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Ane und ihre Kuh

In Hvalpsund war Jahrmarkt. Dort, wo das Vieh verkauft wurde, stand ein altes Weib mit seiner einzigen Kuh. Sie stand etwas abseits; ich weiß nicht, war's aus Bescheidenheit, oder, damit man sie um so besser bemerkte. Ihr Kopftuch war der Sonne wegen über die Stirn gezogen; sie stand ruhig da und strickte an einem ellenlangen Strumpf, den sie in eine dicke Rolle aufgewickelt hatte. Sie war ganz altfränkisch angezogen, mit einem indigoblauen Rock, der so gemütlich nach dem Farbkessel roch und mit einem braunen, gestrickten Tuch. Das hatte sie über Kreuz um die eingefallene Brust gebunden. Das Kopftuch war verschossen und voll Falten vom langen Aufbewahren; die Holzschuhe hatten einen ganz abgetretenen, flachen Boden, dafür waren sie aber umso blanker gescheuert. Außer den vier Stricknadeln, mit denen ihre alten, abgearbeiteten Hände so emsig werkelten, hatte sie noch eine fünfte. Die stak in ihrem grauen Haar. Ein Ohr hält sie gegen den Krammarkt, von dem die Musik herkam. Sie besah sich auch ein bißchen das Gedränge der Leute, die da zu Kauf und Verkauf auf den Viehplatz kamen. Das war ein Lärmen und Brüllen ringsherum. Vom Pferdemarkt her hörte sie das Gewieher der Pferde, vom Strand stieg das Leben der Boote zu ihr auf und klang mitten hinein in das Gezeter der Gaukler und das Trommelgedröhn. – Sie stand ganz stille da in der Sonne und strickte an ihrem Strumpf.

Und neben ihr stand die Kuh und rührte mit dem Kopf fast an Anes Ellbogen. Die Kuh hatte einen Hängewanst und auswärts gedrehte Beine. Sie war gerade beim Wiederkäuen ihrer Mahlzeit.

Die Kuh war alt, aber gut, gesund im Fell und ordentlich gepflegt. Im Kreuz und am Rücken war sie ja ein wenig scharf, sonst aber war schon alles recht gewesen. Das Euter war fein und zottig und strotzte von Milch, die schönen, schwarzweißen Hörner hatten nicht allzu viele Ringe aufzuweisen. Mit feuchtglänzenden Augen zermahlte sie zum zweiten Male ihr Futter und schob dabei den Unterkiefer beständig von links nach rechts. Wenn sie einen Bissen verschluckt hatte, drehte sie den Kopf und schaute sich um. Wenn der nächste Futterkloß bis ins Maul hinaufgerutscht war, stand sie wieder mit ruhigem Hals da und kaute weiter. Der Schleim lief ihr gemächlich aus dem breiten Maul, und wenn sie beim Atmen Luft schöpfte, sang es in ihrem Innern wie in einer dicken Orgel. Sie war eine gesunde, lebhafte Kuh und in voller Reife. Die Ereignisse ihres Lebens hatte sie bereits alle hinter sich; sie hatte ihre Kälber geboren, ohne sie je sehen oder lecken zu dürfen; sie hatte ihr Futter verzehrt und stets treu und redlich ihre Milch hergegeben. Nun käute sie hier wieder, wie sie's auch anderswo getan hätte und schwang ihre Schwanzquaste in steifen Schnörkeln, um die Fliegen zu verscheuchen. Der Spannriemen war säuberlich aufgerafft und hing auf dem einen Horn; sie hatte ja nicht die Absicht durchzubrennen, oder sonst was Absonderliches zu unternehmen. Die alten, abgebrauchten Halftern hatten weder Naseneisen noch innen Zwecken. Man brauchte Anes Kuh nicht erst im Zaum zu halten. Heut' trug sie einen neuen Strick; nicht den alten, dünnen, der angestückelt war und an dem sie sonst auf die Weide geführt wurde. Ane hatte ihre Kuh schön machen wollen.

Nun ja, es war auch wirklich eine gute Kuh für den Fleischer. Drum dauerte es nicht lange, bis ein Mann an das Pärchen herantrat, die Kuh von allen Seiten betrachtete und seine Fingerspitzen in ihr Rückenfell eingrub. Die Kuh rückte dabei ein wenig zurück, war aber nicht böse.

»Na Mutter, was kost' denn die Kueh?« fragte er und sein fester Blick wanderte von der Kuh auf Ane. Ane strickte weiter.

»I verkaaf nit,« antwortete die Alte. Und wie wenn sie das Gespräch auf höfliche Weise abbrechen wollte, ließ sie die Stricknadeln mit der einen Hand los und trocknete sich eifrig die Stirn. Der Mann ging, aber er drehte sich noch oft nach dem tüchtigen Vieh um.

Bald darauf kam ein stattlicher, fein rasierter Schlächter. Der fuchtelte mit seinem spanischen Rohr der Kuh vor den Hörnern herum und ließ seine feiste Hand rasch über ihr Fleisch gleiten.

»Was kost' die Kuh?«

Die alte Ane schielte zuerst auf ihre Kuh, die vor dem spanischen Rohr ehrfürchtig mit den Augenlidern zitterte, wendete dann den Kopf, als ob sie weit wo in der Ferne etwas sehr Wichtiges sähe. Schließlich sagte sie: »De verkaaf' i nit.«

Fertig. Der Schlächtermeister schwankte in seinem blutfleckigen Staubmantel weiter. Bald drauf kam noch ein Käufer. Die alte Ane schüttelte den Kopf. »I verkaaf halt nit.«

Sie hatte einer ganzen Reihe von Käufern eine abschlägige Antwort gegeben; so kannte man sie bald und redete viel von ihr.

Einer der Männer, die um die Kuh gefragt hatten, kam ein zweites Mal. Er wollte das Tier durchaus haben und machte ein Angebot, das sehr vorteilhaft war. Die alte Ane sagte: nein. Ein bißchen unruhig, aber bestimmt.

»Is denn die Kuh verkauft?« fragte der Mann.

»Na, na, verkaaft is sie nit.«

»Ja also, wegen was stehst denn also da und protzt mit deiner Kueh?«

Die alte Ane ließ den Kopf sinken, strickte aber hartnäckig weiter.

»Na also, jetz red' do. Wegen was stehst denn da mit der Kueh?« fragte der Mann ganz aufgebracht. »Sie g'hert am End' gar nit dein?«

»A, das war nit schlecht. Freili g'hert sie mein. No freili, das is ja mei Viech.« Ane fügte hinzu, daß sie die Kuh wahrlich schon als Kalb gehabt habe; ja wahrhaftig. Und sie redete und redete auf den Mann ein, als ob sie sich bei ihm entschuldigen, müßte; er aber unterbrach sie heftig.

»Ja, stehst denn du da zum Leut' foppen?«

Ane schweigt. Sie strickt wütend drauf los; sie weiß nicht, wohin sie schauen soll, so ungemütlich ist's ihr. Der Mann wird immer wütender.

»Ja, jetz sag amal: bist denn herkommen zum Leut' foppen?«

Da hört Ane auf zu stricken. Sie löst den Spannriemen vom Horn der Kuh und macht sich zum Rückzug bereit. Sie schaut aber den Aufgebrachten noch zum Schluß treuherzig an und sagt in einem bittenden Ton:

»'s is halt gar so viel einsam, 's Viech, gar so viel einsam. I hab ja bloß de anzige Kueh in meiner Keusch'n, und sie kummt halt fast gar nit mit andre Viecher z'samm. I wohn' ja so weit drob'n in der Einschicht. So hab i halt g'mant, i kunnt sie grad auf 'n Markt herführ'n, daß sie a bißl unters Viech kummat und a bißl a Zerstreuung hätt'. O mei, o mei, i hab halt g'mant, das kunnt neamand nit schad'n. No, und so sein mar halt herg'reist. Aber mir zwa sein nit zu'n verkaaf'n und jetz gehn mar halt wieder ham. No ja, und i bitt' halt recht sehr um Entschuldigung. No ja, und pfiat Gott a, und i bedank mi halt recht schen.«


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