Victor Hugo
Notre Dame, Teil 2
Victor Hugo

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XII.

Ein Dichter hat einen vernünftigen Gedanken.

Seit Peter Gringoire sah, welche Wendung diese ganze Geschichte nahm, und daß es sich hier um den Strick und andere unheimliche Dinge handle, hielt er es für gerathen, aus dem Spiele zu bleiben. Er war im Königreich Kauderwelsch geblieben, in Erwägung, daß dessen Bewohner noch immer die beste Gesellschaft von Paris seien. Die Unterthanen des Königs Clopin Trouillefou nahmen warmen Antheil an Esmeralda's Schicksal. Peter Gringoire hatte von ihnen erfahren, daß seine Gattin vom zerbrochenen Kruge sich in die Liebfrauenkirche geflüchtet habe, und das freute ihn von Herzen. Er fühlte jedoch nicht die geringste Versuchung in sich, sie dort zu besuchen; er dachte bisweilen an die kleine weiße Ziege, und das war Alles. Inzwischen machte er den Tag über Kunststücke, damit er zu leben habe, und die Nacht durch schrieb er einen Commentar über des Bischofs von Nojons Werk: de cuba petrarum. Diese Beschäftigung hatte ihm einen ausnehmenden Geschmack an der Architektur eingeflößt.

Eines Tages stand er vor der alten Kapelle in der Straße St. Germain-l'Auxerrois und betrachtete die ausgehauenen Figuren. Er befand sich in einem jener genußreichen Momente, wo der Künstler die Welt um sich her vergißt und nur der Kunst lebt. Plötzlich fühlte er eine schwere Hand auf seiner Schulter. Er wandte sich um, es war sein alter Herr und Meister, der Archidiakonus.

Peter Gringoire blieb verdutzt stehen. Er hatte den Archidiakonus lange nicht gesehen, und Claude Frollo war einer jener ernsten Geister, deren Anblick einen Poeten und Philosophen leicht erschreckt.

Der Archidiakonus schwieg einige Augenblicke, während welcher Peter Gringoire Muße hatte, ihn zu betrachten. Er fand den Priester sehr verändert: bleich wie ein Wintertag, mit hohlen Augen, die Haare fast weiß.

Der Archidiakonus brach zuerst das Stillschweigen und sagte in einem ruhigen, eiskalten Tone: »Wie befindet Ihr Euch, Meister Peter?«

»Meine Gesundheit!« antwortete Peter Gringoire. »Hm! Hm! Es läßt sich da viel dafür und dawider sagen. Im Ganzen genommen ist sie gut. Ich halte in Allem Maß und Ziel. Ihr wißt ja selbst, nach Hippokrates, das Geheimniß, seine Gesundheit zu erhalten: Cibi, potus, somni, venus, omnia moderata sint.«

»Ihr habt also keinen Kummer, Meister Peter?« fragte der Archidiakonus und sah ihm scharf ins Gesicht.

»Meiner Treu! Nein!«

»Und was macht Ihr da?«

»Ich studire diese Bildsäulen, wie Ihr seht.«

Der Priester lächelte bitter: »Und das macht Euch Vergnügen?«

»Das ist das Paradies!« rief Peter Gringoire aus.

»Ihr seid also glücklich?«

»So glücklich als Jemand! Ich liebte zuerst Weiber, dann Thiere, jetzt liebe ich Steine.«

»Wirklich!« sagte der Priester lächelnd, – »und Ihr habt sonst keinen Wunsch?« fügte er hinzu.

»Nein!«

»Auch keinen Kummer?«

»Weder Kummer noch Wunsch. Ich lebe so hin. Das Schicksal tritt manchmal dazwischen. Ich bin ein Pyrrhonischer Philosoph und halte Alles im Gleichgewicht.«

»Und womit verdient Ihr Euer Brod?«

»Ich mache noch hie und da Heldengedichte und Trauerspiele, aber meine Kunst, Pyramiden von Stühlen mit meinen Zähnen zu tragen, wirft mir am meisten ab.«

»Dieses Handwerk ist ziemlich gemein für einen Philosophen.«

»Das gehört zum Gleichgewicht. Wenn man nur einen Gedanken hat, schwebt er Einem immer vor.«

»Ich weiß es,« sagte der Archidiatonus bitter.

Nach einer Pause fügte er hinzu: »Ihr führt gleichwohl ein elendes Leben.«

»Elend, aber nicht unglücklich.«

In diesem Augenblicke vernahmen sie den Hufschlag vieler Pferde, und eine Compagnie Bogenschützen, den Anführer an der Spitze, zog an ihnen vorüber.

»Was Ihr für Blicke auf diesen Hauptmann werft!« sagte Peter Gringoire.

»Ich glaube ihn zu kennen.«

»Wie heißt er?«

»Phöbus de Chateaupers, wenn ich nicht irre.«

»Phöbus! Ein seltsamer Name! Es gibt auch einen Phöbus, Graf von Foix, und ich habe ein Mädchen gekannt, das bei keinem andern Namen schwur als – bei Phöbus.«

»Kommt,« sagte der Priester, »ich habe mit Euch zu reden.«

Seit die Bogenschützen vorübergezogen waren, zeigte sich eine sichtbare Bewegung in den eiskalten Zügen des Priesters. Er ging voran, Peter Gringoire folgte ihm. Er war an blinden Gehorsam gegen dieses Wesen gewöhnt, dessen geistiges Uebergewicht Alle empfanden, die ihm nahten. In der einsamen Bernhardinerstraße blieb der Priester stehen,

»Was habt Ihr mir zu sagen, mein Meister?« fragte Peter Gringoire.

»Findet Ihr nicht,« erwiederte der Archidiakonus wie in tiefen Gedanken, »daß die Kleidung dieser Bogenschützen, welche wir gesehen haben, schöner ist, als die Eurige und die meinige?«

Peter Gringoire schüttelte den Kopf: »Meiner Treu! Da ist mir meine gelbe Jacke lieber, als diese Schuppen von Eisen und Stahl.«

»Ihr habt also diese in Stahl gekleideten Kriegsmänner nie beneidet?«

»Ich wüßte nicht um was. Um ihre Stärke, ihre Waffen und ihre Kriegszucht? Da bleibe ich lieber ein unabhängiger Philosoph in Lumpen. Der Kopf einer Mücke ist mehr als der Schwanz eines Löwen.«

»Peter Gringoire,« fuhr der Priester fort, »was ist aus der kleinen ägyptischen Tänzerin geworden?«

»Aus der Esmeralda? Wie kommt Ihr jetzt auf die?«

»War sie nicht Eure Frau?«

»Ja, mittelst eines zerbrochenen Krugs. Wir sind auf vier Jahre verheirathet. Ihr denkt also immer noch an die Esmeralda?«

»Und Ihr, denkt Ihr nicht an sie?«

»Selten, ich habe an so viel zu denken! Potztausend! Ich möchte doch die kleine Ziege wieder sehen, sie war gar zu niedlich!«

»Hat Euch nicht diese Zigeunerin das Leben gerettet?«

»Beim Herkules! Ja!«

»Nun, was ist aus ihr geworden? Was wißt Ihr von ihr?«

»Ich kann es nicht genau sagen, es heißt, man habe sie gehängt.«

»Wißt Ihr das gewiß?«

»Gewiß weiß ich es nicht. Als ich sah, daß es sich um den Galgen handle, habe ich meinen Kopf sachte aus der Schlinge gezogen.«

»Ist das Alles, was Ihr von der Sache wißt?«

»Man hat mir auch gesagt, daß sie sich in die Liebfrauenkirche geflüchtet habe und dort in Sicherheit sei. Das freut mich und ich möchte nur wissen, ob die kleine Ziege auch gerettet ist. Das ist Alles, was ich von der Sache weiß.«

»Ich will Euch mehr sagen,« rief der Priester, und seine Stimme, die bisher ruhig und langsam gewesen war, wurde plötzlich donnernd. »Sie hat sich wirklich in die Liebfrauenkirche geflüchtet, aber in drei Tagen wird man sie dort abholen und auf dem Grèveplatz hängen. Es liegt ein Parlamentsbeschluß vor.«

»Ei! das thut mir leid.«

Der Priester war wieder ruhig und kalt geworden.

»Wer zum Teufel,« fuhr der Poet fort, »hat sich denn das Vergnügen gemacht, einen Parlamentsbeschluß nachzusuchen? Konnte man denn das Parlament nicht in Ruhe lassen? Was liegt denn daran, ob das arme kleine Ding gehängt wird, oder ob sie bei den Schwalben auf dem Thurme der Liebfrauenkirche wohnt?«

»Es gibt Teufel auf der Welt,« sagte der Priester.

»Ja, das ist recht teufelhaftig,« stimmte Peter Gringoire bei.

Nach einer Pause fuhr der Archidiakonus fort: »Sie hat Euch also das Leben gerettet?«

»Ja, im Königreich Kauderwelsch, wo ich jetzt zu Hause bin. Mein Leben hing nur noch an einem Faden, ich hatte bereits den Strick um den Hals.«

»Wollt Ihr ihr nicht dafür einen Gegendienst leisten?«

»Von Herzen gern, aber ich könnte da in eine saubere Geschichte verwickelt werden.«

»Thut nichts!«

»Ihr seid allzugütig, lieber Herr! Ich muß auch an die zwei großen Werke denken, die ich unter der Feder habe.«

Der Priester schlug sich auf die Stirne. Trotz seiner ruhigen Außenseite gab sich von Zeit zu Zeit der Sturm in seinem Innern durch eine heftige Geberde kund. »Wie ist sie zu retten?« sagte er für sich,

»Meister,« erwiederte Peter Gringoire, »hier spreche ich: Il padelt. Das ist türkisch und heißt: Setze auf Gott deine Hoffnung!«

»Wie ist sie zu retten?« wiederholte der Priester.

Jetzt schlug sich Peter Gringoire auf die Stirne und sprach: »Hört, Meister, ich bin ein Dichter und habe Phantasie. Ich werde tausend Mittel und Wege finden, sie zu retten. Wie wäre es, wenn man bei dem König ihre Begnadigung nachsuchte?«

»Ludwig XI.! Begnadigen!«

»Warum denn nicht?«

»Nimm dem Tiger seine Knochen!«

Peter Gringoire spannte seine Einbildungskraft auf die Folter, um eine neue Lösung der Frage zu finden: »Wie wäre es, wenn ich als Gatte vor den geschwornen Hebammen erklärte, daß sie schwanger sei?«

»Schwanger! was weißt Du davon?« fragte der Priester mit gerunzelter Stirne und flammendem Auge,

Peter Gringoire erwiederte erschrocken: »Ich! Ich weiß gar nichts! Unsere Ehe ist ein wahres Forismaritagium gewesen. Ich bin vor der Thüre geblieben. Man würde jedoch dadurch einen Aufschub erlangen.«

»Thöricht! Schimpflich! Schweig!«

»Ihr zürnt mit Unrecht,« murmelte Peter Gringoire. »Man gewinnt einen Aufschub, das schadet Niemand und trägt den Hebammen, die arme Weiber sind, vierzig Heller ein.«

Der Priester hörte nicht auf ihn. »Sie muß gerettet werden!« murmelte er vor sich hin, »In drei Tagen wird der Parlamentsbeschluß vollzogen. Und wenn das auch nicht wäre, dieser Quasimodo! die Weiber haben doch einen sehr entarteten Geschmack!«

Jetzt wendete sich der Archidiakonus mit erhobener Stimme zu dem Dichter: »Meister Peter, es gibt nur ein Mittel, sie zu retten.«

»Welches? mir steht der Verstand stille.«

»Hört, Meister Peter, denkt fleißig daran, daß sie Euch das Leben gerettet hat. Ich will Euch offen meine Gedanken sagen. Die Kirche wird Tag und Nacht bewacht, und man läßt nur diejenigen hinausgehen, die man hineingehen sah. Der Eingang ist Euch also erlaubt, Ihr kommt und ich führe Euch zu ihr. Dann wechselt Ihr die Kleider mit ihr, Ihr gebt ihr Euren Rock und Ihr zieht ihre Kleider an.«

»Ganz recht bis jetzt, und was weiter?« fragte der Philosoph.

»Was weiter? Sie verläßt mit Euern Kleidern die Kirche und Ihr bleibt darin zurück. Man wird Euch vielleicht hängen, aber sie ist gerettet.«

Der Poet kratzte sich hinter den Ohren. Der unerwartete Vorschlag des Archidiakonus überzog sein offenes, glückseliges Dichtergesicht mit schwarzen Wolken. »Hm!« sagte er ernst, »das ist eine ganz nagelneue Idee, die mir nie in den Sinn gekommen wäre.«

»Nun, Meister Peter, was sagt Ihr zu diesem Rettungsmittel?« fragte der Archidiakonus.

»Ich sage, mein Meister, daß man mich nicht vielleicht, sondern ganz gewiß hängen wird,«

»Das macht nichts zur Sache.«

»Den Teufel auch,« sagte Peter Gringoire.

»Sie hat Euch das Leben gerettet. Es ist eine heilige Schuld, die Ihr bezahlt.«

»Ja, wenn ich alle meine Schulden bezahlen müßte!«

»Meister Peter, es muß durchaus sein,« sagte der Priester gebieterisch.

»Hört, mein Herr und Meister,« erwiederte der bestürzte Poet, »Ihr seid für diese Idee eingenommen und Ihr habt wahrlich Unrecht. Ich weiß in der That nicht, warum ich mich für einen Andern sollte hängen lassen.«

»Was fesselt Euch denn so sehr an das Leben?«

»Ach! tausend Dinge!«

»Und was, wenn es gefällig ist?«

»Was? die Luft, der Himmel, der Morgen, der Abend, die Sonne, der Mond, meine guten Freunde im Königreich Kauderwelsch, und dann muß ich ja noch drei große Bände über die Architektur schreiben. Es fällt mir jetzt nicht Alles ein, was ich noch auf dieser Welt zu thun habe. Anaxagoras sagte, daß er auf der Welt sei, um die Sonne zu bewundern. Und dann bin ich so glücklich, alle meine Tage, vom Morgen bis zum Abend, mit einem geistreichen Manne zuzubringen. Dieses Genie bin ich, und wir unterhalten uns vortrefflich.«

»Strohkopf!« murmelte der Archidiakonus. »Sprich, wem dankst Du dieses Leben, das Du so angenehm findest? Wer hat es Dir erhalten? Wem dankst Du es, daß Du diese Luft noch athmest, diesen Himmel noch siehst, und Deinen Gänsekopf noch mit abgeschmackten Dingen anfüllen kannst? Wo wärest Du ohne sie? Du willst die sterben lassen, durch die Du lebst? Dieses reizende, sanfte, anbetungswürdige, mehr als göttliche Geschöpf, das der Welt so unentbehrlich ist, als die Sonne, soll sterben, damit Du lebst, Du gelehrter Esel, Du Schein von einem Ding, Du vegetirendes Wesen, das keinen eigenen Gedanken zu fassen vermag! Fort, Du bist so unnütz auf der Welt, als ein Talglicht, das am hellen Mittag brennt.«

Der Priester war immer heftiger geworden. Peter Gringoire hörte ihm Anfangs mit einem unschlüssigen Wesen zu, allmählig wurde er weich, und zuletzt machte er eine tragische Grimasse, wie ein kleines Kind, das Bauchgrimmen hat.

»Ach, wie pathetisch!« sagte er und trocknete sich eine Thräne ab. »Je nun, in Gottes Namen, ich will mich darüber besinnen. Es ist freilich ein seltsamer Gedanke, den Ihr da gefaßt habt, und wer weiß, vielleicht lassen sie mich ungehängt. Wer freit, heirathet nicht immer. Vielleicht lachen sie sich halb todt, wenn sie mich da in der Zelle in Weiberkleidern sitzen sehen. Und wenn sie mich auch hängen, je nun, der Strick ist ein Tod wie ein anderer, oder nein, daß ich recht sage, er ist kein Tod wie ein anderer. Er ist ein Tod, des Weisen würdig, der sein ganzes Leben oscillirt hat, ein Tod, der weder Fisch noch Fleisch ist, wie der Geist des wahren Skeptikers, ein Tod voll Pyrrhonismus und Schwanken, ein Tod, der die Mitte hält zwischen Himmel und Erde, der Tod eines Philosophen, zu dem ich vielleicht von Anbeginn bestimmt war. Wie schön ist es doch zu sterben, wie man gelebt hat!«

Der Priester unterbrach ihn: »Wir sind also einig?«

»Was ist der Tod, wenn man es recht erwägt?« fuhr Peter Gringoire in seiner philosophischen Ueberspannung fort. »Ein schlimmer Augenblick, der Zoll des Lebens, der Uebergang von Wenig zu Nichts. Als Jemand Cercidas aus Megalopolis fragte, ob er gerne sterbe, antwortete er: Warum nicht? Nach meinem Tode komme ich zu allen großen Männern der Vorzeit, ich werde Pythagoras unter den Philosophen, Hecatäus unter den Historikern, Homer unter den Poeten, Orpheus unter den Musikern sehen.«

Der Archidiakonus reichte ihm die Hand hin und sagte: »Es ist also richtig, Du kommst morgen?«

Diese Frage führte den armen Dichter aus seiner philosophischen Exaltation schnell in die wirkliche Welt zurück.

»Kommen? meiner Treu, nein!« sagte er mit dem Tone eines Menschen, der aus einem Traum erwacht. »Mich hängen lassen, da wäre ich ein rechter Narr.«

»So lebe wohl für jetzt!« sagte der Priester finster. »Ich werde Dich wieder finden!« fügte er grinsend hinzu.

»Das ist ein Teufel von einem Menschen, und er will mich wieder finden!« murmelte der Poet für sich und lief ihm angstvoll nach.

»Herr Archidiakonus, verehrtester Herr und Meister, nur keine Feindschaft zwischen alten Freunden! Laßt doch ein vernünftiges Wort mit Euch reden! Ihr nehmt Antheil an diesem Mädchen, an meiner Frau, wollte ich sagen, Alles wohl und gut. Ihr habt da eine Kriegslist ersonnen, um sie aus der Liebfrauenkirche zu retten, aber Euer Mittel ist für mich, Peter Gringoire, erschrecklich unangenehm. Wenn ich nun ein anderes Mittel wüßte? Es ist mir eben ein sehr lichtvoller Gedanke gekommen, eine wahre Inspiration. Wenn ich nun ein Auskunftsmittel gefunden hätte, sie aus ihrer schlimmen Lage zu ziehen, ohne meinen Hals mit der geringsten Schleife eines Stricks in Berührung zu bringen, was würdet Ihr dazu sagen? Würde Euch dieses Mittel genügen, oder ist es durchaus nothwendig, um Euch zufrieden zu stellen, daß ich gehängt werde?«

Der Priester riß vor Ungeduld die Knöpfe seines Rockes ab: »Ueberströmender Dummkopf! Welches ist Dein Mittel?«

»Ja,« fuhr Peter Gringoire, zu sich selbst sprechend, fort und berührte seine Nase mit dem Zeigefinger, »so, jetzt habe ich es! . . . Im Königreich Kauderwelsch gibt es wackere Leute. Aegyptenland liebt sie . . . Ein Wort, und sie erheben sich alle wie Ein Mann. Nichts leichter als das . . . In der allgemeinen Verwirrung entführt man sie . . . Morgen Abend . . . Das wird ihnen gerade gelegen kommen!«

»Das Mittel, sprich!« sagte der Priester heftig und schüttelte ihn.

Peter Gringoire wandte sich mit Majestät in Blick und Haltung zu dem Archidiakonus: »Nicht so ungestüm, Ihr seht ja, daß ich eben combinire,«

Der Poet nahm noch einige Augenblicke eine nachdenkliche Miene an, dann klatschte er sich selbst Beifall und rief: »Bewunderungswürdig! Unfehlbar!«

»Das Mittel!« wiederholte der Archidiakonus zornig.

Peter Gringoire strahlte von innerer Freude: »Kommt, ich will Euch das ganz leise anvertrauen. Es ist eine herrliche Gegenmine, die uns alle aus der Sache ziehen wird. Beim Himmel! jetzt soll mir wieder Jemand kommen und mich einen Dummkopf heißen! Daß ich nicht zu fragen vergesse,« fügte er hinzu, »ist die kleine weiße Ziege auch bei ihr?«

»Ja! Hol' Dich der Teufel!«

»Die hätten sie auch gehängt?«

»Was liegt mir daran!«

»Ja, ganz gewiß hätten sie das arme Thier gehängt. Sie haben ja im vergangenen Monat eine Sau gehängt; das kommt dem Henker eben recht, er ißt dann das Fleisch. Meine niedliche Djali hängen! Armes Thierchen!«

»Verflucht seist Du!« rief der Priester. »Der Henker bist Du. Soll ich Dir Deine Idee mit der Zange aus dem Kopfe holen?«

»So hört denn, Meister!«

Mit diesen Worten beugte sich Peter Gringoire zum Ohr des Archidiakonus hinab und redete leise mit ihm, während er von Zeit zu Zeit unruhige Blicke um sich her warf, obgleich Niemand in der Straße war. Als er geendet hatte, reichte ihm der Priester die Hand und sagte kalt: »Gut! Morgen also!«

»Morgen!« wiederholte Peter Gringoire, und während der Archidiakonus von der einen Seite sich entfernte, schlug er den entgegengesetzten Weg ein und redete halblaut mit sich selbst: Da habt Ihr etwas Gewaltiges eingefädelt, Herr Peter Gringoire. Ja, man ist nicht so kleinlich, um vor einem großen Unternehmen zurückzubeben!«


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