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Diese Erzählung kam ebenfalls bereits im ersten Bande vor.
»Glückseliger, einsichtsvoller König, ich vernahm, daß einmal ein König einen Sohn hatte, den er liebte und vor allen andern Söhnen auszeichnete und bevorzugte. Dieser Sohn sprach eines Tages zu ihm: ›Vater, ich möchte gern eine Pürschfahrt antreten.‹ Da befahl der König ihn auszurüsten, und beauftragte einen seiner Wesire ihn zu begleiten, um ihm zu dienen und alle seine Bedürfnisse unterwegs zu erledigen. Infolgedessen besorgte der Wesir alles, was der Jüngling zur Fahrt benötigte, worauf beide mit Eunuchen, Garden und Pagen sich auf den Weg machten, bis sie zu einem grünen, gras-, weide-, wasser- und wildreichen Gelände gelangten. Hier wendete sich der Prinz an den Wesir und teilte ihm mit, daß ihm die Gegend gefiel, worauf sie daselbst mehrere Tage verweilten, während welcher Zeit der Prinz sich aufs beste vergnügte. Hierauf gab der Prinz wieder Befehl zum Aufbruch, als mit einem Male eine Gazelle, die sich von ihrer Herde getrennt hatte, an ihm vorübersprang, so daß er, von Jagdlust entflammt und voll Verlangen, sie zu erbeuten, dem Wesir zurief: ›Ich will dieser Gazelle nachsetzen.‹ Und der Wesir versetzte: ›Thu, was dir gut deucht.« Da setzte ihr der Prinz ganz allein nach und verfolgte sie den ganzen Tag über, bis die Nacht hereinbrach, worauf die Gazelle in ein rauhes, steiniges Gelände lief. Als es nun finster wurde, wollte der Prinz umkehren, doch hatte er den Weg verloren, so daß er niedergeschlagen und ohne einen Trost zu finden, die ganze Nacht über auf seinem Pferde blieb. Bei Tagesanbruch ritt er, von Furcht, Hunger und Durst gepeinigt, weiter, ohne zu wissen, wohin ihn der Weg führte, und machte nicht eher Halt, als bis er um die Mittagszeit unter glühendem Sonnenbrand in die Nähe einer Stadt mit stolzen Bauten und festen Fundamenten gelangte, die jedoch wüst und in Trümmern dalag, eine Behausung einzig für Eulen und Raben. Wie er nun bei dieser Stadt anhielt und ihre Anlage bewunderte, fiel sein Blick mit einem Male auf ein schönes und liebreizendes Mädchen, welches an einer der Mauern saß und weinte. Da näherte er sich ihr und fragte sie: »Wer bist du?« Sie antwortete: »Ich bin Bint et-Tamîme, die Tochter Et-Tijâchs, des Königs des grauen Landes. Eines Tages verließ ich das Haus, um ein Bedürfnis zu erledigen, als mich ein Ifrît von den Dschinn packte und mit mir zwischen Himmel und Erde entschwebte. Da aber fuhr ein feuriges Meteor auf ihn nieder und verbrannte ihn, während ich hier niederfiel, wo ich bereits drei Tage hungernd und dürstend saß, bis ich dich gewahrte und wieder nach dem Leben Verlangen bekam.«
Fünfhundertundzweiundachtzigste Nacht
Als der Prinz diese Worte von ihr vernahm, nahm er sie, von Mitleid erfaßt, hinter sich auf sein Roß und sagte zu ihr: »Sei guten Mutes und kühlen Auges, so mich Gott – Preis Ihm, dem Erhabenen! – zu meinem Volk und meinen Angehörigen zurückführt, will ich dich zu den Deinigen heimsenden.« Hierauf ritt der Prinz, inständig um Rettung flehend, weiter, als mit einem Male das Mädchen hinter ihm sagte: »O Prinz, laß mich doch einmal absteigen, daß ich unter jener Mauer ein Bedürfnis erledigen kann.« Da hielt er an und ließ sie absteigen, worauf er auf sie wartete, bis sie mit einem Male hinter der Mauer, hinter der sie sich versteckt hatte, mit dem abscheulichsten Gesicht wieder zum Vorschein kam. Bei ihrem Anblick erschauderte dem Prinzen die Haut, sein Verstand flog ihm fort, und sein ganzes Aussehen veränderte sich vor Grausen, während sie wieder hinter ihn aufs Pferd sprang und, widerwärtig wie nichts anzuschauen, zu ihm sagte: »O Prinz, wie kommt's, daß dein Gesicht mit einem Male so bleich geworden ist?« Er versetzte: »Mir kam etwas in den Sinn, das mich bekümmert.« – »So nimm deines Vaters Streiter und Kämpen dagegen zu Hilfe.« – »Was mich bekümmert, läßt sich nicht durch Streiter verjagen und kümmert sich nicht um Kämpen.« – »So nimm deines Vaters Geld und Schätze dawider zu Hilfe.« – »Was mich bekümmert, giebt sich weder mit Geld noch mit Schätzen zufrieden.« – »Ihr behauptet, daß ihr im Himmel einen Gott habt, der sieht, auch wenn er nicht gesehen wird, und der Macht über alle Dinge hat.« – »Jawohl, wir haben niemand als ihn.« »So bete zu ihm, vielleicht befreit er dich von mir.« Da hob der Prinz seinen Blick gen Himmel und betete aus lauterstem Herzen, indem er sprach: »O Gott, ich flehe dich an um Hilfe wider das, was mich bekümmert,« wobei er zugleich mit der Hand auf sie wies, und sofort sank sie, zu schwarzer Kohle verbrannt, zu Boden. Gott lobend und ihm dankend, ritt er nun eilig weiter, und Gott – Preis Ihm, dem Erhabenen – machte ihm den Weg leicht und führte ihn auf den rechten Pfad, daß er wieder in sein Land gelangte und wieder bei seinem Vater dem König eintraf, nachdem er bereits an seinem Leben verzweifelt hatte. Alles dies aber geschah auf Anstiften des Wesirs, der mit ihm ausgezogen war, um ihn unterwegs zu verderben; doch Gott, der Erhabene, rettete ihn.
Dies aber, o König, habe ich dir nur erzählt, damit du wissest, daß falsche Wesire ihren Königen keine lauteren und ehrbaren Ratgeber sind. Darum sei hiervor auf deiner Hut.«
Da neigte der König sein Ohr ihren Worten und befahl seinen Sohn hinzurichten. Nun aber sprach der dritte Wesir: »Heute will ich für euch einstehen gegen des Königs Zorn.« Hierauf trat er bei dem König ein, küßte die Erde vor ihm und sprach zu ihm: »O König, ich bin dein guter Berater, der besorgt um dich und dein Reich ist; und ich habe dir einen trefflichen Rat zu erteilen, daß du nämlich die Hinrichtung deines Sohnes, deines Augentrostes und der Frucht deines Herzens, nicht übereilst. Vielleicht war sein Vergehen nur ein kleiner Verstoß, welchen dieses Mädchen dir übertrieben dargestellt hat, wie mir zu Ohren kam, daß einmal die Bewohner zweier Dörfer einander um eines Honigtropfens willen vertilgten.« Da fragte ihn der König: »Wie geschah das?« Und der Wesir erzählte: