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Ein Tag verlief nach dem andern. Die Ruhe kehrte allmählig in Esmeralda's Seele zurück. Uebermaß des Schmerzes und Uebermaß der Freude dauern nur kurze Zeit. Alle Extreme widerstreiten dem menschlichen Herzen. Das arme Mädchen hatte so viel gelitten, daß sie selbst nur mit Staunen daran denken konnte. Mit der Sicherheit war die Hoffnung in ihr Herz zurückgekehrt. Sie war von der menschlichen Gesellschaft, vom Leben ausgestoßen, aber sie hatte ein unbestimmtes Gefühl, daß ihre Rückkehr in diese nicht unmöglich sei. Sie glich einer Todten, die in ihrem Sarge den Schlüssel der Auferstehung hat.
Nach und nach wichen alle die furchtbaren Bilder von ihr, welche sie so lange umgeben hatten: Pierrat Torterue, Jakob Charmolue, selbst der Priester. Alle diese Schreckgestalten traten in ihrem Geiste in den Hintergrund, und Phöbus, ihr Phöbus lebte! Sie wußte es gewiß, sie hatte ihn mit eigenen Augen gesehen. Phöbus Leben war ihr eigenes, war ihr Alles. Nachdem sie in ihrem Elende Alles verloren hatte, war ihr nur Eines geblieben, was ihren sinkenden Geist aufrecht hielt: die Liebe für den Geliebten ihres Herzens. Die Liebe ist ein Baum, sie wurzelt tief in unserem Inneren und stirbt nicht ab, bis das Herz in Trümmer fällt. Und, wunderbar, je blinder die Liebe ist, je weniger sie sich selbst Rechenschaft über ihre Leidenschaft geben kann, um so fester hält sie.
Esmeralda dachte nicht ohne bittere Gefühle an ihren Phöbus. Er hatte sich allerdings täuschen lassen, aber wie konnte er es nur für möglich halten, wie konnte er glauben, daß ein Dolchstich von der kommen sollte, die tausend Leben für ihn hingegeben hätte? Aber freilich hatte sie ja ihr Verbrechen selbst gestanden, sie hatte sich auf der Folter als seine Mörderin bekannt. Sie hätte sich lieber Glied um Glied entreißen lassen sollen, als dieses Wort. Die ganze Schuld lag demnach an ihr. Konnte sie ihren Phöbus nur ein einziges Mal, nur eine Minute lang sehen, so würde es bloß eines Blicks, eines Wortes aus ihrem Munde bedürfen, um ihn zu enttäuschen und in ihre Arme zurückzuführen. Sie zweifelte nicht daran, daß ihr dies gelingen würde. Sie machte sich noch allerlei andere Gedanken: Wie kam Phöbus gerade an jenem unseligen Morgen auf diesen Balkon? Wer war das junge Mädchen, das neben ihm stand? Ohne Zweifel seine Schwester, überredete sie sich, weil sie glauben wollte und mußte, daß Phöbus sie immer noch und nur sie allein liebe. Er hatte es ihr ja geschworen, und was bedurfte ihre leichtgläubige Unschuld weiter Zeugniß? Sie wartete also und hoffte.
Wenn das Andenken an Phöbus ihr einige Zeit übrig ließ, dachte sie bisweilen an Quasimodo. Der Zwerg war das einzige Band, das sie noch mit Menschen, mit lebenden Wesen verknüpfte. Die Unglückliche war noch mehr von der Welt ausgestoßen, als der bucklige Glöckner der Liebfrauenkirche. Sie begriff das Wesen des seltsamen Freundes nicht, den ihr der Zufall gegeben hatte. Oft warf sie sich ihren Mangel an Dankbarkeit vor, aber sie konnte sich nicht an seine Mißgestalt gewöhnen, er war allzu häßlich.
Sie hatte das Pfeifchen, das er ihr gegeben, am Boden liegen lassen, ohne jemals Gebrauch davon zu machen. Gleichwohl kam Quasimodo in den ersten Tagen von Zeit zu Zeit ungerufen. Sie gab sich alle Mühe, ihren Widerwillen und Ekel zu verbergen, wenn er ihr den Korb mit Lebensmitteln oder den Wasserkrug brachte; aber es entging ihm keine ihrer Bewegungen, und dann entfernte er sich traurig,
Einmal kam er, als sie gerade Djali liebkoste. Er sah einen Augenblick der reizenden Gruppe gedankenvoll zu, schüttelte dann seinen dicken Kopf und sagte: »Mein Unglück ist, daß ich noch zu sehr dem Menschen gleiche. Ich möchte ganz Thier sein, wie diese Ziege.«
Esmeralda sah ihn verwundert an.
»Oh! ich weiß wohl warum,« sagte der Zwerg und ging.
Ein andermal kam er unter die Thüre ihrer Zelle (in welche er niemals hineinging), als gerade Esmeralda eine alte spanische Ballade sang, deren Worte sie zwar nicht verstand, die aber in ihrem Ohre geblieben war, weil die Zigeunerinnen sie ihr von Jugend auf beigebracht hatten. Beim Anblick des häßlichen Zwergs, der sie so plötzlich überraschte, unterbrach Esmeralda den Gesang mit einer Geberde unwillkürlichen Abscheu's. Quasimodo fiel auf die Kniee nieder und faltete mit einem bittenden Blicke seine plumpen unförmlichen Hände.
»Oh!« sagte er schmerzlich, »jage mich nicht fort und singe weiter.«
Sie wollte ihn nicht betrüben und begann, obwohl zitternd, aufs Neue ihre Romanze. Nach und nach verschwand ihr Schrecken, und sie gab sich ganz dem Eindruck der melancholischen Weise hin, welche sie sang. Der Zwerg blieb die ganze Zeit über, wie im Gebet, mit gefalteten Händen auf den Knieen liegen, aufmerksam, kaum athmend, den Blick fest auf ihre Augen gerichtet. Man hätte glauben sollen, daß er ihren Gesang mit den Augen höre.
Ein andermal kam er zu ihr mit einem linkischen und schüchternen Wesen. »Höre,« sprach er, »ich habe Dir etwas zu sagen.«
Esmeralda gab ihm ein Zeichen, daß sie höre. Jetzt seufzte der Zwerg, öffnete seine Lippen, wollte reden und konnte nicht; sah ihr in's Gesicht, machte eine verneinende Bewegung des Hauptes, legte die Stirne in die Hand und entfernte sich langsam. Das Zigeunermädchen sah ihm verwundert nach, sie begriff ihn nicht.
Eines Morgens blickte Esmeralda von der Galerie auf den Platz hinab. Quasimodo stand hinter ihr; er pflegte sich so zu stellen, um ihr so viel als möglich den Anblick seiner häßlichen Gestalt zu ersparen. Plötzlich zitterte das Mädchen, ihre Augen blitzten, sie breitete die Arme gegen den Platz aus und schrie: »Phöbus! komm, komm! Ein Wort, nur ein einziges Wort, im Namen des Himmels! Phöbus! Phöbus!« Ihre Stimme, ihr Gesicht, ihre Geberden, Alles an ihr hatte den herzzerreißenden Ausdruck eines Schiffbrüchigen, der ein am fernen Horizont im Strahl der Sonne vorüberfliegendes Schiff um Hülfe anruft.
Quasimodo blickte auf den Platz hinab und sah, daß der Gegenstand dieser wahnsinnigen Zärtlichkeit ein junger Ritter war, der in glänzender Rüstung über den Platz ritt, sein Pferd bäumen ließ und die Lanze gegen eine schöne Dame senkte, die ihm vom Balkon herab freundlich zulächelte. Der Ritter war allzu entfernt, um die Stimme der Unglücklichen zu hören.
Quasimodo verstand nur allzugut, was ihre Geberden sagten. Ein tiefer Seufzer entstieg seiner Brust, er wendete das Gesicht ab; sein Herz war angeschwollen von allen den Thränen, die er verschlang. Er griff mit beiden Fäusten krampfhaft auf den Kopf, und als er sie zurückzog, hatte er in jeder eine Handvoll borstiger Haare,
Esmeralda gab im Geringsten nicht auf ihn Acht. Er grinste mit den Zähnen und sagte leise: »Verflucht sei ich auf ewig! So also muß der Mensch gemacht sein, nur schön von außen.«
In diesem Augenblicke schrie Esmeralda in furchtbarer Aufregung: »Er steigt vom Pferde! Er geht in dieses Haus! Phöbus! Phöbus! Er hört mich nicht!«
Der Taube betrachtete sie, er verstand ihre Pantomime. Sein Auge füllte sich mit Thränen, aber er hielt sie gewaltsam zurück. Jetzt faßte er das Mädchen sanft am Aermel. Sie wendete sich um. Er hatte ein ruhiges Wesen angenommen und sagte: »Soll ich ihn Dir holen?«
Esmeralda stieß einen Freudenschrei aus: »Oh! geh, eile, laufe, hole ihn, diesen Ritter! Ich will Dich lieben!«
Mit diesen Worten umfaßte sie seine Kniee. Der Zwerg schüttelte schmerzlich sein Haupt,
»Ich will ihn Dir holen,« sagte er mit schwacher Stimme und stürzte mit großen Schritten der Pforte zu. Als er eilends die Stufen der Treppe hinabstieg, seufzte er, fast zum Ersticken, aus tiefer Brust.
Als er auf den Platz hinabkam, sah er nur noch das Pferd, das an der Pforte des Hauses Gondelaurier angebunden war. Der Reiter war hineingegangen.
Er hob seinen Blick zum Thurm der Kirche empor. Esmeralda stand noch immer auf dem nämlichen Platze in der nämlichen Stellung. Er machte ihr ein trauriges Zeichen mit dem Kopfe und drückte sich dann an eine der Säulen, um hier zu warten, bis Phöbus herauskomme.
Im Hause Gondelaurier war einer jener Festtage, die der Hochzeit vorauszugehen pflegen. Quasimodo sah viele Leute hineingehen, Niemand kam heraus. Von Zeit zu Zeit blickte er nach dem Thurme. Esmeralda war eben so unbeweglich auf dem Platze als er. Ein Reitknecht band das Pferd los und führte es in den Stall,
So verging der ganze lange Tag, Quasimodo an der Säule, Esmeralda auf dem Thurme, Phöbus ohne Zweifel in den Armen seiner Braut.
Die Nacht kam, finster, ohne einen leuchtenden Stern. Quasimodo blickte nach dem Thurme; er sah nur noch den Schimmer eines weißen Gewandes, dann nichts mehr; Alles verschwand in der allgemeinen Dunkelheit.
Alle Fenster des Hauses Gondelaurier beleuchteten sich, Quasimodo blieb auf seinem Posten. Er sah die Lichter in den Häusern umher, eines nach dem andern, anzünden, er sah sie nach und nach bis auf das letzte erlöschen, und wich nicht von der Säule. Nur das Haus Gondelaurier war noch beleuchtet. Mitternacht war vorüber. Quasimodo stand und harrte des Ritters.
Gegen ein Uhr Morgens fingen die Gäste an sich zu entfernen. Quasimodo, hinter der Säule verborgen, sah sie im Schein der Fackeln vorübergehen. Keiner von ihnen war der Ritter.
Der Zwerg war voll düsterer Gedanken. Von Zeit zu Zeit hob er den Kopf in die Luft, wie Leute pflegen, welche Langeweile haben. Da sah er plötzlich die Thüre des Balkons über seinem Haupte sich öffnen. Zwei Menschen traten leise heraus, ein Mann und ein Weib. Quasimodo erkannte in ihnen den Ritter und die junge Dame, die ihn am Morgen vom Balkon gegrüßt hatte. Der Zwerg konnte leicht sehen, daß hier eine verliebte Zusammenkunft stattfand. Er sah ihr mit bitteren Gefühlen zu und fluchte im Herzen seiner Mißgestalt.
Die Scene auf dem Balkon wurde immer zärtlicher und belebter, Die junge Dame schien einen schweren Kampf nur noch schwach zu kämpfen, da öffnete sich plötzlich die Thüre und eine alte Dame trat auf den Balkon. Das liebende Paar war sehr verlegen, die Mutter schwieg weislich, und alle drei kehrten in das Zimmer zurück.
Bald darauf ließ sich der Hufschlag eines Rosses hören, und Phöbus ritt schnell an Quasimodo vorüber. Der Zwerg lief ihm nach und schrie: »Heda! Herr Ritter!«
Der Ritter hielt an: »Was willst Du, Schuft?« fragte er und betrachtete verwundert die zwerghafte Gestalt, die im Schatten der Nacht vor ihm stand.
Quasimodo griff in den Zügel des Rosses und sagte: »Folgt mir, Herr Ritter, es will hier Jemand mit Euch reden.«
»Kreuz und Donner!« fluchte der Hauptmann, »ich habe, glaube ich, diese Nachteule schon irgendwo gesehen. Holla! Meister Isegrimm! Laßt mein Pferd los!«
»Ihr fragt mich, wer Euch sprechen wolle?« fragte der Taube.
»Laß mein Pferd los,« wiederholte der Hauptmann ungeduldig.
Quasimodo, der seinen Widerstand nicht begreifen konnte, rief ihm zu: »Kommt nur, Herr Ritter, ein Mädchen wartet auf Euch, ein Mädchen, das Euch liebt,« fügte er mit Anstrengung hinzu.
»Wenn ich zu allen Mädchen müßte, die mich lieben, hätte ich viel zu thun. Und wenn sie vollends Dir gliche, Du Nachteule! Sage der, die Dich geschickt hat, daß ich mich jetzt heirathe, und daß sie zu allen Teufeln gehen könne.«
»Hört,« schrie Quastmodo, der mit einem einzigen Worte seinen Widerstand zu besiegen hoffte, »hört, Herr Ritter, es ist die Zigeunerin, die mich sendet,«
Dieses Wort machte zwar einen großen Eindruck auf Phöbus, aber nicht denjenigen, den der Taube gewünscht hatte. Der Leser wird sich erinnern, daß Phöbus einige Augenblicke zuvor, ehe Quasimodo die Verurtheilte aus den Händen der Henker befreite, mit Fleur-de-Lys vom Balkon verschwunden war. Seitdem hatte er sich, bei allen seinen Besuchen im Hause Gondelaurier, wohl gehütet, von der Zigeunerin zu reden, deren Andenken ihm überdies peinlich war; Fleur-de-Lys ihrerseits hielt es nicht für klug, ihm zu sagen, daß die Aegypterin noch lebe. Phöbus hielt demnach die arme Similar für todt und längst begraben. Mitternacht war vorüber, die Nacht dunkel, der Liebesbote glich einem mißgestalteten Teufel aus der Hölle, die Straße war einsam, wie an dem Abend, wo ihm der Knecht Ruprecht erschienen war, sein Pferd schnaubte und zitterte beim Anblicke Quasimodo's: das ging nicht mit rechten Dingen zu.
»Die Zigeunerin!« schrie Phöbus bestürzt. »Kommst Du denn aus der andern Welt?«
Mit diesen Worten legte er die Hand an den Griff seines Schwertes.
»Geschwind, geschwind!« sagte der Taube, der ihn nicht verstand, und zog das Pferd am Zügel.
Der Hauptmann stieß ihn mit der Spitze seines Fußes auf die Brust. Das Auge des Zwergs funkelte, er war im Begriff, sich auf den Ritter zu werfen. Doch faßte er sich schnell, ließ den Zügel los und sagte: »Du weißt nicht, wie glücklich Du bist, daß Dich Jemand liebt!«
Phöbus gab dem Pferd beide Sporen, der Zwerg sah ihm nach und sagte: »Wie ist es möglich, hier nicht zu kommen?«
Quasimodo kehrte in die Kirche zurück, zündete seine Lampe an und stieg die Thurmtreppe hinauf. Er fand Esmeralda noch immer am nämlichen Platze. Sobald sie ihn sah, sprang sie ihm entgegen.
»Allein! Allein!« rief sie mit schmerzlich gerungenen Händen.
»Ich konnte ihn nicht auffinden,« sagte der Zwerg.
»Du hättest die ganze Nacht auf ihn warten sollen,« erwiederte sie ihm zornig.
Der Zwerg sah ihre zornige Geberde und schloß daraus auf den Vorwurf, den sie ihm machte.
»Ich will mir ein anderes Mal mehr Mühe geben,« antwortete er mit niedergeschlagenen Blicken.
»Fort!« rief sie ihm gebieterisch zu.
Er verließ sie. Lieber wollte er ihren Zorn über sich ergehen lassen, als sie betrüben. Er trug seinen Schmerz für sich allein.
Von diesem Tage an sah ihn Esmeralda nicht mehr; er kam nimmer in ihre Zelle. Bisweilen erblickte sie auf dem Gipfel eines Thurmes das traurige Angesicht des Zwergs, das melancholisch auf sie gerichtet war. Sobald sie ihn gewahr wurde, verschwand er.
Sie sah ihn nicht mehr, aber sie fühlte die Gegenwart eines guten Geistes um sich her. Während sie schlief, trug ihr eine unsichtbare Hand ihre Lebensmittel zu. Eines Morgens stand ein Vogelkäfig vor ihrem Fenster. Auf dem Thurme oberhalb ihrer Zelle war eine in Stein ausgehauene Mißgestalt, die ihr Furcht einflößte. Sie hatte dies in des Zwergs Gegenwart geäußert. Eines Morgens war sie verschwunden, die unsichtbare Hand hatte sie zertrümmert. Man konnte nur mit Lebensgefahr zu dieser Bildsäule hinaufsteigen.
Bisweilen, in stiller Nacht, hörte sie, vom Glockenthurm, eine Stimme, die in seltsam trauriger Weise ein Lied sang. Es waren keine Verse, sondern abgerissene Gedanken:
Sieh nicht die Gestalt an,
Blicke auf das Herz, junges Mädchen!
In dem schönen Körper des jungen Mannes wohnt kein Herz,
Er hat einen Leib, aber keine Seele.
Junges Mädchen, die Tanne ist nicht schön,
Die Tanne ist nicht schön, wie die Pappel,
Aber ihr Laub ist grün im Winter.
Sterbe, wer nicht schön ist!
Das Schöne kehrt sich dem Schönen zu;
Der Mai hat nichts mit dem Januar zu schaffen.
Die Schönheit ist vollkommen,
Die Schönheit darf Alles.
Wehe der häßlichen Gestalt!
Der Rabe fliegt nur bei Tag,
Die Nachteule nur bei Nacht,
Der Schwan fliegt Tag und Nacht.
Eines Morgens fand sie bei ihrem Erwachen auf der Fensteröffnung zwei Gefäße mit Blumen. Das eine Gefäß war von glänzendem Krystall, aber durchlöchert. Das Wasser war ausgelaufen und die Blumen verwelkt. Das andere Gefäß war ein steinerner Krug, plump und gemein, aber er hatte das Wasser gehalten, und die Blumen darin waren frisch und blühend.
Verstand Esmeralda den Sinn dieser Allegorie, oder nicht, that sie es absichtlich oder zufällig, kurz sie nahm den verwelkten Strauß und trug ihn den ganzen Tag an ihrem Busen. An diesem Tage schwieg die Stimme des Sängers auf dem Thurme.
Das Zigeunermädchen kümmerte sich wenig darum. Sie brachte einen Tag wie den andern hin: sie liebkoste ihre Ziege, sah fleißig nach dem Hause Gondelaurier hinab, dachte an Phöbus und warf den Schwalben auf dem Thurme Brodkrumen hin.
Der arme Zwerg war verschwunden. Sie sah und hörte nichts von ihm. Nachts wachte sie einmal auf und hörte vor ihrer Zelle seufzen. Bestürzt stand sie auf und sah bei dem Schein des Mondes eine unförmliche Masse vor der Thüre ihrer Zelle ausgestreckt: es war Quastmodo, der sich hier auf dem harten Stein gebettet hatte.