werden. Wagte er nicht, es auszusprechen, oder ist ihm die Sache unklar geblieben? Wir haben es soeben ausgesprochen: Das Wort bedeutet: die zerstreuten Kapitalgüter in den Besitz eines einzelnen bringen. Seinem ursprünglichen Kapitalbegriff: Gesamtheit der Werkzeuge und Rohstoffe, schiebt sich ein zweiter unter: Besitz dieser Gegenstände. Die Verwechselung, Vertauschung und Vermischung einerseits von Gebrauchsgut und Geld (welche beiden Dinge Smith selbst doch so schön und reinlich geschieden hat) andererseits von Kapitalgegenstand und Kapitalbesitz zieht sich durch seine ganze Spartheorie und macht, wie jeder bei aufmerksamem Lesen merken muß, jeden Satz darin schief und zweideutig. Heute allerdings ist zur Produktion oft, nicht immer, großer Kapital besitz eines oder einiger Kapitalisten notwendig. Zu einem Eisenbahnbau gehören: Eisen, Holz, Werkzeuge, Ingenieure, Arbeiter, Nahrung, Kleidung und Wohnung für diese Ingenieure und Arbeiter. Alle diese Gegenstände und Personen sind vorhanden, aber solange sie nicht an einen Ort zusammengebracht und zum Schaffen organisiert werden, kann keine Eisenbahn entstehen. Das Organisieren kann ein kapitalloser Ingenieur besorgen, das Zusammenbringen nur ein Kapitalist oder ein Konsortium von Kapitalisten oder der Staat als Kapitalist. Wer durch Erbschaft, durch Geschäftsgewinn oder auch durch Sparen (bei bedeutendem Einkommen!) Herr einer großen Geldsumme geworden ist, d. h. einer Anweisung auf viele Güter und Dienste, welcher solchergestalt eine große Kaufkraft erlangt hat, Macht über Güter, die sich noch im Besitz anderer befinden, und über die Arbeitskraft Besitzloser zu verfügen, der kann die zum Bau der Bahn erforderlichen Materialien, Werkzeuge, Köpfe und Hände kaufen und an einen Ort zusammenführen, dann sie selbst organisieren oder einen Ingenieur anstellen, der sie organisiert. So ist nicht immer gebaut und produziert worden. Wenn der antike Oikenwirt einen Palast oder eine Straße bauen lassen wollte, entnahm er die Materialien seinem eigenen Grund und Boden, ließ seine Sklaven, die er mit den auf seinem Acker gewachsenen Früchten nährte und mit den von seinen Sklavinnen aus der Wolle seiner Schafe gewebten Gewändern kleidete, die Werkzeuge anfertigen und dann den Bau ausführen. Geldkapital brauchte er nicht. Ähnlich verfuhr der Großgrundbesitzer in der Zeit der Karolinger und der Sachsenkaiser, wenn er seine Bataillone von Hörigen einen Wald roden, eine Burg, eine Kirche, ein Kloster bauen ließ. Ähnlich sind die Obrigkeiten kommunistischer Dorfgemeinden in Indien verfahren und versuchen es kommunistische Gemeinwesen neuerer Zeit. Produktivgenossenschaften sind eine Vorübung für solche Organisation. Ihr schlechtes Gedeihen eröffnet den Sozialisten schlechte Aussichten, aber soviel steht fest, daß die kapitalistische Organisation der produktiven Arbeit keine absolute Notwendigkeit ist, weil die Weltgeschichte beweist, daß es Jahrtausende ohne sie gegangen ist; sie liegt nicht im Wesen der Sache, sondern ist im Verlaufe der geschichtlichen Entwickelung geworden und kann mit ihm wieder vergehen. In der Zeit ihrer Herrschaft hat sie sich zwei große Verdienste erworben. Sie hat die Aktiengesellschaft aus sich herausgeboren, welche die Vereinigung vieler kleiner Kapitalisten zu großen Unternehmungen ermöglicht, und die darum schon ein halb sozialistisches Gebilde ist. Und sie hat in den Fällen, wo der Kapitalist zugleich genialer Unternehmer war, oder wo ein genialer Unternehmer, ein Krupp, ein Werner Siemens, ein Edison, mit der Zeit Kapitalist wurde, den technischen Fortschritt unglaublich gefördert und die Produktivität der Arbeit in einem Jahrhundert mehr gesteigert, als es die Fortschritte der älteren Zeit in vier Jahrtausende getan hatten. Diese Unternehmer hatten das Glück, in der Zeit der großen naturwissenschaftlichen Entdeckungen zu leben, die sie sich, als Erfinder, aneigneten und zu Nutze machten. Die Materialien und Arbeiterscharen, die ihnen ihr Kapital zur Verfügung stellte, schufen sie mit ihrem organisierenden Genie zu lebendigen Organismen von ungeheurer Wirkungskraft um; daß sie völlig frei schalten durften, keiner Behörde in ihrer Produktion untertan, niemandem als sich selbst verantwortlich waren, ließ ihren Wagemut, ihre Tatkraft, ihr Genie zur vollen ungehemmten Entfaltung kommen, und nicht der letzte Vorteil war es für sie, daß ihre Arbeiter »frei« waren, denn diese sogenannte Freiheit nötigt teils, teils lockt und reizt sie die Leute, ganz anders energisch und umsichtig zu arbeiten, als es Sklaven zu tun pflegen, ein Umstand, den Smith wiederholt hervorhebt. Der Kapitalbesitzer an sich fungiert nur als Vermittler, und kann durch einen Feudalherrn, ein kommunistisches Gemeinwesen, eine Genossenschaft, ersetzt werden. Was nicht ersetzt werden kann, das ist der geniale Unternehmer, und was die Größe der kapitalistischen Periode, des neunzehnten Jahrhunderts ausmacht, das ist die Wirkungskraft, die der Kapitalbesitz genialen Unternehmern verliehen hat. Nicht dem Kapital, sondern der Vereinigung von Kapitalist und genialem Unternehmer in einer Person ist der gewaltige technische Fortschritt, den wir erlebt haben, zu danken. Daß auch heute diese Vereinigung nicht überall und immer, sondern nur für die Begründung neuer Unternehmungen und für die Eröffnung neuer Produktions- und Absatzwege nötig ist, beweisen die Aktiengesellschaften, bei denen die Kapitalbesitzer nicht als Unternehmer fungieren; ja die Aktionäre verstehen gar nichts von dem Unternehmen, das ihnen gehört, und sind gar nicht in der Lage, sich darum zu kümmern, fallen freilich deswegen oft arg hinein. Die Kartelle und Trusts anderseits berauben den kartellierten Unternehmer der Bewegungsfreiheit oder schalten ihn ganz aus und machen ihn zum müßigen Rentner. Aktiengesellschaften, Kartelle, Genossenschaften sind Ansätze zum Sozialismus. Dieser wird nicht die Alleinherrschaft erringen, am wenigsten unter sozialdemokratischer Führung. Man wird wahrscheinlich auch in Zukunft, wie jetzt, ein Gemenge haben von kleinen selbständigen Unternehmern, die nicht Kapitalisten sind, von kapitalistischen Großunternehmern, von genossenschaftlichen, Staats- und Kommunalbetrieben. Manche Gewerbe eignen sich mehr für die eine, manche mehr für die andere Betriebsart; das Export- und Importgeschäft unserer Seestädte z. B. wird niemals genossenschaftlich betrieben werden, niemals des kundigen, tatkräftigen, sich selbst allein verantwortlichen Einzelunternehmers entbehren können.

Smith untersucht dann die Produktivität und Rentabilität, beides fortwährend vermischend, der verschiedenen Kapitalanlagen. Er hebt die Nützlichkeit und Unentbehrlichkeit des Detailhandels (Kramhandels) hervor und meint, die übermäßige Vermehrung der Zahl der Händler könne wohl diese zugrunde richten, aber nicht dem Publikum schaden. Die Landwirtschaft erklärt er für die produktivste Kapitalanlage, denn in ihr arbeite die Natur mit. Die Natur allein schaffe neue Stoffe, die Landwirtschaft regle und fördere dieses Schaffen, die Gewerbe vermöchten nur das von der Natur geschaffene durch Umformung brauchbarer und wertvoller zu machen. Darum, weil in Nordamerika fast das ganze Kapital in der Landwirtschaft angelegt werde, schreite der Wohlstand des Volkes so rasch fort. Die Amerikaner würden, meint er, diesen Reichtumsfortschritt hemmen, wenn sie die Einfuhr von Industrieerzeugnissen durch Zölle verhindern, sich selbst auf die Fabrikation verlegen und zu diesem Zwecke der Landwirtschaft Kapital entziehen wollten, ehe ihr Land vollständig angebaut ist. [Die Amerikaner haben diese Torheit im neunzehnten Jahrhundert begangen.] Auf die anderen Erwerbszweige solle erst Kapital verwandt werden, wenn man mehr davon habe, als die Landwirtschaft brauchen könne; die Verwendung habe, je nach dem sich steigernden Reichtum, zu den immer unproduktiveren Gewerben fortzuschreiten: der Fabrikation, dem Inlandhandel, dann dem Auslandhandel, der notwendig werde, wenn man mehr hat, als daheim verbraucht werden kann, darum einen Teil davon ins Ausland schicken und Auslandsgüter dafür eintauschen muß, zuletzt zum Zwischen- oder Frachthandel, der darin besteht, daß z. B. die Holländer aus Polen Korn holen, es in Portugal verkaufen und den Polen portugiesischen Wein und Südfrüchte dafür bringen. In dieses Getriebe schiebt sich dann, da seine Räder fortwährend mit verzinslichem Gelde geschmiert werden müssen, die Finanz ( the moneyed interest) als ein besonderes Gewerbe ein. Smith rechnet überall nach, welche Kapitalien bei jeder Operation ersetzt werden, was an Profit hinzukommt, und welche Mengen produktiver Arbeit durch jede Art von Kapitalanlage in Bewegung gesetzt werden. Im einzelnen mag das meiste richtig sein; es ist z. B. wahr, daß die baltischen Provinzen mehr Hanf bauen konnten, seitdem ihnen englische Händler welchen abkauften. Im allgemeinen aber verhüllt auch hier der Geldschleier die volkswirtschaftlichen Vorgänge einigermaßen. Nicht um Kapital handelt es sich beim Fortschritt von der Urproduktion zu Fabrikation und Handel, sondern um Arbeit und Boden. Wo Boden im Überfluß vorhanden ist, braucht das Volk Exportgewerbe nicht zu betreiben; finden dagegen bei knapp gewordenem Boden nicht mehr alle seiner Arbeiter Verwendung in der Landwirtschaft, dann müssen die überschüssigen städtische Gewerbe treiben, und reicht bei weiterer Volksvermehrung ein Teil der Industriearbeiter hin, den heimischen Bedarf zu decken, so muß der andere Teil fürs Ausland produzieren. Daß der Auslandshandel wegen des langsamen Kapitalumschlags weniger profitabel sei als der Inlandshandel, trifft bei der heutigen Verkehrstechnik nicht mehr in dem Grade zu wie damals. Den Widerspruch zwischen seiner Behauptung, daß die Landwirtschaft das produktivste Gewerbe sei, und der Tatsache, daß man im Handel rasch, in der Landwirtschaft, wenn überhaupt, nur langsam reich werden kann, sucht Smith aus der europäischen Politik zu erklären, die Jahrhunderte lang die städtischen Gewerbe einseitig begünstigt habe. [Der Widerspruch erklärt sich daraus, daß Produktivität und Rentabilität ebenso wie Kapital und Kapitalbesitz verschiedene Dinge sind.] Das will er im dritten Buche zeigen.

Er stellt in diesem kurzen Buche den verschiedenen Fortschritt des Wohlstandes bei verschiedenen Nationen dar, von den Zeiten der Völkerwanderung angefangen. Seine Darstellung beweist, daß er gründliche historische Studien gemacht hatte, aber die Geschichtsforschung hatte damals noch nicht das Material gesammelt, auf das eine richtige Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters hätte gegründet werden können. Doch leitet er aus seinem mangelhaften und vielfach anfechtbaren Material wichtige und unanfechtbare Wahrheiten ab; vor allem die, daß unter allen Arten von Handel der Produktenaustausch zwischen Stadt und Land der fruchtbringendste ist, und daß ohne diesen Austausch, ohne städtisches Gewerbe und Handel die Landwirtschaft nicht verbessert, nicht rationell betrieben werden kann. So lange der Grundherr keine andere Verwendung für seine Bodenprodukte hat, als sie mit seinen Bauern, seinen Gästen, seinem Gefolge und Hausgesinde aufzuessen, hätte es keinen Sinn, dem Boden mehr abgewinnen zu wollen, als die Mäuler seiner Leute vertilgen können. Erst wenn er für einen Produktenüberschutz Industriewaren erhält, vermindert er die Zahl seiner unnützen Esser und wird er rationeller Landwirt. [Und, muß man hinzufügen, nur in der Stadt werden die wissenschaftlichen Entdeckungen gemacht, die den rationellen Betrieb ermöglichen.] Daß Smith den segensreichen Produktenaustausch zwischen Stadt und Land gerade mit einem Diamantschmuck anfangen läßt, ist zwar nur ein wunderlicher Einfall und entspricht wenig dem geschichtlichen Hergang, aber die Stelle ist so charakteristisch für den Verfasser, daß wir sie anführen wollen. »Indes was alle Gewalt der Lehnsordnung [die seiner Ansicht nach ein Versuch war, die unbotmäßigen Großen in die Staatsordnung einzufügen] nicht hätte bewirken können, das brachte allmählich die stille und unmerkliche Wirksamkeit des Handels zustande. Dieser lieferte den Großgrundbesitzern Gegenstände, für die sie den Überschuß ihrer Bodenprodukte austauschen, und die sie selbst verbrauchen konnten, ohne sie mit Pächtern und Dienstleuten teilen zu müssen. »Alles für uns selbst, nichts für andere«, scheint in allen Zeitaltern der häßliche Grundsatz der Gebieter der Menschen gewesen zu sein. Sobald sie daher in der Lage waren, den ganzen Wert ihrer Rente selbst genießen zu können, hatten sie keine Lust mehr, diese mit irgend jemand anderem zu teilen. Für ein Paar Diamantschnallen oder einen ähnlichen unnützen Tand gaben sie den Lebensunterhalt von tausend Mann hin« und verloren dadurch ihre politische Macht. Er kommt noch einmal auf das rasche Aufblühen Nordamerikas zu sprechen. In alten Ländern sei die Anlage eines kleinen Kapitals in ländlichem Grundbesitz unrentabel, weil Rente, Steuern, die Zinsen des Kaufpreises den Ertrag aufzehrten. In Nordamerika, wo der Boden fast kostenlos zu haben sei und auch sonst keine Lasten den Landwirt drückten, sei der Ankauf von Grundstücken zur Bebauung die allerbeste Anlage für den kleinen Kapitalbesitzer. Darum nehme dort auch die Bevölkerung so rasch, in Europa so langsam zu. Daß in Nordamerika Kinder, für die es in der eigenen Wirtschaft reichlich zu tun gibt, das wertvollste Kapital seien, hat er schon früher gesagt, und das Elend der armen Chinesen beschrieben, von denen manche sogar auf dem Wasser wohnen müssen, weil sie auf dem Lande nicht einmal Platz zu einer Hütte fänden. Und kultivierter Boden, meint Smith, sei auch das einzige dauerhafte Nationalkapital [mit der Volksbildung und der Tüchtigkeit des Volkes zusammen!]. In Industrie und Handel erworbenes Kapital werde erst dadurch einem Lande als sicheres Besitztum einverleibt, daß es zur Bodenmelioration verwandt wird. Der Kaufmann sei nicht notwendig Bürger eines bestimmten Landes; es sei ziemlich gleichgültig für ihn, an welchem Ort er sich niederlasse; gefalle es ihm in dem einen Lande nicht, so verlege er sein Geschäft in ein anderes und führe sein Kapital dahin über. Solches Kapital gehöre dem Lande nicht eher sicher an, als bis es sich in der Gestalt von Bodenmeliorationen und Gebäuden darüber verbreitet [und darin Wurzel gefaßt] hat. Keine Spur sei vom Reichtum der Hansestädte übrig geblieben. Und der Kaufmannsreichtum zerrinne leicht: Kriege und innere Unruhen trockneten seine Quellen aus. »Viel dauerhafter ist der Reichtum, der aus den haltbaren Bodenmeliorationen fließt. Er kann nur zerstört werden, wenn barbarische Nationen ein Land jahrhundertelang verwüsten, wie das den westlichen Gegenden Europas vor und nach dem Falle des Römischen Reiches widerfahren ist.«


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