Felix Hollaender
Das Schiff der Abenteuer
Felix Hollaender

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25

Es mußte sehr spät sein, als Toni mitten in der Nacht aus unruhigen Träumen erwachte. Sie drehte das Licht an; ihr erster Blick fiel auf Camillas Lager, das unberührt war. Sie griff nach ihrer Uhr: »Halb eins«, murmelte sie, und ihre Züge wurden leidensverzerrt. Sie erhob sich.

Durch die geöffnete Luke sah sie in den gestirnten Himmel.

Die »Orinoco« glitt sanft und ruhig dahin, als ginge die Fahrt über ein kleines, stehendes Wasser.

Wo steckt sie denn jetzt noch? fragte sie sich im stillen, während eine jämmerliche Unruhe von ihr Besitz nahm.

Wieder ging sie in ihr Bett und lag eine Weile mit weit geöffneten Augen da. Das Licht ließ sie brennen.

Sie horchte angespannt, glaubte aus der Ferne Laute zu vernehmen und dazwischen gedämpfte Klänge der Musik.

Vielleicht tanzen sie noch, aber dann wurde es wieder totenstill.

233 Sie öffnete vorsichtig die Kabine; in den Korridoren brannten die elektrischen Flammen, aber von Menschen war nirgends eine Spur.

Nur mit dem Nachthemd bekleidet, stand sie zwischen Tür und Angel und lauschte wieder mit verhaltenem Atem . . . Nein, es war weder Tanz noch Musik . . . nichts rührte – nichts regte sich.

Sie begann zu frösteln, schloß kaum hörbar die Kabine und setzte sich mit gekrümmtem Rücken an den Rand ihres Bettes. In dieser Stellung verharrte sie und stierte vor sich hin. Ihre Züge wurden immer blasser und durchsichtiger; die blauen Stirnadern traten immer deutlicher hervor.

Und auf einmal spürte sie, wie von ihren Füßen eisige Kälte bis zu ihrem Herzen kroch, wie es in ihrem Hirn leer wurde.

»Um Gotteswillen«, stieß sie hervor, während sie sich mühsam zum Waschtisch schleppte, den starken Geruch des Lavendelsalzes einsog und Stirn und Schläfen mit kaltem Wasser wusch.

Dann zog sie die Bettdecke über sich und fühlte, wie das Blut in ihrem Körper wieder zu kreisen begann. Aber ihr Herz schlug laut und unruhig, ihre Pulse hämmerten vernehmbar.

Sobald sie ein Geräusch oder Schritte zu hören vermeinte, fuhr sie in ihren Kissen auf und duckte sich wie ein zum Sprung bereites Tier.

Und jetzt bekam ihr Gesicht einen todesstarren Ausdruck; sie wußte untrüglich, daß Camilla in dieser Sekunde, halb entkleidet, auf den Fußspitzen heranschlich.

234 Ihr Ohr hatte sie nicht getäuscht. Leise und behutsam wurde die Tür geöffnet.

Die Schwestern sahen sich stumm an. Dann schienen sich Tonis Augen zu weiten, klarer, durchdringender, heller zu werden, schienen mit übermenschlichen, geheimnisvollen Kräften das Innere der Schwester aufzureißen und zu entblößen.

Diesen Blick vermochte Camilla nicht zu ertragen. Wie unter einem Zwange schlossen sich ihre Lider; die losen Kleider fielen zu Boden.

Und plötzlich standen sie Leib an Leib gedrückt, den Geruch ihrer Körper einatmend, sich gegenüber.

Und ohne daß Camilla sich wehrte, oder auch nur den Versuch eines Widerstandes machte, spie Toni sie an, um gleich darauf mit erbarmungslosen Fäusten ihr unaufhörlich ins Gesicht zu schlagen.

»Du Bestie . . . Du infame Bestie . . .!«

Dann wurde es vor ihren Augen dunkler. Sie wußte nicht mehr, was sie tat, als sie die Schwester an der Kehle zu packen und zu würgen begann.

»Toni . . . Toni . . . ich ersticke . . .«, wimmerte Camilla und suchte jetzt mit äußerster Anstrengung sich zu befreien. Es gelang ihr nicht.

Die Hände der Schwester, die wie eiserne Klammern ihren weichen, runden Hals umschlossen, ließen nicht locker.

Sie fühlte das Ende. Da, mit einem Male, spreizten sich ihre Finger und zerrten und rissen an Tonis Haaren mit jener furchtbaren Kraft, derer ein Mensch nur in der Angst des Todes fähig ist.

235 Toni ließ nach. Aber auch ihre Nägel und Hände rasten mit gleicher Stärke durch Camillas Haar.

So schleiften sie sich in dem engen Raum, nach Luft ringend, von einem Winkel in den anderen, bis beide, ganze Büschel in den Händen, wie auf ein Signal innehielten und Toni auf dem schmalen Sofa zusammenbrach.

Sie barg ihr Gesicht in den Händen und weinte plötzlich auf eine beängstigende Art.

Die andere stand zur Seite, die Augen gesenkt und rührte sich nicht.

Endlich raffte sie ihre Kleider zusammen und stahl sich lautlos aus der Kabine.

 


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