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Der Vater unseres Helden, der ebenfalls Adam getauft war, wurde 1707 in die Körperschaft der Writers of the Signet ausgenommen (so hießen die Advokaten, die am höchsten Gerichtshöfe praktizieren durften) und bald zum Judge Advocate (Generalauditeur oder Oberkriegsgerichtsrat) für Schottland ernannt. Die genannte Korporation pflegte die Angelegenheiten des schottischen Landadels zu besorgen; das mag ihn dem Earl of Loudon nahe gebracht haben, der als Minister für Schottland ihn zu seinem Privatsekretär machte und, als er 1713 sein Amt niederlegte, ihm die Stelle des Zollkontrolleurs in Kirkcaldy verschaffte, die gegen viertausend Mark brachte; sein Advokatenamt verlor er dadurch nicht. Das Zollamt hat später ein Vetter bekommen, der ebenfalls Adam hieß. Die Gattin holte sich Adam der Vater aus dem nahen Strathendry: Margarete Douglas, unter deren Verwandten mehrere Offiziere waren. Adam Smith der Vater starb im Frühling 1723, und einige Monate darauf ward unser Adam geboren. Er war ein schwächliches und sinniges Kind. Die Mutter pflegte und erzog ihren Einzigen mit einer Zärtlichkeit und Nachsicht, die ihr von den puritanischen Bekannten übel genommen, vom Sohne mit gleicher Zärtlichkeit vergolten wurde, die er ihr sechzig Jahre lang erweisen zu können das Glück hatte. Drei Jahre alt, wurde er einmal in Strathendry von Zigeunern gestohlen, vom Oheim aber, der ihnen nachsetzte, errettet; welchen unschätzbaren Dienst dieser damit der Menschheit erwies, hat der Mann damals nicht ahnen können.
Die aus einer einzigen Gasse bestehende Hafenstadt Kirkcaldy in der Grafschaft Fife zieht sich gegen eine Stunde lang am Nordufer des Firth of Forth hin. Ihre Bewohner, damals nicht mehr als 1500 (heut 27 000), trieben lebhaften Seehandel, im Zollamte wurden hübsche Schmugglergeschichten erzählt, und in den Nagelschmieden des Örtchens, die Adam fleißig besucht haben soll, konnte er die Arbeitteilung beobachten und ein merkwürdiges Stück Naturalwirtschaft: es kam vor, daß die Arbeiter ihren Lohn in Nägeln ausgezahlt bekamen und im Kramladen mit Nägeln ihre Lebensmittel bezahlten. Die Lateinschule des Orts, in die Adam mit zehn Jahren eingetreten zu sein scheint, hatte durch ihren damaligen Leiter, Millar, Ruf erlangt; mehrere von Adams Mitschülern sind in Wissenschaft, Literatur und Politik bekannt geworden. Der erste lateinische Autor, der gelesen wurde, war Eutrop, und Adams Exemplar mit seiner eigenhändigen Namenseinzeichnung und der Jahreszahl 1733 ist (im Besitz des Professors Cunningham) noch vorhanden. Seiner Konstitution nach war Smith zu Bewegungsspielen wenig aufgelegt; seine Mitschüler fanden, daß er sich durch die Leidenschaft für Bücher und durch wunderbare Gedächtniskraft auszeichne; aber sie liebten ihn wegen seiner Gutmütigkeit, Freundlichkeit und Hochherzigkeit. Nicht selten vergaß er seine Umgebung und sprach zu sich selbst.
Vierzehn Jahre alt, kam er auf die Universität Glasgow, die eben damals eine Leuchte für ganz Europa geworden war. Aus tiefer Finsternis brach dieses Licht hervor. Die Wurzel des Aberglaubens ist die Unwissenheit. Er nimmt einen düsteren Charakter an, wenn sich der Unwissende beständig von feindlichen Gewalten bedroht sieht, deren Natur er nicht zu durchschauen vermag. Schottland ist ein nordisches, wenig fruchtbares, von einem stürmischen Meere umbraustes Land, das einem unzivilisierten Volke wenig Lebensfreude gönnt, harte Arbeit und schwere Kämpfe aufzwingt und es mit tausend Gefahren bedrängt. Die Clanhäuptlinge hatten in unaufhörlichen Fehden miteinander gelegen, die Bewohner des etwas weniger unfruchtbaren Niederschottland waren in der friedlichen Arbeit bald durch Eroberungszüge der Engländer, bald durch räuberische Einfälle der Hochländer gestört worden, und die durch keine unserer modernen Veranstaltungen erhellte lange Winternacht hatte die Phantasie der Schotten wie die aller Nordländer mit Schreckgestalten erfüllt.
Was Wunder, daß die Greuel der Hexenprozesse wüteten! Den Calvinismus in seiner härtesten und düstersten Form fanden die Schotten ihrer Gemütsstimmung entsprechend, und als sie die Episkopalkirche abgeschafft hatten, ihre Prediger nur noch aus den untersten Volksschichten hervorgingen und in der Verteidigung der bürgerlichen Freiheit gegen die tyrannischen letzten Stuarts treu zum Volke hielten, da kannte die Ergebenheit dieses Volkes gegen seine demokratischen Prediger keine Grenzen mehr, und diese richteten jene entsetzliche geistliche Tyrannei aus, die der freilich aus Effekthascherei übertreibende Thomas Buckle so erschütternd geschildert hat. Sie beherrschten das Volk mit unumschränkter Gewalt, drangen spionierend in jede Familie ein, züchtigten jede Abweichung von der Orthodoxie mit der unter diesen Umständen furchtbaren Strafe der Exkommunikation. Eine Askese, die im Katholizismus nur die Religion der wunderlichsten unter seinen Heiligen ist, wurde in Schottland die allgemeine Volksreligion, natürlich ohne den Zusatz römischer Dogmen. Armut, Schmutz, Hunger, Peinigung des Leibes und Gewissensängste galten als die einzigen Mittel für den durch die Sünde verderbten und von bösen Geistern umlauerten Menschen, der ewigen Höllenqual zu entgehen. Die Ausmalung dieser Qualen machte den Hauptinhalt der sieben- bis zehnstündigen Predigtgottesdienste aus und versetzte die Zuhörer in wahnsinnige Angst, und in diesen Gottesdiensten bestand die einzige Erholung von der Arbeit, denn alle wirklichen Erholungen waren als sündhaft verpönt, und nicht allein sie, sondern alle sanften Empfindungen, vor allem die Liebe in jeder ihrer Gestalten. Es war, als Sabbatschändung, verboten, am Sonntag Schiffbrüchige zu retten, es war verboten, einem Ketzer in Todesgefahr zu Hilfe zu kommen, und wenn der Sohn wegen eines Vergehens gegen den Glauben exkommuniziert war, mußte ihn die Mutter nicht allein aus ihrem Hause, sondern auch aus ihrem Herzen aussperren. Am Anfange des 18. Jahrhunderts nun hatte die Union mit England dem Volke Ruhe verschafft, Ordnung gestiftet, durch die Wegräumung einiger Zollschranken Gewerbe und Handel ermöglicht, in Niederschottland einigen Wohlstand geschaffen, eine kleine Minderheit in behagliche Lage versetzt, und der Geist des in seinem Kerne edlen Volkes fing an, sich von den Schreckgespenstern seiner Einbildungskraft zu befreien.
Seine angeborene Tüchtigkeit war durch harte Arbeit, durch das Ringen mit einer kargen Natur und durch die tapfer geführten Kriege und politischen Kämpfe gesteigert worden, und dieser tüchtige Geist warf sich jetzt, da ihm die Bahn geöffnet war, mit seiner ganzen Energie auf Gewerbe, Handel und Wissenschaft. In der Wissenschaft hielt er an der von seinen Theologen, bis dahin den einzigen geistigen Arbeitern in Schottland, gepflegten deduktiven (spekulativen, scholastischen) Methode fest, die nicht mit der Sammlung von Erfahrungstatsachen beginnt, sondern aus vermeintlich unbezweifelbaren Grundwahrheiten Folgerungen ableitet. Formal war der schottische Geist gut geschult, denn die Theologen, die Prediger waren alle scharfe Logiker gewesen. Also die Denkmethode blieb, aber die Stimmung hatte sich in der obersten Volksschicht geändert, und diese geänderte Stimmung ließ die Welt in einem freundlicheren Lichte erscheinen. Nun konnte aus der häßlichen Wurzel die schöne Blüte der Humanität hervorbrechen, die Francis Hutcheson hieß.
Hutcheson war Professor der Moralphilosophie in Glasgow. Sein Vorgänger hatte noch lateinisch gelesen; er las nicht, sondern sprach frei, mit warmer Begeisterung, in der Muttersprache der Studenten. Der Vorgänger war ein finsterer Calvinist gewesen und hatte nach Zeichen des göttlichen Zorns ausgeschaut. Hutcheson verhieß, lange vor Bentheim, die größte Glückseligkeit der Mehrzahl der Menschen als Ziel der menschlichen Entwicklung. Aus dem, was er in seinem eigenen Gemüte fand, deduzierte er die Güte der Menschennatur, das Recht der Vernunft auf ihre eigene, von jeder Orthodoxie unabhängige Erkenntnis, den Wert der Liebe, des Wohlwollens, der schönen Künste, des Reichtums, den göttlichen Ursprung der Schönheit; Cousin hat ihn den ersten Begründer der Ästhetik genannt. Das Presbyterium der Stadt erhob die Anklage auf Ketzerei gegen ihn, weil er zwei falsche und gefährliche Sätze lehre: 1. daß die Beförderung des Glücks anderer der Maßstab für den sittlichen Wert eines Menschen sei; 2. daß man, ohne Gott zu kennen, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden vermöge. Die Studenten – es ereignete sich das in den ersten Jahren von Smiths Studienzeit – erschienen vor dem kirchlichen Tribunal und verteidigten leidenschaftlich ihren geliebten Lehrer. Die Moralphilosophie umfaßte damals auch die Jurisprudenz und als einen Zweig davon die Nationalökonomie. In seinen Vorträgen über diese Gegenstände pflanzte Hutcheson seinen Schülern die Liebe zu vernünftiger Freiheit ins Herz. Er lehrte, daß Arbeit die Quelle alles Reichtums und der einzige wahre Wertmesser sei, und verteidigte das natürliche Recht eines jeden Menschen, seine Fähigkeiten nach eigenem Belieben für selbstgewählte Zwecke in Arbeit oder Erholung zu verwenden, sofern er dadurch weder Person oder Eigentum eines Privatmanns noch ein öffentliches Interesse schädigt. Von diesem Hutcheson also hat Smith Ziel und Richtung seines Entwicklungsganges empfangen, oder wenigstens die Aufklärung darüber, was in seinem eigenen Busen nach Entfaltung rang. Übrigens beschäftigte er sich auch eifrig mit Mathematik und Naturwissenschaften, und der Mathematiker Simson, eine Hutcheson ebenbürtige Berühmtheit, gab ihm Gelegenheit, seinen Scharfsinn an besonders schwierigen Aufgaben zu üben. Ein Brief Humes an Hutcheson vom 4. März 1740 betrifft einen Herrn Smith, der kaum ein anderer als unser Smith gewesen sein kann. Wenn er es war, dann hat der damals Siebzehnjährige eine Rezension über Humes Treatise of Human Nature geschrieben, die dem Philosophen so gut gefiel, daß er sie in einer Zeitschrift veröffentlichte und dem Verfasser zum Dank ein Exemplar seines Werkes übersenden ließ.
In Glasgow gab es zwei Stiftungen, die Stipendien zum Studium in Oxford gewährten. Die eine, die Snellstiftung, war ursprünglich dazu bestimmt, in Schottland die englische Episkopalkirche auszubreiten; ihre Stipendiaten mußten sich unter einer Strafe von zehntausend Mark verpflichten, sich ordinieren zu lassen und in Schottland für die genannte Kirche zu wirken. Nachdem jedoch die Presbyterialkirche über ihre Nebenbuhlerin gesiegt hatte, wurde die beschränkende Klausel aufgehoben und den Stipendiaten die Wahl des Berufes freigegeben. Die Verleihung des Stipendiums galt zugleich als Belohnung für ausgezeichnete Leistungen. Adam Smith erhielt eins davon – es wurden fünf zu je achthundert Mark auf elf Jahre verliehen – im Jahre 1740. Er machte die Reise zu Pferde und war als aufmerksamer Beobachter erstaunt, beim Überschreiten der Grenze einen so gewaltigen Unterschied im Aussehen der Landschaft zu bemerken. Zu Schottland trieb man nur wenig und primitiven Ackerbau, in England war dieser schon rationell geworden. Und was für ein Unterschied im Aussehen des Viehes! Als er bei einer der ersten Mittagmahlzeiten in Balliol Hall – die Snellstipendiaten waren Mitglieder von Balliol College – in einem Anfall von Geistesabwesenheit zu essen vergaß, weckte ihn der Aufwärter und sagte: »Langen Sie nur zu! Solches Rindfleisch haben Sie in Schottland noch gar nicht zu sehen bekommen!« Bei dergleichen harmlosen Sticheleien, zu denen außer der schottischen Armut auch die schottische Aussprache Anlaß gab, ist es damals nicht geblieben. Die acht Schotten (vier von der Snellstiftung und vier von einer anderen) klagten über schlechte Behandlung, und noch als Smith schon Professor war, hatte die Universität Glasgow mit Balliol College darüber zu verhandeln. Dazu kränkelte Smith beständig; er wird sich also wohl in Oxford nicht sehr behaglich gefühlt haben. Was den Betrieb der Wissenschaften betrifft, so kann man kurz sagen: es gab keinen, wenigstens keinen von seiten der Anstalt. Die Professoren beschäftigten sich mit nichts als mit Klatsch und Intriguen; die Fellows von Balliol College, die meistens fanatische Jakobiten waren, trieben Straßenunfug und prügelten Hannoveraner durch, und die Tutors teilten mitunter, wenn sie zufällig einmal nicht zu faul dazu waren, ihren Zöglingen einige Brocken des scholastischen Unsinns mit, der in Oxford für Wissenschaft galt. Denn in diese reich dotierte Universität halten sich nach Smiths Zeugnis alle widerlegten Systeme und veralteten Vorurteile geflüchtet, nachdem sie aus jedem Winkel der übrigen Welt verjagt worden waren. Nicht bei den kolossalen Lendenbraten des reichen Oxford, sondern bei der Hafergrütze der armen Schotten erstarkte der britische Geist, der von da ab den britischen Reichtum durch Denkkraft, Wissen und vornehme Gesinnung adeln sollte. Wie verwerflich nun auch das Treiben der Oxforder Pfründner erscheinen mag, für einen Geist wie Smith war der bestehende Zustand der beste. Balliol College hatte eine gute Bibliothek (die Bodleiana war damals nur den Graduierten, den B. A., bachelors of art, zugänglich, und diesen Grad erlangte Smith erst kurz vor seinem Weggang) und kein langweiliges Zwangskolleg, keine unfruchtbare Einpaukerei für zwecklose Prüfungen störte ihn in ihrer Benutzung. Sie mag wenig oder gar keine mathematischen und naturwissenschaftlichen Werke enthalten haben, besaß aber ohne Zweifel die alten Klassiker vollständig. Zu Glasgow hatte sich Smith die Elemente des Griechischen angeeignet, und hier nun machte er sich mit den Werken der Alten in einem Grade vertraut, der noch in seinen letzten Jahren, wo er gern zu den Lieblingen seiner Jugend zurückkehrte, die Philologen in Erstaunen setzte; nicht allein zitierte er die Klassiker häufig, sondern erörterte auch bisweilen Feinheiten der griechischen Grammatik. Außer den Alten las er englische, französische und italienische Dichterwerke mit solchem Eifer, daß er in seinem späteren Leben lange Abschnitte daraus auswendig vortragen konnte. Das schriftliche Übersetzen betrieb er zur Vervollkommnung seines Stils. In all diesen nützlichen Beschäftigungen hat ihn niemand gestört. Aber einmal überraschte ihn ein Vorgesetzter über Humes oben erwähntem Treatise. Beschäftigung mit moderner Philosophie – das war ein Verbrechen. Kurz vorher waren drei Studenten relegiert worden, weil sie Vertrautheit mit deistischen Gedanken verraten hatten. Smith kam glimpflicher weg: er erhielt einen Rüffel, und das schlechte Buch ward konfisziert. Ob es gerade, wie Bagehot meint, die Annehmlichkeiten seines Aufenthalts in Oxford gewesen sind, was ihn von den Vorurteilen der Schotten gegen England, die Hume bis zu seinem Tode festhielt, geheilt hat, darf nach solchen Erlebnissen bezweifelt werden. Aber er wird die Beobachtungen, die er auf der Hinreise machte, fortgesetzt haben, und die Engländer mochten ihm sympathisch sein oder nicht, daß sie den Schotten wie den Franzosen wirtschaftlich überlegen waren, konnte ihm nicht entgehen, und das genügte, ihn später vor Irrtümern aus Parteilichkeit zu bewahren. Übrigens entsprach das englische Phlegma seinem Temperament besser als das schottische Feuer, und auch insofern anglisierte er sich, als er, im Gegensatz zu Hume, der übrigens ebenfalls phlegmatisch veranlagt war, seinen schottischen Dialekt ablegte.
Den Wunsch und die Hoffnung seiner Verwandten, daß er sich durch Eintritt in die Kirche sein Brot sichern werde, erfüllte er nicht. Nachdem er vom 4. Juli 1740 bis zum 15. August 1746 Fellow der vornehmen Alma mater gewesen war, kehrte er in die Heimat zurück, die er in diesen sechs Jahren nicht ein einziges Mal besucht hatte, wohl weil die Reisekosten mindestens die Hälfte eines Jahrgeldes verschlungen haben würden. Bei seiner Mutter in Kirkcaldy sah er sich zwei Jahre lang nach einer Stellung um. Am liebsten wäre ihm eine Professur gewesen, doch hätte er sich auch mit der Stelle eines Hofmeisters und Reisebegleiters begnügt; indes für eine solche waren seine wenig elegante Erscheinung und seine öfteren Anfälle von Geistesabwesenheit schlechte Empfehlungen. Da wurde er im Herbste 1748 von einem Gönner auf die vorteilhafteste Weise in die ihm am meisten zusagende Laufbahn eingeführt. Ein hervorragender Edinburgher Jurist, Henry Home, der damals schon zweiundfünfzig Jahre alt war, aber noch keines seiner philosophischen, juristischen und landwirtschaftlichen Werke veröffentlicht hatte, die ihn später als Lord Kames – den Titel erhielt er 1752 – berühmt gemacht haben (das bekannteste ist The Gentleman Farmer), dieser Home also lud ihn ein, in Edinburgh Vorlesungen über englische Literatur zu halten. Er hat das drei Winter hintereinander getan und dafür jährlich etwa zweitausend Mark eingenommen. Zugleich ergab sich ihm eine Gelegenheit, seine Liebe zu dieser Literatur praktisch zu betätigen. Der Dichter Hamilton of Bangour hatte wegen seiner jakobitischen Gesinnung ins Ausland flüchten müssen, und seine Freunde, zu denen Smith gehörte, beschlossen, eine Ausgabe seiner Dichtungen zu veranstalten; Smith übernahm die Redaktion. Er war ein so leidenschaftlicher Freund der Poesie, daß man ihn im Verdacht gehabt hat, selbst ein großer Dichter werden zu wollen. Aber er hat offen seine Unfähigkeit bekannt. In Blankversen (ungereimten Jamben), sagte er, könne er beinahe so leicht wie in Prosa sprechen, aber sein Lebtag habe er noch nicht einen einzigen Reim finden können, und reimlose Verse seien seiner Ansicht nach gar keine Poesie. Auch Vorlesungen über Nationalökonomie hat er gehalten und sich später auf das im Jahre 1749 verfaßte Manuskript dazu berufen, aus dem hervorgehe, daß er damals schon den Grundsatz der wirtschaftlichen Freiheit verkündigt habe, was ja auch bei einem Schüler Hutchesons nicht wundernehmen kann. Solche Grundsätze lagen damals in der Luft. Nicht etwa, meint Bagehot, daß ihnen die Angelsachsen von Natur zuneigten. Kein Vater würde damals bei seinem Sohne freihändlerische Ideen geduldet haben, und die Angelsachsen der Vereinigten Staaten, der Kolonien sind noch heute extreme Schutzzöllner. Nicht aus angeborenem Liberalismus sind die Engländer in den letzten sechzig Jahren Freihändler gewesen, sondern weil das in diesem Zeitraum für sie die einzige praktisch mögliche Politik war. Der ökonomische Liberalismus war vielmehr nur (immer nach Bagehot) die Ketzerei der geistigen Aristokratie Schottlands, deren strenge Logik nach der Seite der Freiheit denselben energischen Radikalismus bewährte, mit dem sie sich vorher in die starrste Orthodoxie verbohrt hatte. Gerade damals arbeitete Hume an seinen Essays of Political Economy (sie erschienen 1752), deren Tendenz aus seinem vom 1. November 1750 datierten Briefe an Oswald hervorgeht. Er behauptet darin u. a., der Geldreichtum eines Landes hänge ganz allein von seinem Volks- und Güterreichtum ab; komme durch einen Zufall mehr Geld ins Land, als der Kopfzahl seiner Bewohner und dem Stande seiner Industrie entspricht, so fließe das übrige ab, sofern es nicht etwa als toter Schatz eingeschlossen wird, und keine Staatsgewalt könne den Abfluß hindern. Zwischen den verschiedenen Ländern glichen sich die Preise aus, soweit nicht der Ausgleich durch die [heute nicht mehr bestehenden] Verkehrsschwierigkeiten verhindert werde. Läge uns, schreibt er, China so nahe wie Frankreich, so würden wir bei der Niedrigkeit der chinesischen Arbeitslöhne in England so lange nur chinesische Waren verbrauchen, bis wir gleich wohlfeil produzierten. »Meine Absicht ist, den Leuten die Furcht zu benehmen, das Land könnte einmal sein Bargeld verlieren, solange weder die Bevölkerung noch das Gewerbe abnimmt, und zu zeigen, daß es sinnlos ist, dieses Bargeld auf andere Weise als durch Aufrechterhaltung der Volkszahl und des Gewerbefleißes festhalten zu wollen. Die Geldausfuhr und die Wareneinfuhr verbieten ist eine schlechte Politik, und es freut mich zu vernehmen, daß Sie derselben Ansicht sind.« Oswald of Dunnikier, damals Parlamentsmitglied, später Mitglied mehrerer Ministerien und eine Zeitlang Lord des Schatzamts, war zwar acht Jahre älter als Smith, aber mit diesem als Nachbar befreundet: Dunnikier liegt bei Kirkcaldy. Von der Korrespondenz Smiths mit Hume, soweit sie noch vorhanden, ist das erste Stück ein vom 24. September 1752 datierter Brief Humes, aus dem wir erfahren, daß ihm Smith geraten hat, sein Geschichtswerk mit Heinrich VII. zu beginnen. Aus einem Schreiben Humes vom 20. Mai 1757 an seinen Verleger Millar ersehen wir, daß er es später bereut hat, Smiths Rat nicht befolgt zu haben.
Die Edinburgher Vorträge machten Smith so rühmlich bekannt, daß er, als in Glasgow, wo er ohnehin noch von der Studentenzeit her in gutem Andenken stand, der Professor der Logik starb, auf dessen Lehrstuhl berufen wurde. Die Wahl fand am 1. Januar 1751 statt; da ihn aber seine Verpflichtungen noch in Edinburgh festhielten, wurde er beurlaubt und erst am 10. Oktober in sein Amt eingeführt. Damit beginnt der Lebensabschnitt, den er später für den nützlichsten, darum glücklichsten und ehrenvollsten erklärt hat. Er übernahm zugleich die Vertretung des erkrankten Moralprofessors. Für beide Lehrämter konnte er seine Edinburgher Manuskripte benutzen, denn die Logik schloß damals die Rhetorik und die schöne Literatur ein, und die Moralphilosophie umfaßte, wie schon bemerkt wurde, auch die Jurisprudenz und die Politik. Am 27. November starb der kranke Professor Craigie, und Smith wurde durch die am 29. April 1752 vollzogene Wahl auf seinen Stuhl, den für Moralphilosophie, versetzt, womit eine Verbesserung des Einkommens verbunden war. Smith hatte vierzehnhundert Mark Gehalt und etwa zweitausend Mark Collegienhonorare, außerdem ein Haus. Das Haus hat er dreimal gewechselt; bei der Erledigung von Professuren nämlich durfte der dem Alter nach nächste das freigewordene Haus beziehen, wenn er es für besser hielt, als sein bisheriges. Rae meint, zu den drei Umzügen möchten wohl Smith die Mutter und deren Schwester bestimmt haben, die zu ihm gezogen waren. Die Honorare waren starken Schwankungen ausgesetzt, weil jede schlechte Ernte die Zahl der Studenten verminderte. Auch schlechtes Geld verursachte Verluste; der Chemiker Black pflegte die Goldstücke (das gewöhnliche Honorar war eine Guinea) zu wiegen und nicht vollwichtige zurückzuweisen. Nach damaligen schottischen Verhältnissen waren die Professuren nicht schlecht; von den Geistlichen kamen nur neunundzwanzig auf zweitausend Mark und darüber, und das bestdotierte Kirchenamt brachte nur zweitausendsiebenhundertachtzig Mark. Um den freigewordenen Lehrstuhl für Logik bewarb sich Hume. Smith schrieb einem Kollegen, er für seine Person würde ihn jedem anderen Bewerber vorziehen, aber das Publikum würde [wegen Humes religiöser Skepsis] wahrscheinlich anderer Meinung sein, und die Fakultät habe auf die öffentliche Meinung Rücksicht zu nehmen. Die übrigen Professoren waren der Mehrzahl nach derselben Ansicht, und statt des großen Hume wurde ein unbedeutender Mann gewählt.
Der Universitätskursus dauerte vom 10. Oktober bis 10. Juni. Smith hielt sein Publikum des Morgens um 7½ Uhr. Publika hießen, im Gegensatz zu unserem heutigen deutschen Sprachgebrauch, die mit dem vollen Preise bezahlten Pflichtkollegia. Um 11 Uhr examinierte er über das Vorgetragene; dazu pflegte sich nur etwa ein Drittel der Zuhörer einzufinden; und zweimal in der Woche hielt er ein Privatum ab. Außerdem scheint er einer kleinen Anzahl Auserwählter Privatissima gespendet zu haben, in denen disputiert wurde; mit tiefer Dankbarkeit haben später angesehene Männer von diesen lehr- und genußreichen Unterhaltungen gesprochen.
Von seinen Publicis berichtet Millar, einer seiner liebsten Schüler, später intimer Freund und berühmter Lehrer der Rechtswissenschaft: »In der Logik ging er vom Programm seiner Vorgänger ab und lenkte die Aufmerksamkeit seiner Zöglinge auf interessantere und nützlichere Gegenstände, als sie die alte Logik und Metaphysik der Schulen bot [mit Metaphysik meinen die Schotten gewöhnlich die Psychologie]. Nach einer kurzen Übersicht über die alte Lehre von den Seelenvermögen teilte er aus der alten Schullogik so viel mit, als nötig war, die Neugier nach dieser künstlichen Denkmethode zu befriedigen, und widmete den Rest der Zeit der Rhetorik und der schönen Literatur. Da man die Seelenkräfte am besten kennen lernt, wenn man beobachtet, wie sie sich in Worten äußern, so gibt es für die Jugend keinen bequemeren Eingang in die Philosophie, als die Betrachtung von Literaturwerken, die Unterhaltung und Überredung zum Zweck haben. Das Pensum der Moralphilosophie teilte er in vier Teile: 1. Natürliche Theologie. 2. Ethik; diesen Teil hat er im ersten seiner beiden berühmten Werke veröffentlicht. 3. Das Recht. Nach einem Überblick über das positive Recht zeigte er, wahrscheinlich von Montesquieu angeregt, wie sich die Rechtsformen vom rohesten Zustande stufenweise bis zum verfeinertsten entwickelt haben, und wie die Künste, welche die Erwerbung des Lebensunterhalts und die Vermehrung der Gütermasse befördern, entsprechende Änderungen und Verbesserungen im Recht und in den Staatsverfassungen zur Folge haben [Erster Keim von Marxens und Engels materialistischer Geschichtskonstruktion!]. Im vierten Teile endlich erörterte er solche Maßregeln, die vom Staate getroffen werden nicht nach Rechtsgrundsätzen, sondern um des Nutzens willen, und die darauf berechnet sind, seinen Reichtum und seine Macht zu vermehren. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtete er Handel und Gewerbe, Finanzen, kirchliche und militärische Einrichtungen, kurz, die Gegenstände seines zweiten Hauptwerks. Bei keiner anderen Tätigkeit kam Smiths Begabung in dem Maße zur Geltung, wie in dieser akademischen. Er sprach fast ganz frei. Sein Vortrag war nicht elegant, aber schlicht, ohne alle Affektation; und weil er selbst augenscheinlich von seinem Gegenstande erfüllt war, interessierte er auch die Zuhörer dafür. Dem eigentlichen Vortrage schickte er die Thesen voraus – sie kamen uns manchmal paradox vor –, die entwickelt und bewiesen werden sollten. Anfangs schien er den Gegenstand nicht völlig zu beherrschen, er sprach zögernd und stotterte. Nach und nach aber strömte ihm der Stoff zu; sein Vortrag wurde fließend, er selbst warm und lebendig. Bei streitigen Punkten merkte man, wie sich in seinem Innern die Opposition gegen seine eigene Meinung regte und ihn drängte, diese seine Ansicht mit desto größerer Entschiedenheit aufrecht zu erhalten. Durch die Fülle und Mannigfaltigkeit der den Gegenstand beleuchtenden Beispiele, die ihm einfielen, schwoll ihm der Stoff unter den Händen an, und der Vortrag wuchs ohne lästige Wiederholungen zu bedeutendem Umfange an. So gesellte sich zum Nutzen der Hörer der Genuß, wenn er uns den Gegenstand von allen Seiten und unter verschiedener Beleuchtung beschauen ließ und uns zuletzt zu der Proposition zurückführte, von der diese schöne Wanderung ausgegangen war.« In welchem Grade Smith das Gegenteil von einer professoralen Lesemaschine gewesen ist, mag man aus dem Umstande ermessen, daß er während des Vortrags in lebendiger Fühlung mit seinen Zuhörern und von deren sympathischer Gegenwirkung abhängig blieb. Er erzählt: »In dem einen Kursus hat mir ein Student mit seinem offenen und ausdrucksvollen Antlitz gute Dienste geleistet. Er saß mir gegenüber vor einem Pfeiler. Wenn er nach vorn geneigt lauschte, dann wußte ich, daß ich das Ohr der Klasse hatte; lehnte er sich mit gleichgültiger Miene an den Pfeiler, so wußte ich, daß ich entweder mit dem Gegenstande wechseln oder die Vortragsweise ändern mußte.«
Bald wurde es bekannt: ein zweiter, ein größerer Hutcheson ist in Glasgow erstanden! Von fern her kamen Lernbegierige, ihn zu hören, und bei den Studenten, die hier, nicht von Smith allein, vor allem selbständig denken lernten, sah man lebhaften Wahrheitsdrang, schönen Wetteifer im Forschen sich regen. Die Themata, die Smith behandelte, kamen in die Mode; man disputierte in Gesellschaften darüber, und für die Verkehrsfreiheit machte er Proselyten unter den Geschäftsleuten Glasgows. In der ökonomischen Gesellschaft – vielleicht dem ersten derartigen Klub, den es in der Welt gegeben hat – sprach er im Jahre 1755: »Staatsmänner und Projektenmacher pflegen den Menschen als Material für ihre politische Mechanik anzusehen und zu behandeln, und greifen störend in den Lauf der Natur ein. Läßt man der Natur freies Spiel, so erreicht sie ihre Zwecke. Um einen Staat aus dem Zustande der Barbarei zum höchsten Wohlstande zu erheben, wird wenig mehr erfordert als Frieden, mäßige Steuern und eine erträgliche Rechtspflege. Alles übrige findet sich von selbst. Alle Regierungen, die der natürlichen Entwicklung eine andere Richtung geben oder ihren Fortschritt hemmen wollen, sehen sich durch die Unnatur ihres Beginnens zu tyrannischer Unterdrückung genötigt.«
Glasgow hatte damals zwar erst 23 000 Einwohner, aber es war nicht allein eine durch schöne Lage und stattliche Gebäude ausgezeichnete Stadt, sondern auch ein wichtiger Handelsplatz. Seine Schiffe schwammen auf allen Meeren, seitdem ihnen die Union mit England die britischen Kolonien erschlossen hatte. Eigentümlichen Zollverhältnissen hatten es die Glasgower Kaufleute zu verdanken, daß ihnen beinahe ein Monopol zufiel: drei Viertel des amerikanischen Tabaks passierten ihre Lager, und die Virginia-Dons und Tabak-Lords im roten Staatskleid, Dreistützer und mit dem Goldknopf am spanischen Rohr schmückten ihre Wechselstuben. In einer großen Gerberei fabrizierte man Sättel und Schuhe für die Kolonien. Man legte Teppich-, Krepp-, Seidenwebereien an, dann Handschuhmachereien, Leinwanddruckereien (die Leinenweberei war bis dahin die einzige, ziemlich kümmerlich betriebene Industrie Schottlands gewesen), Kupfer- und Zinnwerke, ein Trockendock, begann den Bau eines Kanals vom Clyde zum Firth of Forth und gründete Banken. Nicht ein Bettler war in den Straßen der Stadt zu sehen, alles war geschäftig, und schon die Kinder griffen mit an. Glasgower Bürger besaßen amerikanische Plantagen im Werte von acht Millionen Mark. Das war damals eine große Summe, und man fand beim Vergleich mit London, daß einige Dutzend rührige Kaufleute dem Volke mehr Nutzen schafften, als ein prunkvoller Hof. Gewerbe, Handel, die Universität und die Verbesserung der Landwirtschaft durch die Gentlemen Farmer arbeiteten in lebendigster Wechselwirkung an der Hebung des Landes.
Einer der zwei größten Glasgower Kaufherren, Andrew Cochrane, Leiter einer Bank, war Smiths spezieller Freund. Smith hat bekannt, daß er diesem erfahrenen Geschäftsmann wichtige Aufschlüsse und reichliches Material verdanke, die Kaufleute aber verdankten Smith Aufklärungen über den Zusammenhang der Erscheinungen, wie sie nur der geschulte Denker zu gewähren vermag. Er wurde Mitglied ihres ökonomischen Klubs, in dem damals besonders lebhaft die Belastung der Glasgower Manufakturen durch Zölle auf Rohmaterial und Halbfabrikate: auf Eisen und Leinengarn, erörtert wurde. Die Aufhebung der Garnzölle setzten sie 1756 durch. Das beweist, wie Rae richtig bemerkt, nicht etwa, daß sie Freihändler waren. Geschäftsleute fordern immer nur, was ihnen im Augenblick Nutzen verspricht, gleichviel, ob es die Einführung oder die Abschaffung von Zöllen ist; aber solche Diskussionen waren doch für Smith ein praktischer Unterrichtskurs.
In einer Zeit, da man noch arm an brauchbaren Büchern war, gewerbliche Lehranstalten und Volksschulen nicht existierten und die Zeitungspresse noch in den Windeln lag, hatten wissenschaftliche und Disputiervereine eine ganz andere Bedeutung für die Volksbildung als heute. Smith war ihr eifriger Förderer. Die »Literarische Gesellschaft von Glasgow« hat er mitbegründen helfen. Ihr haben auch James Watt und der Drucker Foulis angehört. Erst die Bedeutung dieser Namen macht uns völlig klar, was damals Glasgow der Welt gewesen ist, und in welchem wahrhaft liberalen Geiste seine Professoren gewirkt haben. Einige Jahre vor Smiths Eintritt ins Professorenkollegium hatte dieses dem Chemiker Black ein Laboratorium eingerichtet, in dem er unter anderen wichtigen Entdeckungen die der latenten Wärme machte. Im Jahre 1756 kehrte der zwanzigjährige James Watt aus London in seine schottische Heimat zurück, um in Glasgow ein Instrumentenmachergeschäft zu begründen. Aber die Korporationen der Kaufleute und der Schmiede verwehrten ihm die Niederlassung auf Grund ihres Privilegiums, das ihnen jeden Konkurrenten auszuschließen gestattete, der nicht Sohn oder Schwiegersohn eines Glasgower Bürgers war. Die Universität jedoch hatte ihrerseits Privilegien, in welche die Stadt nicht eingreifen durfte: sie baute auf ihrem eigenen Grund und Boden Watt eine Werkstatt und wies ihm einen Raum am Eingang zu ihrem Gebäudekomplex als Verkaufsladen an. Auf dieser Stätte seines Wirkens war es, wo ihm an einem Morgen des Jahres 1764, als er gerade über die Vervollkommnung der Dampfmaschine von Newcomen grübelte, beim Waschhause im Vorübergehen die Idee des Kondensators kam, durch deren Ausführung er die Dampfmaschine aus einem bloßen Wasserhebewerkzeuge in einen allgemein verwendbaren Motor verwandelte. Smith besuchte oft Watts Werkstatt und unterhielt sich gern mit dem lebhaften jungen Manne. Und Watt hinwiederum erinnerte sich mit Dank der von Smith empfangenen Anregungen. Als er 1809 zum Zeitvertreib seine Modelliermaschine erfunden hatte und sich seinen Freunden als jungen Künstler von dreiundsiebzig Jahren vorstellte, war eine der ersten Proben seiner Kunstfertigkeit, die er ihnen vorlegte, ein Köpfchen Adam Smiths in Elfenbein. Ferner gründeten die Professoren eine Druckerei und übergaben sie dem regsamen und geistvollen Foulis, dessen schöne Drucke bald mit den alten Elzeviren wetteiferten, was nicht möglich gewesen wäre, wenn die Universität nicht noch eine Schriftgießerei hinzugefügt hätte, die auch griechische Lettern lieferte. Smith interessierte sich lebhaft dafür, denn schöne Bücher waren sein einziger Luxus, und er empfahl den Gießer Wilson, den die Universitätsdruckerei doch nicht hinlänglich mit Aufträgen versorgen konnte, an den gerade in London weilenden Hume, der (nach seinem Briefe vom 28. Juli 1759 an Smith) den Künstler, den ersten seiner Art in Britannien, an seinen Verleger Millar wies. Dieser wendete ein, griechische Texte herauszugeben sei gewagt, weil nicht leicht ein Korrektor aufzutreiben sein würde, aber Wilson besorgte ihm einen. Dieser Wilson war von Haus aus Arzt gewesen, hatte sich aber auf die Schriftgießerei geworfen und betrieb nebenbei Astronomie; die Universität baute ihm ein Observatorium und errichtete für ihn einen Lehrstuhl der Astronomie. Auf seine Bitte wurde ihm neben die Sternwarte, die von der Gießerei ziemlich weit entfernt lag, ein neues Gießhaus gebaut, wofür er Pacht zahlte, während die Universität alle vorhergenannten Einrichtungen aus ihren eigenen bescheidenen Mitteln bestritten hatte, ohne Gegenleistungen zu fordern. Dem Drucker Foulis wurden auch einige Zimmer eingeräumt für eine Kunstakademie, in der das Zeichnen, Modellieren, Radieren und Gravieren betrieben wurde. Es ist dies die erste derartige Anstalt in Britannien gewesen; England hatte damals noch nicht seine Königliche Akademie, seine Nationalgalerie, sein South-Kensington-Museum und auch keine technischen Unterrichtsanstalten. Smith, dessen Kunstgeschmack man schätzte, stand Foulis in der Auswahl von Vorlagen für Schüler und beim Entwerfen von Titelbildern und Vignetten bei, gab auch geschäftliche Ratschläge.
Der Historiker Dalrymple hat uns, ohne daran zu denken, einen Beitrag zum Bilde der Persönlichkeit Smiths geliefert, indem er in einer Verlagsangelegenheit an Foulis schrieb: was die Auswahl unter den Entwürfen betreffe, so sei in Beziehung auf Schönheit Foulis selbst wohl der beste Richter; aber was sich am leichtesten verkaufe, darüber möge er Black und Smith befragen. Smiths praktischen Geschäftssinn wußten auch seine Kollegen zu schätzen. Er war jahrelang Quästor und wurde gewöhnlich zum Geschäftsführer erwählt, wenn Kaufgeschäfte abzuschließen, Grenzfragen zu erledigen, mit Behörden, Korporationen oder Privatleuten Rechtshändel auszufechten waren. Ein kulturgeschichtlich interessanter Fall mag erwähnt werden. Der arme schottische Student pflegte von Hause einen Sack oder einige Säcke Hafermehl und Grütze, seine Hauptnahrung, mitzubringen. Für diese nur zum eigenen Gebrauch der jungen Leute bestimmten Vorräte sicherte ihnen das Universitätsprivileg Zollfreiheit zu. Im Jahre 1757 aber wurde ihnen Zoll abgenommen. Sie beschwerten sich. Im Auftrage der Universität verhandelten die Professoren Smith und Muirhead mit dem Bürgermeister und setzten die Rückzahlung des Zolls an die Studenten durch.
Sehen wir demnach die Universität auf allen Gebieten an der Spitze des Fortschritts marschieren und im liberalen Geiste wirken, so ist doch ein Fall zu verzeichnen, wo sie einen Paradeparagraphen des heutigen liberalen Programms verletzt hat. In einem Glasgower Kaufmann Robert Bogle hatten die damals üblichen Schulkomödien eine solche Liebe zum Theater entzündet, daß er vier Standesgenossen für den Plan gewann, auf ihre eigenen Kosten ein Schauspielhaus zu bauen. Der Gemeinderat verbot den Bau auf städtischem Grund und Boden, und man war genötigt, sich in eine Nachbargemeinde zurückzuziehen, wo ein Mälzer namens Millar das Baugrundstück hergab. Das Volk war aber im ganzen noch puritanisch gesinnt, und, entflammt durch eine aufreizende Predigt, steckte es das Theater am Abend vor der angekündigten Eröffnung in Brand. Der Prediger hatte u. a. eine Vision erzählt: er habe gesehen und gehört, wie in der Hölle eine Versammlung abgehalten, von Herrn Millar in den schmeichelhaftesten Ausdrücken geredet und ein Hoch auf ihn ausgebracht worden sei. Es war das 1764. An der vorhergehenden Bewegung gegen den Theaterbau hatte sich auch die Universität beteiligt; zusammen mit dem Gemeinderat rief sie die Gerichte an, und in einem der Agitationsmeetings führte Smith den Vorsitz. Daß diese seine Haltung nicht im Widerspruch steht mit seiner später zu erwähnenden Schätzung der Bühne, daß er auch nicht in den dazwischen liegenden Jahren seine Ansicht geändert hat, geht aus dem Anteil hervor, den er nach einem Schreiben Humes einige Jahre vor diesem Theaterstreit an der Aufführung des Dramas Douglas genommen hatte, eines Werkes ihres beiderseitigen Freundes John Home. Rae erinnert zur Erklärung des scheinbaren Widerspruchs daran, daß Smith seine warme Empfehlung der Volkslustbarkeiten und Unterhaltungen an die Bedingung knüpfte, sie dürften nicht anstößig und indezent sein. Soweit waren auch die erleuchtetsten Schotten noch Puritaner, daß sie in einem Konflikt zwischen Freiheit und Sitte gegen die Freiheit entschieden. Bei der Roheit des damaligen englischen Theaters nun bot ein privates Theaterunternehmen keine Bürgschaft gegen Verletzungen der guten Sitten, denen selbstverständlich bei Schulaufführungen keine Gefahr drohte.
Wir hatten die im Jahre 1752 gegründete Literarische Gesellschaft erwähnt, deren Mitglieder auch Watt und Foulis waren, und uns durch diese Namen bestimmen lassen, der großartigen Förderung des Kulturfortschritts zu gedenken, die nach Raes Bericht damals von der Universität Glasgow ausging. Auch Hume war Mitglied; diese Mitgliedschaft knüpfte das Band der Freundschaft zwischen ihm und Smith noch enger, und er hat sich mit diesem wie mit Oswald über seine politischen Essays beraten. Die Debatte wurde im Verein manchmal sehr lebhaft, besonders wenn philosophische und religiöse Themata vorlagen; einmal stand Smith ganz allein gegen alle übrigen; nach Schluß der Debatte hörte man ihn murmeln: »Überstimmt zwar, doch nicht überzeugt!« Gemütlicher ging es in Mr. Robin Simsons Klub zu. Simson, der schon erwähnte Mathematiker, war zwar ein wenig Pedant – er soll jeden Tag dieselbe Zahl von Spazierschritten im Universitätsgarten gemacht und sich dabei niemals verzählt haben – aber der liebenswürdigste aller Menschen. Jeden Freitag Abend versammelte er seine Freunde um sich in der Gastwirtschaft am College-Tor, und jeden Sonnabend zu einem Mittagessen im benachbarten Dorfe Anderston. Das Mittagessen war natürlich sehr einfach; die Chronik von Glasgow verzeichnet 1786 als das Jahr, in dem die Stadt zum ersten Male den Luxus eines aus mehreren Gängen bestehenden Diners gesehen habe. Bei den Abendversammlungen wurde manchmal ein Robber Whist gemacht, an dem aber Smith nicht teilnehmen durfte; denn wenn er einen seiner Anfälle kriegte, vergaß er auszuspielen oder anzusagen, und Simson, der wohl auch seine Anfälle hatte, nur niemals beim Whist, und der sonst niemals übellaunig wurde, verlor die Geduld. Manchmal sang Simson auch mit seiner schönen Stimme griechische Oden auf moderne Melodien, und als er einmal eine von ihm selbst gefertigte lateinische Ode auf den göttlichen Euklid anstimmte, ward er von seinem eigenen Gesange zu Tränen gerührt. Auch an diesen Unterhaltungen, bei denen der Zankapfel Religion verpönt und Heiterkeit die Grundstimmung war, durfte der junge »Handwerker« Watt teilnehmen.
Im Jahre 1752 wurde Hume Bibliothekar der Advokatenbibliothek in Edinburgh, und Smith wohnte von da ab in seinem Hause, so oft er seine Edinburgher Freunde besuchte, was er ziemlich oft getan zu haben scheint, obgleich die Fahrt dreizehn Stunden dauerte. Mehr und mehr nahm im weiten Freundeskreise Smiths den seinem Herzen nächsten Platz Hume ein. In ihrer Korrespondenz weicht das Dear Sir zum ersten Male in einem undatierten Briefe des Jahres 1757 dem vertraulichen Dear Smith, und später reden sie einander »teuerster Freund« an. Die Freundschaft der beiden beruhte nicht auf dem Ergänzungsbedürfnis entgegengesetzter Naturen, noch weniger auf Übereinstimmung der politischen Überzeugungen – Smith blieb zeitlebens extremer Whig mit Hinneigung zum Republikanismus, während Hume Tory war und je älter desto grimmiger jede Art von Volksherrschaft haßte –, sondern sie wurzelte in ihren gemeinsamen wissenschaftlichen und gemeinnützigen Bestrebungen und in der Gleichartigkeit ihres heiteren Gemüts. Sie hatten das Mißgeschick, daß zwar jeder einen bedeutenden Teil seines Lebens in Edinburgh, in London und in Paris zubrachte, daß sie jedoch niemals gleichzeitig an einem dieser Orte wohnten; aber dieses ihr Mißgeschick ist ein Glück für uns, denn ihm verdanken wir ihre, als biographisches Material wichtige Korrespondenz. Unter den Urteilen des Bekanntenkreises über die beiden Freunde ist das des exzentrischen Dichters Wilkie merkwürdig (seinem bürgerlichen Beruf nach war Wilkie ein armer Landgeistlicher, der seinen Acker eigenhändig bestellte): Hume sei nur fleißig und habe einen scharfen Verstand, Smith dagegen sei genial und originell, er habe Erfindungsgabe und Schöpferkraft. Hundert Jahre später hat Thomas Buckle über Hume allerdings günstiger geurteilt, Smith aber doch ebenfalls über ihn gestellt. »Hume war zwar ein ausgezeichneter Denker, tief und dabei kühn, aber sein Geist hatte keinen so großen Umfang wie Smiths Geist, und es fehlte ihm die Phantasie, sich in vergangene Zeiten zu versetzen, eine Gabe, ohne die man den Zusammenhang der Zeiten und den schwankenden aber doch im ganzen stetigen Fortschritt des Menschengeschlechts nicht wahrzunehmen vermag.« In Edinburgh lernte Smith auch den jungen Juristen Johnstone kennen und empfahl ihn seinem Freunde Oswald in London. Johnstone hatte die Empfehlung nicht nötig, denn er wurde durch seine Vermählung mit einer Erbin der reiche Sir William Pulteney. Unter diesem Namen hat er 1797 in einer Debatte über die Suspension der Zahlungen der Bank von England den Ausspruch angeführt, dessen Urheber unbekannt ist, daß Smith es sei, der das lebende Geschlecht von der Richtigkeit seiner Grundsätze überzeugen und die nächste Generation beherrschen werde.
Hume war Sekretär der Philosophischen Gesellschaft in Edinburgh, die später, 1784, in der Royal Society aufgegangen ist. Auch dieser trat Smith bei, und begründete außerdem 1754 zusammen mit dem Maler Allan Ramsay, der auf einer Reise durch Frankreich die dortigen Akademien schätzen gelernt hatte, die ebenfalls in Edinburgh residierende Select Society, die eine Zeitlang alle anderen Gelehrtenvereine überstrahlte. Die Mitglieder debattierten über Tagesfragen und setzten sich die Förderung der Künste, Wissenschaften und der Industrie in Schottland zum Ziele. In der zweiten Sitzung, am 19. Juni 1754, präsidierte Smith und verkündigte als von der Mehrheit vereinbarte Themata für die nächste Sitzung: 1. Ob eine allgemeine Naturalisation ausländischer Protestanten für Britannien vorteilhaft sein würde; 2. Ob Prämien für den Getreideexport dem Handel und den Manufakturen nicht weniger nützlich sein würden als dem Ackerbau. In späteren Sitzungen wurden u. a. folgende Themata erörtert: Was bringt Graswirtschaft, was der Körnerbau dem Volte und dem Staate ein? Sind große oder kleine landwirtschaftliche Betriebe vorteilhafter fürs Land? Womit kann ein Gutsbesitzer auf seinen Landgütern die Industrie fördern? Welche Vorteile und Nachteile erwachsen dem Besitzer daraus, wenn er die Landwirtschaft selbst betreibt? Was für Leistungen sind außer dem Pachtzins dem Pächter aufzulegen? Höhe des Pachtzinses? Natural- oder Geldzins? Soll das Getreide nach Maß oder nach Gewicht verkauft werden? Wie kommt man am besten zu Landstraßen? Welches ist die beste Form der Gesindemiete und des Dienstvertrags? Diese Themata sind natürlich in der landwirtschaftlichen Abteilung verhandelt worden: die Select Society hielt nämlich gemeinsame und Sektionssitzungen ab. Von anderen Gegenständen der Tagesordnungen werden genannt: Ob die schottische Praxis, die Armen in ihren Wohnungen zu lassen und mit Geld zu unterstützen, oder ihre Unterbringung in Armenhäuser vorzuziehen sei? Ob die Gründung von Banken den Wohlstand Schottlands vermehrt habe? Ob es bei den Ausfuhrprämien auf Leinwand verbleiben solle? Ob ewige Fideikommisse dem Wohle der Familien wie dem des Landes dienen? Ob man eine Junggesellensteuer einführen und damit ein in Edinburgh zu errichtendes Findelhaus dotieren solle? Ob das Institut der Sklaverei für die Freien vorteilhaft sei? Smith soll sich an den Debatten nicht beteiligt haben, aber er hörte doch alle damals brennenden praktischen Fragen von Fachleuten durchsprechen.
Die Select Society sonderte als einen Zweig von sich ab die Edinburgher Gesellschaft zur Beförderung der Künste und Wissenschaften, der Gewerbe und der Landwirtschaft in Schottland (die Absonderung dürfte darin bestanden haben, daß sich die Sektionen als eine besondere Gesellschaft konstituierten), und Smith gehörte dem Fünfmännerkollegium an, das die Mitglieder der vier Exekutivkomitees zu ernennen hatte, welche die Preise ausschrieben und verteilten. Idealere Leistungen, wie Erfindungen, Entdeckungen und Abhandlungen, wurden mit Medaillen, gewerbliche Leistungen mit Geld prämiiert. Unserem Adam gefiel diese Wendung aufs Praktische sehr gut, desto weniger dem Maler Ramsay, der die Gründung der Select Society angeregt hatte. Er war außer sich, als er vernahm, daß man der Papierfabrikation wegen das beste Bündel Lumpen prämiiert habe, und schrieb von Rom aus an Hume, man solle lieber untersuchen, wie das Bier stark und die Nation reich gemacht werden könne, ohne daß ihr Geist verarme. Die glänzende und gemeinnützige Gesellschaft starb schon im Jahre 1765 – an einer boshaften Bemerkung Townshends. Dieser sagte, als er einer Sitzung beigewohnt hatte, er habe kein Wort verstanden; »die Herren haben ja schon englisch schreiben gelernt, warum lernen sie nicht auch englisch sprechen?« Einige Mitglieder nahmen sich diese Rüge so zu Herzen, daß sie einen Verein zur Förderung reiner englischer Schreib- und Sprechweise gründeten und einen Londoner Sprachmeister bestellten. Dadurch aber verletzten sie die schottische Nationaleitelkeit um so empfindlicher, weil gerade wieder einmal der Haß gegen England in helle Flammen ausgebrochen war; die Select Society verlor ihre Popularität und ging aus Mangel an Teilnahme ein.
Noch viel kurzlebiger war ein literarisches Unternehmen: die Edinburgh Review. Die erste Nummer erschien im Juli 1755, die zweite und letzte im Januar 1756. Für jedes der beiden Hefte lieferte Smith einen Beitrag; es waren das seine ersten Veröffentlichungen. In einer Rezension von Johnsons englischem Wörterbuch tadelt er, daß die verschiedenen Bedeutungen jedes Wortes in willkürlicher Reihenfolge angegeben würden; sie müßten in Klassen geordnet und die Grundbedeutung müsse kenntlich gemacht werden. Er zeigt, wie er es meint, an den Wörtern Witz und Humor. Der zweite Beitrag behandelt in der noch heute in England üblichen Form einer Zuschrift an den Herausgeber die neuesten Erscheinungen der festländischen, das bedeutete dem damaligen Briten der französischen Literatur. Smith vergleicht sie mit der englischen und sagt, sie zeichne sich vor dieser aus durch Geschmack, Urteil, Korrektheit und wohlgeordnete Darstellung, während die englischen Dichter Shakespeare, Milton und Spencer durch ihre Genialität, durch die Großartigkeit und Kraft ihrer Phantasie den Leser hinrissen, so daß er es für kleinlich halten würde, die Kompositionsfehler ihrer Dichtungen zu kritisieren. Er geht dann zur Philosophie über, rezensiert die Enzyklopädie, die neuesten Werke von Buffon und Réaumur und sagt von Rousseaus eben erschienener Abhandlung über den Ursprung der Ungleichheit der Menschen untereinander: mit seiner schönen Darstellung und ein bißchen philosophischer Chemisterei lasse er die abscheulichen Lehren Mandevilles als reine platonische Moral und ein wenig zu weit getriebenen, aber echten Republikanismus erscheinen. Mandeville hatte in seiner Bienenfabel gezeigt, wie die Laster der Bürger das Gemeinwohl förderten. 1818 wurden Smiths Beiträge in der zweiten, heut noch bestehenden Edinburgh Review abgedruckt. Dabei wurde hervorgehoben, daß Smith darin Hinneigung zum Republikanismus verrate. Bei einer anderen Gelegenheit äußerte einer seiner Schüler, der Earl of Buchan: »Er sah die Republik für die Grundlage der Monarchie an und hielt die Erblichkeit des höchsten Staatsamts nur aus dem Grunde für notwendig, weil sonst der Streit darum das Gemeinwesen erschüttert, und die Parteikämpfe zur Diktatur führen.« Jedes der beiden Hefte der Review hatte einen harmlosen theologischen Artikel enthalten. Harmlosigkeit genügte aber den Zeloten nicht. Einer von ihnen denunzierte die Mitarbeiter, daß sie das Geschöpf über den Schöpfer stellten, die Bibel lächerlich machten, die Lüge für erlaubt erklärten und daß der Atheist Hume zu ihnen gehöre. Das letzte war eine doppelte Unwahrheit. Hume war Deist. Bei einem der berühmten Diners, die der Baron Holbach allwöchentlich gab und deren Teilnehmer für die höchste philosophische Instanz Europas galten, sagte Hume einmal, er glaube nicht, daß es Atheisten gebe; er wenigstens habe noch keinen gesehen. Holbach erwiderte: »Hier an meinem Tische sehen Sie vorläufig siebzehn.« Und die Schwester eines seiner intimsten Freunde, des Baron Mure, nennt Hume den abergläubischsten Menschen, den sie kenne. Er war auch weder Mitarbeiter noch Mitbegründer der Review, deren Existenz er zu seiner großen Überraschung erst durch den Anblick eines Exemplars der ersten Nummer erfuhr. Weil seine Freunde die Stimmung der Kirchenmänner gegen ihn kannten, hatten sie ihn nicht eingeladen, ja ihr Unternehmen ihm verheimlicht. Auf der Kirchenversammlung der Jahre 1756 und 1757 wurde seine Exkomunikation beraten. In dem schon erwähnten undatierten Briefe des zuletzt genannten Jahres an Smith schreibt er: »Ist Ihnen je einmal eine solche Tollheit vorgekommen, wie die unseres Klerus? Ich erwarte bestimmt, daß die nächste Assembly die feierliche Exkommunikation über mich aussprechen wird, befürchte aber keine üblen Folgen davon für mich. Wie denken Sie darüber?« Der Antrag erlangte nicht die Mehrheit, aber das Publikum wurde doch in dem Grade aufgeregt, daß die Review vor dem Sturm die Segel streichen mußte. Hume wollte Smith gern nach Edinburgh haben und schmiedete laut seinem Briefe vom 8. Juni 1758 an Smith folgenden Plan. Die Professur für Natur- und Völkerrecht in Edinburgh war bis dahin als Sinekure behandelt worden. Wenn man den Stadtrat, der amtlichen Einfluß hatte, bewegen konnte, von dem Inhaber, Professor Abercromby, die Erfüllung der Pflichten seiner Stelle zu fordern, so werde dieser bereit sein, sie Smith um 2000 Mark zu verkaufen. Daraus ist nichts geworden. Leser meint, der Plan setze voraus, daß Smith einiges Barvermögen gehabt habe; das Haus in Kirkcaldy gehörte wohl seiner Mutter.
Das oftmalige Reisen nach Edinburgh muß für Smith freilich unbequem gewesen sein. Auch dem dortigen, 1762 gegründeten Pokerklub gehörte er an. Aus einem Epigramm des Dichters Home (die Engländer wollten den Schotten ihren Claret entziehen, um ihren Geist mit schlechtem Portwein umzubringen) hat man geschlossen, dieser Klub habe außer der Vertilgung von Claret (französischem Rotwein) keinen Zweck gehabt und sei eingegangen, als England einen Prohibitivzoll auf den französischen Wein legte. Merkwürdig ist immerhin, daß der Klub gerade im Jahre 1786, wo ein Handelsvertrag mit Frankreich den Weinzoll ermäßigte, wiedererstanden ist. Aber »das Schüreisen« hatte einen höheren Zweck. Es sollte die öffentliche Meinung aufregen und die Einführung einer heimischen Miliz durchsetzen, die man für nötig hielt zum Schutz der Küsten vor feindlichen Einfällen. England, das den Schotten noch nicht traute, ging auf diesen Wunsch nicht ein. Im Wealth hat sich Smith gegen Milizen ausgesprochen. Entweder hat er in der Zwischenzeit seine Meinung geändert, oder er hat damals der Forderung beigestimmt, weil er die Einrichtung in Notfällen für zulässig hielt und aus schottischem Patriotismus.
Bei so vielseitiger und hervorragender öffentlicher Tätigkeit konnte es nicht fehlen, daß Smith in seiner Heimat hohes Ansehen genoß; die Herausgabe seiner Theorie der moralischen Empfindungen (1759) machte ihn mit einem Schlage auch im Auslande berühmt. Wie das Werk in England aufgenommen wurde, erfahren wir aus dem Briefe Humes, der damals in London weilte, vom 12. April 1759.
»Lieber Herr! Ich danke Ihnen für das angenehme Geschenk! Wedderburn und ich haben mit den uns zugeschickten Exemplaren Ihrer Theorie einige Personen beschenkt, die wir für gute Richter halten, und von denen wir glauben, daß sie für die Verbreitung des Buches wirken werden. Ich wollte Ihnen nicht eher schreiben, als bis ich prognostizieren könnte, ob es zu schließlicher Vergessenheit verdammt ober in den Tempel der Unsterblichkeit aufgenommen werden wird. Obwohl nur erst ein paar Wochen seit seinem Erscheinen vergangen sind, machen sich doch schon Symptome bemerkbar, die eine Voraussage ermöglichen. Es ist, kurz gesagt – Hier bin ich von einem unverschämten Narren unterbrochen worden. [Er berichtet lang und breit über die Unterhaltung mit dem Narren und erörtert im Anschluß daran Glasgower Universitätsangelegenheiten.] Aber um zu unserem Buche zurückzukehren, so muß ich Ihnen sagen – die Pest auf diese Unterbrechungen! Ich hatte mich verleugnen lassen und trotzdem bricht dieser Mensch bei mir ein [er bringt Anekdoten aus Frankreich mit, die Hume erzählt]. Aber was hat das mit meinem Buche zu tun, höre ich Sie rufen. Geduld, mein lieber Smith! Fassen Sie sich! Zeigen Sie, daß sie nicht bloß Philosophieprofessor, sondern ein wirklicher Philosoph sind! Denken Sie an die Schwachköpfigkeit und Leichtfertigkeit des Publikums, an die Wertlosigkeit des Urteils der Menge! [Er führt klassische Beispiele dafür an, wie die Weisen immer die öffentliche Meinung verachtet haben]. Indem ich glaube, Sie damit hinreichend auf das Schlimmste vorbereit zu haben, rücke ich nun endlich mit der traurigen Mitteilung heraus, daß Ihr Buch das große Unglück gehabt hat, vom Publikum mit allgemeinem Beifall aufgenommen zu werden. Dieses alberne Volk hatte es schon mit Spannung erwartet, und nun, da das Buch erschienen ist, wird es vom Literatenpöbel laut gepriesen. Drei Bischöfe haben es gestern in Millars Laden gekauft und sich nach dem Autor erkundigt. Der Bischof von Peterborough erzählte, er habe es am Abend vorher in einer Gesellschaft über alle Bücher der Welt erheben hören. Der sonst so zurückhaltende Herzog von Argyle lobt es entschieden; entweder sieht er es für eine Kuriosität an, oder er spekuliert darauf, daß ihm der Verfasser bei der Glasgower Wahl behilflich sein werde. Lord Lyttelton erklärt Robertson, Smith und Bower für die drei größten Sterne am englischen Literaturhimmel. Oswald beteuert, er wisse nicht, ob er mehr Belehrung oder Unterhaltung aus dem Buche geschöpft habe; na, Sie wissen ja, was auf dessen Urteil zu geben ist; er kümmert sich um nichts als um Politik und hat die Eigentümlichkeit, an seinen Freunden keinen Fehler zu sehen. Millar [der Verleger] jubelt und prahlt: schon zwei Drittel der Auflage seien verkauft; Karl Townshend, der als der gescheiteste Kerl in ganz England gilt, ist so entzückt davon, daß er Oswald gesagt hat, er wolle dem Verfasser den Herzog von Buccleugh anvertrauen. Sobald ich das erfuhr, bin ich zu ihm gelaufen, um ihm zuzureden, daß er den jungen Herrn nach Glasgow schicken möge; denn daß er Ihnen Bedingungen vorschlagen werde, die Sie zum Verzicht auf Ihre Professur veranlassen könnten, wage ich nicht zu hoffen. Ich habe jedoch Townshend, auch ein zweites Mal, nicht getroffen; er soll sehr unbeständig sein, Sie werden also wohl auf seinen Einfall keine Pläne bauen. Als guter Christ, der Böses mit Gutem vergilt, werden Sie für diese vielen kränkenden Dinge, die nur die Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit mir abpressen konnte, mich hoffentlich dadurch belohnen, daß Sie meiner Eitelkeit ein wenig schmeicheln und mir erzählen, wie mich wegen meiner Darstellung der schottischen Reformation alle Frommen in Schottland herunter reißen. Sie werden froh sein, zu sehen, daß das Papier zu Ende ist und ich darum schließen muß.«
Es gehört die ganze Verbohrtheit eines Eugen Dühring dazu, diesen köstlichen Scherz – Hume, der immer Heitere und Witzige, scherzt fast in jedem seiner Briefe – für einen Erguß ernsten Mißfallens und häßlicher Mißgunst zu halten. Die Männer der Wissenschaft, bemerkt Haldane, hatten damals noch Zeit, ihren Briefen Form zu geben. Am 28. Juli berichtet Hume über weitere Erfolge, u. a., daß Lord Fitzmaurice einige Exemplare nach dem Haag mitgenommen habe. Für die bevorstehende zweite Auflage schlägt er einige Verbesserungen vor. Der Grundgedanke der Theorie, daß alle Sympathie angenehm sei, scheine ihm nicht deutlich genug hervorzutreten, und die schwierige Frage, wie das Trauerspiel Genuß bereiten könne, nicht befriedigend beantwortet zu sein. Burke, der damals noch nicht als Staatsmann berühmt war, schrieb eine unbedingt anerkennende Rezension und fand namentlich die Beobachtungsgabe des Verfassers, der mehr male als schreibe, bewunderungswürdig.
Der in Humes Briefe und schon vorher einmal erwähnte Townshend war ein durch Geist blendender Staatsmann, der Augenblicksimpulsen zu folgen pflegte und dadurch viel Unheil angerichtet, oder, wie man's nimmt, wider Willen Segen gestiftet hat. Als Kolonialminister beraubte er die Neuenglandstaaten des Rechts, ihre Richter selbst zu wählen, und als Schatzkanzler legte er ihnen 1767 den Theezoll auf und gab dadurch den unmittelbaren Anstoß zur Revolution. 1754 hatte er eine Witwe, Erbin von einem Vierteldutzend Adelstiteln, geheiratet, von denen der eine, der ihres ersten Gatten, des Herzogs von Buccleugh, auf den ältesten ihrer beiden Söhne erster Ehe überging. Der Knabe war damals in Eton. Townshend verdiente nun zwar den Namen Wetterhahn, den man ihm beilegte, aber in der uns interessierenden Angelegenheit hat er seinen Entschluß nicht geändert. Er besuchte Smith in Glasgow (dieser zeigte ihm u. a. die große Gerberei und fiel im Demonstrationseifer in eine Lohgrube) und lud ihn nach Dalkeith House ein (seine Gemahlin nannte sich Gräfin Dalkeith). Smith blieb von da ab mit der Familie in freundschaftlichem brieflichem und persönlichem Verkehr und übernahm vorläufig die Mühe, die Lektüre seines zukünftigen Zöglings zu leiten und ihn mit Büchern zu versorgen.
Schon 1760 erschien die zweite Auflage der Theorie. Smith hatte eine Anzahl Zusätze geschickt, die aber erst 1790, in die sechste Auflage, aufgenommen worden sind. In einem nicht völlig verständlichen, aber charakteristischen Briefe vom 4. April 1760 an Millars Kompagnon Strahan gibt Smith diesem Verleger das Recht, Verbesserungen vorzunehmen. Seine (Strahans) Vorschläge auf einen Bogen zu schreiben und diesen ihm zuzuschicken, werde wohl zu viel Mühe verursachen. Strahan möge nur die Änderungen, die er für nötig halte, selbst ausführen. Ein spanisches Sprichwort laute: besser, ein Hahnrei sein, ohne es zu wissen, als sich für einen halten, ohne es zu sein. So sei es für einen Autor manchmal besser, im Unrecht zu sein und zu glauben, er sei im Recht, als sich selbst ohne Grund eines Unrechts anzuklagen. Wenn demnach der Verleger die Änderungen ohne Smiths Mitwirkung ausführe, werde diesem nicht bloß eine Mühe erspart, sondern dieser wahre sich dabei auch das Recht des eigenen Urteils, »um dessen willen unsere Väter den Papst und den Prätendenten aus dem Lande gejagt haben«. Bei der Erwähnung dieser beiden fällt ihm ein soeben erschienenes Memoirenwerk ein, das ihn zu der Bemerkung veranlaßt: das Widerstreben der Schotten gegen die Vereinigung mit England am Anfange des Jahrhunderts sei erklärlich und verzeihlich; denn die Wohltaten, die daraus mit der Zeit für das Land entspringen mußten, seien damals noch nicht sichtbar gewesen, dagegen hätten darunter vorläufig die Interessen aller Stände gelitten. In diesem Briefe läßt Smith Benjamin Franklin und seinen Sohn grüßen, die ihn auf ihrer Reise durch Schottland besucht hatten.
Im September des nächsten Jahres, 1761, kam Smith das erste Mal nach London. Er hatte im Auftrage der Universität eine Anzahl Geld- und Rechtsgeschäfte zu erledigen, und wir erfahren bei der Gelegenheit, daß die Anstalt in den letzten Jahren £ 2631.6.5 11/12 über den Etat ausgegeben hatte. Auf dem Hinwege bekehrte er einen zukünftigen Premierminister zum Freihandel: den Lord Shelburne, der später, als Marquis von Lansdowne, an Smiths Biographen Dugald Stewart geschrieben hat: »Ich verdanke einer Reise, die ich mit Herrn Smith nach London gemacht habe, die Fähigkeit, im wichtigsten Abschnitt meines Lebens zwischen Licht und Finsternis zu unterscheiden. Die Neuheit seiner Grundsätze hinderte zwar mit meiner Jugend und meinen Vorurteilen zusammen das sofortige Verständnis, aber seine liebenswürdige Beredsamkeit prägte sich mir so fest ein, daß sie sich mit der Zeit entfalteten; sie haben das Glück meines Lebens begründet und die bescheidene Geltung, deren ich mich zu erfreuen gehabt habe.« Ein kleiner Wortwechsel, den er in einer Londoner Gesellschaft mit dem Lexikographen und Dichter Johnson gehabt zu haben scheint, ist deswegen der Erwähnung wert, weil er Anlaß gegeben hat zu einer Geschichtslüge, die unzähligemal nachgedruckt worden ist. Drei Autoritäten, unter denen Walter Scott die berühmteste ist, erzählen, Johnson habe Smith wegen einer Angabe in seinem Berichte über Humes Tod einen Lügner, Smith aber den Johnson einen Hurensohn geschimpft. Die Autoritäten haben, obwohl sie den Ereignissen der Zeit noch nahe standen, nicht überlegt, daß Hume erst 1776 gestorben ist. Am 22. Februar 1763 kündigt Hume dem Freunde einen Besuch an. Im Mai will er sich eine Chaise anschaffen, und einer der ersten Ausflüge, die er damit zu unternehmen gedenkt, soll Glasgow zum Ziele haben. Es wurde jedoch nichts daraus, und am 9. August nimmt Hume, den der Gesandte in Paris, Lord Hertford, zu seinem Sekretär erkoren hatte, schriftlich Abschied von Smith. Am 26. Oktober – er hatte erst drei Tage in Paris und zwei in Fontainebleau zugebracht – schreibt Hume seinen ersten Brief in die Heimat, und zwar an Smith, berichtet über die erstaunlich ehrenvolle Aufnahme, die er gefunden: beim König, beim Dauphin, sogar bei der Pompadour, über die Maße von Schmeichelei, die er »erduldet« habe und erzählt, der Baron Holbach habe ihm gesagt, daß einer seiner Bekannten die Theorie der moralischen Empfindungen übersehe.