Jean Paul
Das Kampaner Tal
Jean Paul

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504. Station

Blumen-Tändeleien.

Karlson ließ sich in fremde Gespräche ein, und Phylax war voll Ingrimm, daß er nicht siegen, oder doch streiten konnte: er wollte an mir die sokratische Hebammenkunst versuchen, aber er suchte nicht wie andere Accoucheurs vorher die Entbindungswerkzeuge warm zu machen: er hatte eine so harte ungefällige Manier. Ich sagte zu ihm, ich hätte dieselbe Meinung wie er, wiewohl nicht aus denselben Gründen, und wir wollten nachher vereinigt und einträchtig miteinander gegen den Rittmeister ausrücken und ausfallen.

Ich ging jetzt mit meinem seidenen Klöppel zu Nadinen, um ihr an einem Rosenbusche die fliegenden Lichtmagnete, die glänzenden Irrlichtchen der Nacht, die braunen Johanniswürmchen, zu zeigen, die sie nie am Tage gesehen: ich bevölkerte eine Schachtel damit zu einem lebendigen Feuerwerk auf abends. Der Zufall hatte einen glühenden Rosenzweig romantisch niedergebogen zwischen blaue Glockenblumen auf einen grün marmornen Grenzstein – sein Laub war gleichsam mit verkohlten JohanniswürmchenDie Männchen sind schwarz. schwarz ausgenäht – der Lilienkäfer hing wie eine goldne Stickerei an den bleichern reifen Rosen – langbeinige schillernde Mücken liefen über die Dornen – die Blumen-Täucher und Nektarien-Schatzgräber, die Bienen, bedornten die Rosenkelche mit neuen Stacheln – und die Schmetterlinge wiegten sich wie fliegende Farben, wie epikuräische Abblätterungen um die bunte Welt des Zweigs. – – Ich kann dir nicht sagen, wie der vom wilden Ganzen auf einen niedlichen Teil gesenkte Blick unsern Herzen und der weiten Natur ein wärmeres Leben gab. Wir fasseten von der großen Mutter des Lebens, wie Kinder vermögen, nichts an als die Finger statt der Hand und küßten sie. Gott war durch die Schöpfung Mensch geworden – wie eben dadurch für Engel ein Engel –, gleich der Sonne, deren glänzende Unermeßlichkeit die Maler sanft in die Schönheiten eines Menschenangesichts zerteilen.

Wilhelmi sagte er nehme, um in ein Arkadien, in ein Eden abzufliegen, keine größern Schwingen dazu als die vier eines Schmetterlings – welches poetische paradiesische Sein, wie der Papillon ohne Magen und Hunger zwischen Blüten und Blumen zu gaukeln, keinen Winter, keine lange Nacht und keinen Orkan zu erleben, das Leben in der weichen Jagd nach einem zweiten Papillon zu verspielen, oder wie Kolibri mit Blumenfarben zwischen Zitronenblüten zu nisten, um blühenden Honig zu schweben und in einem seidenen Hängbette zu schwanken!

Wir gingen selig weiter, und jeder neue Schritt trieb ein berauschendes Blut hinauf zum erwärmten Ich. Ich machte mir nichts daraus, zum Kaplan zu sagen: »der Tempel der Natur habe sich für mich in einen Konzertsaal verwandelt – jede Vokalmusik in Instrumentalmusik – der wallende Adour in eine Wasserorgel – jeder Frosch in den Frosch am Geigenbogen – jede Zikade in eine Maultrommel – jede Flügeldecke in einen breiten besaiteten Flügel und die rufenden Raben in bekielende Rabenfedern« – – Phylax versetzte, er wisse ein wenig, was er von dithyrambischen Wellen zu denken habe, die der Körper wirft.

– Viktor! sollte nicht der Philosoph und die Philosophie den elektrischen Körpern nachahmen, die nicht nur leuchten, sondern auch anziehen? Freilich schmeckt immer der geistige Wein nach den Faßdauben des Körpers; aber Phylax' Seele scheint kaum geistig genug zu sein, um nur einer andern Seele zum – Körper zu dienen.


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