Victor Hugo
Maria Tudor
Victor Hugo

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Erste Szene

Mehrere Männer stehen in verschiedenen Gruppen auf dem Ufer, unter ihnen Simon Renard; John Bridges, Baron Chandos; Robert Clinton, Baron Clinton; Anthony Brown, Vicomte von Montagu.

Lord Chandos Ihr habt Recht, Mylord. Dieser verdammte Italiener muß die Königin behext haben. Die Königin kann nicht mehr ohne ihn sein. Sie lebt nur in ihm, all ihre Freude ist in ihm, sie hört nur ihn. Wenn ein Tag vergeht, ohne daß sie ihn sieht, so werden ihre Augen so schmachtend, wie zur Zeit, wo sie den Kardinal Polus liebte, wißt Ihr noch?

Simon Renard Sehr verliebt, das ist wahr, und folglich sehr eifersüchtig.

Lord Chandos Der Italiener hat sie behext!

Lord Montagu In der Tat, man sagt, in seinem Lande verstünde man sich auf Tränke für dergleichen.

Lord Clinton Die Spanier verstehen sich auf Gifte, die Einen sterben, und die Italiener auf Gifte, die Einen verliebt machen.

Lord Chandos Dann ist der Fabiani zugleich Spanier und Italiener. Die Königin ist krank und verliebt. Er hat ihr von beiden zu trinken gegeben.

Lord Montagu Aha! in der Tat, ist er Spanier oder Italiener?

Lord Chandos Es scheint ausgemacht, daß er in Italien im Capitanat geboren und in Spanien erzogen worden ist. Er behauptet, er sei mit einem großen spanischen Geschlechte verwandt. Lord Clinton kann das an den Fingern herzählen.

Lord Clinton Ein Abenteurer. Weder ein Spanier, noch weniger ein Engländer, Gott sei Dank. Leute, die keinem Lande angehören, haben kein Erbarmen mit einem Lande, wenn sie mächtig sind!

Lord Montagu Sagtet Ihr nicht, die Königin sei krank, Chandos? Das hindert sie nicht, mit ihrem Günstling guter Dinge zu sein.

Lord Clinton Guter Dinge! Guter Dinge! Während die Königin lacht, weint das Volk und mästet sich der Günstling. Der Mensch säuft Silber und frißt Gold! Die Königin hat ihm die Güter des Lord Talbot, des großen Lord Talbot, gegeben! Die Königin hat ihn zum Grafen von Clanbrassil und Baron von Dinasmonddy gemacht, den Fabiano Fabiani, den Lügner, der sagt, er stamme aus dem spanischen Geschlechte der Peñalver. Er ist Pair von England, wie Ihr, Montagu, wie Ihr, Chandos, wie Stanley, wie Norfolk, wie ich, wie der König! Er trägt das Hosenband, wie der Infant von Portugal, wie der König von Dänemark, wie Thomas Percy, der siebente Graf von Northumberland! Und was für ein Tyrann das ist, der uns von seinem Bette aus Gesetze macht! Nie lag es schwerer über England. Und doch habe ich viel gesehen, ich bin alt! Siebenzig neue Galgen zu Tyburn, die Scheiterhaufen immer Glut und nie Asche, die Axt des Henkers wird jeden Morgen geschliffen und ist schartig jeden Abend. Jeden Tag fällt man einen großen Edlen. Vorgestern Blantyre, gestern Northcurry, heute South-Reppo, morgen Tyrconnel. Die nächste Woche kommt die Reihe an Euch, Chandos, und den nächsten Monat an mich! Mylords! es ist schmachvoll und ruchlos, daß all diese guten englischen Köpfe so zum Zeitvertreibe eines elenden Abenteurers fallen, der nicht einmal aus diesem Lande ist. Es ist ein abscheulicher und unerträglicher Gedanke, daß ein neapolitanischer Günstling so viel Henkerblöcke, als er Lust hat, unter dem Bette dieser Königin hervorziehen kann. Sie sind guter Dinge, sagt Ihr. Bei dem Himmel, das ist schändlich! Ha! sie sind guter Dinge, die Verliebten, während der Kopfabhacker vor ihrer Türe Witwen und Waisen macht. O! in das Klimpern Eurer italienischen Guitarre tönt zu viel Kettengerassel, Frau Königin! Ihr laßt Sänger von der Kapelle zu Avignon kommen, Ihr habt in Eurem Palaste alle Tage Komödien, Schauspiele, Musikanten. Bei Gott, Madame, etwas weniger Lachen bei Euch, wenn's beliebt, und etwas weniger Weinen bei uns. Weniger Gaukler dort, und weniger Henker hier. Weniger Bühnen zu Westminster und weniger Schafotte zu Tyburn.

Lord Montagu Habt Acht! Wir sind getreue Untertanen, Mylord Clinton. Nichts auf die Königin, Alles auf Fabiani.

Simon Renard legt die Hand auf die Schulter des Lord Clinton: Geduld!

Lord Clinton Geduld! das könnt Ihr ganz leicht sagen, Herr Simon Renard. Ihr seid Vogt von Amont in der Franche-Comté, Untertan des Kaisers und sein Gesandter zu London. Ihr vertretet hier den Prinzen von Spanien, den zukünftigen Gemahl der Königin. Eure Person ist heilig für den Günstling. Aber wir, das ist was Anders. – Seht, für Euch ist Fabiani der Schäfer, für uns der Metzger.

Die Nacht ist völlig hereingebrochen.

Simon Renard Dieser Mensch ist mir eben so lästig, als Euch. Ihr fürchtet nur für Euer Leben, ich fürchte für mein Ansehen, das ist weit mehr. Ich spreche nicht, ich handle. Ich habe weniger Zorn, als Ihr Mylord, ich habe mehr Haß. Ich werde den Günstling vernichten.

Lord Montagu O! was tun? Ich brüte alle Tage darüber.

Simon Renard Die Günstlinge der Königinnen steigen und fallen nicht am Tage, sondern des Nachts.

Lord Chandos Diese Nacht ist wenigstens sehr finster und häßlich!

Simon Renard Ich finde sie schön für das, was ich tun will.

Lord Chandos Was habt Ihr vor?

Simon Renard Ihr werdet sehen. – Mylord Chandos, die Laune herrscht, wenn ein Weib herrscht. Die Politik ist dann nicht mehr das Werk der Berechnung, sondern des Zufalls. Man kann auf nichts mehr zählen. Das Heute führt nicht logisch das Morgen herbei. Man spielt nicht mehr Schach, man spielt Karten.

Lord Clinton Das ist ganz gut, aber zur Sache. Herr Vogt, wann werdet Ihr uns von dem Günstling befreit haben? Es eilt. Morgen wird Tyrconnel enthauptet.

Simon Renard Tyrconnel wird morgen Abend mit Euch speisen, wenn ich diese Nacht den Mann finde, welchen ich suche.

Lord Clinton Was wollt Ihr damit sagen? Was wird dann aus Fabiani geworden sein?

Simon Renard Habt Ihr gute Augen, Mylord?

Lord Clinton Ja, obgleich ich alt bin und die Nacht finster ist.

Simon Renard Seht Ihr London auf der andern Seite des Wassers?

Lord Clinton Ja, warum?

Simon Renard Seht scharf hin. Man sieht von hier aus den Wirbel und die Sohle der Fortuna jedes Günstlings, Westminster und den Turm von London.

Lord Clinton Und nun?

Simon Renard Wenn Gott mir beisteht, wird ein Mann, der im Augenblicke, wo wir sprechen, noch dort ist er deutet auf Westminster, morgen zur nämlichen Stunde da sein. Er deutet auf den Tower.

Lord Clinton Möge Gott Euch helfen!

Lord Montagu Das Volk haßt ihn eben so sehr, als wir. Welch Fest wird für London der Tag seines Falles sein!

Lord Chandos Wir sind in Euren Händen, Herr Vogt, verfügt über uns. Was sollen wir tun?

Simon Renard deutet auf das Haus am Wasser: Ihr seht doch alle dies Haus da? Es gehört dem Gilbert, einem Arbeiter. Verliert es nicht aus dem Gesicht. Zerstreut Euch mit Euren Leuten, ohne Euch jedoch zu sehr zu entfernen. Vor Allem tut nichts ohne mich.

Lord Chandos Gut.

Alle gehen nach verschiedenen Seiten ab.

Simon Renard allein: Ein Mann, wie der, den ich nötig habe, findet sich nicht leicht. Er geht ab.

Jane und Gilbert treten auf, sie halten sich umschlungen und gehen nach dem Hause zu. Joshua Farnaby begleitet sie, er ist in einen Mantel gehüllt.


 << zurück weiter >>