Rudolf Huch
Wilhelm Brinkmeyers Abenteuer
Rudolf Huch

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Vorbemerkung

Um den Leser tunlichst vor Enttäuschungen zu bewahren, sei vorweg bemerkt, daß Brinkmeyer seine Erinnerungen nicht zu Ende geschrieben hat. Es ist nicht seine Schuld. Eine vis major hat ihn gehindert, die auch der strengste Gerichtshof als eine ausreichende Entschuldigung muß gelten lassen.

Nicht allein das ist zu beklagen, daß der Schluß fehlt. Brinkmeyer hat auch in einer Hast geschrieben, als ob er geahnt hätte (was nicht der Fall war), daß er sich beeilen müsse. Dermaßen zwar, daß er vielfach auch nicht einmal flüchtig übergelesen haben kann, was er geschrieben hat. Auch mangelt es an jeglicher Feile. Der Leser wird das selbst bemerken. Abgesehen von allem andern hätte es Brinkmeyer bei einem auch nur ganz oberflächlichen Durchlesen kaum entgehen können, daß seine Erzählung ihren Zweck nicht wohl erfüllen kann.

Der Herausgeber war im Zweifel, ob es nicht seine Aufgabe sei, das schuldlos Versäumte nachzuholen. Allein er kam zu dem Schlusse, daß er nicht weiter schreiben könne, wo Brinkmeyer 6 aufgehört hat; geschweige denn, daß er es unternehmen dürfe, ihn zu verbessern.

So muß es dem Leser überlassen bleiben, bei sich zu mildern, was ihn abstößt, auszugleichen, was ihm widerspruchsvoll erscheint, zu bezweifeln, was er nicht glauben mag, und sich zurechtzulegen, was sich nach seinem Dafürhalten anders zugetragen hat.

Für den Kundigen wird ein gewisser Reiz in der Beobachtung liegen, wie Brinkmeyer bestrebt ist, sich von den leider etwas zahlreichen dunklen Flecken seiner Vergangenheit rein zu waschen, wie er bisweilen ein Vergnügen am Aufschneiden als solchem verrät und wie ihn dann doch wieder an manchen Stellen die Erinnerung fortreißt, daß er Begebenheiten schlecht und recht erzählt, wie sie gewesen sein mögen.

Daß die Weltanschauung Brinkmeyers etwas Verworrenes hat und wie das zu erklären sein mag, kann sich der Leser selbst sagen.

Es sei erwähnt, daß der Titel des Manuskriptes nicht Abenteuer, sondern Lebenserinnerungen lautete. Die Aenderung geschah, weil die Erzählung da abbricht, wo die Lebenswogen sich beruhigen und es mit den mehr interessanten als erfreulichen Abenteuern ein Ende hat.

Der Leser wird zuweilen das Gefühl haben, es sei etwas verloren gegangen. Das ist nicht der Fall. Brinkmeyer hat Seite auf Seite nach der Ordnung mit Nummern versehen und in einem Flusse fortgeschrieben. Es ist nirgends eine Lücke.

7 Ob an jenen Stellen in der Zerstreutheit des Alters versehentlich über einen Zeitabschnitt hingegangen ist, oder ob eine Absicht dahinter steckt, die Frage zu beantworten, sei dem Urteil des Einzelnen überlassen.

Schließlich sei der Leser zu allem Ueberflusse noch ausdrücklich daran erinnert, daß Brinkmeyer kein Stilist und überhaupt kein Schriftsteller war. Nichts hat ihm ferner gelegen als Rücksicht auf irgend welche ästhetischen Anforderungen, wie zum Beispiel auf Einheitlichkeit der Stimmung. Er hat geschrieben, wie es ihm seine Erinnerungen oder seine Phantasie eingaben, und hat sich wohl auch oft genug von jenem Imponderabile beeinflussen lassen, das wir die Laune des Tages nennen.

Vielleicht gewinnt der Bericht an Lebendigkeit, was ihm an ästhetischen Qualitäten abgeht: Das Leben ist, weiß Gott, auch nicht immer in derselben Stimmung.

Zu beklagen ist wohl im Gegenteil, daß Brinkmeyer immer wieder geglaubt hat, er müsse uns literarisch kommen. Da wird denn traurig offenbar, wie übel es mit ihm gerade in dieser Hinsicht bestellt ist; seine poetischen Anwandlungen sind ungenießbar. Leider durfte auch hier nichts geändert werden. Es ist gar zu bezeichnend für diesen Absonderlichen, wie er aus seinem natürlichen Tone in eine ganz unmögliche Rhetorik fällt, oder auch in eine nicht minder unmögliche Lyrik, wenn ihm seine Erinnerungen unbequem werden. 8


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