Felix Hollaender
Das Schiff der Abenteuer
Felix Hollaender

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Camilla war auf der Suche nach der Schwester dem Großindustriellen in die Arme gelaufen.

»Sehen Sie, so habe ich es gern! ›Komm den Männern zart entgegen, du gewinnst sie auf mein Wort‹, heißt es, wenn ich mir die kleine Variante gestatten darf. Ach, mein Fräulein, haben Sie denn keine Einsicht? Das Leben ist so kurz – und es ist schade um jede verlorene Stunde.«

150 »Jedes Ihrer Worte ist in die Luft gesprochen!«

»Jedes meiner Worte ist ein Samenkorn, das zur rechten Stunde aufgehen wird – glauben Sie ernstlich, daß Sie durch Ihre törichten Einwände mich abschrecken können? Wie stellen Sie sich eigentlich Ihre Zukunft vor? Wollen Sie bis an das Ende Ihrer Tage im Laden sitzen und die dicken Damen des Berliner Westens anziehen? Um etwas Einsicht und Vernunft wird gebeten: Ich versichere Sie mit einer Summe, die so groß ist, daß Sie für die nächsten fünfzig Jahre ausgesorgt haben – und weiter, mein gnädiges Fräulein, ich habe die freiesten Anschauungen, wenn ich eine Frau liebe, ist mir ihre Vergangenheit gleichgültig – ich halte mich lediglich an die Gegenwart. Mit der nehme ich es allerdings verdammt ernst – irgendwelche kleine Zwischenvergnügungen dulde ich nicht!«

»Sie sind der unverschämteste Mensch . . .«

»Meine Gnädige, das sind Redensarten, mit denen ich nichts anzufangen vermag! Das Leben ist eine zu erbärmliche Angelegenheit, als daß man es sich durch voreilige Entschlüsse noch mehr verekeln sollte. Einem Manne von meinen Erfahrungen sollten Sie Glauben schenken. Wirklich – lachen Sie nicht!«

Camilla fing nachgerade an, diese Unterhaltung komisch zu nehmen.

»Woraus schließen Sie, daß ich Ihnen auch nur die leiseste Neigung entgegenbringe?«

»Soweit gehen meine Forderungen nicht. Die Neigung habe ich – und alles Weitere dürfen Sie getrost mir überlassen. Es gibt keine Frau, die ich 151 nicht besessen hätte, sobald der Entschluß des Besitzergreifens einmal in mir reif geworden war.«

»Ich glaube, Sie sind übergeschnappt – Sie bilden sich also ein – Sie könnten mich kaufen!«

»Jede Ware ist käuflich – es kommt nur auf den Preis an«, erwiderte er mit sehr ernster Miene. »Und indem man vor keiner noch so hohen Ziffer zurückschreckt, beweist man die Stärke seines Gefühls.«

»Es gibt noch Dinge auf Erden, die unverkäuflich sind – unverkäuflich selbst für Rockefeller und Mister Cahn in Neuyork. Oder versuchen Sie einmal, die Sonne zu erstehen – die Gestirne von ihrer Stelle zu rücken, das Meer nach Elberfeld zu tragen oder die Höhenluft des Himalaya nach Berlin zu bringen!«

»Sehr witzig, sehr gescheit! Ich muß doch einen ausgezeichneten Instinkt besitzen, daß ich meine Aufmerksamkeit gerade auf Sie gerichtet habe. Ich traue Ihnen allerhand Begabungen zu, die nicht auf der Oberfläche der Erscheinungen zu entdecken sind – mit denen . . .«

»Ersparen Sie sich gefälligst alle weiteren Ausführlichkeiten. Neugierde gehört nicht zu meinen Lastern!«

»Sind Sie ein bißchen lasterhaft?«

Sie warf den Kopf zurück.

»Im Ernste, wofür halten Sie mich, daß Sie einen derartigen Ton riskieren?«

»Ich halte Sie für das scharmanteste Wesen! Ich traue Ihnen soviel zu, daß ich an die nackte Wirklichkeit gar nicht denken darf, wenn mir nicht schwindlig 152 werden soll. Fräulein Camilla, welchen Reingewinn wirft Ihr Unternehmen ab?«

Sie lachte über die abrupte Frage hell auf.

»Ich werde mich hüten, Ihnen unsere Bilanz zu verraten.«

»Nun, es ist ein Unterschied, ob man dreißigtausend im Jahr verdient – oder hunderttausend ausgeben darf! Wir würden zusammen die wunderbarsten Reisen machen – und gerade der Umstand, daß ich infolge meiner Geschäfte und gesellschaftlichen Beziehungen nicht dauernd in Berlin sein könnte, würde jedes neue Wiedersehen um so reizvoller gestalten. In den meisten Ehen rührt das Elend daher, daß die Menschen wie die Kletten zusammenhängen!«

»An eine Heirat denken Sie also nicht?« fragte sie mit unverhohlenem Spott.

»Nein, Fräulein Camilla, davon kann keine Rede sein! Ich habe zwei verheiratete Töchter – ich habe einen erwachsenen Sohn, der noch ledig ist – ich denke nicht daran – mir meinen häuslichen Frieden stören zu lassen. Das Reizvolle einer Verbindung, wie ich sie mit Ihnen, mein Fräulein, anstrebe, liegt ja gerade in der Ungebundenheit – in dem Gelockertsein – in dem köstlichen Drum-und-Dran der illegitimen Beziehung. Ehe ist etwas so Widerwärtiges, so Eintöniges, so Abgeschmacktes, daß ich keine Lust verspüre, mir dieses Gewicht noch einmal an die Beine zu hängen.«

»Das sind die Erkenntnisse eines Philosophen – allerhand Hochachtung!«

153 »Mein Gott, zu etwas Weisheit und Lebenserfahrung muß ein Mann in meinen Jahren doch vorgedrungen sein.«

»Wie alt sind Sie eigentlich?«

»Ich bin sechsundvierzig – wünschen Sie sich zu überzeugen?« Er holte aus der Jackettasche seinen Paß.

»Bitte, mein Herr, ich glaube Ihnen auch so – und jetzt bitte ich um Entschuldigung – ich möchte mich noch umkleiden.«

Der Großindustrielle blickte ihr lange nach.

»Rassig – – rassig«, murmelte er vor sich hin. »Wie sagte Jakob zu Gott: Ich lasse dich nicht – du segnest mich denn. Nein, Fräulein Camilla, die Partie mit Ihnen ist noch nicht zu Ende gespielt!«

Stand da nicht mit einemmal, wie aus der Erde gestampft, Miß Bottchen vor ihm?!

»Das ist ein entzückendes Mädel«, sagte sie en passant, »aber seien Sie versichert, mein Herr, die Damen Wünsch gehen aufs Ganze – diesen Typ kenne ich aus dem Eff-Eff!«

»Wissen Sie von den Schwestern Wünsch etwas Näheres? Viele an Bord behaupten, daß sie die reinen Unschuldsengel sind.«

Miß Bottchen lächelte mit einem skeptischen und boshaften Ausdruck.

»Dafür möchte ich meine Hände nicht ins Feuer legen. In Fragen der Unberührtheit, sollte ich meinen, ist äußerste Vorsicht geboten!«

»Natürlich – selbstverständlich! So wörtlich habe ich es auch nicht gemeint.«

154 »Die Damen sind einem unehelichen Verhältnis entsprossen«, fügte sie ein wenig gespreizt hinzu. »Ihr Vater war, wie ich in Erfahrung gebracht habe, ein gewisser Jakob Leichtentritt, der auf der Börse einmal eine große Rolle gespielt hat – ein Spekulant von ganz großem Format, bis ihn schließlich der Sturz ereilte. Erinnern Sie sich nicht, mein Herr – es war ein aufsehenerregender Fall!«

Nein – der Großindustrielle konnte sich nicht erinnern.

»Sollten Sie sich für Fräulein Wünsch interessieren – sollten Sie gar die Absicht haben, in ernsthaft gemeinte Beziehungen zu dieser Dame zu treten, so stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.«

»Ich denke gar nicht daran«, erwiderte der Großindustrielle grob.

»Sehen Sie, eine so saftige Dummheit hätte ich Ihnen auch niemals zugetraut.«

»Haben Sie zufällig festgestellt, ob Fräulein Wünsch hier an Bord mit irgend jemand einen, wie soll ich mich ausdrücken, auffallenderen Flirt treibt?«

»Ach, mein Herr, hinter dieser Sorte Frauen ist alle Welt her – es geht von ihnen ein Geruch aus, der die Männer reizt – jeder glaubt, auf seine Kosten zu kommen.«

»Das sind Redensarten – mir kommt es auf Tatsachen an, auf nackte Tatsachen.«

»Dann empfehle ich Ihnen, Ihr Augenmerk auf Herrn Doktor Wanner zu richten!«

»Ah so . . .« es war ein sehr gedehnter Laut, mit dem der Großindustrielle sich Luft machte, »Sie 155 meinen den berühmten Herrn, der nicht nur in Medizin, sondern auch in Politik macht – Pazifist – oder am Ende gar Bolschewik ist . . .«

»Dies«, erwiderte Miß Bottchen, »entzieht sich meiner Wissenschaft. Ich habe lediglich konstatieren können, daß mehr oder minder sämtliche Damen auf Deck um dieses Menschen willen ihr bißchen Verstand verloren haben. Was wollen Sie sich überhaupt in unsolide Affären einlassen! Sie müssen standesgemäß heiraten! Sehen Sie, die Gräfin Plessen – das wäre vielleicht . . .«

»Lieber einen Strick um den Hals, als die Plessen an meiner Brust«, antwortete er entsetzt.

»Es muß ja nicht gerade die Brust sein. Es gibt ja auch getrennte Schlafzimmer!«

»Miß Bottchen, hören Sie auf, mir wird übel! Mein Interesse konzentriert sich lediglich auf Camilla Wünsch!«

 


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