Paul Heyse
Novellen in Versen
Paul Heyse

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Michelangelo Buonarotti.

(1852)

Rück mir den Sessel näher an die Glut!
Ich hab' es noth, denn mein Gebein ist alt
Und von des Winters Unbill müd' und kalt.
Leg Scheite zu, Urbino!
                                          So ist's gut! – –
Ja ja, leg Scheite zu. – Das glüht und flammt,
Giebt Glanz und Wärme, wie es uns beliebt.
Der Funken, der in uns vom Himmel stammt,
Wenn der zurück ins All des Lichts verstiebt,
Dann schrei'n wir auch: Herr, Herr, leg Scheite zu!
Und wer dann übrig bleibt, den fröstelt. –
                                                                      Du,
Geh schlafen, guter Junge! Draußen treiben
Die Flocken sausend um, und durch die Ritzen
Der Fenster weht die Nacht. – Wie? Willst du bleiben?
So komm heran; du sollst am Feuer sitzen.
Was siehst du mich mit großen Augen an,
Als stünd' ein Zeichen, fremd und wunderlich,
Mir an der Stirne?
                                Schon erquicken mich
Die muntern Flammen. An mein Herz heran
Dringt wieder Leben. Laß uns diese Nacht
Nun ganz durchwachen! Du hast manche schon 212
In sündlichern Gedanken hingebracht,
Als ich sie dir vertrauen will, mein Sohn.
Und dir allein! Dich hab' ich treu erprobt
Die zwanzig Jahr', seit ich in Dienst dich nahm,
Und habe schon in anderm Zorn und Gram
Vor dir geweint, gebetet und getobt;
Ob ich auch weiß, ihr Alle seid's nicht werth,
Daß man ein menschlich Herz zu Tage kehrt
Vor Menschenaug' und -Ohr. –
                                                    Und Eine doch,
Ja, Eine war, vor der ich ohne Scham
Vom nackten Herzen riß den Flitterkram;
Nur war ich ungeschickt in Worten noch.
Ich haus't' in Rom kaum sieben Monde lang,
Stand eines Morgens in der Arbeit Drang
In meiner Werkstatt, Trümmer um mich her
Von Julius' Grabmal, das ich nimmermehr,
Wie mir's im Sinne lag, vollenden sollte.
So knetet' ich am Mosesbild herum,
Noch aus dem Gröbsten, wie's gelingen wollte,
Und ganz versunken sah ich keinmal um.
Da hört' ich, wie mich wer bei Namen rief,
Und zornig, daß sie mich beschlichen, lief
Das Blut mir ins Gesicht. Nun, kurz und wild
Wend' ich mich um. Ein schmächtig Frauenbild
An eines Mannes Arm steht auf der Schwelle,
Und bittet beim berühmten Angelo
Um Einlaß. Eitel sind wir. Vom Gestelle
Tret' ich zurück, verneige mich, und so
Lass' ich sie zu. Sie standen lange da
Und sprachen nichts. Ich, von der Seite, sah
Mir die Gesichter an. Des Mannes Bart
War dünn und fahl, die Linien im Profil
Wohl ausgeprägt und nicht gemeiner Art,
Der Anstand vornehm, wie mir's wohlgefiel. 213
Die Frau war scheinlos, kümmerlich von Wuchs;
Doch aus dem Blau der großen Augen schlug's
Wie Meeresleuchten oft. Dann, wie der Mund
Zu reden anfing, ward voll Lieblichkeit
Ihr blaß Gesicht, das sonst zu voll und breit;
Die Nase, die nicht in der Richte stund,
Erhielt 'nen klugen Zug. Und was sie sprach,
Wie das zugleich aus Geist und Seele brach!
Ich horchte staunend. Aus dem plumpen Thon
Las sie des Marmors ganze Zukunft schon.
Der ist es, sprach sie, der den Herrn gesehn,
Und unerblindet durfte von ihm gehn.
Der sieht Euch ähnlich, Meister. Oft in Stunden
Lebend'gen Lebens habt Ihr Euch wohl auch
Dem höchsten Schöpfer innig nah empfunden.
Und stiegt Ihr dann, noch trunken von dem Hauch
Des Ew'gen, nieder in der Welt Gedränge
Und saht die goldnen Kälber, die die Menge
Mit dumpfem Sinn umtanzt, schwoll heil'ge Wuth
Auch Euch zum Herzen, um die schnöde Brut,
Der Ihr verflucht seid das Gesetz zu bringen.
Zertrümmert's nicht, und laßt den Pöbel springen
Um seine Götzen! – Und so sprach sie mehr
Und schöner noch, so kräftig, klar und hehr
Das Bild mir deutend, daß ich bei ihr stand
In Demuth vor dem Werk der eignen Hand,
Und tölpisch schwieg ich still. Zuletzt nur wagt' ich
Ein unbeholfnes Stammeln: die Figur
Sei, wie sie sei, ein einzeln Bildniß nur,
Und um sie her ordn' ich noch andre, sagt' ich. –
Und sie: Gott war bei ihm – laßt ihn für sich!
Wer dürft' es wagen, neben ihm zu stehn?
Ein andermal die Andern. Laß uns gehn!
Wir kommen wieder. – Da verließ sie mich,
Der ich mich kaum begriff, so groß und klein, 214
So weis' und albern dünkt' ich mir zu sein.
Wie ich mich dann besann, schickt' ich den Knaben,
Der mir zur Hand war, ungeduldig aus,
Um Kundschaft von dem seltnen Gast zu haben.
Mehr als die Namen bracht' er nicht nach Haus:
Marchese von Pescara, der Gemahl
Vittoria Colonna's.
                                  Seit dem Tag
War mir's, als früge jeder Meißelschlag
Bei ihren Augen an. Fast litt ich Qual;
So wühlten ihre Worte sich ein Bette
In meiner Brust und schwollen an zum Strom,
Der all mein Wesen tränkt', als ob in Rom
Ich bis auf jenen Tag gedurstet hätte.
Und sie kam wieder, wie sich's traf, zu Zwei'n,
Mit ihren Frauen, oder auch allein
Und sah mir zu und sprach. Ein jedes Blatt,
Drauf ich Figuren hingestrichelt hatt',
Jedweden Bauriß legt' ich vor sie hin,
Und sie mit feinem Finger wies darin
Auf das, was ihr zumeist gefiel; doch wo
Die Form noch klein war und verwirrt und roh,
Da schien ihr Blick zu fragen. Da, wie klar
Erkannt' ich mich, und ahnt' ich, wer sie war!
Doch, war ich recht dem Wohllaut hingegeben
Der hohen Seele, flüsterte mir zu
Ein eigensinn'ger Dämon: Blinder du!
Du könntest auch den Finger meisternd heben,
Denn dies Gesicht hat Gott verpfuscht! –
                                                                    Da schlug ich
Die Augen nieder, und im Herzen trug ich
Ein widrig zweifelhaft Gefühl. Hernach,
War sie dann fort, und hatt' ich Narr der Kunst
Mir gar verbittert all die Himmelsgunst
Der reinsten Nähe, dann zur Sühne brach 215
In Liedern aus die heft'ge Leidenschaft,
Entzückter Dank, demüth'ge Liebesbitte,
Gefühl der eignen Macht und Manneskraft,
Und ungezügelt nach Poetensitte
Schwatzt' ich mich selbst nur heißer in die Glut.
Sie schrieb mir auch. – Du, mein Urbino, weißt,
Wie ganz Italien ihre Verse preis't.
Doch war sie weiblich immer auf der Hut,
Den Sturm zu zähmen. Für mein glühend Erz
Gab sie Demanten, und ihr eigen Herz
Schien durch den klaren Schliff mit sanftem Schein.
Ich träumte mich in tollen Traum hinein
Und ward in Wort und Wünschen dreist und dreister.
Kam sie dann zu mir, hob sie halb im Ernst
Den Finger auf und drohte: Lieber Meister,
Es giebt doch eine Kunst, die du nicht lernst,
Und die dir frommte!
                                      Hätte sie's gewußt!
Wenn ich sie sah mit Augen, so verging
Der Sehnsucht Uebermuth, und zitternd hing
Das Herz mir schwebend zwischen Leid und Lust.
Und doch, bei all dem frevlen Selbstentzwei'n
Wuchs meine Künstlerschaft, daß Farb' und Stein
Mir willig dienten.
                                Doch es zehrt' an mir,
Und einen Tag entschied sich's. Nach dem Essen
Am kühlen Abend trinkend sitzen wir
Ein Dutzend Maler in der Schenke, messen
Im Zeichnen unsre Kunst, in Possen auch,
Ich unterm Schwarm ganz wider meinen Brauch.
Und Einer nimmt die Kohle, tritt zur Wand
Und zeichnet unversehns mit kecker Hand
Der Fratzen eine, wie sie Kinder pflegen
Aufs Mauerwerk zu malen an den Wegen.
Die Andern lachen. Doch die Ungestalt 216
War noch für Kinderhand zu mannigfalt.
Ich nehm' ein Kohlenstück, und ganz genau
In lahmen Linien zeichn' ich eine Frau,
Daß Alles ruft: So kann's Michele nur!
Den Andern wurmt es, daß ich's besser macht',
Und tritt zu mir, flickt mit der Kohle sacht
Noch hie und da 'nen Zug in die Figur
Und sagt: Jetzt hab' ich sie, Vittoria!
Und freilich stand im wüsten Zerrbild da
Die edle Frau, und das Gesindel schrie:
He, Michelangelo, erkennst du sie?
Und lacht' unmäßig. Doch ich schlug dem Wicht
Im ersten Ingrimm fluchend ins Gesicht;
Da ward es still. – Dann ging ich rasch von dannen.
Doch wo ich ging und stand – den Spuk zu bannen
Vermocht' ich nicht. Im Wachen und im Traum
Kam mir das Schimpfbild nach, auf jede Mauer
Warf mir's ein Teufel hin; – der Thränen kaum
Erwehrt' ich mich in meiner Scham und Trauer.

Und andern Morgens, wie ich grad in Eile
Unmuthig sinnend zur Sixtina will,
Kommt mir entgegen auf der Treppensteile
Ein Kämmerling vom Hof. Ich grüß' ihn still
Und will vorbei. Er aber hält mich fest
Und grins't so höflich, daß der letzte Rest
Von meiner Langmuth schwand. Ich frug: Was soll's?
Ei ei, erwiedert er, schon jetzt so stolz,
Und der Marchese starb erst gestern Nacht?
Nun sagt mir ehrlich, wann Ihr Hochzeit macht. –
Hochzeit? mit wem? – Verhehlt doch nicht vor mir,
Was alle Gassen Roms einander sagen.
Pescara starb – wer erbt da, wenn nicht Ihr?
Und – unbequem ist's Wittwenkleider tragen. –
So schwatzt' er, und der Ingrimm packte mich; 217
Doch zwang ich mich, schob ihn nur säuberlich
Mit einem Fußtritt fort und stieg empor.
Dort klomm ich aufs Gerüst und nahm mir vor,
Mein Deckenbild zu fördern, streckt' mich auch
Zur Arbeit hin; allein den halben Tag
Rührt' ich den Pinsel nicht und lag und lag,
Die Augen zugedrückt; des Athems Hauch
Ging keuchend aus und ein. Und so im Grau'n
Einsamen Wehs mußt' ich Gesichte schaun.
Sie selbst, Vittoria, stand im Wittwenkleid
Mir, wo ich malt' und meißelte, zur Seit',
Sah still mich an und hielt mir Blättchen vor
Und raunte meine Verse mir ins Ohr
Und sprach: Michele, war das Alles Trug?
Nein! rief's in mir, ich schrieb es warm genug,
Vernarrt genug; doch Liebe war es nicht!
Denn was ich lieben soll, das muß ich gern
Betrachten – du bist dürftig von Gesicht. –
Da funkelt' ihres Auges großer Stern,
Und Worte sprach sie reiner Melodie,
Die mir die Seele lös'ten, daß sie schrie:
Du liebst sie doch, dein unvergänglich Theil
Bedarf dies Weib zu seinem ird'schen Heil! –
Auf einmal meiner Sinne spottend stand
Das Zerrbild vor mir von der Schenkenwand,
Daß ich die Augen aufriß und empor
Zur Decke starrte. Da umschwebte mich
Die ew'ge Form, wie ich sie dort zuvor
So gut ich's konnt' mit armem Pinselstrich
In Freuden malte, und es sprach in mir:
Geselle Zeitliches nicht nah zu dir!
Sei deine Kunst dein Weib, die wird dir frommen,
Denn sie ist ganz an Seel' und Leib vollkommen.
Ring' dich heraus aus dieser Halbheit Zwist,
Und bleib' allein und bleibe was du bist! 218

Da trat es hinter mich und fiel im Nu
Wie Bergeslasten von mir, und in Ruh
Schritt ich zum Werke. So in kurzer Frist
Ward jene wackre Decke, was sie ist.
Sie wußten nicht, warum ich mich verschloß;
Nicht um den Fleiß! Es war, weil mich verdroß
Das nichtige Geschwätz der Narren drauß.
Mit Gottes Hülfe focht' ich's redlich aus.
Ich sah nichts mehr von ihr. Nur einen Tag,
Da ich noch droben auf den Brettern lag,
Bringt mir ein Bursch ein Brieflein. Mein Gesicht
War stumpf geworden von dem blöden Licht,
Darin ich malte. Lange sah ich's an,
Bis mir der Spuk zu fester Form gerann.
Zusammen schrak ich, denn es kam von ihr.
Nicht Scheltwort oder Klage schrieb sie mir,
Und doch ergriff mich's, daß ich schier verging.
Sie woll' ein Grabmal, schrieb sie, Dem errichten,
An dem ein Stück von ihrem Leben hing.
Nun rede sie mir nicht von Freundespflichten,
Denn wo sei Pflicht, wo Lieb' und Güte sei.
Doch bat sie, ihr zu Liebe möcht' ich's thun
Und ihm zu Ehren, hätt' ich Stunden frei,
Vom großen Werk beim theuern auszuruhn.
So freundlich war es Alles.
                                              Da ich's las,
Stürmt' auf mich ein, was ich mit Noth vergaß,
Und rüttelt' an der Seele. Endlich frug
Der Bursch, der harrend stand. Ich aber trug
Ihm dieses auf: Ich hätte gern geschrieben
Und käme gern zu ihr; doch sei die Rechte
Mir fast erlahmt, und hätten böse Mächte
Mit meines Leibes Kraft ihr Spiel getrieben.
Was ihren Wunsch betreffe, sei mir's leid; 219
Zu neuem Thun ermangelt' ich der Zeit.
Nicht könn' ich sagen, wann dies Werk vollbracht,
An dem ich schaffen müss' aus aller Macht.
Und somit – nun, der Bursche ging, und ich –
Wie ich allein war, weint' ich bitterlich.

Warum gedenk' ich weicher grauer Narr
Der Jugendnarrheit? Trägt der alte Nacken
Doch sonst den Druck der Tage fest und starr.
Muß es mich heut wie Weiberschwäche packen?
Allein ich seh's, so ist der Welten Lauf:
Was Jugend wünschte, hat der Greis vollauf.
Da ich noch jung war, sucht' ich Einsamkeit.
Nun hab' ich ihrer ein gehäuftes Maß;
Gott sei's geklagt! – –
                                      Du hast zur Traurigkeit
Nicht Grund, Urbino, weil ich dich vergaß.
Du bist mir Diener, Freund und lieber Sohn.
Doch – du bist jung, ich in den Siebzig schon.
Mit andern Augen sehen wir die Welt
Und hören Gott mit andern Ohren.
                                                          Nun,
Er half mir, da ich's ihm anheimgestellt,
Und gab Gedeihen meiner Hände Thun,
Und schuf daß ich in ihm mich einsam sonnte,
Daß mir der Schönheit Urbild reifen konnte.
So webend in der Form webt' ich zugleich
Im ew'gen Bildner, und aus seinem Reich
Floß mir der Frieden zu. Den wirren Stimmen,
Die hastig in dem Wind der Meinung schwimmen,
Horcht' ich nur selten, wie wohl in der Nacht
Ein Nüchterner dem Haus vorübergeht,
Draus ihm das Laster frech entgegenlacht.
Ich hielt die Lumpen ferne früh und spät.
So mit des Lebens Tollheit, Traum und Tand 220
Zerstob auch jenes Weh und hat mich nimmer
Als nur mit flücht'gem Schatten übermannt.
Doch heut am Nachmittag sitz' ich im Zimmer –
Du warst um Wein zu kaufen ausgegangen –
Und war mir wunderlich zu Sinn. Ich sann
Den manchen Dingen, so ich angefangen,
Verdrossen nach. Da klopft's. Ein eil'ger Mann
Bringt mir ein Blättlein. Ich erbrach den Brief,
Und wie der Blick die Zeilen überlief,
Stand mir der Herzschlag still. Es war die Hand,
Die ich in saubrer Feine sonst gekannt,
Und die nun wankend dieses Blatt beschrieben.
Sie lieg' am Tod, hab' allen ihren Lieben
Bereits Valet gesagt. Wenn ich noch käme,
Daß meinen Blick sie mit hinübernähme,
So scheide sie getrost.
                                        Das liebe Wort
Riß mich hinaus zu ihr. So wie ich war,
Im alten Mantel und verworrnen Haar
Und barhaupt stürmt' ich auf die Straße fort.
Der Schnee trieb ungestüm. Auf Markt und Gassen
Kein Pferd noch Maulthier, das sich miethen lassen.
Nicht lange mocht' ich suchen. Aus dem Thor
Schritt ich dahin, und an den Wangen fror
Der Tropfen ein, der von der Wimper quoll.
Im Felde packte mich des Sturmes Groll,
Der übers todte Land mit Pfeifen schnob.
Ich ging so hin, wie sinnlos; denn die Last
Des Jammers drückte mich zu Boden fast,
Und kein Gedanke kam, der mich erhob.
Nur ihren Brief sagt' ich mir leise vor,
Wenn mir die Kraft versiegte.
                                                  Doch zuletzt,
Da mich die Angst drei Stunden weit gehetzt,
Gelang' ich keuchend zu der Villa Thor. 221
Mich schauert schon, da ich es offen finde.
Nun tret' ich ein. Im Flur sitzt das Gesinde
Und weint; – da wußt' ich's! – –
                                                      Einer kannte mich,
Der weis't mich denn hinauf. Vorüber schlich
Der Arzt, der mir wohl sonst in Rom begegnet.
Er hielt mich an und schluchzte wie ein Kind.
Mein Auge war mit Thränen nicht gesegnet;
Nur bebt' ich wie ein greises Laub im Wind.
So trat ich ins Gemach.
                                          Es war voll Glanz;
Die Ampel flammte von der Kerzen Kranz.
Ich weiß, des Lichtes war ihr nie zu viel,
So lang sie lebte. Nun so schreiend fiel
Der Schein zudringlich auf der Wangen Blaß,
Ward mir der Sinn beleidigt.
                                                  Drinnen saß
Der Zofenschwarm und schluchzte widerlich,
Die Wärt'rin lief umher und rang die Hände,
Die Pagen weinten. Da besann ich mich
Nicht lang und machte dem Tumult ein Ende
Und trieb das Volk, so viel es schalt, hinaus
Und schloß die Thür. Dann, wie ich Ruh geschafft,
Löscht' ich den Ueberfluß an Kerzen aus
Und kniet' am Bette. – Kaum noch todtenhaft
Erschien sie, unverfärbt. Die Hände beide
Nahm ich in meine, und das milde Licht
Gab eines Lächelns Anschein dem Gesicht,
Als ob sie freundlich meine Nähe leide.
So lag ich lang und bat dem Bild der Todten
Im Stillen ab, was ich ihr Leids gethan.
Doch – nichts von Reue wandelte mich an.
Was ich gethan, Gott hatt' es mir geboten.
Die Hände küßt' ich ihr und drückte dann
Die heiße Stirn an ihre stille Wange – –
Genug davon! 222

                          Ich weiß es nicht, wie lange
Man so mich ließ mein Todtenfest begehn.
Dann wurd' es draußen laut. Sie pochten stark.
Ich öffnete und sah Pescara stehn,
Der Todten Schwager. Mühsam nur verbarg
Er seinen stolzen Zorn. Ich habe freilich
Ihn seltsam angesehn, daß ihm der Muth
Verging zu schelten. Und so war es gut;
Wir tauschten keinen Gruß. Ich wandelt' eilig
Hinab und in die Nacht und in den Schnee;
Mir fror das Haupt, das Herz that brennend weh.

Das Feuer sinkt zusammen. Leg dich nieder!
Auch ich will schlafen gehn, die Augenlider
Sind bleiern schwer; die Reise griff mich an.
Doch morgen stehst du zeitig auf; ich sende
Dich in der Frühe schon zum Vatican.
Dort legst du in des heil'gen Vaters Hände
Den Baucontract, wie ich ihn aufgesetzt.
Ich will Sanct Peter bau'n ohn' allen Lohn,
Allein zu meines Herrgotts Ehre, jetzt
Und immerdar. – Nun gute Nacht, mein Sohn! 223

 


 


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